Titel:
Allgemeine Geschäftsbedingungen, Gerichtsstandklauseln, Gerichtsstandsvereinbarung, Streitiges Rechtsverhältnis, Versteigerungsvertrag, Nebenintervention, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Veräußerung, Elektronischer Rechtsverkehr, Eigentumserwerb, Streitwert, Sachverständigengutachten, Derzeit unbegründet, Öffentlich-rechtliche Körperschaft, Vorgerichtliche Anwaltskosten, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, Unwirksamkeit, Internationale Zuständigkeit der Gerichte
Schlagworte:
internationale Zuständigkeit, Gerichtsstandsklausel, Rückgabeanspruch, Identitätsgutachten, Freigabehindernis, Kulturgutschutz, streitiges Rechtsverhältnis
Fundstelle:
BeckRS 2022, 59075
Tenor
1. Die Klage wird als derzeit unbegründet abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention zu tragen.
3. Das Urteil Ist für die Beklagte im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 36.722, 18 € festgesetzt.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt vom beklagtendie Herausgabe einer Marienstatue.
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Der Kläger lieferte aufgrund Versteigerungsvertrages vom 04.08.2015 mit der Beklagten, der in M. ansässigen, als GmbH selbständigen Niederlassung des … eine auch als … bezeichnete hölzerne Marienstatue aus dem frühen 13. Jahrhundert zur Versteigerung ein (Anlage K 1).
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Der in deutscher Sprache abgefasste Versteigerungsvertrag enthält als letzten Absatz eine Erklärung, in der es heißt:
„Ich stimme dem Verkauf und der Veräußerung der auf der beiliegenden Einlieferungsliste aufgeführten Objekte in Übereinstimmung mit … Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Käufer und Verkäufer, der Echtheitsgarantie, sowie den vereinbarten Konditionen zu. Ich bestätige, dass ich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Verkäufer, die als Anhang I dieser Vereinbarung beigefügt und Bestandteil dieser Vereinbarung sind, einschließlich der Gewährleistungen und Garantien, gelesen habe. (…)".
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In den als Anhang I angefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten lautet Ziffer 5. c) :
„Falls … Kenntnis von einem streitigen Rechtsverhältnis hinsichtlich eines zum Zwecke der Versteigerung durch den Verkäufer eingelieferten Loses erlangt, gibt … das Los erst dann wieder frei, wenn die Angelegenheit zugunsten des Verkäufers beigelegt ist.“
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In Ziffer 21. der AGB wird die Anwendbarkeit englischen Rechts und die ausschließliche Zuständigkeit englischer Gerichte bestimmt. Im Anhang II zum Versteigerungsvertrag liegt die Einlieferungsliste des Klägers vor, in der unter anderem die Marienstatue aus dem frühen 13. Jahrhundert zu einem Schätzpreis zwischen 30.000,00 € und 50.000,00 € beschrieben ist.
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Der Kläger zahlte die vereinbarten Entgelte für die Ilustration im Katalog sowie die Versendung des Loses in das Auktionshaus in L., wo die Marienstatue versteigert werden sollte.
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Mit EMail vom 16.11.2015 teilte der Mitarbeiter der Beklagten … dem Kläger mit, dass die Marienstatue nicht versteigert werden könne, da eine Recherche zur Herkunft ergeben habe, dass die Marienstatue auf der Internetseite des französischen Ministeriums für Kultur als gestohlen registriert sei (Anlagen K 4 und K 5). Dort ist (seit 1992 online) mit Abbildung eine Marienstatue … des späten 12. Jahrhunderts beschrieben, die am 7. oder 8. Juli 1976 aus der Kirche … gestohlen worden war.
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Der Kläger bat die Beklagte mit E-Mail vom 16.11.2015 erstmals um Herausgabe der Marienstatue. Da die Beklagte nicht reagierte, folgten weitere – vergebliche – Aufforderungen an die Beklagte durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers zur Rückgabe der Skulptur. Mit Schreiben vom 14.09.2017 erklärte die Klagepartei den Rücktritt vom Vertrag verbunden mit der erneuten Aufforderung zur Herausgabe bis 21.09.2017 (Anlage K 9). Auf eine Anforderung des französischen Kulturministeriums, der auf Seiten der Beklagten nun im Prozess beigetretenen Nebenintervenientin zu 1), teilte der Kläger mit E-Mail vom 06.07.2017 (Anlage N 8) unter Berufung auf nach seiner Auffassung anwendbarem deutschem Recht erworbenes Eigentum mit, die Marienstatue nur gegen Kompensation des realen Wertes an die französischen Behörden herauszugeben.
