Titel:
Corona-Pandemie - Kein Rechtsanspruch auf Gewährung von Novemberhilfe bei strategischer Planinsolvenz in Eigenverwaltung
Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
BayHO Art. 23, Art. 44
Leitsätze:
1. Ein Rechtsanspruch auf die Gewährung einer Zuwendung im Rahmen der außerordentlichen Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (Novemberhilfe) besteht nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sind die Fördervoraussetzungen zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig, im Einklang mit Art. 23 und Art. 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gem. dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist nicht zu beanstanden, dass sich ein Förderungsgeber bei der Beurteilung, ob sich ein Unternehmen in Insolvenz befindet, generell auf eine formelle Betrachtung, nämlich die Eröffnung und Fortdauer des Insolvenzverfahrens stützt, anstelle eine individuelle Prüfung vorzunehmen, ob das Unternehmen aufgrund seiner freiwilligen, strategischen Planinsolvenz in Eigenverwaltung zum maßgeblichen Stichtag nicht zahlungsunfähig war und daher möglicherweise ausnahmsweise nicht als Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten anzusehen sein könnte. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. An einer Antragsberechtigung fehlt es, wenn über das Unternehmen das Insolvenzverfahren eröffnet und dieses zum Zeitpunkt der Antragstellung auch noch nicht beendet war. (Rn. 24 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
5. Erwägungen bei der Ausgestaltung eines Förderverfahrens, wonach auch besondere Umstände des Einzelfalls, wie etwa die strategische Planinsolvenz in Eigenverwaltung, kein Abweichen von der Verwaltungspraxis rechtfertigen könnten, sind zumindest nachvollziehbar und erweisen sich jedenfalls nicht als sachfremd. (Rn. 29 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zuwendungsrecht, Novemberhilfe, Antragsberechtigung (verneint), Unternehmen in Schwierigkeiten, Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, Antragsberechtigung, ständige Verwaltungspraxis, Planinsolvenz, atypischer Fall
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 12.09.2024 – 22 ZB 23.351
Fundstelle:
BeckRS 2022, 59336
Tenor
I. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend fü erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 9/10 und die Beklagte 1/10.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner darf die Vollstreckung durch Sicher- heitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der je- weilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen im Bereich … … … Sie begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Zuwendung im Rahmen der außerordentlichen Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (Novemberhilfe).
2
Mit Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom ... Juni 2020, Az. … …, wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet und zugleich Eigenverwaltung angeordnet.
3
Unter dem Antragsdatum 13. Januar 2021 beantragte die Klägerin über das einschlägige elektronische Antragsportal die Novemberhilfe als außerordentliche Wirtschaftshilfe der Bundesregierung (...). Dabei bestätigte der prüfende Dritte, dass die Klägerin als sonstige Antragsberechtigte seit dem 31. Dezember 2019 nicht kontinuierlich in Schwierigkeiten im Sinne von Art. 2 Abs. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung war. Noch am selben Tag gewährte die Beklagte der Klägerin eine Abschlagszahlung in Höhe von 50.000.- EUR mit Bescheid vom 13. Januar 2021. Mit Nachricht vom 12. März 2021 wies die Beklagte darauf hin, dass die Klägerin wegen ihrer Insolvenz nicht antragsberechtigt sei; sie könne aber analog wie im Verfahren zur Überbrückungshilfe II nach Zurückziehung des Antrags für einen anderen, nicht insolventen Betrieb ihres Unternehmensverbunds einen neuen Antrag stellen, wobei die Kosten und Umsätze des insolventen Teils des Unternehmensverbunds aus den Angaben herausgerechnet werden müssten. Mit Nachricht vom 19. März 2021 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie beabsichtige, den Bescheid vom 13. Januar 2021 zurückzunehmen, die Abschlagszahlung zurückzufordern und den Antrag abzulehnen, weil die Klägerin als Unternehmen in Schwierigkeiten nicht antragsberechtigt sei, und gewährte Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 28. März 2021. Hierzu nahm der prüfende Dritte der Klägerin mit Schreiben vom 23. März 2021 dahingehend Stellung, dass sich die Klägerin in einer freiwilligen, strategischen Planinsolvenz in Eigenverwaltung befinde und nicht in einer Regelinsolvenz; sie sei daher nicht als „Unternehmen in Schwierigkeiten“ zu klassifizieren und weder nach Ziffer 1.1 noch Ziffer 5 der FAQ der Beklagten von der Antragsberechtigung ausgeschlossen. Mit Bescheid vom 28. Juli 2021 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 13. Januar 2021 schließlich ab, nahm den Bescheid über die Abschlagszahlung zurück und forderte die Abschlagszahlung i.H.v. 50.000.- EUR zurück.
