Titel:
Abschalteinrichtung, Sittenwidrigkeit, Besondere Verwerflichkeit, verfassungsmäßig berufener Vertreter, Unzulässigkeit, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Zug-um-Zug, Greifbare Anhaltspunkte, Aussetzung des Verfahrens, Gesetzesverstoß, Ermäßigung der Gerichtsgebühr, Berufungsrücknahme, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Kostenentscheidung, Sachverständigengutachten, Vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten, Außergerichtliche Rechtsverfolgung, Darlegungs- und Beweislast, Entscheidung des Berufungsgerichts, Feststellung des Annahmeverzugs
Schlagworte:
Schadensersatz, unzulässige Abschalteinrichtungen, Thermofenster, OBD-System, Beweislast, Täuschungshandlung, Schutzgesetze
Vorinstanz:
LG Coburg, Endurteil vom 10.06.2022 – 54 O 31/22
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Bamberg, Beschluss vom 03.01.2023 – 5 U 189/22
BGH Karlsruhe, Urteil vom 24.09.2024 – VIa ZR 79/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 59420
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Coburg vom 10.06.2022, Az. 54 O 31/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Der Senat beabsichtigt weiter, den Aussetzungsantrag zurückzuweisen, dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 27.035,46 € festzusetzen.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 16.12.2022.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger verlangt Schadensersatz nach dem Erwerb eines Pkws mit Dieselantrieb.
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Der Kläger erwarb am 00.07.2016 von einer Händlerin den von der Beklagten hergestellten Pkw X. zum Preis von 34.256,01 € als Neufahrzeug. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs B 47 ausgestattet und unterfällt der Abgasnorm EU 6. Ein SCR-Katalysator ist nicht verbaut. Das Fahrzeug unterliegt in Bezug auf das Emissionsverhalten keinem amtlichen Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt (KBA).
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Der Kläger behauptet, der Motor des Fahrzeugs sei mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen. Solche bestünden in Form eines Thermofensters, der unzureichenden AdBlue-Dosierung im Echtfahrbetrieb, der Funktion des Hard cycle beating, der Abschaltung der Abgasrückführung bei einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 60.000 km, der Aktivierung des Prüfstandsmodus durch das Drücken einer bestimmten Tastenkombination, einer Fahrzykluserkennung und dem Zusammenspiel von verschiedenen Fahrzyklus- bzw. Umgebungserkennungen. Außerdem sei das Fahrzeug mit einer weiteren unzulässigen Abschalteinrichtung, dem sog. „Kaltstartheizen“, ausgestattet. Zudem sei das On-Board-Diagnose-System (im Folgenden: OBD) manipuliert. Die Abschalteinrichtungen würden dauerhaft arbeiten, auch wenn die Bedingungen des NEFZ nicht eingehalten werden.
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Der Kläger hat erstinstanzlich die Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen und Deliktszinsen Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs sowie Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten begehrt.
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Die Beklagte trägt vor, dass in dem Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut seien.
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Bezüglich des Sach- und Streitstands im Übrigen und der Anträge der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 10.06.2022, mit dem das Landgericht die Klage abgewiesen hat, sowie die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
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Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Anspruch aus § 826 BGB nicht gegeben sei, da ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht vorliege bzw. die Behauptungen des Klägers zum Vorliegen von unzulässigen Abschalteinrichtungen ins Blaue hinein erfolgt seien.
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Mit seiner Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seinen Vortrag aus dem Verfahren erster Instanz und vertritt die Ansicht, das Landgericht überspanne die Substantiierungsanforderungen hinsichtlich der Behauptung der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen und verletze daher den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 24.08.2022 (Bl. 10 ff. d. A.) Bezug genommen.
- 1.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 27.035,46 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21.12.2021 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW Typ X., FIN: ….
- 2.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 7.485,64 Deliktszinsen zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW Typ X., FIN: ….
- 3.
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Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Antrag 1 genannten Fahrzeugs seit dem 21.12.2021 in Verzug befindet.
- 4.
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Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von Euro 1.728,48 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das Ersturteil. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 15.09.2022 (Bl. 228 ff. d. A.) verwiesen.
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Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien nimmt der Senat Bezug auf die Schriftsätze der Parteivertreter nebst Anlagen.
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Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht, noch die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 513 Abs. 1, § 546 ZPO).
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I. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass bei dem hier vorliegenden Kauf vom 00.07.2016 ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB, § 31 BGB nicht besteht, da die Tatbestandsvoraussetzungen eines solchen Anspruchs nicht gegeben bzw. nicht hinreichend vorgetragen sind.
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1. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten. Die besondere Verwerflichkeit kann sich zum einen aus einer evidenten Unzulässigkeit der Motorsteuerung – wie sie bspw. für den Fall der „Umschaltlogik“ im Motor EA 189 festgestellt wurde – ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2022 – VIa ZR 334/21, Rn. 22). Sie kann sich zum anderen aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, Rn. 15; Beschluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, Rn. 14; Urt. v. 13.07.2021 – VI ZR 128/20, Rn. 11; Beschluss vom 21.03.2022 – VIa ZR 334/21, Rn. 18).
