Inhalt

AG Ingolstadt, Endurteil v. 11.08.2022 – 13 C 1691/21
Titel:

Übertragung der Rechtsprechung (sog. Dreijahreslösung) bei Energieversorgungsverträgen auf den Bankensektor hinsichtlich des zu zahlenden Kontoführungsentgeltes

Normenkette:
BGB § 242, § 307, § 812 Abs. 1
Leitsätze:
1. Mit der Verwendung einer unwirksamen AGB-Klausel liegt ein Verstoß gegen vorvertragliche Pflichten vor. Wegen dieses eigenen Vertragsverstoßes kann eine Bank nicht mehr darauf vertrauen, dass ein Kunde wegen eines großen Zeitablaufs sein Recht nicht mehr geltend macht. (Rn. 26 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine ergänzende Vertragsauslegung muss jedoch zu einer die beiderseitigen Interessen angemessenen berücksichtigenden Regelung führen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dies geschieht im Bankensektor dadurch, dass die zu den Preisänderungsklauseln entwickelte Rechtsprechung im Energiesektor (sog. Dreijahreslösung) auf die Zahlung von Kontoführungsgebühren übertragen wird. (Rn. 36 – 54) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Girokonto, Rückzahlung, Kontoführungs- und Kartengebühren, Treu und Glauben, Energieversorgung, Versorgungssicherheit, Dreijahreslösung, Preiserhöhung, Preisänderungsklausel
Rechtsmittelinstanzen:
LG Ingolstadt, Endurteil vom 23.06.2023 – 13 S 1539/22 p
BGH Karlsruhe, Urteil vom 19.11.2024 – XI ZR 139/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 58919

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 360,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Rückzahlungsansprüche des Klägers nach unwirksamer Gebührenvereinbarung für ein Girokonto.
2
Der Kläger war seit den 1980er Jahren Kunde der S. I. Für das Girokonto mit der Nummer … war in den Jahren vor 2018 das Kontomodell „Giro@direkt“ vereinbart. Der monatliche Grundpreis von 4,50 € wurde nicht berechnet, wenn ein Durchschnittsguthaben in Höhe von 1.500,00 € erreicht wurde. Ferner waren pro Jahr 2 „S.-Cards“ kostenlos. Bis 31.12.2017 fielen für den Kläger kein monatlicher Grundpreis und keine Gebühren an. Der Kläger hatte bei der Beklagten ein weiteres Girokonto mit dem Kontomodell „Giro@direkt“.
3
Mit Informationsschreiben der Beklagten vom Oktober 2017 wurde der Kläger informiert, dass ab dem 01.01.2018 das bisherige Kontomodell in das Kontomodell „Giro Direkt“ mit anderer Preisstruktur überführt wird. In dem Schreiben heißt es unter anderem wie folgt:
„Wir ändern unsere Preise wie dargestellt zum 01.01.2018. Die Änderung wird wirksam, wenn Sie uns gegenüber nicht bis zu diesem Zeitpunkt widersprechen. Ihnen steht auch die Möglichkeit offen, den von der Änderung betroffenen Vertrag bis zum 31.12.2017 fristlos und kostenfrei zu kündigen. Widersprechen oder kündigen Sie nicht, gehen wir von Ihrer Zustimmung zur Vertragsänderung aus. Die neuen Bedingungen werden dann Grundlage der weiteren künftigen Geschäftsbeziehung.“
4
Die Umstellung auf ein anderes Kontomodell war mit der Rechtsprechung des BGH zur Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die eine Änderung von AGB und damit auch von Regelungen von Gebühren und Entgelten per Zustimmungsfiktion (Schweigen des Kunden binnen einer bestimmten Frist) ermöglichten, unwirksam.
5
Eine aktive Zustimmung wurde vom Kläger nicht erklärt. Eine Rücksprache des Klägers bei der Beklagten im Jahr 2017, bei der er sich nach weiteren Alternativen erkundigte, ergab, dass er andere kostenpflichtige Konto-Preismodelle vereinbaren oder kündigen könne. Der Kläger kündigte daraufhin das 2. Girokonto. Das streitgegenständliche Konto wurde zu den neuen Bedingungen fortgeführt und vom Kläger genutzt, u.a. durch Überweisungsaufträge, Zahlungen mit der ec-Karte, Abhebungen am Geldautomaten und Einrichtungen von Daueraufträgen.