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Der Kläger macht geltend, er sei der rechtmäßige Eigentümer der Marienstatue. Er habe keine Kenntnis von dem angeblichen Diebstahl seiner Marienstatue. Er sei nicht nur beim Eigentumserwerb gutgläubig gewesen, sondern habe das Eigentum ersessen. Hierzu trägt er vor, seine – zwischenzeitlich verstorbene – Mutter habe ihm die Skulptur im Jahr 1975 anlässlich seiner Habilitation geschenkt. Nach seiner Kenntnis habe seine Mutter die Marienstatue im Münchner Kunsthandel erworben und den damaligen Direktor des bayerischen Nationalmuseums zur Frage der Echtheit und eines Spezialisten zur Restaurierung befragt. Die im Jahr 2000 mit der Versicherung der Skulptur beauftragte … Versicherung habe bei ihrer Recherche im so genannten „Lost-Art-Verzeichnis“ keine Negativeintragungen vorgefunden.
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Im Übrigen bestreitet der Kläger, dass es sich bei der von ihm bei der Beklagten zur Versteigerung eingelieferten Marienskulptur um die als aus der Kirche in … gestohlen gemeldete Marienstatue handele.
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Der Kläger macht ferner geltend, die AGB der Beklagten, die auf englisches Recht und den Gerichtsstand in England verweisen, seien insgesamt unwirksam, weil dies den Verbraucher abschrecke, seine Rechte geltend zu machen.
1. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn die bei der Beklagten unter der Objektnummer … geführte hölzerne Marienstatue … herauszugeben.
2. Die Beklagte weiter zu verurteilen, an den Kläger 1.722,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2015 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte behauptet, es handele sich bei der bei ihr vom Kläger eingelieferten Skulptur um die im Jahr 1976 aus der Kirche in … gestohlene Marienstatue.
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Die Beklagte beruft sich darauf, dass sie ohne eine Einigung mit der Französischen Regierung und ohne gerichtliche Feststellung der Eigentümerstellung die Marienstatue nicht an den Kläger herausgeben dürfe, da sie ansonsten Ansprüchen des französischen Staates ausgesetzt sei.
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Sie ist der Auffassung, der Kläger habe auch nicht für den Fall der Anwendbarkeit deutschen Rechts das Eigentum an der Skulptur erworben. Ein gutgläubiger Erwerb der abhanden gekommenen Sache sei nach S. 935 BGB ausgeschlossen. Auf Ersitzung gemäß S. 937 BGB könne sich der Kläger nicht berufen, da seine Darstellung des Erwerbs inkonsistent sei. 1975 habe er diese nicht von seiner Mutter geschenkt bekommen haben können, da die Marienstatue erst 1976 aus der Kirche in Frankreich gestohlen worden sei.
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Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22.04.2020 sind die … vertreten durch das … in P. als Nebenintervenientin zu 1) sowie die Gemeinde … vertreten durch deren Bürgermeister, als Nebeninterventin zu 2) auf Seiten der Beklagten dem Verfahren beigetreten und reklamieren das Eigentum der Gemeinde von … an der Madonna. Nach dem nach ihrer Auffassung auf die Eigentumsverhältnisse an der gestohlenen Marienstatue anwendbaren Französischen Recht des Code Géneral de la Propriété (Allgemeines Gesetzbuch über das Eigentum öffentlich-rechtlicher Köperschaften) sei das Eigentumsrecht der öffentlichrechtlichen Körperschaft unveräußerlich und nicht ersitzbar. Die Verbringung der 1976 gestohlenen Statue nach Deutschland führe auch nicht zu einem Statutenwechsel zugunsten deutscher zivilrechtlicher Vorschriften über den Eigentumserwerb. Die gestohlene Marienstatue sei zudem – und das ist unstreitig – seit 1. Dezember 1913 als „trésor national“, also als wertvolles Kulturgut registriert.
