Inhalt

AG München, Beschluss v. 10.08.2022 – 520 F 11857/19
Titel:

Wirksamkeit eines Grundstückskaufvertrages, mit dem ein Ehegatte mit Veräußerungsvollmacht im Wege eines In-sich-Geschäfts das dem anderen Ehegatten allein gehörende Grundstück erworben hat - Wert des mit einem dinglichen Wohnungsrecht des Erwerbers belasteten Grundstücks

Normenketten:
FamFG § 81
BGB § 125, § 181, § 138, § 141, § 273 Abs. 1, § 812, § 814, § 894, § 1062, § 1063, § 1092, § 1093, § 1353, § 1410
FamGKG § 42
Leitsatz:
Bei der Bewertung einer Immobilie eines Ehegatten, die von dem anderen Ehegatten, zu dessen Gunsten im Grundbuch bereits ein Wohnungsrecht auf Lebenszeit als beschränkt persönliche Dienstbarkeit eingetragen ist, erworben wird, ist der Wert des Wohnungsrechts nicht wertmindernd zu berücksichtigen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohnungsrecht, Verkehrswert, Nießbrauch, Rechtsmissbrauch, Sittenwidrigkeit, Zugewinnausgleich, notarieller Ehevertrag, Gütertrennung
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 25.04.2024 – 16 UF 906/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 59158

Tenor

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, seine Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs von P. im Isartal des Amtsgerichts München, Blatt …, Flurstück … in grundbuchmäßiger Form insofern zu erteilen, als in der Ersten Abteilung anstelle von … (lfd. Nr. 3 der Eintragungen) wieder Frau … (lfd. Nr. 2 der Eintragungen) als Alleineigentümerin eingetragen wird Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 337.054,12 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab Rechtskraft des Beschlusses durch die Antragstellerin an den Antragsgegner. Ein über diesen Betrag hinausgehendes Zurückbehaltungsrecht des Antragsgegners besteht nicht.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
3. Der Verfahrenswert wird auf 2.500.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1
Die Antragstellerin begehrt die Berichtigung des Grundbuchs bezüglich des im Tenor genannten Flurstücks.
2
Die Beteiligten sind seit 15.04.2015 getrennt lebende Eheleute. Die Ehe wurde am 31.10.2003 geschlossen. Seit Juni 2016 ist das Ehescheidungsverfahren unter dem Az. 520 F 6561/16 anhängig.
3
Im Jahr 2006 planten die Beteiligten den Erwerb eines Grundstücks und Bau eines Einfamilienhauses in der … str. … in …. Eigentümerin der Immobilie sollte allein die hiesige Antragstellerin werden, da die Immobilie dem Zugriff etwaiger Gläubiger aus der Geschäftstätigkeit des Antragsgegners entzogen sein sollte. Zum Erwerb des Grundstückes und Bau der Immobilie durch die Antragstellerin am 14.12.2006 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Vertrag ebenfalls vom 14.12.2006 ein zinsloses Darlehen in Höhe von 1.300.000,- Euro. Die Finanzmittel waren beim Antragsgegner hierfür weitgehend vorhanden. Ferner erklärten die Beteiligten die Absicht, innerhalb der nächsten sechs Monate aus dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft in den Güterstand der Gütertrennung zu wechseln. Die Antragstellerin verpflichtete sich außerdem, dem Antragsgegner ein lebenslanges Wohnungsrecht an der Immobilie einzuräumen. Die Zugewinnausgleichsforderung der Antragstellerin und das Entgelt für das Wohnungsrecht sollten zur Tilgung des Darlehens verwendet werden. Der nach Abzug des Zugewinnausgleichsanspruchs und des Wertes des Wohnrechts verbleibende Rückzahlungsanspruch sollte für zehn Jahre gestundet werden.
