Titel:
Abschalteinrichtung, Sittenwidrigkeit, Klagepartei, Schädigungsvorsatz, Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, Darlegungs- und Beweislast, Arglistige Täuschung, BGH-Beschluss, Rechtshängigkeit, Vorabentscheidungsersuchen, Annahmeverzug, Berufungsverfahren, Bewusster Gesetzesverstoß, Beschlüsse, Unzulässigkeit, Hinreichende Erfolgsaussicht, Sachmängel, Zug-um-Zug, Besondere Verwerflichkeit, BGH-Urteil
Schlagworte:
Schadensersatz, unzulässige Abschalteinrichtung, Thermofenster, Zykluserkennung, objektive Sittenwidrigkeit, Schädigungsvorsatz, Schutzgesetze
Vorinstanz:
LG Würzburg vom 17.11.2021 – 91 O 1396/21
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Bamberg, Beschluss vom 22.03.2022 – 3 U 489/21
BGH Karlsruhe, Urteil vom 07.08.2024 – ZR 539/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 59016
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 17.11.2021 im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 24.610,52 € festzusetzen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis längstens 21.02.2022.
Entscheidungsgründe
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Die Klagepartei nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.
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1. Die Klagepartei erwarb am 11.08.2017 von einem nicht am Rechtsstreit beteiligten Autohaus ein Gebrauchtfahrzeug der Marke X., Typ P. zum Kaufpreis von 33.000,00 € (Anlage K 1). Zum Zeitpunkt des Kaufs betrug der Kilometerstand des Fahrzeugs 9.237 km, zum 15.11.2021 betrug er 95.868 km. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA 288 (2,0 l 140 kW Euro 6) ausgestattet. Das Fahrzeug ist nicht von einem Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt betroffen.
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2. Die Klagepartei hat in erster Instanz vorgetragen, in dem von ihr erworbenen Fahrzeug kämen mit Wissen und Wollen des Vorstands der Beklagten mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen zum Einsatz (Thermofenster, Zykluserkennung). Auf dieser Grundlage hat die Klagepartei in erster Instanz zuletzt beantragt,
- 1.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 25.115,17 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Verurteilung erfolgt Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs X. P. 2.0 TDI H. (FIN: …) an die Beklagte.
- 3.
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Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziffer II genannten PKWs in Annahmeverzug befindet.
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Die Beklagte ist dem Vortrag der Klagepartei in erster Instanz entgegengetreten und hat Klageabweisung beantragt.
- 4.
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Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 17.11.2021 abgewiesen.
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Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz im Übrigen wird Bezug genommen auf die Feststellungen im angegriffenen Ersturteil (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
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5. Gegen das vorgenannte Endurteil wendet sich die zulässige Berufung der Klagepartei, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihre Sachanträge weiterverfolgt. Die Klagepartei beantragt,
unter Abänderung des am 24.11.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Würzburg, Az. 91 O 1396/21 wie folgt zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 24.610,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Die Verurteilung erfolgt Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs X. P. 2.0 TDI H. (FIN: …) an die Beklagte.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziffer II genannten PKWs in Annahmeverzug befindet.
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Wegen des Vorbringens der Klagepartei im Berufungsverfahren im Übrigen wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 24.01.2021 samt Anlagen.
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Nach der einstimmigen Auffassung des Senats ist die Berufung der Klagepartei offensichtlich unbegründet, so dass das Rechtsmittel keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinn des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO bietet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
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1. Ein Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagten nach § 826 BGB wegen des im Fahrzeug der Klagepartei unstreitig zum Einsatz kommenden Thermofensters besteht nicht. Es fehlt sowohl an der objektiven Sittenwidrigkeit als auch am Schädigungsvorsatz.