4
Mit Schriftsatz vom … August 2021, eingegangen bei Gericht am 11. August 2021, ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben.
5
Die Klägerin beantragt zuletzt sinngemäß,
6
den Bescheid vom 28. Juli 2021, Az. … aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die beantragte Novemberhilfe in Höhe von 463.914,26 EUR zu bewilligen.
7
Zur Begründung wird in den Schriftsätzen vom … August 2021, … November 2021 sowie … September 2022 im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin sei bis zum Eintritt der Corona-Pandemie – und damit zum Stichtag des 31. Dezember 2019 – ein gesundes Unternehmen gewesen, das bis dato zu keinem Zeitpunkt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen sei; bis einschließlich März 2020 habe es Gewinne erzielt. Erst als aufgrund der Corona-Pandemie sämtliche Frühjahrsmessen sowie ein Großteil der für den Spätsommer und Herbst 2020 geplanten Messen abgesagt und daher keine Aufträge an die Klägerin erteilt wurden, sei die Klägerin in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten: Ohne Kostenreduzierung wäre Zahlungsunfähigkeit spätestens im Herbst 2020 eingetreten. Daher habe die Klägerin zum Zwecke der Kostenreduktion am 1. April 2020 wegen drohender Zahlungsfähigkeit Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Eigenverwaltung gestellt. Dem sei das zuständige Insolvenzgericht mit seinem Beschluss vom 1. Juni 2020 auch gefolgt. Klarzustellen sei in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung weder zahlungsunfähig noch überschuldet gewesen sei; Liquiditätsengpässe seien auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens keines Falls zu erwarten. Ferner beabsichtige die Klägerin, den Gläubigern eine Quote von 100% anzubieten. Das Klagebegehren entspreche daher exakt dem Zweck der Novemberhilfe, die wirtschaftliche Existenz von Unternehmen, die von Coronabedingten Betriebsschließungen bzw. -einschränkungen im November 2020 betroffen sind und deshalb erhebliche Umsatzausfälle erleiden, zu sichern. So habe die Klägerin im Förderverfahren auf Nachfrage der Beklagten auch mitgeteilt, dass sie sich in einer freiwilligen, strategischen Planinsolvenz befinde und nicht als „Unternehmen in Schwierigkeiten“ im Sinne der FAQ zu klassifizieren sei. Insbesondere würden die Mittel aus dem Hilfsprogramm der Novemberhilfe zu 100% in die Betriebsfortführung gesteckt auch seien ausdrücklich nicht zur Gläubigerbefriedigung vorgesehen. Schließlich wird in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass das Insolvenzverfahren die Klägerin nunmehr abgeschlossen sei und daher bei Stattgabe der Klage eine Auszahlung der Förderung an ein Unternehmen erfolge, das nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sei.
8
Mit Schriftsatz vom 1. September 2021 beantragt die Beklagte
10
Sie verteidigt darin den streitbefangenen Bescheid. Insbesondere verweist sie darauf, dass Unternehmen, die Gegenstand eines Insolvenzverfahrens sind, nach der Verwaltungspraxis der Beklagten nicht antragsberechtigt, unabhängig davon, in welchem Abschnitt sich das Insolvenzverfahren befinde oder welche Art der Verwaltung angeordnet sei. Ziel der Novemberhilfe sei es, einen Teil des Umsatzausfalles zu kompensieren, der auf den Schließungsanordnungen vom 28. Oktober 2020 beruhe; sie diene nicht der Rettung solcher Unternehmen, die sich aufgrund anderer Umstände bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befänden.
11
Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin wurde nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans mit Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom … September 2022 aufgehoben.
12
Mit Bescheid vom 2. November 2022 hat die Beklagte ihren Bescheid vom 27. Juli 2021 hinsichtlich der Rückforderung der Abschlagszahlung i.H.v. 50.000.- EUR abgeändert und dabei in Ziffer 2 Satz 2 klargestellt, dass der festgesetzte Rückforderungsbetrag nicht zurückzuerstatten ist. Begründet wird dies damit, dass sich im Klageverfahren herausgestellt habe, dass die Abschlagszahlung nicht an die Klägerin ausbezahlt worden sei. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2022 insoweit einer Teilerledigungserklärung der Klägerin bereits im Voraus zugestimmt und diesbezüglich Kostenübernahme erklärt. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 18. November 2022 die Klage bezüglich der Abschlagszahlung i.H.v. 50.000.- EUR für teilweise erledigt erklärt.