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Am 17.04.2007 wurde vor dem Notar … ein notarieller Ehevertrag geschlossen, in dem die Beteiligten das zuvor Beabsichtigte umsetzten. Sie vereinbarten einen Wechsel des Güterstandes – es sollte nunmehr Gütertrennung gelten. Sie stellten im Ehevertrag außerdem fest, dass für die bisherige Ehe der Antragstellerin ein Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe von 550.000,- Euro gegen den Antragsgegner zusteht. Auf etwaige darüber hinausgehende Zugewinnausgleichsansprüche wurde wechselseitig verzichtet. Außerdem räumte die Antragsstellerin dem Antragsgegner auf Lebenszeit ein Wohnungsrecht als beschränkt persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch ein, dessen Wert die Beteiligten mit 650.000,- Euro bezifferten. Schließlich regelten die Beteiligten die Rückzahlung des vom Antragsgegner an die Antragsstellerin am 14.12.2006 gewährten Darlehens mit folgender Verrechnung:

Darlehensforderung nach vollständiger Auszahlung

1.300.00,- Euro

- Zugewinnausgleich

- 550.000,- Euro

- Wohnungsrecht

- 650.000,- Euro

= Darlehensforderung

100.000,- Euro

5
Ebenfalls am 17.04.2007 erteilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit notarieller Urkunde eine nur bei Rechtshängigkeit eines Scheidungsantrags widerrufliche und ansonsten unwiderrufliche Vollmacht, die Immobilie in der … str. … zu belasten oder entgeltlich oder unentgeltlich zu veräußern. Der Antragsgegner war vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit, war aber zur Entgegennahme eines Veräußerungserlöses nicht befugt.
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Ebenfalls am 17.04.2007 stellte der Antragsgegner der Antragstellerin außerdem eine privatschriftliche Bestätigung aus, dass auf Wunsch der Antragstellerin jederzeit in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft gewechselt werden könne.
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Die Ehe geriet Anfang 2013 in eine Krise. Mit notariellem Vertrag vom 03.07.2013 erwarb der Antragsgegner unter Vorlage der ihm im Jahr 2007 erteilten Vollmacht im Namen der nicht anwesenden Antragstellerin selbst die Immobilie zu einem Preis von 600.000,- Euro. Dieser Preis entspricht dem Ergebnis eines vom Antragsgegner eingeholten Gutachtens zur Höhe des Verkehrswertes der Immobilie unter Berücksichtigung des eigenen Wohnungsrechtes des Antragsgegners. Der Antragsgegner verpflichtete sich, diesen Betrag als Kaufpreis in jährlichen Raten zu je 60.000,- Euro an die Antragstellerin zu zahlen.
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Der Antragsgegner wurde daraufhin im Grundbuch von … im … des Amtsgerichts München, Blatt …, Flurstück … als Alleineigentümer eingetragen.
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Am 07.11.2014 bezahlte der Antragsgegner 60.000 Euro auf den Kaufpreis. Am 29.01.2015 bezahlte er eine weitere Rate in Höhe von 60.000 Euro auf den Kaufpreis.
10
Ferner bezahlte der Antragsgegner am 16.02.2015, am 16.03.2015 und am 15.04.2015 je 2.000 Euro an die Antragstellerin. Am 18.09.2015 verrechnete der Antragsgegner 18.946 Euro aus einer vom Antragsgegner bezahlten Steuernachzahlung für das Jahr 2013 auf den Kaufpreis. Am 23.12.2015 überwies der Antragsgegner auf den Kaufpreis 35.054 Euro. Am 19.12.2016 erklärte er gegen den Kaufpreis die Aufrechnung mit 100.000 Euro aus dem Darlehensvertrag vom 14.12.2006. Am 31.07.2018 verrechnete der Antragsgegner einen Betrag in Höhe von 18.408,12 Euro mit dem noch offenen Kaufpreis. Den Verrechnungsbetrag begründete er damit, dass das Finanzamt der Antragstellerin aus der Einkommensteuererklärung 2016 einen Betrag in Höhe von 18.408,12 Euro erstattet hatte. Das Finanzamt hatte hierbei eine Erstattung nach Köpfen durchgeführt. Die Antragstellerin hatte 2016 keine einkommensteuerpflichtigen Einkünfte erzielt. Am 07.01.2019 überwies der Antragsgegner einen Betrag in Höhe von 161.591,88 Euro an die Antragstellerin zur Tilgung des Kaufpreises.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.01.2015 hat die Antragstellerin die Anfechtung des Kaufvertrages vom 03.07.2013, der Vollmacht vom 17.04.2007 und des Ehevertrages vom 17.04.2007 sowie den Widerruf der Vollmacht vom 17.04.2007 erklärt.
12
Mit Teilbeschluss vom 16.09.2019 hat die damals zuständige Richterin im Verfahren … F… entschieden, dass der Antragsgegner trotz entgegenstehender Regelungen (Gütertrennung) des Ehevertrages vom 17.04.2007 zur Auskunft über den Bestand seines Anfangs- Trennungs- und Endvermögens verpflichtet ist.