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Deshalb reicht bei einer auf dem Prüfstand wie auch im Realbetrieb gleichsam wirkenden Abschalteinrichtung deren Vorhandensein für sich genommen nicht aus, um eine objektive Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten zu begründen. Es bedarf vielmehr weiterer Umstände, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger als Anspruchsteller (vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2021 aaO, Rn. 19; Urt. v. 13.07.2021 aaO, Rn. 13). Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (BGH, Urt. v. 13.07.2021 aaO, Rn. 13; BGH Urt. v. 16.9.2021 – VII ZR 321/20, Rn. 16).
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2. Nach diesen Maßstäben liegt ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht deshalb vor, weil sie den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (sog. Thermofenster) ausgestattet hat.
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Dabei kann zugunsten des Klägers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG zu qualifizieren ist. Denn bei einer auf dem Prüfstand und im Realbetrieb in Grundsatz in gleicher Weise arbeitenden Abschalteinrichtung ergibt sich die besondere Verwerflichkeit nicht bereits aus einer Evidenz der Unzulässigkeit, da eine Prüfstandsbezogenheit gerade nicht gegeben ist. Weitere Umstände, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen, beispielsweise dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, trägt der Kläger nicht hinreichend vor. Insbesondere ergeben sich aus einer etwaigen unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise des Thermofensters keine Anhaltspunkte dafür, dass für die Beklagte tätige Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Selbst wenn die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren – erforderliche – Angaben zu den Einzelheiten der Abgasrückführung unterlassen haben sollte, wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung zu prüfen (BGH, Beschluss vom 29.9.2021 – VII ZR 126/21, Rn. 20).
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Eine Haftung der Beklagten nach § 826 BGB wegen der Verwendung eines Thermofensters kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil ein besonders verwerfliches Verhalten der Beklagten vor dem Hintergrund der (zum Genehmigungszeitpunkt) unsicheren Rechtslage bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Thermofensters nicht vorgelegen hat. Eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt für die Feststellung der besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten nicht (vgl. BGH Urt. v. 16.09.2021 aaO, Rn. 31). Bereits aus der Entscheidung des EuGH (EuGH, Urteil vom 17.12.2020 – C-693/18) in Bezug auf die Unzulässigkeit eines Thermofensters lässt sich entnehmen, dass bis zu diesem Zeitpunkt eine breit geführte Diskussion um die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters geführt wurde. Auch ein Schädigungsvorsatz der Beklagten kann nicht festgestellt werden, denn allein aus der hier zu unterstellenden objektiven Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters folgt kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer (vgl. BGH aaO, Rn. 32).
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3. Vorstehendes gilt sinngemäß auch für sämtliche weitere behauptete Abschalteinrichtungen. Da der Kläger ausdrücklich vorträgt, dass sämtliche Abschalteinrichtungen dauerhaft, d. h. auch wenn die Bedingungen des NEFZ nicht gegeben sind, arbeiten würden, ergibt sich bereits aus dem eigenen Vortrag des Klägers, dass die von ihm behaupteten Abschalteinrichtungen auf dem Prüfstand und im Realbetrieb im Grundsatz in gleicher Weise arbeiten. Gleiches ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers, der ein Eingreifen der behaupteten Abschalteinrichtungen gekoppelt an Parameter behauptet, welche in der Prüfstandssituation und im Realbetrieb gleichermaßen vorkommen. Da der Kläger auch hinsichtlich dieser behaupteten Abschalteinrichtungen greifbare Anhaltspunkte, die den Schluss auf das Bewusstsein von der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei der Beklagten erlauben könnten, nicht ausreichend vorträgt und solche auch nicht sonst ersichtlich sind, ist schon ein hinreichender substantiierter Vortrag nicht gegeben.
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4. Schließlich fehlt es für das Vorhandensein sämtlicher weiterer behaupteter unzulässiger Abschalteinrichtungen an greifbaren Anhaltspunkten.
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a) Der Senat verkennt dabei nicht, dass eine unter Beweis gestellte Behauptung erst dann unbeachtlich ist, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können. Es ist einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann (BGH, Beschluss vom 28.01.2020 – VIII ZR 57/19, Rn. 7 f.; Urt. v. 13.07.2021 aaO, Rn. 20 ff.).
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b) Jedoch ist auch nach diesen Maßstäben der Sachvortrag des Klägers im vorliegenden Fall nicht hinreichend substantiiert.
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Das Landgericht hat auf der Grundlage der von der Beklagten vorgelegten Auskünfte und weiterer Anlagen festgestellt, dass das Kraftfahrtbundesamt keine unzulässige Abschalteinrichtung bei dem im streitgegenständlichen Modell verbauten Motortyp B 47 vorgefunden hat.
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Der Senat hat diese fehlerfrei getroffenen Feststellungen seiner Entscheidung zugrunde zu legen, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Berufung zeigt keine Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit oder der Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen.