13
Mit Beschluss vom 21. November 2022 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Einzelrichterin übertragen.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der vorgelegten Behördenakte sowie der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
15
Die Klage wurde hinsichtlich der Rückforderung der Abschlagszahlung i.H.v. 50.000 EUR übereinstimmend erledigt erklärt, so dass das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO insoweit einzustellen war. Im Übrigen ist die zulässige Klage unbegründet.
16
Die Klägerin hat gegen die Beklagte den von ihr geltend gemachten Anspruch, gerichtet auf Verpflichtung zur Gewährung und Auszahlung der von ihr unter dem 13. Januar 2021 beantragten Novemberhilfe i.H.v. 463.914,26 Euro, nicht inne (§ 113 Abs. 5 VwGO). Vielmehr erweist sich der Ablehnungsbescheid vom 28. Juli 2021 als rechtmäßig.
17
1. Eine Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinie im billigen Ermessen der Behörde unter Beachtung des Haushaltsrechts (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis.
18
Der Norm- und der mit ihm insoweit gleichzusetzende Richtliniengeber (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 – 10 C 1/17 – juris Rn. 18; U.v. 24.4.1987 – 7 C 24.85 – juris Rn. 12) ist zunächst bei der Entscheidung darüber, welcher Personenkreis durch freiwillige finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden soll, weitgehend frei. Zwar darf der Staat seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen. Subventionen müssen sich vielmehr gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen, sollen sie vor dem Gleichheitssatz Bestand haben. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen jedoch dem Norm- und Richtliniengeber in sehr weitem Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (stRspr; vgl. z.B. BVerfG, U.v. 20.4.2004 – 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99 – juris Rn. 61; ebenso etwa Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 255).
19
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (aktuell z.B. BayVGH, B.v. 3.8.2022 – 22 ZB 22.1151 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 31.3.2022 - 6 ZB 21.2933 – juris Rn. 7; vgl. ferner BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 9.3.2020 – 6 ZB 18.2102 – juris Rn. 9; VG München, U.v. 5.7.2021 – M 31 K 21.1483 – juris Rn. 23).
20
Nur entsprechend den vorgenannten Grundsätzen kann ein Anspruch auf Förderung im Einzelfall bestehen. Im Vorwort der hier einschlägigen Richtlinie des Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (Novemberhilfe – BayMBl. 2020, Nr. 680 vom 24. November 2020, zuletzt geändert mit Bekanntmachung vom 21.12.2021, BayMBl. 2022 Nr. 26) wird im Übrigen auch ausdrücklich klargestellt, dass die Novemberhilfe im Rahmen der vom Bund zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel als Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgt.
21
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte Zuwendung, weil es bei ihr nach der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten an der Antragsberechtigung für die Gewährung der Novemberhilfe fehlt. Die Beklagte hat ermessensfehlerfrei entschieden, die Umstände des vorliegenden Einzelfalls nicht als atypischen Fall zu werten und keine Abweichung von der Verwaltungspraxis zuzulassen.
22
2.1 Es ist nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte bei der Beurteilung, ob sich ein Unternehmen in Insolvenz befindet, generell auf eine formelle Betrachtung, nämlich die Eröffnung und Fortdauer des Insolvenzverfahrens stützt, anstelle eine individuelle Prüfung vorzunehmen, ob das klägerische Unternehmen aufgrund seiner freiwilligen, strategischen Planinsolvenz in Eigenverwaltung zum maßgeblichen Stichtag nicht zahlungsunfähig war und daher möglicherweise ausnahmsweise nicht als Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten anzusehen sein könnte.
23
Nach der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten auf Grundlage von Ziffer 2.7 Satz 1 der Richtlinien, konkretisiert durch Ziffer 5.1 der FAQ zur November- und Dezemberhilfe, sind Unternehmen, die bereits zum Stichtag des 31. Dezember 2019 oder zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Insolvenzverfahren angemeldet haben, von der Antragstellung ausgeschlossen.