6
Mit Gebührenabrechnungen für Januar 2018 bis Dezember 2021 wurden von der Beklagten für die Monate ab dem 01.01.2018 monatlich Grundgebühren von 3,50 € und jährlich eine Gebühr für eine S.-Card von 6,00 € in Rechnung gestellt und vom Konto des Klägers abgebucht. Der erste Entgeltabschluss auf der Grundlage des neuen Kontomodells ging dem Kläger am 31.01.2018 zu. Der Kläger erhob gegen diesen keine Einwendungen, ebenso nicht gegen alle weiteren monatlichen Entgeltabschlüsse bis Mitte des Jahres 2021. Er bat die Beklagte im Juli 2021 um Rückerstattung der Gebühren.
7
Bei Weiterführung des Kontos Nummer … im Kontomodell „Giro@direkt“ wären weiterhin keine Grundgebühren oder Gebühren für eine S.-Card angefallen, da stets ein ausreichendes Guthaben auf dem Konto war.
8
Der Kläger ist der Ansicht, die Rechtsprechung des BGH zu Energielieferverträgen sei auf Girokonten nicht anwendbar, da die Bereitstellung von kostenlosen Girokonten und die damit verbundene Kundenbindung ein weit überwiegender Aspekt der Geschäftsbeziehung sei.
9
Eine Einwilligung zu den neuen Bedingungen habe er nicht gegeben.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
I. Die Beklagte wird verurteilt den Betrag in Höhe von 192,00 € an den Kläger zu zahlen. Als Rückerstattung von nicht vereinbarten aber vom Konto des Klägers eingezogenen Bankgebühren für die Jahre 2018, 2019, 2020 und 2021.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist dem Kläger jeden weiteren künftigen Schaden wegen der Einbeziehung nicht vereinbarter Bankgebühren nach 2021 zu ersetzen.
11
Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
12
Aus der Entscheidung des BGH folge nicht automatisch ein Rückzahlungsanspruch. Bei einer widerspruchslosen, fortgesetzten Nutzung der zur Verfügung gestellten Leistung – hier Überweisungen, Abbuchungs- oder Daueraufträge sowie Kartennutzung – sei eine konkludente Annahme der angebotenen Vertragsänderungen regelmäßig zu bejahen, insbesondere da sich der Kläger nach der Beratung durch die Beklagte bewusst für die Nutzung des streitgegenständlichen Kontos entschieden hatte. Vor diesem Hintergrund würde sich der Kläger auch dem Einwand des widersprüchlichen Verhaltens nach § 242 BGB aussetzen.
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Ferner müssten im Interesse der Rechtssicherheit Entgeltanpassungen binnen 3 Jahre nach ihrer Mitteilung beanstandet worden sein, um überzahlte Entgelte zurückfordern zu können. Die durch den Wegfall einer Preisanpassungsklause l entstandene Lücke müsse im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dementsprechend geschlossen werden.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2022 (Bl. 61/63 der Akte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
16
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von 192,00 € und die begehrte Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Ersetzung weiteren künftigen Schadens.
17
1. Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Rückzahlung von 192,00 € Kontoführungs- und Kartengebühren gem. § 812 Abs. 1 BGB verlangen. Zwar wurde die Umstellung des Kontomodells für das streitgegenständliche Girokonto zwischen den Parteien nicht wirksam vereinbart, dem Kläger ist es jedoch verwehrt, die Unwirksamkeit der Preisänderung geltend zu machen.
18
a) Das neue Kontomodell Giro Direkt wurde nicht wirksam zwischen den Parteien vereinbart.
19
aa) Unstreitig war die Umstellung des Kontomodells für das streitgegenständliche Girokonto zum 01.01.2018 mit der Entscheidung des BGH vom 27.04.2021, Az. XI ZR 26/20, mittels AGB (“Schweigen als Zustimmung“) unwirksam.
20
bb) Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass der Kläger nach Erhalt der Mitteilung über die Kontoumstellung mit Preisänderung ein Informationsgespräch mit der Beklagten suchte, sich daraufhin entschied, ein Girokonto zu kündigen und das streitgegenständliche Girokonto aktiv weiterzunutzen, kann darin noch nicht eine konkludente Annahme eines Vertragsangebots der Beklagten zur Änderung des Kontomodells gesehen werden.