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Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschlusses vom 17.11.2020 mit Ergänzungsbeschluss vom 26.05.2021 durch Erholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten des sachverständigen … vom Bayerischen Nationalmuseum vom 18.08.2021 (BI. 121/123 d.A.) Bezug genommen.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien und Nebenintervenientinnen samt Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 29.11.2018 und vom 05.03.2020 verwiesen.
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Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Das Gericht hat am 12.04.2022 die Entscheidung gemäß S. 128 Abs. 2 ZPO beschlossen, abschließende Schriftsatzfrist zum 26.04.2022 sowie Verkündungstermin bestimmt.
Entscheidungsgründe
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l. Die Klage ist zulässig.
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Insbesondere besteht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Die in den AGB zum Versteigerungsvertrag unter Ziffer 21. im zweiten Absatz vereinbarte Gerichtsstandsklausel zur Begründung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte Englands ist unwirksam. Die Voraussetzungen für eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung unter Beteiligung eines Verbrauchers, hier des Klägers, nach S. 38 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Beide Parteien haben im deutschen Inland einen allgemeinen Gerichtsstand, die Beklagte am Sitz ihrer Niederlassung in M., womit auch die örtliche Zuständigkeit nach S. 12 ZPO begründet ist. Die Beklagte hat sich im Übrigen auch ohne Rüge der internationalen Zuständigkeit in der Sache eingelassen.
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II. Die Klage ist jedoch derzeit unbegründet.
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Der Anspruch des Klägers auf Rückgabe des nicht versteigerten Loses, der Marienstatue, aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versteigerungsvertrag vom 04.08.2015 ist nicht fällig. Der Herausgabe steht das in den wirksam vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten unter Ziffer 5. c) begründete Freigabehindernis entgegen. Auf die Frage, ob und nach welchem Recht der Kläger wirksam Eigentum an der 1976 aus der Kirche von … gestohlenen Marienstatue erlangt haben könnte, kommt es im Verhältnis zur Beklagten nicht an.
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Im Einzelnen gilt Folgendes:
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1. Bei der vom Kläger bei der Beklagten zur Versteigerung eingelieferten Marienstatue handelt es Sich um die im Jahr 1976 aus der Pfarrkirche … im … gestohlenen hölzerne Marienstatue aus dem späten 12. Jahrhundert.
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Dies ergibt das zur Frage der Identität gerichtlich beauftragte Gutachten vom 18.08.2021 des Sachverständigen ... tätig im Bayerischen Nationalmuseum, zur Überzeugung des Gerichts. – führte nachvollziehbar aus, dass er ohne unmittelbare Ansicht der in L. befindlichen, vom Kläger zur Auktion eingelieferten Marienstatue nur auf Grundlage des Vergleiches von verfügbarem Fotomaterial eine zweifelsfreie Aussage darüber habe treffen können, dass es sich um die 1976 in … gestohlene Marienstatue handele. Neben dem Foto im Versteigerungskatalog der Beklagten vom 10.12.2015, das auf eine Arbeit von F. über Madonnenskulpturen im romanischen Frankreich aus dem Jahr 1972 zurückgehe, habe er auf fünf Aufnahmen aus dem Internet … zugreifen können.
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Aus dem Vergleich der Aufnahmen ergebe sich ohne weiteres, dass die Madonnenstatue zwischen der Entstehung der alten Aufnahmen und der Einlieferung zur Versteigerung im Jahr 2015 keiner umfassenden Restaurierung unterzogen worden sei. Einzelne Beschädigungen seien zwar hinzugekommen. Die auf den historischen Fotos nachweisbaren Fehlstellen, insbesondere im Bereich des das rechte Bein der Maria bedeckenden Mantels, wiesen exakt dieselbe charakteristische Form wie auf dem 2015 vorliegenden Foto auf. Dies treffe auch auf weitere Details zu, konkret auf
- die Beschädigungen an der Krone und den Haaren Mariens,
- die Fehlstelle links unter dem Mund Mariens,
- das charakteristische Schadensbild vorne an der Krone Jesu,
- den unregelmäßigen Verlauf der Faltengrate vor der rechten Schulter der Maria,
- die auf den Befall durch Holzschädlinge deutenden Ausfluglöcher auf dem Rücken der linken Hand der Maria,
- einen langen lanzenförmigen Ausbruch an der Vorderseite der vom Betrachter linken Thronwange sowie der darunter schräg zur Figur hin verlaufende Riss, der oben in einer dellenförmigen Vertiefung zu enden scheine,
- das ebenfalls sehr charakteristische Schadensbild an der anderen Thronwange und
- den markanten Riss oder die markante Fuge rechts der Mitte der Plinthe, die unter Umständen aus mehreren Holzstücken zusammengesetzt sei.