24
Die Antragsberechtigung der Klägerin fehlte demnach, weil über das Unternehmen mit Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom ... Juni 2020 das Insolvenzverfahren eröffnet und zum Zeitpunkt der Antragstellung am 13. Januar 2021 auch nicht beendet wurde. Da der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung der Voraussetzungen der Gewährung der Novemberhilfe nicht der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, sondern dem materiellen Recht folgend, das hier vor allem durch die Richtlinie und deren Anwendung durch die Beklagte in ständiger Praxis vorgegeben wird, auf den Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides abzustellen ist (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2022 – 6 ZB 20.438 – juris m.w.N.; VG Würzburg, U.v. 14.11.2022 – W 8 K 22.95 – juris Rn. 39), führt die Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom … September 2022 und somit nach Abschluss des Förderverfahrens zu keiner anderen Bewertung.
25
Die Klägerbevollmächtigten trugen ferner schriftsätzlich sowie in der mündlichen Verhandlung umfangreich zum Gesetzeszweck des deutschen Insolvenzrechts vor und machten geltend, dass die Verwaltungspraxis der Beklagten vorbildliche Unternehmen, die bereits vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit auf die Instrumente des insolvenzrechts zurückgriffen, um die drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden, zu Unrecht benachteilige.
26
Darauf kommt es jedoch aufgrund des eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsmaßstab im Zuwendungsrecht nicht an, denn das Gericht darf die Förderrichtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – auslegen, sondern hat lediglich zu prüfen, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt (vgl. oben Rn. 20; BayVGH, B.v. 3.8.2022 – 22 ZB 22.1151 – juris Rn. 17).
27
Aufgrund des freiwilligen Charakters der Förderung und dem weiten Ermessen des Förderungsgebers bei der Aufstellung von Förderrichtlinien müssen diese, wie ausgeführt, von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Vorstehende Grundsätze sind dabei konsequenterweise nicht allein für die Gewährung einer Förderung an sich, sondern gleichermaßen für die Durchführung des der Förderung vorgeschalteten Verwaltungsverfahrens einschließlich der Art der Antragstellung entsprechend heranzuziehen (VG Würzburg, B.v. 13.7.2020 – W 8 E 20.815 – juris Rn. 28). Es ist jedenfalls nicht willkürlich, wenn der Zuwendungsgeber nur ein dergestalt formalisiertes Verfahren vorsieht, da hierfür sachliche Gründe gegeben sind. In Massenverfahren wie dem Vorliegenden kann insbesondere unter Beschleunigungs- und Effektivitätsgesichtspunkten ein Zuwendungsgeber das Verfahren so ausgestalten, dass die Entscheidungsfindung über den Antrag nur nach bestimmten standardisierten und formalisierten Abläufen erfolgt. Dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Effektivitäts- und Zügigkeitsgebot (Art. 10 Satz 2 BayVwVfG) kommt bei der administrativen Bewältigung des erheblichen Förderantragsaufkommens im Zusammenhang der Novemberhilfe besondere Bedeutung zu; dies gerade auch deswegen, um den Antragstellern möglichst schnell Rechtssicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten ihrer Anträge und damit über die (Nicht-) Gewährung der Novemberhilfe geben zu können (vgl. VG Würzburg, U.v. 14.11.2022 – W 8 K 22.95 – juris Rn. 43; VG München, U.v. 17.2.2021 – M 31 K 20.4944 – juris Rn. 30; B.v. 25.6.2020 – M 31 K 20.2261 – juris Rn. 18; VG Düsseldorf, U.v. 14.12.2020 – 20 K 4706/20 – juris Rn. 48). Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte auf die Mitteilung des prüfenden Dritten der Klägerin, wonach das Unternehmen einem laufenden Insolvenzverfahren des Amtsgerichts Landshut, unterliegt, von einer fehlenden Antragsberechtigung ausgeht.
28
Folglich ergibt sich kein Anspruch des Klägers aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis. Es ist insbesondere weder vorgetragen noch ersichtlich, dass vom Beklagten in vergleichbaren Fällen trotz der auf den oben genannten staatlichen Internetseiten dargestellten Handhabung und der Ausführungen in den Schriftsätzen im Klageverfahren eine Antragsberechtigung als gegeben angesehen und eine Novemberhilfe gewährt wurde. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Verwaltungspraxis an den zitierten Vorgaben und den schriftsätzlichen Ausführungen orientiert.