21
Wie der BGH in seiner Entscheidung vom 27.04.2021, Az. XI ZR 26/20, ebenfalls ausgeführt hat, ist für jedwede weitreichenden, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien betreffenden Änderungen, die dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichkommen können, ein den Erfordernissen der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff BGB genügender Änderungsvertrag notwendig. Ein solches Erfordernis ist streitgegenständlich gegeben. Die Beklagte wollte das Kontomodell ändern, insbesondere eine der Hauptleistungen, nämlich die Kostenstruktur für den Kläger, grundlegend ändern. Hierfür wäre der Abschluss eines Änderungsvertrags erforderlich gewesen.
22
Ein Vertrag kommt grundsätzlich durch zwei übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen zustande. Sollte man vorliegend das Schreiben der Beklagten vom Oktober 2017 überhaupt als Angebot zum Abschluss eines neuen Vertrages ansehen, wäre jedenfalls die Annahme dieses Angebotes durch den Kläger erforderlich gewesen. Eine solche Annahme kann grundsätzlich auch konkludent, also durch schlüssiges Verhalten erklärt werden. Erforderlich hierfür ist jedoch in jedem Fall, dass der Erklärende (hier also der Kläger) das Bewusstsein hat, dass eine Willenserklärung wenigstens möglicherweise erforderlich ist (BGH, NJW 1995, 953). An einem solchen Bewusstsein des Klägers fehlt es jedoch vorliegend. Nach dem Schreiben der Beklagten vom Oktober 2017 war offensichtlich keine Willenserklärung des Klägers erforderlich. Infolgedessen konnte bei ihm ein entsprechendes Bewusstsein auch nicht vorhanden sein. Die Beklagte trägt auch nicht vor, dass ein solches Bewusstsein bei dem Kläger durch das Informationsgespräch geweckt worden wäre. Es ergibt sich aus dem Inhalt des Schreibens der Beklagten vom Oktober 2017 und dem Inhalt der Akte, dass die von der Beklagten eingeführte Änderung des Kontomodells zum 01.01.2018 ohne Zustimmung des Beklagten wirksam werden sollte. Ein irgendwie geartete Zustimmung des Klägers war gerade nicht erforderlich. Insoweit konnte also auch kein Erklärungsbewusstsein des Klägers vorhanden sein.
23
Allein die Zahlung der geänderten Gebühren und Weiternutzung des Kontos reicht jedenfalls für eine konkludente Annahme der Vertragsänderung der Beklagten durch den Kläger nicht aus (vgl. z. B. BGH vom 23.05.2012, Az. VII ZR 113/11, Rn. 16).
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cc) Nachdem die Umstellung auf das Kontomodell Giro Direkt nicht wirksam vereinbart wurde, bleibt das unstreitig zwischen den Parteien zuvor vereinbarte Modell Giro@direkt für das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien maßgeblich. Unstreitig hätte der Kläger danach für die Zeit ab 01.01.2018 keine Grundgebühren oder Gebühren für eine S.-Card zahlen müssen, da stets ein ausreichendes Guthaben auf dem Konto vorhanden war. Es ergäbe sich insoweit eine ungerechtfertigte Bereicherung der Beklagten um 192,00 €.
25
b) Dem Kläger ist es jedoch verwehrt, die Unwirksamkeit der Preisänderung geltend zu machen.
26
aa) Der von der Beklagte erhobene Einwand des widersprüchlichen Verhaltens nach § 242 BGB greift vorliegend nicht durch. Die von Rechtsprechung und Rechtslehre entwickelten Grundsätze zum Verbot unzulässiger Rechtsausübung beruhen auf dem Grundsatz, dass Treu und Glauben eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung bilden. Die gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist als Rechtsüberschreitung missbräuchlich und unzulässig (vgl. z.B. Palandt, BGB, 80. Auflage, § 242 BGB, Rn. 38 ff.). Einen Unterfall stellt das Verbot widersprüchlichen Verhaltens dar.
27
Missbräuchlich ist widersprüchliches Verhalten, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand entstanden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (Palandt, a.a.O., Rn. 55). Es muss objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens vorliegen, weil das frühere Verhalten mit dem späteren unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig sind (Palandt, a.a.O.). Es kann jedoch kein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand entstehen, wenn der Gläubiger wegen einer vom Schuldner pflichtwidrig verwandten unwirksamen AGB-Klausel seinen Anspruch zunächst nicht geltend macht (BGH, NJW 2008, 2254; BGH vom 27.04.2021, Az. XI ZR 26/20, Rn. 35). Das ist streitgegenständlich gegeben. Die Beklagte hat mit Verwendung der streitgegenständlichen, unwirksamen AGB-Klausel gegen ihre vorvertraglichen Pflichten verstoßen und musste damit rechnen, dass der Kläger die Unwirksamkeit der Klausel nicht sofort, sondern erst später erkennen würde und sich dann auf die Rechtsgrundlosigkeit der Zahlungen berufen würde, ohne dass ihm ein widersprüchliches Verhalten vorzuwerfen wäre. Die Beklagte konnte wegen ihres eigenen Vertragsverstoßes nicht darauf vertrauen, dass der Kläger wegen großen Zeitablaufs sein Recht nicht mehr geltend macht (BGH, NJW 2008, 2254).