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Überzeugend und nachvollziehbar ist auch die Feststellung des Sachverständigen … nach eingehender Betrachtung und Hervorhebung der auf den Fotos übereinstimmenden Fehl- und Schadstellen als herausragender Merkmale, dass diese technisch kaum, wenn überhaupt nur extrem aufwändig, einer Fälschung zugänglich wären. Die Fälschung sei eine eher theoretische Möglichkeit, die ihm, dem Sachverständigen, in solcher Exaktheit im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit nicht begegnet sei. Nach alledem kam der Sachverständige … nachvollziehbar und überzeugend zu dem Ergebnis, dass es sich bei der vom Kläger bei der Beklagten eingelieferten Madonnenskulptur um die 1976 aus der Kirche in … gestohlene hölzerne Madonna handele. Die Parteien haben gegen das Gutachten auch keine Einwendungen erhoben.
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2. Die Beklagte ist berechtigt, sich auf die Klausel in Ziffer 5.c) ihrer wirksam vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu berufen und die Rückgabe des durch den Kläger zur Versteigerung als Los eingelieferten Marienstatue an diesen zu verweigern, solange ein streitiges Rechtsverhältnis hinsichtlich dieses Loses besteht und die Angelegenheit nicht zugunsten des Verkäufers beigelegt wurde.
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Die Klausel unter Ziffer 5. c) lautet: „Falls S. Kenntnis von einem streitigen Rechtsverhältnis hinsichtlich eines zum Zwecke der Versteigerung durch den Verkäufer eingelieferten Loses erlangt, gibt S. das Los erst dann wieder frei, wenn die Angelegenheit zugunsten des Verkäufers beigelegt ist.“
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Diese Klausel ist wirksam.
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Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sind durch die Erklärung im letzten Absatz des Versteigerungsvertrages über die Zustimmung zum Verkauf und Veräußerung in Übereinstimmung mit S. Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Käufer und Verkäufer wirksam einbezogen worden.
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Gründe für die Unwirksamkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, insbesondere der hier maßgeblichen Klausel unter Ziffer 5.c) sind nicht erkennbar. Eine unwirksame Gerichtsstandsvereinbarung und eine etwa unwirksame Rechtswahl – hier unter Ziffer 21 der AGB der Beklagten – führen nicht zur Unwirksamkeit der gesamten AGB. Insbesondere die Klausel unter Ziffer 5 c) der AGB ist hiervon inhaltlich unberührt. Das Argument des Klägers, durch die Wahl des Gerichtsstands in England und die Wahl englischen Rechts werde der Kunde unangemessen benachteiligt, weil er dadurch von der Durchsetzung seiner Rechte abgeschreckt werde, verfängt nicht. Es ist den Kunden durchaus zumutbar, entweder am gewählten Gerichtsstand zu klagen, der hier dem Ort der beabsichtigten Versteigerung entspricht, oder unter Angriff der Wirksamkeit der Gerichtsstandsklausel an einem anderen zuständigen Forum, wie hier in Deutschland zu klagen.
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Die Klausel unter Ziffer 5.c) schützt nicht nur in nachvollziehbarer Weise den Leumund des Auktionshauses selbst, das nicht verpflichtet sein will, Kunstgegenstände an Einlieferer zurückzugeben, solange deren Berechtigung am Kunstwerk aus nachvollziehbaren Gründen in Zweifel steht.