13
Die Antragstellerin ist der Auffassung, der Antragsgegner habe die ihm am 03.07.2013 erteilte Vertretungsmacht durch Veräußerung der Immobilie im fremden Namen an sich selbst massiv missbraucht. Er habe hierdurch den Interessen der Vollmachtgeberin zuwider gehandelt. Damit seien Kaufvertrag und Auflassung unwirksam. Eine Heilung gem. § 177 BGB sei nicht eingetreten. Ausdrücklich liege keine Genehmigung der Geschäfte vor, für die Annahme eines konkludenten Handelns sei kein Raum. Die Antragstellerin habe erst im April 2014 Kenntnis von der Eigentumsübertragung erlangt. Unmittelbar nach Kenntniserlangung habe die Antragsstellerin den Vertrag und die Vollmacht angefochten. Das Verpflichtungs- sowie das Verfügungsgeschäft vom 03.07.2013 seien überdies nichtig gem. § 138 BGB. Der Kaufpreis sei mit 600.000 Euro zu niedrig angesetzt. Dies verstärke sich durch die vereinbarte jährliche Ratenzahlung in Höhe von 60.000 Euro. Auch die Vollmacht selbst sei unwirksam aufgrund von § 138 BGB und aufgrund von §§ 1410, 125, 139 BGB. Damit sei der Antragsgegner nie Eigentümer des betreffenden Grundstücks mit Immobilie geworden. Das Grundbuch sei insoweit falsch und zu berichtigen.
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Die Antragsstellerin beantragt wie folgt zu erkennen:
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, seine Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs von P. im Isartal des Amtsgerichts München, Blatt …, Flurstück … in grundbuchmäßiger Form insofern zu erteilen, als in der Ersten Abteilung anstelle von Herrn … (lfd. Nr. 3 der Eintragungen) wieder Frau … (lfd. Nr. 2 der Eintragungen) als Alleineigentümerin eingetragen wird.
2. Hilfweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. wird der Antragsgegner verpflichtet, den im Grundbuch von P. im Isartal des Amtsgerichts München, Blatt … Flurstück …, eingetragenen Grundbesitz samt den Gebäuden an die Antragstellerin zu Alleineigentum formgerecht (zurück) aufzulassen und die entsprechende Eintragung im Grundbuch in grundbuchgemäßer From zu bewilligen.
3. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen 1. und 2. Wird der Antragsgegner verpflichtet, den im Grundbuch von … im … des Amtsgerichts München, Blatt …, Flurstück …, eingetragenen Grundbesitz samt den Gebäuden an die Antragstellerin formgerecht (zurück) zu übertragen, entsprechend formgerecht (zurück) aufzulassen sowie die entsprechende Eintragung im Grundbuch in grundbuchmäßiger Form zu bewilligen.
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Der Antragsteller beantragt,
den Antrag sowie die Hilfsanträge abzuweisen, hilfsweise für den Fall, dass einem Antrag der Antragstellerin stattgegeben werden sollte, die Antragstellerin Zug um Zug zu verpflichten, an den Antragsgegner den Betrag in Höhe von 441.591,88 Euro zu bezahlen.
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Der Antragsteller trägt vor, er sei in den Wochen und Monaten nach dem Erwerb der Immobilie zunehmend unzufrieden mit der gewählten Konstruktion gewesen wegen des vorprogrammierten Verfalls des Werts seines Wohnungsrechts, welches eine zunehmende Wertsteigerung der Immobilie bewirken und sich aufgrund der vereinbarten Gütertrennung nur zugunsten der Antragstellerin auswirken würde. Die Antragstellerin wäre demnach bei Eintritt ins Rentenalter in jedem Fall vermögend, dem Antragsgegner hingegen bliebe nichts von seinem Vermögen. Die Antragstellerin sei auch im Rahmen der gewählten Vollmachtslösung hinreichend geschützt gewesen, denn sie hätte dem Antragsgegner nur ihr Interesse mitteilen müssen, selbst Eigentümerin der Immobilie zu bleiben. Hätte der Antragsgegner in einem solchen Fall die Immobilie verkauft, hätte ohne weiteres ein Vollmachtsmissbrauch vorgelegen.
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Hilfsweise macht der Antragsgegner gegen einen etwa bestehenden Grundberichtigungsanspruch oder Rückübertragungsanspruch der Immobilie ein Zurückbehaltungsrecht geltend, soweit der Antragsgegner schon Zahlungen auf den Kaufpreis geleistet hat.
18
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf das Sitzungsprokoll vom 29.06.2022 Bezug genommen.
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Der Antrag ist zulässig und begründet.
20
Der Antragstellerin steht ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung gegen den Antragsteller gem. § 894 BGB zu.