29
2.2 Ebenfalls nicht zu beanstanden ist dabei, dass nach der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten im Vollzug der Förderrichtlinien kein Spielraum für die Berücksichtigung besonderer, atypischer Fälle besteht. Allein dies ist maßgeblich für die gerichtliche Überprüfung. Eine Berücksichtigung atypischer Fälle mag zwar aus Sicht der Klägerin sinnvoll und wünschenswert erscheinen, um den Besonderheiten der strategischen Planinsolvenz eines ausschließlich aufgrund der Auswirkungen der CoronaPandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Unternehmens im Vollzug der Novemberhilfe Rechnung zu tragen. Indes leitet sich daraus kein Anspruch auf Gewährung einer Ausnahme im Ermessenswege ab (vgl. VG München, U.v. 3.7.2021 – M 31 K 21.1483 – juris Rn. 29 ff.).
30
Eine Berücksichtigung atypischer Fälle seitens der Beklagten wäre zwar von Rechts wegen möglich, eine gerichtlich durchsetzbare Verpflichtung des Beklagten hierzu besteht allerdings nicht. Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV gebieten, wie bereits ausgeführt, eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 32). Dabei steht dem Richtliniengeber frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese zu handhaben. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute oder gegebenenfalls sogar bessere Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten.
31
Die Beklagtenbevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass auch die besonderen Umstände des Einzelfalls, nämlich der strategischen Planinsolvenz in Eigenverwaltung, kein Abweichen von der Verwaltungspraxis rechtfertigen könnten, da angesichts der Vielzahl von in der Insolvenz befindlichen Unternehmen unter den Antragstellern der Aufwand für eine derartige Einzelfallprüfung im Massenverfahren der Novemberhilfe-Förderung zu hoch sei. Derartige Erwägungen bei der Ausgestaltung des Förderverfahrens sind zumindest nachvollziehbar und erweisen sich jedenfalls nicht als sachfremd.
32
Nicht zu überzeugen vermag es im Übrigen, wenn in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris Rn. 29 ff.; NdsOVG, U.v. 15.11.2016 – 8 LB 58/16 – juris Rn. 61 ff.) teilweise die Auffassung vertreten wird, im Zuwendungsrecht sei eine Berücksichtigung atypischer Fälle nicht nur möglich, sondern im Einzelfall auch geboten (vgl. dazu VG München, U.v. 3.7.2021 – M 31 K 21.1483 – juris Rn. 29 ff. m.w.N.). Die dafür maßgeblich gegebene Begründung, ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dürften nur für den Regelfall gelten, müssten daher Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle lassen und dürften daher nicht so weit gehen, dass wesentlichen Besonderheiten des Einzelfalls nicht mehr Rechnung getragen werden könne, verfängt nicht. Dies deshalb, weil es sich bei der streitgegenständlichen Zuwendung um eine freiwillige Maßnahme des Beklagten handelt, für die eine Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung begründen würde, nicht existiert. Damit sind Förderrichtlinien in ihrer Rechtsnatur jedenfalls insoweit nicht mit allgemeinen ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften, die für die behördliche Anwendung von Ermessen eröffnenden materiellen Rechtsnormen gelten, vergleichbar. Während es für letztere ohne weiteres zutrifft, dass sie vorrangiges Gesetzesrecht nicht zu verdrängen vermögen und die Behörde deshalb nicht von der Verpflichtung entbunden ist, beim Gesetzesvollzug im Ermessenswege gegebenenfalls auch abweichend von ermessenslenkenden Richtlinien zu entscheiden (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 25.9.1998 – 5 B 24.98 – juris Rn. 4; Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 40 Rn. 57 – 59), kann dies auf Zuwendungsrichtlinien nicht übertragen werden, wenn und soweit es sich – wie hier – um freiwillige Leistungen handelt, für die ein materiell-rechtlicher Rahmen gerade nicht existiert. Vorrangiges (einfaches) Gesetzesrecht, an das die Vergabe der Zuwendung gebunden wäre und dessen Verdrängung für den Fall der Nichtgewährung einer Ausnahme im Ermessenswege in Betracht zu ziehen wäre, steht vorliegend nicht inmitten, da, wie ausgeführt, die streitbefangene Finanzhilfe ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel als Billigkeitsleistung gewährt wird.
33
Nach alledem war die verbleibende Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Über die Kosten des Verfahrens, das infolge der Teilerledigungserklärung einzustellen war, ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten entsprechend der Kostenübernahmeerklärung der Beklagten aufzuerlegen.
34
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.