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(Spätestens) Seit der Entscheidungsserie vom 16.09.2021 (Urteile vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, 286/20, 321/20 und 322/20) nimmt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung an, dass es im Hinblick auf die – bis heute bestehende! – unsichere Rechtslage bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Thermofensters unabhängig vom konkret verwendeten Typ des Dieselmotors und herstellerübergreifend (zu Daimler: u.a. Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, NJW 2021, 3721; zu VW: Beschluss vom 09.03.2021, VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814; zu Audi: Beschluss vom 01.09.2021, VII ZR 128/21, juris; Beschluss vom 13.10.2021, VII ZR 164/21, juris; zu BMW: Beschluss vom 15.09.2021, VII ZR 2/21, juris) sowohl an einem besonders verwerflichen Verhalten des Herstellers als auch an dem erforderlichen Schädigungsvorsatz fehlt. Im Einzelnen:
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a) Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) sind nicht bereits deshalb gegeben, weil die Beklagte das in Rede stehende Fahrzeug aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) ausgestattet und in den Verkehr gebracht hat (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 13; Urteil vom 13.07.2021, VI ZR 128/20, VersR 2021, 1252 Rn. 10; Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, NJW 2021, 3721 Rn. 12). Dabei kann zugunsten der Klagepartei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG zu qualifizieren ist, denn der darin liegende Gesetzesverstoß wäre auch unter Berücksichtigung einer damit einhergehenden Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 16; Beschluss vom 09.03.2021, VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 26; Urteil vom 13.07.2021, VI ZR 128/20, VersR 2021, 1252 Rn. 13; Urteil vom 20.07.2021, VI ZR 1154/20, VersR 2021, 1575 Rn. 13; Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, NJW 2021, 3721 Rn. 15).
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aa) Der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ist nicht mit der Fallkonstellation zu vergleichen, die dem Grundsatzurteil vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962) zugrunde liegt (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 17 Beschluss vom 09.03.2021, VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 27). Dort hatte der Automobilhersteller entschieden, von der Einhaltung der gesetzlichen Stickoxidgrenzwerte im realen Fahrbetrieb vollständig abzusehen und dem KBA stattdessen zwecks Erlangung der Typgenehmigung mittels einer eigens zu diesem Zweck entwickelten Motorsteuerungssoftware wahrheitswidrig vorzuspiegeln, dass die von ihm hergestellten Dieselfahrzeuge die Grenzwerte einhalten. Die Software war bewusst und gewollt so programmiert, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten wurden (Umschaltlogik), und zielte damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde ab. Die mit einer derartigen – evident unzulässigen – Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeuge hatte der Hersteller sodann unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzten, in den Verkehr gebracht. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich.
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bb) Der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ist weder „evident unzulässig“ (vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2021, VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 17) noch von vornherein durch Arglist geprägt (BGH, Beschluss vom 09.03.2021, VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 27). Das Thermofenster unterscheidet nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet, sondern arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise. Unter den für den Prüfzyklus maßgebenden Bedingungen entspricht die Rate der Abgasrückführung im normalen Fahrbetrieb derjenigen auf dem Prüfstand.
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Daher reicht allein der Vortrag der Klagepartei, dass das Thermofenster bereits bei 15 Grad Celsius greife und lediglich in dem Temperaturbereich von 17 bis 33 Grad Celsius keine Reduktion der Abgasrückführung stattfinde, nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben.
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b) Um das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig zu bewerten, bedarf es daher – über die Verwendung des Thermofensters hinaus – weiterer Umstände (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 19; Beschluss vom 09.03.2021, VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 28; Urteil vom 13.07.2021, VI ZR 128/20, VersR 2021, 1252 Rn. 13; Urteil vom 20.07.2021, VI ZR 1154/20, VersR 2021, 1575 Rn. 13; Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, NJW 2021, 3721 Rn. 16), für die die Klagepartei die Darlegungs- und Beweislast trägt (BGH, Urteil vom 20.07.2021, VI ZR 1154/20, VersR 2021, 1575 Rn. 13). Keinesfalls ausreichend hierfür ist allein der Umstand, dass die Beklagte mit der Entwicklung und dem Einsatz des Thermofensters eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt hat (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 13).
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aa) Über die Verwendung des Thermofensters hinaus, setzt daher bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit voraus, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 19; Beschluss vom 09.03.2021, VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 28 Urteil vom 13.07.2021, VI ZR 128/20, VersR 2021, 1252 Rn. 13; Urteil vom 20.07.2021, VI ZR 1154/20, VersR 2021, 1575 Rn. 13; Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, NJW 2021, 3721 Rn. 16), also mit „Vorsatz“ gehandelt haben (vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2021, VI ZR 1154/20, VersR 2021, 1575 Rn. 14). Eine lediglich fahrlässige Verkennung der Rechtslage ist insoweit nicht ausreichend (vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2021, VI ZR 1154/20, VersR 2021, 1575 Rn. 14). Für diese Tatbestandsvoraussetzung trägt die Klagepartei die Darlegungs- und Beweislast (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 19; Beschluss vom 09.03.2021, VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 29; Urteil vom 13.07.2021, VI ZR 128/20, VersR 2021, 1252 Rn. 14; Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, NJW 2021, 3721 Rn. 17).