21
Der Inhalt des Grundbuchs steht mit der tatsächlichen Rechtslage nicht in Einklang. Im Grundbuch ist der Antragsgegner als Eigentümer der streitgegenständlichen Immobilie eingetragen. Tatsächlich ist aber die Antragstellerin Eigentümerin geblieben. Denn sowohl das Verpflichtungs- (Kaufvertrag) als auch das Verfügungsgeschäft (Auflassung) in Bezug auf die Veräußerung der Immobilie durch die Antragstellerin vertreten durch den Antragsgegner an den Antragsgegner durch notariellen Vertrag vom 03.07.2013 sind gem. § 138 BGB nichtig. Das nichtige Rechtsgeschäft ist auch nicht nachträglich gem. § 141 BGB bestätigt worden.
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Für die Frage der Sittenwidrigkeit des notariellen Vertrages ist dabei die entscheidende Vorfrage, ob bei der Bewertung der Immobilie das auf dem Objekt lastende Wohnungsrecht des Antragsgegners mitberücksichtigt werden darf oder nicht. Denn nach dem vom Antragsgegner vorgelegten Sachverständigengutachten des öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen A. T. hatte die Immobilie am 7.5.2013 einen Wert von 2.023.000 €. Der von ihm angegebene Verkehrswert von 600.000 € beruhte nur auf dem Umstand, dass er vom Verkehrswert der Immobilie einen Wert für das im Grundbuch eingetragene Wohnungsrecht in Höhe von 1.100.000 € abgezogen und überdies einen Marktanpassungsabzug von 323.000 € vorgenommen hat. Die Frage, ob für die Bewertung des Familienheimes bei einer Übertragung von der Ehefrau auf den Ehemann ein für den Ehemann eingetragenes Wohnungsrecht zu berücksichtigen ist, ist aber eine reine Rechtsfrage, die das Gericht zu entscheiden hat, und keine Sachverständigenfrage. Der Sachverständige erstattet sein Gutachten allein nach dem ihm erteilten Auftrag und dem Grundbuchstand.
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Es war deshalb vorab die Rechtsfrage zu klären, was mit einem Wohnungsrecht passiert, wenn für das Alleineigentum an einer Immobilie ein Wohnungsrecht des Erwerbers eingetragen ist.
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Beim Wohnungsrecht handelt es sich um eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit, die in § 1093 BGB geregelt ist. Nach dem Gesetzeswortlaut soll es dem Berechtigen die Möglichkeit einräumen, ein Gebäude unter Ausschluss des Eigentümers zu nutzen. Aus diesem eindeutigen Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass ein Wohnungsrecht nicht benötigt wird, wenn jemand Alleineigentümer einer Immobilie ist. Ein Wohnungsrecht kann deshalb auch jederzeit gelöscht werden (Grüneberg/Herrler, BGB, 81. Aufl. § 1093 Rn. 9).
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Der Vernehmung des Notars … im Verfahren … F… vom 26.7.2019 ist zu entnehmen, dass im Ehevertrag vom 17.4.2007 das Wohnungsrecht des Antragsgegners auf dessen Betreiben eingetragen wurde. Der Notar selbst neigte mehr zur Eintragung eines Nießbrauchs. Der Antragsgegner wies aber darauf hin, dass bei der damaligen Situation, der Gefahr des Zugriffs von Gläubigern auf das Familienheim, bei Alleineigentum der Antragstellerin an der Immobilie zu seiner Sicherung die Eintragung eines Wohnungsrechts günstiger sei, weil er bei Prüfung der oben genannten Bestimmungen herausgefunden habe, dass ein Wohnungsrecht nicht pfändbar ist. Dies ist nach § 1092 BGB zutreffend (Grüneberg/Herrler a.a.O. § 1092 Rn. 6). Nachdem sich der Antragsgegner vor Abschluss des Ehevertrages mit den Bestimmungen des Nießbrauchs und des Wohnungsrechts befasst hatte, wird ihm nicht entgangen sein, dass noch ein anderer wesentlicher, vorliegend aber entscheidungserheblicher Unterschied besteht. Wenn ein Nießbrauchsberechtigter an einer Immobilie das Alleineigentum erwirbt, erlischt nach § 1063 I BGB kraft Gesetzes der Nießbrauch. Für den Ausnahmefall nach § 1063 II BGB, dass der Eigentümer ein berechtigtes Interesse an der Fortgeltung des Nießbrauchs geltend machen kann, ist vorliegend in einem Fall, in dem es um die Übertragung der von den Eheleuten und den gemeinsamen Kindern genutzte Immobilie geht, kein Grund ersichtlich.
