Titel:
Klagepartei, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Sittenwidrigkeit, Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, Unrichtige Angaben, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Kostenentscheidung, Nutzungsentschädigung, Sicherheitsleistung, Prozeßbevollmächtigter, Landgerichte, Streitwert, Kosten des Berufungsverfahrens, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Greifbare Anhaltspunkte, Abschalteinrichtung, Fristgerechte Berufung, Hinweisbeschluss, Klagebegehren, Gegenerklärung
Schlagworte:
Schadensersatzansprüche, Abweisung der Klage, Berufung, Rückweisung, Zurückweisung der Berufung, Kostenentscheidung
Vorinstanz:
LG Traunstein vom 03.03.2021 – 6 O 3541/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 25.09.2024 – VIa ZR 577/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 59342
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 03.03.2021, Aktenzeichen 6 O 3541/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Traunstein ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 46.000 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Klagepartei macht gegen die Beklagte als Herstellerin Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Kauf eines Pkw VW Tiguan 4Motion 2,0 l TDI SCR 140 kW am 22.06.2017 geltend, in dem ein Dieselmotor der Baureihe EA 288 (EU 6) mit SCR-Katalysator eingebaut ist. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 03.03.2021 (Bl. 344/346 d.A.) Bezug genommen.
2
Das Landgericht hat mit Endurteil vom 03.03.2021 die Klage abgewiesen. Zu den Entscheidungsgründen wird auf Bl. 347/348 d.A. verwiesen.
3
Gegen dieses Urteil hat die Klagepartei form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt. Wegen des Berufungsvorbringens der Klagepartei wird auf die Berufungsbegründung vom 03.05.2021 (Bl. 368/401 d.A.) Bezug genommen.
4
Die Klagepartei beantragt,
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein Az. 6 O 3541/19 wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 46.000,00 € € abzüglich einer von der Beklagten noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.01.2020 zu bezahlen Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Tiguan II mit der Fahrgestellnummer ... .
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren Schäden zu ersetzen, die aus dem Kauf des Fahrzeugs VW Tiguan II mit der Fahrgestellnummer ... aufgrund der falschen Abgaswerte sowie einer installierten Manipulationssoftware entstanden sind und entstehen werden.
4. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.791,74 € € freizustellen.
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Hilfsweise wird beantragt,
Das Urteil des Landgerichts Traunstein wird aufgehoben, der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Traunstein zurückverwiesen.
6
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
7
Auf die Berufungserwiderung der Beklagten vom 09.06.2021 (Bl. 406/466 d.A.) wird Bezug genommen.
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Mit Beschluss vom 03.02.2022 (Bl. 470/480 d.A.) hat der Senat darauf hingewiesen, dass und aus welchen Gründen er beabsichtige, die Berufung der Klagepartei zurückzuweisen. Den Parteien wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit Schriftsatz vom 21.03.2022 (Bl. 486/488 d.A.) ist die Klagepartei der beabsichtigten Vorgehensweise entgegengetreten.
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Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 03.03.2021, Aktenzeichen 6 O 3541/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
10
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats vom 03.02.2022 Bezug genommen.
11
Die Ausführungen in der Gegenerklärung der Klagepartei vom 21.03.2022 geben zu einer Änderung keinen Anlass. Der Senat hält auch nach nochmaliger Überprüfung daran fest, dass die Klagepartei die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nicht nachvollziehbar dargelegt hat.
12
Die Klagepartei verkennt nach wie vor, dass sie als Anspruchstellerin im Rahmen des § 826 BGB nach allgemeinen Grundsätzen vollumfänglich darlegungs- und beweisbelastet für sämtliche Anspruchsvoraussetzungen einschließlich der Sittenwidrigkeit ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, NJW 2021, 921, Rn. 19). Greifbare Anhaltspunkte für ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten bezogen auf das klägerische Fahrzeug sind weder dargelegt noch ersichtlich, so dass es auch der Einholung einer Auskunft des Kraftfahrtbundesamts (KBA) für das streitgegenständliche Fahrzeug nicht bedarf.
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Auf die maßgeblichen Argumente des Senats, insbesondere die umfassende Überprüfung und fehlende Beanstandung von Fahrzeugen mit EA-288 Motoren durch das KBA sowie den Kenntnisstand des KBA hinsichtlich der klägerseits behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen Ende 2015 – und damit weit vor Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs – geht die Klagepartei in ihrer Gegenerklärung nicht weiter ein. Ebenso wenig befasst sie sich mit dem Umstand, dass für das Fahrzeug zwischenzeitlich ein freiwilliges Software-Update angeboten wird. Auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats wird zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich Bezug genommen.
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Im Übrigen würden auch aus einer etwaigen unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise der Abgasnachbehandlung oder der temperaturabhängigen Steuerung gegenüber dem KBA entgegen der Auffassung der Klagepartei keine Anhaltspunkte dafür folgen, dass für die Beklagte tätige Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Selbst wenn die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren – erforderliche – Angaben zu den Einzelheiten der betreffenden Steuerung unterlassen haben sollte, wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 13.10.2021 – VII ZR 179/21, juris Rn. 17). Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren, die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des KBA und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden (vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, ZIP 2021, 297, Rn. 24), vermag der Senat nicht zu erkennen.
15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO bestimmt.