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bb) Für ein derartiges Vorstellungsbild sprechende Anhaltspunkte hat die Klagepartei nicht aufgezeigt.
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(1) Die Klagepartei hat nicht dargelegt, dass es sich bei dem Thermofenster um eine prüfstandsbezogene Abschalteinrichtung handelt. Zwar ist denkbar, dass eine Abschalteinrichtung die Kriterien des § 826 BGB auch dann erfüllt, wenn sie nicht prüfstandsbezogen ist. Das Kriterium der Prüfstandsbezogenheit ist indes geeignet, um zwischen – ggf. nur unzulässigen – Abschalteinrichtungen und solchen, deren Implementierung die Kriterien einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung erfüllen können, zu unterscheiden sowie um aus der Funktionsweise der Abschalteinrichtung auf eine als sittenwidrig zu bewertende Täuschungsabsicht der Beklagten schließen zu können (BGH, Beschluss vom 29.09.2021, VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 18 f.).
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Bei Implementierung des Thermofensters erfolgt die Abgasreinigung im Grundsatz auf dem Prüfstand und im realen Betrieb in gleicher Weise. Es liegt damit – im „Thermofenster als solchem – noch kein System der Prüfstanderkennung vor (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, juris Rn. 19).
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Soweit die Klagepartei – sinngemäß – behauptet, der Temperaturbereich des Thermofensters sei auf die Bedingungen auf dem Prüfstand exakt zugeschnitten, hat sie die Ausgestaltung des Thermofensters schlüssig und in prozessual beachtlicher Weise vorzutragen (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, juris Rn. 20, 24; Beschluss vom 15.09.2021, VII ZR 2/21, juris Rn. 14; Beschluss vom 15.09.2021, VII ZR 101/21, juris Rn. 17). Von einer Abschalteinrichtung, die exakt auf die Prüfbedingungen im NEFZ abgestimmt ist, kann aber schon nach dem eigenen, oben dargestellten Vortrag der Klagepartei ersichtlich keine Rede sein, weil die Temperatur des Prüfraums während der gesamten Prüfung zwischen 20°C und 30°C beträgt (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, juris Rn. 24).
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(2) Nicht ausreichend ist ferner der Vortrag der Klagepartei, die Beklagte habe im Typgenehmigungsverfahren unzutreffende Angaben über die Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems gemacht bzw. „nicht alle Details offengelegt“.
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Auch aus einer etwaig unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise des Thermofensters gegenüber dem KBA folgen keine Anhaltspunkte, dass für die Beklagte tätige Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Selbst wenn die Beklagte – erforderliche – Angaben zu den Einzelheiten der temperaturabhängigen Steuerung unterlassen haben sollte, wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 X.VfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen. Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren, die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des KBA und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden, sind nach alledem nicht zu erkennen (BGH, Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, juris Rn. 26).
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b) Dem Sachvortrag der Klagepartei lässt sich zudem nicht entnehmen, dass die Beklagte mit Schädigungsvorsatz gehandelt hätte.
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Bei einer Abschalteinrichtung, die – wie hier – im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (BGH, Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, juris Rn. 30). Die Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit eines Thermofensters ist – bis heute – zweifelhaft. Eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt aber für eine Haftung der Beklagten nicht (BGH, Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, juris Rn. 31 f.). Entgegen der Auffassung der Klagepartei sind die Vorgaben des Unionsrechts keineswegs eindeutig; anderenfalls hätte ein sog. acte clair vorgelegen und es wäre zu keiner Entscheidung des EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens gekommen. Auch folgt allein aus der – unterstellten – objektiven Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer. Im Hinblick auf die unsichere Rechtslage ist nicht dargetan, dass sich den für die Beklagte tätigen Personen die Gefahr einer Schädigung des Klägers hätte aufdrängen müssen (BGH, Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, juris Rn. 32).
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2. Ein Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form einer Zykluserkennung besteht ebenfalls nicht. Zu Recht hat das Landgericht den diesbezüglichen Vortrag der Klagepartei als prozessual unbeachtlich angesehen (zum Prüfungsmaßstab vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2021, VI ZR 128/20, juris Rn. 21; Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, juris Rn. 23). Es ist dabei schon im Ansatz verfehlt, wie die Klagepartei zur Darlegung einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung auf die Voraussetzungen, unter denen ein Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB vorliegen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19 Rn. 9 ff., ZIP 2020, 486), abzustellen (BGH, Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 286/20, juris Rn. 16). Darauf, ob der Vortrag im Hinblick auf die Annahme eines Sachmangels nach kaufrechtlichem Gewährleistungsrecht gemäß § 434 BGB als substantiiert zu erachten wäre (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 a.a.O.), kommt es für die hier erforderliche Substantiierung der Voraussetzungen eines Anspruchs wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB nicht an (BGH, Beschluss vom 15.09.2021, VII ZR 165/21, juris Rn. 14; Beschluss vom 29.09.2021, VII ZR 72/21, juris Rn. 14).