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Für das Wohnungsrecht, das teilweise auf die Bestimmungen des Nießbrauchs verweist, gilt diese Regelung nicht, da § 1093 BGB nicht auf § 1063 BGB verweist. Dies bedeutet aber nur, dass das Wohnungsrecht nicht automatisch kraft Gesetzes bei der Übertragung des Familienheimes erloschen ist. Es ist allerdings jederzeit auf Antrag des Alleineigentümers löschbar, wenn Eigentum und Wohnrecht in einer Person zusammenfallen. Hinderungsgründe nach § 1063 Abs. 2 BGB sind nicht ersichtlich.
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Im Ergebnis kann diese Frage aber offenbleiben, da es vorliegend allein darauf ankommt, ob bei der Bewertung des Familienheimes im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung eines Ehepaares mit zwei Kindern ein Wohnungsrecht, das vom Berechtigten nach Eigentumsübergang sofort gelöscht werden kann, bei der Bewertung des Werts der Immobilie zu berücksichtigen ist. Nach Auffassung des Gerichts ist dies nicht der Fall. Denn zum einen ist zu beachten, dass es der Grundstückserwerber in der Hand hat, das Wohnungsrecht sofort zu löschen (siehe oben) und damit vorliegend im Jahre 2013 einen Vermögenswert von etwas über 2 Millionen zu erhalten, da bei Löschung des Wohnungsrechts nicht nur der vom Sachverständigen angesetzte Wert für das Wohnungsrecht, sondern auch der Marktanpassungsabzug entfiele. Zum anderen kann bei einer derartigen Sachlage Nießbrauch und Wohnungsrecht bei Alleineigentum für die Bewertung nicht unterschiedlich behandelt werden.
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Für einen angemessenen Kaufpreis war zum Zeitpunkt des durch den Antragsgegner unter der Nutzung der erteilten Vollmacht abgeschlossenen Kaufvertrages im Jahr 2013 damit von einem Wert von ca. 2 Millionen € auszugehen.
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Daraus folgt aber eine Nichtigkeit des Vertrages vom 13.7.2013 nach § 138 BGB, weil der Wert der übertragenen Immobilie mehr als dreimal so hoch ist wie der tatsächlich vereinbarte Kaufpreis. Da der Antragsgegner diesen Vertrag auch im Namen der Antragstellerin abgeschlossen hat, sind auch die subjektiven Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs gegeben.
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Die Sittenwidrigkeit entfällt auch nicht wegen der Klausel im notariellen Vertrag, dass bei Unwirksamkeit des Kaufvertrages der Kaufpreis geschuldet sein soll, der keine Unwirksamkeit bewirkt, aber dem ursprünglichen Kaufpreis am nächsten kommt. Denn zum einen müsste dann zunächst geklärt werden, ob der Antragsgegner die Immobilie auch bei einem Wert von über 2 Millionen € erworben hätte. Davon kann zum damaligen Zeitpunkt nicht ausgegangen werden, weil er bereits für die fällige erste Kaufpreisrate von 60.000 € wie sich aus seinem eigenen Vortrag ergibt Zahlungsschwierigkeiten hatte. Zum anderen kann sich diese Anpassungsklausel nicht auf Fälle beziehen, in denen bei der hohen Differenz zwischen vereinbartem Kaufpreis und tatsächlichem Wert eine Sittenwidrigkeit besteht.
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Eine Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäfts durch Annahme von Zahlungen, Erklärungen im Trennungsunterhaltsverfahren und anfänglicher Untätigkeit kommt nach Auffassung des Gerichts nicht in Betracht. Ein sittenwidriges Rechtsgeschäft kann nur bestätigt werden, wenn die Sittenwidrigkeit nachträglich entfallen ist (Grüneberg/Ellenberger a.a.O. § 141 Rn. 5). Dies liegt aber erst vor, wenn dem Antrag der Antragstellerin entsprochen würde.
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Bei dieser Rechtslage kann es dahingestellt bleiben, ob die Antragstellerin den Vertrag vom 13.7.2013 auch anfechten konnte und ob die Vollmacht vom 17.4.2007 unwirksam ist.
