Inhalt

OLG München, Beschluss v. 01.06.2022 – 18 U 5628/21
Titel:

Kein Anspruch auf Schadensersatz wegen des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung in ein Dieselfahrzeug

Normenketten:
BGB § 826
ZPO § 522 Abs. 2
Leitsätze:
1. Darlegungen zu Diskrepanzen zwischen Stickoxidemissionen unter Prüfstandbedingungen, die zur Erlangung der Typgenehmigung für das Fahrzeug maßgeblich waren, und unter normalen Betriebsbedingungen auf der Straße sowie dazu, dass das Fahrzeug im Normalbetrieb die der Zulassung zugrunde liegenden Werte im NEFZ (Neuen Europäischen Fahrzyklus) nicht einhält, genügen nicht, um einen Anspruch des Fahrzeugkäufers aus § 826 BGB zu begründen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine sekundäre Darlegungslast der Herstellerin greift allenfalls nach hinreichend substantiiertem Vortrag des Käufers ein. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, unzulässige Abschalteinrichtung, Kaltaufheizen, Aufheizstrategie, sekundäre Darlegungslast, substantiierter Vortrag
Vorinstanz:
LG Traunstein, Urteil vom 03.08.2021 – 8 O 668/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 17.09.2024 – VIa ZR 844/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 59250