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Bei dieser Bewertung hat der Senat den Vortrag der Klagepartei in erster Instanz und im Berufungsverfahren zur Kenntnis genommen und erwogen. Im Einzelnen ist hierzu anzumerken:
− Der Umstand, dass die Beklagte im Motortyp EA 189 eine unzulässige Abschalteinrichtung nebst Fahrstanderkennung („Umschaltlogik“) verwendet hat, stellt noch keinen greifbaren Anhaltspunkt dafür dar, dass dies auch beim Motortyp EA 288 der Fall ist (OLG Dresden, Urteil vom 04.12.2020, 9a U 2074/19, juris Rn. 30). Aus dem Umstand, dass es sich bei dem Motorentyp EA 189 um den Vorgängermotor zum streitgegenständlichen Motorentyp EA 288 gehandelt hat, kann nicht geschlossen werden, dass auch in dem Nachfolgemodell eine unzulässige Abschalteinrichtung enthalten ist (OLG Stuttgart, Urteil vom 19.01.2021, 16a U 196/19, juris Rn. 54);
− In der Anlage K 10 heißt es – wie dem Senat aus einer Vielzahl von Parallelverfahren gerichtsbekannt ist – auf Seite 28: „Umschaltung in der Software teilweise enthalten, jedoch ohne Einfluss auf das Emissionsverhalten. Hinweis: Die Fahrzyklenerkennung ist stark von der Motorvariante und dem Projekt abhängig und ist nicht immer einheitlich appliziert.“ (Hervorhebung nicht im Original);
− Die Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ ist als Indiz für eine Abschalteinrichtung, und noch dazu für eine Manipulationssoftware, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen könnte, angesichts der unstreitigen gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, ungeeignet (BGH, Beschluss vom 15.09.2021, VII ZR 2/21, juris Rn. 30; BGH, Urteil vom 13.07.2021, VI ZR 128/20, juris Rn. 23);
− Das Urteil des Landgerichts Stuttgart (23 O 172/18) wurde vom Oberlandesgericht Stuttgart aufgehoben. Die hiergegen erhobene Revision ist erfolglos geblieben (Beschluss vom 29.09.2021, VII ZR 223/20, juris).
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In der Auffassung, dass die Klagepartei ins Blaue hinein vorträgt, sieht sich der Senat auch dadurch bestätigt, dass die Klagepartei umfangreich sowohl zu Manipulationen bei der AdBlue-Dosierung als auch zu Manipulationen des NOx-Speicher-Katalsysator vorträgt, obwohl es sich um Sachverhalte handelt, die sich gegenseitig ausschließen. Dies lässt den Vortrag der Klagepartei insgesamt als willkürlich erscheinen.
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3. Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB besteht aus Rechtsgründen nicht (BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798 Rn. 18, 23, 24; Urteil vom 08.12.2020, VI ZR 244/20, ZIP 2021, 84 Rn. 20).
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4. Der Klaganspruch ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV, weil es sich bei den Vorschriften der EG-FGV nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt (BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798 Rn. 10 ff.; Beschluss vom 18.05.2021, VI ZR 486/20, juris Rn. 21; Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, juris Rn. 35; Urteil vom 23.09.2021, III ZR 200/20, juris Rn. 14). Entsprechendes gilt für einen Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 5 VO 715/2007/EG (BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798 Rn. 15; Urteil vom 08.12.2020, VI ZR 244/20, ZIP 2021, 84 Rn. 20; Beschluss vom 09.03.2021, VI ZR 889/20, Rn. 10, juris; Urteil vom 23.03.2021, VI ZR 1180/20, juris Rn. 19; vgl. auch BGH, Urteil vom 23.09.2021, III ZR 200/20, juris Rn. 14).
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Die aussichtslosen Berufungsangriffe erfordern keine Erörterung in mündlicher Verhandlung.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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Der Senat regt daher – unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme – die kostengünstigere Rücknahme der aussichtslosen Berufung an, die zwei Gerichtsgebühren spart (vgl. Nr. 1220, 1222 Kostenverzeichnis GKG).