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Vorsorglich ist aber darauf hinzuweisen, dass das Gericht auch davon ausgeht, dass die Vollmacht vom 17.04.2007 unwirksam ist, wodurch sowohl das Verpflichtungs- als auch das Verfügungsgeschäft mangels wirksamer Vertretungsmacht des Antragsgegners unwirksam sind. Eine nachträgliche Genehmigung des Geschäfts durch die Antragstellerin liegt nicht vor. Das Gericht ist bereits nicht an die Gründe des Teilbeschlusses im Verfahren … F… vom 16.09.2019 gebunden. Die Rechtskraft erstreckt sich lediglich auf den Tenor (Auskunftsverpflichtung) und nicht auf die Gründe der Entscheidung. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung im Ternor führt weder zu einer Bindungswirkung noch enthält sie eine rechtskräftige Feststellung zum Grund des Anspruchs auf Auskunftserteilung.
34
Überdies enthält der Teilbeschluss ohnehin keine Ausführungen zur Wirksamkeit der erteilten Vollmacht.
35
Aus der notariellen Urkunde ergibt sich zwar, dass der Notar die Antragsgegnerin über die Folgen der Vollmacht belehrt hat, hierbei ging es aber nur um die Folgen einer Vollmacht mit der Möglichkeit eines Insichgeschäfts nach § 181 BGB.
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Der Vernehmung des Notars ist nicht zu entnehmen, ob eine Aufklärung dahingehende erfolgte, dass eine derartige Vollmacht völlig unüblich ist. Die Antragsgegnerin hätte jeden Notartermin, von dem sie verständigt worden wäre, problemlos wahrnehmen können.
37
Bei der Immobilie ging es um das Familienheim, das für die Eheleute und insbesondere auch die beiden gemeinsamen Kinder der Lebensmittelpunkt war und ist. Die Kinder … (geb. …) und … (geb. …) waren 2007 noch keine drei Jahre alt und die Antragsgegnerin wegen der Betreuung der Kinder nicht berufstätig. Bei der Inhaltskontrolle ist nicht nur darauf zu achten, dass es zu keiner unangemessenen Benachteiligung eines Ehegatten kommt, sondern auch darauf, dass das Kindeswohl beachtet wird (BVerfG FamRZ 2001, 343, 2001, 985; BGH FamRZ 2004, 601). Eine Vollmacht, nach der sich der Antragsgegner ohne Absprache mit der Antragstellerin das Familienheim aneignen konnte, entsprach zur damaligen Zeit keinesfalls dem Kindeswohl.
38
Die Vollmacht hatte außerdem zur Folge, dass sich der Antragsgegner ohne Kenntnis der Antragstellerin in einer Krisensituation das Familienheim aneignen konnte, obwohl die Immobilie wegen der vereinbarten Gütertrennung einen Ausgleich für einen entgangenen Zugewinn bilden sollte. Der tatsächliche Geschehensablauf zeigt auf, dass der Antragsgegner die Vollmacht nutzte, um ohne Verständigung der Antragstellerin die Immobilie zu einem unverhältnismäßig niedrigen Preis zu erwerben.
39
Bedenken bestehen aber vor allem, weil in der Vollmacht die Klausel aufgenommen wurde, dass die Antragsgegnerin sie erst für den Fall der Rechtshängigkeit eines Scheidungsverfahrens widerrufen konnte. Denn es widerspricht dem Sinn einer Ehe (vgl. § 1353 BGB), ungünstige vermögensrechtliche Folgen nur durch einen Scheidungsantrag beseitigen zu können.
40
Hinzu kommt weiter die nach § 1410 BGB formunwirksame handschriftliche Vereinbarung zwischen den Eheleuten vom 17.4.2007, dass sie auf Wunsch der Antragstellerin jederzeit in den gesetzlichen Güterstand zurückkehren könnten. Da diese Vereinbarung nicht beim Notar geschlossen wurde, wurde die Antragstellerin nicht darüber belehrt, dass diese Vereinbarung unwirksam ist. Es ergibt sich nichts aus den Akten, dass der Antragsgegner sie darauf hingewiesen hat. Da die Antragstellerin keine Juristin ist, kann nicht unterstellt werden, dass ihr die Unwirksamkeit dieser Vereinbarung bewusst war (§ 125 BGB). Es wäre aber vorliegend ohne weiteres nach den vom Antragsgegner geschilderten Gründen möglich gewesen, diese Vereinbarung formwirksam in einer Urkunde mit der erteilten Vollmacht beim Notar zu schließen, da eventuelle Gläubiger des Antragsgegners dann wie von der Vollmacht auch von dieser Vereinbarung nichts erfahren hätten.