28
bb) Streitgegenständlich ist jedoch eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen, die dazu führt, dass sich der Kläger nicht auf die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Preiserhöhung berufen kann.
29
Unstreitig war die per AGB erfolgte Umstellung auf ein anderes Kontomodell mit der Rechtsprechung des BGH zur Unwirksamkeit von AGB, die eine Änderung von AGB und damit auch von Regelungen von Gebühren und Entgelten per Zustimmungsfiktion (Schweigen des Kunden binnen einer bestimmten Frist) ermöglichten, unwirksam. Die von beiden Parteien insoweit in Bezug genommene Entscheidung des BGH vom 27.04.2021, Az. XI ZR 26/20, betraf AGB-Klauseln, durch die Preisänderungen der Hauptleistung mittels Zustimmungsfiktion möglich wurden. Die entsprechende Preisanpassungsklausel war unwirksam. Dies trifft nach dem Vortrag der Parteien auch auf den vorliegenden Fall zu.
30
(1) In seiner Entscheidung vom 14.03.2012, Az. VIII ZR 113/11 kam der BGH zu dem Ergebnis, dass im Fall der Unwirksamkeit einer Preisanpassungsklausel eines Gasversorgungsvertrags eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen ist, die dazu führt, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat. Der BGH führt dazu wie folgt aus:
31
Beide Parteien waren sich bei Vertragsschluss einig, dass der vereinbarte (Anfangs-)Preis nur zu Beginn des Versorgungsverhältnisses gelten und bei späteren Änderungen der allgemeinen Tarife ein anderer Preis geschuldet sein sollte. Denn die Aufnahme eines Preisänderungsrechts zeigt den Willen der Parteien, dass der Kunde – und nicht das Versorgungsunternehmen – Preisänderungen tragen soll, die etwa auf Veränderungen der Brennstoffbezugskosten oder der Lohn- und Materialkosten zurückgehen. Aus der Aufnahme einer Preisänderungsklausel bei Vertragsschluss wird deutlich, dass sich die Parteien von dem lebensnahen Bewusstsein haben leiten lassen, dass Preisänderungen im Laufe des auf unbestimmte Zeit angelegten Bezugsverhältnisses zu erwarten sind und deshalb der Gefahr einer zukünftigen Äquivalenzstörung in angemessener Weise zu begegnen ist. Da die von den Parteien vereinbarte Preisänderungsklausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) nicht standhält, ist daher im Regelungsplan der Parteien eine Lücke eingetreten (vgl. Senatsurteile vom 1. Februar 1984 – VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 74, und VIII ZR 106/83, juris Rn. 27).
32
Diese Lücke im Vertrag ist im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB in der Weise zu schließen, dass der Kläger die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
33
a) Zwar hat der Senat in Fällen, in denen auf Feststellung der Unwirksamkeit bestimmter Preiserhöhungen gerichtete Klagen von (Norm-)Sonderkunden Erfolg hatten, die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung mit dem Ziel der Ersetzung einer unwirksamen Preisanpassungsklausel durch eine wirksame Klausel als nicht erfüllt angesehen (vgl. Senatsurteile vom 9. Februar 2011 – VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342 Rn. 38 f.; vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 81/08, NJW-RR 2010, 1202 Rn. 27; jeweils mwN). Diese Fälle waren aber dadurch gekennzeichnet, dass das Energieversorgungsunternehmen es selbst in der Hand hatte, einer nach Widerspruch oder Vorbehaltszahlung des Kunden zukünftig drohenden unbefriedigenden Erlössituation durch Ausübung des ihm vertraglich eingeräumten Kündigungsrechts in zumutbarer Weise zu begegnen.