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Das KBA hat für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp zudem unstreitig weder einen Rückruf noch ein verpflichtendes Softwareupdate angeordnet. Vor diesem Hintergrund reichen die vom Kläger vorgetragenen Umstände für die substantiierte Darlegung einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht aus. Die Behauptungen des Klägers zum Vorliegen von unzulässigen Abschalteinrichtungen erfolgen lediglich pauschal und ohne Bezug zum streitgegenständlichen Motor und damit ersichtlich ins Blaue hinein.
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Die für das NEFZ-Verfahren maßgeblichen Werte bei Fahrzeugen der Schadstoffklasse EU 6 sind nicht mit den im Realbetrieb auf der Straße gemessenen Werten vergleichbar, weshalb die klägerseits vorgetragenen Messwerte verschiedenster Institute bzw. Gutachter aus dem Realbetrieb nicht als Anhaltspunkt für die Richtigkeit der klägerischen Behauptungen herangezogen werden können. Sie besitzen vielmehr keinerlei Aussagekraft. Gleiches gilt für die vom Kläger zitierten bzw. vorgelegten Sachverständigengutachten, welche im Ergebnis lediglich auf das Auseinanderfallen zwischen den unter den Bedingungen des NEFZ und den im Realbetrieb gewonnenen Messwerten abstellen und/bzw. oder sich im Übrigen in Mutmaßungen erschöpfen, welche einer greifbaren Tatsachengrundlage entbehren. Eine Aussagekraft besitzen diese insbesondere auch deshalb nicht, weil sie andere Fahrzeugtypen oder Schadstoffklassen betreffen. Die vom Kläger vorgetragenen unstreitigen Rückrufe von Fahrzeugen der Beklagten betreffen ausnahmslos nicht vergleichbare Fahrzeuge, weil sie insbesondere mit abweichenden Motortypen ausgestattet waren (X. … und … jeweils mit einem Motor des Typs N 57). Darüberhinaus ist es auch nicht ersichtlich, dass die Rückrufe dieser Fahrzeuge aufgrund der für das vorliegende Fahrzeug behaupteten Funktionen erfolgten. Rückschlüsse für das klägerische Fahrzeug erlauben die Rückrufe daher nicht im Ansatz. Auch die vorgetragenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft besitzen keine Aussagekraft, da diese nicht als auf das konkrete Fahrzeug bzw. den konkreten Motortyp bezogen behauptet werden.
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5. Bei dem Vortrag bezüglich des OBD-Systems handelt es sich schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht um ein System, das den Motor steuert bzw. in dessen Systeme eingreift, sondern lediglich um ein Überwachungssystem. Im Übrigen spricht der Umstand, dass das OBD-System keine Fehlermeldung erzeugt, wenn bestimmte Abgasgrenzwerte überschritten werden, nicht zwingend für ein objektiv sittenwidriges Verhalten. Entscheidend ist, dass sämtliche behauptete Abschalteinrichtungen bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers auf dem Prüfstand und im normalen Fahrbetrieb im Grundsatz in gleicher Weise arbeiten, weshalb deren Verwendung nicht von vornherein von Arglist geprägt ist und der behaupteten Art und Weise der Verwendung des OBD-Systems kein Indizwert beigemessen werden kann (BGH, Urt. v. 28.10.2021 – III ZR 261/20, Tz. 27; Urt. v. 23.11.2021 – VI ZR 839/20, Tz. 20).
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II. Auch sonstige Schadensersatzansprüche stehen dem Kläger nicht zu.
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1. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 263 StGB, 31 BGB scheitert bereits an einer Täuschungshandlung durch verfassungsmäßig berufene Vertreter der Beklagten und jedenfalls an fehlender Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden (BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20, Rn. 18 ff.).
31
2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 5 VO 715/2007/EG oder Art. 12,18 RL Nr. 2007/46/EG zu. Nach der für den Senat verbindlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen die Vorschriften der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 5 VO 715/2007/EG, Art. 12,18 RL Nr. 2007/46/EG im Sinne eines acte clair keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar, da das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich dieser Normen liegt (vgl. Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20, Rn. 10 ff.; Beschluss vom 07.07.2021 – VII ZR 218/21, Rn. 1 ff.; zuletzt: Urt. v. 13.06.2022 – VIa ZR 680/21, Rn. 24). Soweit der Generalanwalt beim EuGH Rantos in seinen Schlussanträgen vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21 (ECLI:ECLI:EU:C:2022:420) eine abweichende Ansicht vertritt, ist diese weder für die deutschen Gerichte noch für den Gerichtshof der Europäischen Union rechtsverbindlich.
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III. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Fall hat weder Grundsatzbedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Der Bundesgerichtshof hat sämtliche für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits relevanten Fragen bereits beantwortet. Eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache nicht veranlasst, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO.
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Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wird aus den unter A II 2 genannten Gründen gem. § 148 ZPO analog zurückzuweisen sein.
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Die beabsichtigte Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Der Senat weist auf die im Falle einer Berufungsrücknahme erfolgende Ermäßigung der Gerichtsgebühren (GKG-KV Nr. 1220, 1222) hin.