41
Auch kann sich der Antragsgegner nicht auf eine konkludente Genehmigung des Kaufvertrages durch Annahme der Zahlungen auf den Kaufpreis berufen. Denn bereits am 19.01.2015 hat die Antragstellerin die Anfechtung des Vertrages erklärt und damit deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie den Vertrag nicht gegen sich gelten lassen will. Bis auf die Zahlung vom 07.11.2014 in Höhe von 60.000 Euro sind sämtliche geltend gemachten Zahlungen auf den Kaufpreis aber erst nach dieser Erklärung der Antragstellerin erfolgt. Die widerspruchslose Annahme dieser Gelder konnte deshalb aus dem objektiven Empfängerhorizont heraus nicht als nachträgliche Genehmigung des Geschäfts verstanden werden. Aber auch die Annahme der ersten Zahlung vom 07.11.2014 stellt nach Auffassung des Gerichts keine konkludente Genehmigung des Kaufvertrages dar. Für eine konkludente Genehmigung durch Annahme dieser ersten Kaufpreisrate ist der Antragsgegner darlegungs- und beweisbelastet. Erforderlich wäre, dass die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt vom Abschluss des Kaufvertrages durch den Antragsgegner bereits Kenntnis hatte und ihr überdies bewusst war, dass sie durch die widerspruchslose Hinnahme der Zahlung eine rechtserhebliche Erklärung gegenüber dem Überweisenden, also dem Antragsgegner abgibt. Streitig ist bereits, ob die Antragstellerin die erste Kaufpreisrate widerspruchslos hingenommen hat, denn die Antragstellerin behauptet, sie habe den Antragsgegner angesprochen und ihm das Geld zurücküberweisen wollen, woraufhin er sie beschwichtigt habe. Dies kann aber offenbleiben.
42
Denn eine konkludente Genehmigung ist vorliegend nicht gegeben. Es liegt keine diesbezügliche Willenserklärung der Antragstellerin vor.
43
Für die Abgabe einer konkludente Willenserklärung ist nach der vorzugswürdigen objektiven Theorie maßgeblich, ob der rechtsgeschäftliche Wille unmittelbar aus der auf einen rechtlichen Erfolg gerichteten Sprache hervorgeht oder ob er mittelbar aus anderen Indizien erschlossen werden muss. Ob diese Indizien den Schluss auf den rechtsgeschäftlichen Willen tatsächlich erlauben, ist im Streitfall nach allgemeinen Grundsätzen aus der Sicht des Erklärungsempfängers zu beurteilen. Vorliegend konnte der Erklärungsempfänger, der Antragsgegner nicht darauf schließen, dass das ein etwa zweimonatiges Schweigen der Antragstellerin auf eine einmalige Überweisung einer Kaufpreisrate bereits einen rechtsgeschäftlichen Willen zur Genehmigung des Kaufvertrages beinhaltet. Schweigen im Rechtsverkehr ist grundsätzlich zunächst einmal als ein Nullum anzusehen. Erst wenn weitere Indizien dazu kämen, könnte eine andere Bewertung erfolgen. Solche Indizien sind aber vorliegend für das Gericht nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen.
44
Selbst wenn man vorliegend annehmen sollte, dass lediglich der Kaufvertrag, nicht aber die Übereignung selbst nach § 138 BGB nichtig ist, so besteht ein Anspruch der Antragstellerin auf Rückübertragung des Eigentums gemäß dem gestellten Hilfsantrag Ziffer 2 nach § 812 BGB entweder aus Leistungs- oder aus Eingriffskondiktion. § 814 BGB greift hier jedenfalls nicht. Die Voraussetzungen des § 814 BGB liegen nicht vor. Es ist bereits fraglich, ob vorliegend eine Leistung der Antragstellerin an den Antragsteller erfolgt ist. Sollte eine Leistung der Antragstellerin bejaht werden, so hat nach Auffassung des Gerichts die Antragstellerin erst mit den im hiesigen Verfahren ergangenen Hinweisen zu den Nichtigkeitsgründen des notariellen Kaufvertrages gesicherte Kenntnis von ihrer Nichtschuld erlangt.
45
Dem Antragsgegner steht gegen den Anspruch aus § 894 BGB ein Zurückbehaltungsrecht zu, so dass die Grundbuchberichtigung nur Zug um Zug gegen einen Zahlbetrag in Höhe von 337.054,12 Euro ausgesprochen werden kann.
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Das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB ist zwar im Schuldrecht angesiedelt, kann aber auch gegen dingliche Ansprüche wie den Grundbuchberichtigungsanspruch aus § 894 BGB ins Feld geführt werden (Grüneberg, in Palandt BGB, 77. Aufl. 2018, § 273 Rn. 2). Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen sind in Höhe eines Betrages von 337.054,12 Euro erfüllt: Die Gegenansprüche des Antragsgegners beruhen auf demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht. Über den genannten Betrag hinausgehende Zahlungsansprüche des Antragsgegners, die er im Wege eines Zurückbehaltungsrechts geltend machen könnte, bestehen nicht.