34
Offen gelassen hat der Senat die – im Streitfall entscheidungserhebliche – Frage, ob eine nicht mehr hinnehmbare Störung des Vertragsgefüges dann anzunehmen ist, wenn es sich um ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht (Senatsurteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 246/08, aaO Rn. 52). Das ist zu bejahen. In diesen Fällen vermag die vertraglich vorgesehene, nur in die Zukunft wirkende Kündigungsmöglichkeit des Energieversorgungsunternehmens die Regelungslücke im Vertrag nicht in einer für beide Seiten zumutbaren Weise zu schließen. Denn bevor der Kunde Widerspruch erhob oder Zahlungen nur noch unter Vorbehalt leistete, hatte das Energieversorgungsunternehmen keinen Anlass, das bis dahin praktizierte Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung in Frage gestellt zu sehen und dementsprechend das Versorgungsverhältnis zu kündigen.
35
b) Die ergänzende Vertragsauslegung hat sich nicht nur an dem hypothetischen Parteiwillen, sondern auch an dem objektiven Maßstab von Treu und Glauben zu orientieren und muss zu einer die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigenden Regelung führen (Senatsurteile vom 1. Februar 1984 – VIII ZR 54/83, aaO S. 78, und VIII ZR 106/83, aaO Rn. 33). Bereits deshalb kommt es nicht in Betracht, an die Stelle der unwirksamen, weil den Vertragspartner des Klauselverwenders im Sinne des § 307 BGB unangemessen benachteiligenden Preisänderungsklausel im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine (wirksame) Bestimmung gleichen Inhalts zu setzen. Auch widerspräche dies im Ergebnis dem in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit langem anerkannten Verbot der geltungserhaltenden Reduktion unangemessener Allgemeiner Geschäftsbedingungen (vgl. Senatsurteil vom 3. November 1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103, 118 f. mwN). Es geht vielmehr darum zu ermitteln, was die Parteien bei einer angemessenen, objektiv-generalisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie bedacht hätten, dass die Wirksamkeit der verwendeten Preisänderungsklausel jedenfalls unsicher war (vgl. Senatsurteile vom 1. Februar 1984 – VIII ZR 54/83, aaO S. 75; vom 12. Juli 1989 – VIII ZR 297/88, NJW 1990, 115 unter III 1 c).
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c) Nach Ansicht des Senats ist ein in diesem Sinne angemessener Interessenausgleich dadurch zu erzielen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
37
aa) Bei langfristigen Vertragsverhältnissen, insbesondere solchen, die auf Leistungsaustausch gerichtet sind, besteht ein anerkennenswertes Bedürfnis, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten (vgl. Senatsurteile vom 1. Februar 1984 – VIII ZR 106/83, aaO Rn. 32; vom 16. Januar 1985 – VIII ZR 153/83, BGHZ 93, 252, 258). Diesem Bedürfnis liefe es zuwider, wenn bei einem Energielieferungsvertrag mit langer Laufzeit die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen rückwirkend ohne zeitliche Begrenzung geltend gemacht werden könnte. Denn dies hätte zur Folge, dass der Energieversorger ohne Rücksicht auf Schwankungen seiner eigenen Bezugspreise für die gesamte Vertragslaufzeit nur den ursprünglich vereinbarten Preis beanspruchen könnte. Angesichts der Entwicklung der Energiepreise entstünde dadurch bei langfristigen Versorgungsverträgen regelmäßig ein gravierendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung. Dies wäre unbillig und würde dem Kunden einen unverhofften und ungerechtfertigten Gewinn verschaffen (vgl. Senatsurteile vom 1. Februar 1984 – VIII ZR 54/83, aaO S. 77 f., und VIII ZR 106/83, aaO; vom 12. Juli 1989 – VIII ZR 297/88, aaO unter II 2 b, III 1 b). Dies entspräche auch nicht dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Parteiwillen.