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Die Klausel in Ziffer 5 c) dient insbesondere dem im Auktionshandel mit – wie hier – historisch wertvollen Kunstgegenständen wichtigen Schutz vor der Förderung von Raubkunst durch Schaffung von Veräußerungs- und Übergabetatbeständen. Sie entspricht insoweit nicht nur dem Kulturschutzgesetz in Frankreich, sondern auch dem Kulturschutzgesetz (KGSG) der Bundesrepublik Deutschland, mit dem die Europäische RL 2014/60 EU über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates verbrachten Kulturgüter für die Bundesrepublik Deutschland umgesetzt wurde. Verboten ist nach dessen S. 40 Abs. 1. das Inverkehrbringen von Kulturgut, das abhandengekommen ist, rechtswidrig ausgegraben oder unrechtmäßig eingeführt worden ist. Entsprechende nach Absatz 1. verbotene Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte sind nichtig. Nach S. 66 KGSG kann der unmittelbare Eigenbesitzer, der beim Erwerb des Kulturgutes mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist, die Rückgabe des Kulturgutes verweigern, bis der ersuchende Mitgliedstaat oder Vertragsstaat eine angemessene Entschädigung geleistet hat. Nach Absatz 2 muss der unentgeltliche Rechtsnachfolger die erforderliche Sorgfalt beim Erwerb sowohl vom Rechtsvorgänger als auch vom Rechtsnachfolger beachtet worden sein.
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Wegen dieser rechtlichen Fragen zur Berechtigung des Einlieferers am als Kulturgut geschützten Kunstwerkes, die mit der Versteigerung durch das Auktionshaus selbst nichts zu tun haben, verweist die Klausel 5 c) in den AGB der Beklagten auf die Klärung zwischen den Beteiligten des streitigen Rechtsverhältnisses.
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Sie enthält eine Fälligkeitsregel: Erst wenn die Angelegenheit, also das streitige Rechtsverhältnis zwischen dem Verkäufer (Einlieferer) und dem oder der Dritten zugunsten des Verkäufers beigelegt wurde, gibt die Beklagte das Los wieder frei.
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2. Das streitige Rechtsverhältnis ist gegeben. Es besteht spätestens seit der Nebenintervention des … und der … im vorliegenden Prozess auf Seiten der Beklagten. Diese reklamieren gegenüber dem Kläger das Eigentum der Beklagten zu 2) an der 1976 aus der Kirche gestohlenen Marienstatue. Schon vorgerichtlich hatte die Beklagte zu 1) den Kläger zur Herausgabe der Statue aufgefordert. Der Kläger hatte hierauf mit anwaltlicher E-Mail vom 06.07.2017 (Anlage N 8) mitgeteilt, er sei nach anwendbarem deutschem Recht berechtigter Eigentümer und ohne Kompensation des realen Wertes der Statue nicht zur Herausgabe bereit. Die Nebenintervenientinnen vertreten demgegenüber die Auffassung, dass das der … zustehende Eigentumsrecht nicht veräußerlich und nicht ersitzbar sei nach dem nach ihrer Ansicht anwendbaren französischen Recht über das Eigentum öffentlich-rechtlicher Körperschaften, das nicht durch Verbringung ins Ausland erlösche. Ihr Herausgabeanspruch unterliege zudem keiner Verjährung.
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Die Nebenintervenientinnen können sich dafür auf den zwischen den Parteien unstreitigen Umstand stützen, dass die streitgegenständliche Marienstatue als Kulturgut von nationaler Bedeutung seit dem 01.12.1913 im französischen sogenannten „trésor national“ unter der Registernummer … eingetragen (Anlage N 3) ist und damit besonderem öffentlich-rechtlichen Schutz in Frankreich gemäß dem Code G. de la P. des P. Pu. untersteht. Seit dem Jahr 2000 ist die aus der Kirche in … gestohlene Marienstatue zudem in der I.-Datenbank für gestohlenes Kulturgut registriert und somit auch international zur Fahndung ausgeschrieben.
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3. Die Beklagte darf daher unter Berufung auf Ziffer 5 c) ihrer AGB die Herausgabe des vom Kläger eingelieferten und nicht versteigerten Loses der Marienstatue aus … solange verweigern, bis der Kläger ihr nachweist, dass der Rechtsstreit zwischen ihm und den Nebenintervenientinnen zu seinen Gunsten beigelegt ist. Solange ist der vertragliche Rückgabeanspruch des Klägers nicht fällig und die Klage derzeit unbegründet. Da der Hauptanspruch nicht fällig, die Beklagte also auch nicht in Verzug ist, kann die Klagepartei auch nicht die vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 101 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt S. 709 ZPO.