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Der Antragsgegner hat einen Anspruch auf Rückzahlung der auf den Kaufpreis erbrachten Zahlungen gem. § 812 BGB. Dies betrifft die Zahlungen vom 7.11.2014 über 60.000 €, vom 29.1.2015 über 60.000 €, vom 23.12.2015 über 35.054 € und vom 20.11.2019 über 161.592 €, also einen Betrag in Höhe von insgesamt 316.646 €.
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Ferner sind weitere 2.000 Euro als Zahlung auf den Kaufpreis anzuerkennen. Die Rückzahlung der übrigen antragsgegnerseits geltend gemachten 4.000 Euro sind jedoch nicht geschuldet.
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Bei den Zahlungen in Höhe von jeweils 2.000 Euro vom 16.02.2015 und vom 16.03.2015 handelt es sich um für den in der Ehe vereinbarten Familienunterhalt. Die Eheleute trennten sich unstreitig erst im April 2015. Der Antragsgegner kann vereinbarte Leistungen für den Familienunterhalt nicht einseitig umwidmen in Zahlungen für den Erwerb einer Immobilie durch die Antragstellerin. Die Zahlung vom 15.4.2015 betrifft dagegen den Zeitraum ab Trennung der Beteiligten, die unstreitig ab Mitte April 2015 vorlag. Insoweit hat die Antragstellerin eingewandt, dass es sich um eine bereits beim Trennungsunterhalt berücksichtigte Zahlung handelt. Nach dem vorgelegten Vergleich der Beteiligten im Trennungsunterhaltsverfahren … F… vom 24.3.2016 kann dies nicht zutreffen, da im Protokoll bei den geleisteten Zahlungen kein Betrag von 2.000 € aufgeführt wurde. Diese Zahlung ist daher auch als Zahlung auf den Kaufpreis anzuerkennen.
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Weiter ist als Zahlung auf den Kaufpreis ein Betrag in Höhe von 18.408,12 Euro anzuerkennen. Der Antragsgegner hat insoweit die Verrechnung auf den Kaufpreis erklärt. Hierbei handelt es sich um eine vom Finanzamt an die Antragstellerin erstattete Steuerrückzahlung. Bezüglich der Steuererstattung für das Jahr 2016 handelt es sich um eine erst nach der Trennung der Eheleute entstandene Steuerschuld. Nach der Rechtsprechung des BGH gelten insoweit die sog. Grundsätze einer fiktiven Steuerberechnung entsprechend einer Einzelveranlagung (BGH FamRZ 2006, 1178), und nicht nach Köpfen, wie es das Finanzamt machte. Allerdings ergibt sich aus dem Einkommensteuerbescheid 2016, dass die Antragstellerin keinerlei steuerpflichtiges Einkommen erwirtschaftet hatte. Demnach stand ihr auch keine Steuerrückerstattung zu. Der Antragsgegner hatte insoweit einen Rückzahlungsanspruch gegen die Antragstellerin. Mit diesem konnte er gegen die Kaufpreisforderung aufrechnen.
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Für das Jahr 2013 kann die Steuernachzahlung in Höhe von 18.946 € jedoch nicht zurückverlangt werden, da es sich um einen Veranlagungszeitraum in der Ehezeit handelt. Da nach Sachlage der Antragsgegner in der Ehe für Steuernachzahlungen aufkam, kann er für diese Steuernachzahlung keine Erstattung verlangen, auch wenn der Steuerbescheid wie vorliegend erst nach der Trennung am 14.9.2015 erging (Schulz/Hauß, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 7. Aufl. Kap 7 Rn. 97).
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Eine Aufrechnung gegen den noch offenen Kaufpreis mit der Darlehensrestforderung in Höhe von 100.000 € durch den Antragsgegner kommt nicht in Betracht, wenn er wie vorliegend in der Ehezeit die Immobilie übernimmt. Dies wäre rechtsmissbräuchlich, weil er dadurch den vereinbarten Kaufpreis nochmals um 100.000 € reduzierte. Bei Nichtigkeit des Kaufvertrages wie vorliegend ist die Darlehensrestforderung im Rahmen der Ausübungskontrolle des Ehevertrages abzuhandeln. Dies wird im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens geklärt werden.
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Die Kostenentscheidung basiert auf § 81 FamFG.
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Die Entscheidung über den Verfahrenswert gründet sich auf § 42 FamGKG.