38
bb) Bei der Beurteilung, welche Regelung als angemessener Interessenausgleich anzusehen ist, darf auch der mit dem Energiewirtschaftsrecht verfolgte Zweck einer möglichst sicheren und preisgünstigen Energieversorgung (§ 1 EnwG) nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 1991 – VIII ZR 240/90, NJW-RR 1992, 183 unter III 2 a; Büdenbender, EnWG, 2003, § 1 Rn. 56). (…)
39
Das Ziel der Preisgünstigkeit ist nicht nur auf die möglichst billige Energieversorgung der Endkunden ausgerichtet. Zu berücksichtigen sind zugleich die insbesondere durch die Kostenstruktur geprägte individuelle Leistungsfähigkeit der Versorgungsunternehmen sowie die Notwendigkeit, die Investitionskraft und die Investitionsbereitschaft zu erhalten und angemessene Erträge zu erwirtschaften (Danner/Theobald, Energierecht, Stand 2011, § 1 EnWG Rn. 19; Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 2. Aufl., § 1 Rn. 28; vgl. Braband, aaO S. 30). Insofern wurde im Recht der Energielieferung stets vorausgesetzt, dass die Möglichkeit des Versorgers besteht, Änderungen der Bezugspreise weiterzugeben, ohne den mit dem Kunden bestehenden Versorgungsvertrag kündigen zu müssen (vgl. BR-Drucks. 77/79, S. 34 [für die AVBGasV]; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 – VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41 Rn. 24, und VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 22; vom 24. März 2010 – VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96 Rn. 27, und VIII ZR 304/08, NJW 2010, 2793 Rn. 34).
40
Dass das Energieversorgungsunternehmen die Möglichkeit hat, Kostensteigerungen weiterzugeben, dient daneben auch dem Zweck der Versorgungssicherheit (vgl. Danner/Theobald, aaO Rn. 7 und 26). Denn diese betrifft nicht nur die technische Sicherheit der Energieversorgung und die Sicherstellung einer mengenmäßig stets ausreichenden Versorgung der Abnehmer (BR-Drucks. 806/96, S. 28; Braband, aaO S. 29). Sie hat vielmehr insoweit auch einen ökonomischen Aspekt, als die nötigen Finanzmittel für die Unterhaltung von Reservekapazitäten, für Wartungsarbeiten, Reparaturen, Erneuerungs- und Ersatzinvestitionen bereit stehen müssen (Britz/Hellermann/Hermes, aaO Rn. 26; Salje, EnWG, 2006, § 1 Rn. 27). Das wiederum setzt voraus, dass diese Mittel durch auskömmliche Versorgungsentgelte erwirtschaftet werden können.
41
cc) Die Rückforderung bereits gezahlter Entgelte durch den Kunden berührt die genannten Zielsetzungen des Energiewirtschaftsrechts, da hierdurch dem Versorger im Nachhinein die Möglichkeit genommen wird, Kostensteigerungen an den Kunden weiterzugeben, ohne dass er sich einer möglichen Unterdeckung durch eine Kündigung des Sonderkundenvertrages entziehen kann, zu der er bei einem zeitnahen Widerspruch des Kunden Anlass gehabt hätte. Die Parteien hätten daher, wenn sie erkannt hätten, dass die Wirksamkeit der vereinbarten Preisanpassungsklausel unsicher war, jedenfalls eine Regelung vereinbart, nach der es ausgeschlossen ist, nach einem längeren Zeitraum die Unwirksamkeit von Preisanpassungen geltend zu machen, die zuvor nicht in Frage gestellt worden sind.
42
dd) Die Bestimmung einer Frist, innerhalb derer der Kunde die Preiserhöhung beanstanden muss, um sich auf ihre Unwirksamkeit berufen zu können, trägt den Interessen beider Parteien Rechnung. Ein Gasliefervertrag ist ein Dauerschuldverhältnis, bei dem ein besonderes Bedürfnis danach besteht, dass gegenseitige Ansprüche zeitnah geltend gemacht werden und sich nicht durch verspätete Geltendmachung aufsummieren (vgl. Senatsurteil vom 26. April 1989 – VIII ZR 12/88, WM 1989, 1023 unter B II 5 a bb; vgl. für die Energieversorger die Abrechnungsfrist in § 40 Abs. 2 EnWG). Zudem handelt es sich um ein Schuldverhältnis mit einer Vielzahl von Kunden und damit auch einer Vielzahl von Abrechnungsvorgängen, die Jahr für Jahr aufeinander aufbauen. Die in diesen Jahresabrechnungen enthaltenen Preiserhöhungen dürfen daher nicht unvertretbar lange mit Unsicherheiten behaftet sein. Es ist vielmehr erforderlich, dass die sich für beide Seiten stellende Frage, ob eine bestimmte Preiserhöhung Bestand hat oder nicht, ohne größere praktische Schwierigkeiten beantwortet werden kann. Damit wird dem Versorger eine verlässliche Basis für seine (Kosten-)Kalkulationen geschaffen, während der Verbraucher weiß, mit welchen Kosten er zu rechnen hat, um hiernach sein Verbrauchsverhalten und gegebenenfalls auch die Wahl des Energieversorgers auszurichten.