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 03.08.2021, Aktenzeichen 8 O 668/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Traunstein ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 23.803,89 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klagepartei, die einen nach ihrer Darstellung vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Pkw erworben hat, nimmt die Beklagte als Herstellerin auf Erstattung des gezahlten Kaufpreises abzüglich einer angemessenen Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs in Anspruch. Hinsichtlich der Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts Traunstein vom 03.08.2021 Bezug genommen.
2
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils Bezug genommen.
3
Das Urteil ist der Klagepartei am 06.08.2021 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 16.08.2021, beim Oberlandesgericht München eingegangen am selben Tag, hat die Klagepartei Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 05.11.2021 begründet.
4
Die Klagepartei stellt die Anträge gemäß Schriftsatz vom 05.11.2021 (Bl. 381).
5
Die Beklagte stellt den Antrag gemäß Schriftsatz vom 07.12.2021 (Bl. 544).
6
Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Klagepartei vom 05.11.2021 (Bl. 380/541) und 25.04.2022 (Bl. 644/674) sowie die Berufungserwiderung der Beklagten vom 07.12.2021 (Bl. 544/626), jeweils mit den zugehörigen Anlagen, verwiesen.
II.
7
Die Berufung der Klagepartei gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 03.08.2021, Az: 8 O 668/21, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
8
Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 17.03.2022 (Bl. 628/638) Bezug genommen.
9
Die Ausführungen der Klagepartei im Schriftsatz vom 25.04.2022 geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.
10
1. Der Senat teilt nicht die Ansicht, die Klagepartei hätte zum Vorliegen einer „illegalen“ Abschalteinrichtung substantiiert vorgetragen. Der Senat führte unter Ziff. I 1 b) bb) seines Hinweisbeschlusses aus, dass und weshalb der Verweis der Klagepartei auf den Beschluss des BGH vom 28.01.2020 – VIII ZR 57/19 der Berufung nicht zum Erfolg verhilft. Ferner merkte der Senat unter Ziff. I 1 b) seines Hinweises an, dass soweit die Klagepartei das Vorhandensein mehrerer unzulässiger Abschalteinrichtungen an ihrem Fahrzeug behauptet und hierfür zum Beweis die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder die Einvernahme von Zeugen angeboten hat, das Landgericht zu Recht von der Einholung der angebotenen Beweise abgesehen hat, und konkreter nachvollziehbarer Vortrag der Klagepartei, aus dem sich das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung verbunden mit einem sittenwidrigen Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen, insbesondere einer arglistigen Täuschung oder eines bewussten Gesetzesverstoßes ergeben könnte, fehlt. Aus dem von der Klagepartei nunmehr angeführten Beschluss des BGH vom 25.11.2021 – III ZR 202/20 ergibt sich nichts anderes. Entgegen der verkürzten Darstellung in der klägerischen Stellungnahme vom 25.04.2022 hat der BGH in dem von ihm zu entscheidenden Fall keineswegs allein die Darstellung von Abschalteinrichtungen und die Vorlage von Messwerten, die eine deutliche Überschreitung der Grenzwerte im Realbetrieb bei Fahrzeugen mit vergleichbaren Motoren aufzeigen, als substantiierten Klägervortrag angesehen. Ersichtlich hat der BGH seine Annahme des Vortrags zureichender Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Gestalt einer Prüfstanderkennungssoftware in dem von ihm zu entscheidenden Fall vielmehr auf eine Gesamtbetrachtung gestützt, die darauf beruhte, dass der Kläger neben der Vorlage von Messwerten, aus denen sich eine 9,7 fache Überschreitung des Grenzwerts für den NOx-Ausstoß ergab, bereits in der Klageschrift vorgetragen hatte, dass das erworbene Fahrzeug unter anderem über eine Prüfstanderkennung verfügte (Rn. 17). Zu Unrecht meint die Klagepartei daher, dass ihr Vortrag mit konkreten Messwerten zum streitgegenständlichen Motor deutlich detaillierter und substantiierter sei, als der Vortrag, der dem BGH-Verfahren zugrunde gelegen habe. Der Senat hatte insofern bereits unter Ziff. I 1 b) bb) (4) (c) seines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass und weshalb der Hinweis auf Diskrepanzen zwischen Stickoxidemissionen unter Prüfstandbedingungen, die zur Erlangung der Typgenehmigung für das der Euro-5-Norm unterfallende streitgegenständliche Fahrzeug noch allein maßgeblich waren, und unter normalen Betriebsbedingungen auf der Straße nicht genügt, und dass und weshalb es gerade nicht darauf ankommt, dass das streitgegenständliche Fahrzeug im Normalbetrieb die der Zulassung zugrunde liegenden Werte im NEFZ (Neuen Europäischen Fahrzyklus) nicht einhält. Mit diesen Ausführungen im Hinweisbeschluss setzt sich die Klagepartei nicht auseinander.
11
2. Mit ihrem Hinweis auf ein Urteil des BGH unter dem Az. VI ZR 252/19 und einer daraus folgenden sekundären Darlegungslast der Beklagten verkennt die Klagepartei, dass sie als Anspruchstellerin im Rahmen des § 826 BGB nach allgemeinen Grundsätzen vollumfänglich darlegungs- und beweisbelastet für sämtliche Anspruchsvoraussetzungen einschließlich der Sittenwidrigkeit ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, NJW 2021, 921, Rn. 19). Der Verweis auf eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten geht mithin fehl, da eine solche allenfalls nach hinreichend substantiiertem Vortrag der Klagepartei eingreifen könnte, woran es im Streitfall jedoch fehlt.
12
3. Unter Ziff. I 1 b) bb) (7) seines Hinweisbeschlusses hatte der Senat ausgeführt, dass, soweit die Klagepartei erstmals in der Berufungsbegründung zu einer weiteren Abschalteinrichtung in Form des „Kaltaufheizens“ vorträgt, dies von vorneherein ins Leere geht, weil diese Strategie schon nach dem Klagevortrag nur in den Motortypen B 37 und B 47 und damit nicht im streitgegenständlichen Aggregat verbaut ist. In ihren langen Ausführungen zur „Aufheizstrategie“ in Form des Kaltstartheizens geht die Klagepartei hierauf nicht ein.
III.
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
14
2. Der Ausspruch, dass das angefochtene Urteil nunmehr ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist, findet seine Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 10 Satz 2 ZPO, die Anordnung der Abwendungsbefugnis in § 711 ZPO.
15
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.