43
ee) Ein Interessenausgleich, der die Geltendmachung von Rechten von der Reaktion einer Partei innerhalb gewisser Fristen abhängig macht, ist im Energierecht auch sonst verschiedentlich vorgesehen, so dass es nahe liegt, sich an diesen Vorbildern auch für die hier im Wege ergänzender Vertragsauslegung vorzunehmende Lückenschließung zu orientieren (…).
44
e) Einer derartigen ergänzenden Vertragsauslegung steht nicht entgegen, dass theoretisch unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Ausfüllung der durch die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel entstandenen vertraglichen Regelungslücke in Betracht gekommen wären (vgl. Senatsurteile vom 1. Februar 1984 – VIII ZR 54/83, aaO S. 80 f.; vom 12. Juli 1989 – VIII ZR 297/88, aaO unter III 1 c mwN; BGH, Urteile vom 12. Oktober 2005 – IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297, 317 mwN; vom 6. November 2009 – V ZR 63/09, NVwZ 2010, 531 Rn. 43). Die vorstehend aus einer objektiv-generalisierenden Abwägung der gegenseitigen Interessen und den Erfordernissen einer funktionierenden Energiewirtschaft entwickelte, die Rechtsfolgen einer unwirksamen Preisanpassungsklausel begrenzende Regelung stellt, was entscheidend ist, eine für beide Seiten zumutbare Lösung dar. Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt im Übrigen nicht voraus, dass sich für jede Einzelheit der „technischen“ Ausgestaltung der Vertragsergänzung konkrete Anhaltspunkte im Willen oder in den Erklärungen der Vertragsparteien nachweisen lassen (Senatsurteil vom 1. Februar 1984 – VIII ZR 54/83, aaO S. 81).
45
(2) Dies ist auf den vorliegenden Fall vollständig übertragbar.
46
Bei einem Girovertrag handelt es sich typischerweise um ein langfristiges Vertragsverhältnis, wie nicht zuletzt der Umstand zeigt, dass der Kläger seit den 1980er Jahren Kunde der Beklagten ist. Es besteht insoweit auch ein anerkennenswertes Bedürfnis der Beklagten, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten. Gerichtsbekannt unterliegen verschiedene Faktoren am Markt im Laufe der Zeit Schwankungen, z.B. die aufgrund finanzpolitischer Entscheidungen festgesetzten und der Einflussgewalt der Beklagten entzogenen Kosten für die Bereitstellung von Krediten oder Verwahrung von Kundengeldern. Auch die Kosten der Beklagten für Personal und Ausstattung sind offensichtlich Preisänderungen unterworfen.
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Es handelt es sich bei einem Girokonto auch nicht lediglich um ein Mittel der Kundenbindung, das von Banken kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Gerichtsbekannt werden von zahlreichen Banken Kontoführungsgebühren verlangt und werden/wurden nur teilweise für ausgesuchte Kontenmodelle mit einfachem Leistungsumfang keine Kontoführungsgebühren vereinbart oder unter bestimmten Voraussetzungen nicht berechnet. Nicht zuletzt war auch das Kontomodell Giro@direkt der Beklagten nicht kostenlos. Der monatliche Grundpreis von 4,50 € wurde nur dann nicht berechnet, wenn ein Durchschnittsguthaben in Höhe von 1.500,00 € erreicht wurde.
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Ferner ist jede Bank, die Verbrauchern Zahlungskonten anbietet, nach dem Zahlungskontengesetz (ZKG) verpflichtet, einem Berechtigten sog. Basiskonten zur Verfügung stellen. Ein Basiskonto ist ein Zahlungskonto, das wie ein Girokonto genutzt wird, für das aber besondere Schutzvorschriften gelten. Hierfür können die Banken angemessene Entgelte mit dem Kunden vereinbaren (§ 41 ZKG). Diese gesetzlich bestehende Verpflichtung der Banken zeigt, dass es sich bei Girokonten um grundlegende Instrumente zur Teilhabe am täglichen Leben handelt, auf deren Inanspruchnahme Verbraucher angewiesen sind. Andererseits ist die Führung eines solchen Kontos auch für die Beklagte mit Aufwand verbunden. Das Konto muss geführt werden, Buchungen, Daueraufträge, Auszahlungen etc, vorgenommen werden, Kontoauszüge und Rechnungsabschlüsse müssen erstellt werden, Bargeldautomaten müssen vorgehalten und bestückt werden. Dies alles ist mit Kosten verbunden, die naturgemäß über längere Zeit Schwankungen unterliegen.
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Auch in Bezug auf Banken sind die insbesondere durch die Kostenstruktur geprägte individuelle Leistungsfähigkeit sowie die Notwendigkeit, die Investitionskraft und die Investitionsbereitschaft zu erhalten und angemessene Erträge zu erwirtschaften zu berücksichtigen. Größere Banken, zu denen auch die bundesweit agierenden S. zählen, gehören zu den systemrelevanten Einrichtungen, ähnlich wie Energieversorger. Die Gesellschaft ist auf ein funktionierendes Bankensystem angewiesen.
50
Durch die Rückforderung bereits gezahlter Entgelte durch den Kunden würde der Bank im Nachhinein die Möglichkeit genommen wird, Kostensteigerungen an den Kunden weiterzugeben, ohne dass sie sich einer möglichen Unterdeckung durch eine Kündigung des Bankvertrages entziehen kann, zu der sie bei einem zeitnahen Widerspruch des Kunden Anlass gehabt hätte. Die Parteien hätten daher, wenn sie erkannt hätten, dass die Wirksamkeit der vereinbarten Preisanpassungsklausel unsicher war, jedenfalls eine Regelung vereinbart, nach der es ausgeschlossen ist, nach einem längeren Zeitraum die Unwirksamkeit von Preisanpassungen geltend zu machen, die zuvor nicht in Frage gestellt worden sind.
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Die Bestimmung einer Frist, innerhalb derer der Kunde die Preiserhöhung beanstanden muss, um sich auf ihre Unwirksamkeit berufen zu können, trägt den Interessen beider Parteien Rechnung. Ein Girovertrag ist ein Dauerschuldverhältnis, bei dem ein besonderes Bedürfnis danach besteht, dass gegenseitige Ansprüche zeitnah geltend gemacht werden und sich nicht durch verspätete Geltendmachung aufsummieren. Zudem handelt es sich um ein Schuldverhältnis mit einer Vielzahl von Kunden und damit auch einer Vielzahl von Abrechnungsvorgängen, die aufeinander aufbauen. Die in diesen Abrechnungen enthaltenen Preiserhöhungen dürfen daher nicht unvertretbar lange mit Unsicherheiten behaftet sein. Es ist vielmehr erforderlich, dass die sich für beide Seiten stellende Frage, ob eine bestimmte Preiserhöhung Bestand hat oder nicht, ohne größere praktische Schwierigkeiten beantwortet werden kann. Dies zeigt sich nicht zuletzt an der neu eingeführten Regelung des § 676b BGB, wonach Ansprüche und Einwendungen des Kunden ausgeschlossen sind, wenn dieser die Bank nicht spätestens 13 Monate nach dem Tag der Belastung mit einem nicht autorisierten oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgang unterrichtet. Daraus wird deutlich, dass auch der Gesetzgeber die Rückforderung unberechtigter Buchungen nicht zeitlich unbegrenzt ermöglichen will.
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Es ist daher eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen, die dazu führt, dass der Kunde die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen, die zu einem den zuletzt vereinbarten Preis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Rechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
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Diese Begrenzung stellt eine für beide Seiten zumutbare Lösung dar.
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Vorliegend hatte die Beklagte erstmals mit dem Entgeltabschluss für Januar 2018, dem Kläger unstreitig zugegangen am 31.01.2018, die streitgegenständlichen Kontoführungsgebühren berechnet. Der Kläger hatte erst nach mehr als drei Jahren im Juli 2021 diese Gebühren beanstandet, indem er ihre Rückzahlung gefordert hat. Der Kläger kann daher die Unwirksamkeit der Preiserhöhung nicht geltend machen.
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2. Nachdem der Kläger die Unwirksamkeit der Preiserhöhung nicht rechtzeitig geltend gemacht hatte, kann er auch für die Zukunft nicht die Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz verlangen. Zur Begründung wird auf die Ausführungen unter Ziffer I., 1. verwiesen.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.
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Der Streitwert war für den Klageantrag in Ziffer I. auf 192,00 € und in Ziffer II. auf das 3,5 fache der jährlichen Kontoführungsgebühren in Höhe von 48,00 € (= 168,00 €) festzusetzen. Insgesamt ergab sich somit ein Streitwert in Höhe von 360,00 €.