Inhalt

LG Schweinfurt, Endurteil v. 11.04.2022 – 14 O 451/20 Bau
Titel:

Teilabnahme, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Verhandlungsprotokoll, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Abgeschlossene Teilleistungen, Streitwert, Elektronischer Rechtsverkehr, Nachunternehmervertrag, Ergebnis der Beweisaufnahme, Vorzulegende Unterlagen, konkludentes Verhalten, Leistungsverzeichnis, Ursprüngliches Klagebegehren, TÜV-Abnahme, Abnahmeprotokoll, Förmliche Abnahme, Zur Abnahme, Abnahmereife, Fiktive Abnahme

Schlagworte:
Feststellungsklage, Teilabnahme, Abnahme, in sich abgeschlossene Leistung, Vorlage von Unterlagen, Treuwidrigkeit, Teilabnahmebegehren
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Bamberg, Urteil vom 02.03.2023 – 12 U 48/22
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 13.03.2024 – VII ZR 57/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 58753

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 63.296,98 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Feststellung der Teilabnahmefähigkeit von Werkleistungen der Klägerin.
2
Die Klägerin war ein Fachbetrieb im Elektrohandwerk und hat sich insbesondere auf Elektroeinlegearbeiten bei größeren Neubauten spezialisiert. Bei der Beklagten handelte es sich um ein Bauunternehmen, das für private und öffentliche Auftraggeber umfassende Bauleistungen erbringt. Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit der Erbringung von Elektroeinlegearbeiten beim Bauvorhaben … gemäß dem Angebot der Beklagten vom 21.09.2018 auf der Grundlage des Verhandlungsprotokolls vom 26.09.2018 (= Anlage K1).
3
In Ziffer 12. des Verhandlungsprotokolls vom 26.08.2018 wurde folgendes zwischen den Parteien vereinbart:
Ziffer 12. Abnahme (gemäß Pkt. 12 der Bedingungen zum Nachunternehmervertrag)
4
Es findet eine förmliche Abnahme statt. Eine Abnahme durch konkludentes Verhalten oder eine fiktive Abnahme gem. § 12 Nr. 5 Abs. 1 und 2 VOB/B ist ausgeschlossen.
5
Zur Abnahme des Bauvorhabens durch den Bauherrn hat der Nachunternehmer folgende Unterlagen zu liefern:
- Bestandspläne/-fach
- Beschreibungen und Bedienungsanleitungen/-fach
- TÜV-Abnahme/-fach
- Dokumentation * gem. LV – fach
- Sonstiges – fach
* und Bestandsunterlagen [Anmerkung des Gerichts: Das „*“ und der „*-Zusatz“ wurden handschriftlich eingefügt]
6
Die Klägerin fing an die vertraglich geschuldeten Elektroeinlegearbeiten zu erbringen.
7
Mit Schreiben vom 15.04.2020 (= Anlage K2) zeigte die Klägerin der Beklagten die Fertigstellung ihrer Leistungen im Untergeschoss an und forderte die Beklagte zur förmlichen Teilabnahme auf. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 16.04.2020 (= Anlage K3) ab. Mit Schreiben vom 17.04.2020 konkretisierte die Klägerin ihr Teilabnahmeverlangen für das Untergeschoss dahingehend, dass das Untergeschoss mit Ausnahme der Treppenhäuser abnahmereif sei und begehrte weiterhin die förmliche Abnahme (= Anlage K4). Mit Schreiben vom 20.04.2020 (= Anlage K5) lehnte die Beklagte die Teilabnahme weiterhin ab.
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Mit einem weiteren Schreiben vom 04.05.2020 (= Anlage K6) zeigte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Fertigstellung der Bauteile C + D (UG bis 2. OG) an und forderte diese zur Teilabnahme auf. Mit Schreiben vom 13.05.2020 (= Anlage K7) lehnte die Beklagte die begehrte Teilabnahme ab.
9
Die Gesamtleistung der Klägerin wurden nicht fertiggestellt. Die Beklagte kündigte den mit der Klägerin geschlossenen Vertrag außerordentlich. Die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen der Klägerin hatte die Beklagte mit Wirkung zum 05.11.2020 (= Anlage B5) abgenommen. Das Abnahmeprotokoll wurde an die Klägerin im Original übersandt.
10
Die Klägerin meint im Wesentlichen:
11
Bei den beiden Teilkomplexen (Untergeschoss sowie Bauteile C + D) würde es sich um in sich abgeschlossene, separat nutzbare Teilleistungen handeln. Demnach stünde der Klägerin gemäß § 12 Abs. 2 VOB/B ein Anspruch auf Teilabnahme zu und die Weigerung der Beklagten diese zu erklären sei in unberechtigter Weise erfolgt. Ferner hätte die Klägerin zum Zeitpunkt des Abnahmebegehrens gegenüber der Beklagten keine Unterlagen vorlegen müssen, da Ziffer 12 des Verhandlungsprotokolls regele, dass die dort aufgelisteten Unterlagen „0-fach“, und somit gar nicht, vorzulegen seien.
12
Die Klägerin beantragt zuletzt:
1. Es wird festgestellt, dass die in sich abgeschlossenen Teilwerkleistung der Klägerin, Elektroeinlegearbeiten am Bauvorhaben …, Untergeschoss ohne Treppenhäuser am 15.04.2020 teilabnahmefähig war und die Weigerung der Beklagten, diese Abnahme zu erteilen, unberechtigt war.
2. Es wird festgestellt, dass die in sich abgeschlossene Teilwerkleistung der Klägerin, Elektroeinlegearbeiten am Bauvorhaben …, Gebäude B (Bauteile C + D), Erdgeschoss bis 2. Obergeschoss am 04.05.2020 teilabnahmefähig war und die Weigerung der Beklagten, diese Abnahme zu erteilen, unberechtigt war.
3. Die Beklagte wird ferner verurteilt der Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe des nicht anrechenbaren Teils einer 1,3 Geschäftsgebühr (0,65) aus einem Gegenstandswert von 63.296,98 EUR zuzüglich Auslagenpauschale, insgesamt 831,20 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.
Soweit die Klägerin in Ziffer 1. und Ziffer 2. ursprünglich beantragt hatte, dass die Beklagte verurteilt wird, die jeweilige Teilabnahme zu erklären, hat sie den Rechtsstreit teilweise für erledigt erklärt.
13
Die Beklagte hat der teilweisen Erledigterklärung widersprochen und beantragt,
die Klage abzuweisen.
14
Die Beklagte meint im Wesentlichen:
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Die Voraussetzungen für eine Teilabnahme seien nicht erfüllt. Denn zum einen habe die Klägerin die nach Ziffer 12 des Verhandlungsprotokolls vorausgesetzten Unterlagen nicht vorgelegt und zum anderen handele es sich bei den begehrten Teilabnahmen nicht um in sich abgeschlossene Teilleistungen.
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Das Gericht hat Beweis durch Vernehmung der Zeugen … und …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 07.10.2021 Bezug genommen.
17
Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere der geäußerten Rechtsansichten, und des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 07.10.2021 und 31.03.2022.

Entscheidungsgründe

A.
18
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin steht kein Anspruch auf die begehrte Feststellung zu, da das ursprüngliche Klagebegehren zwar zulässig, jedoch unbegründet war.
19
I. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klage zulässig.
20
1. Denn bei der Frage der (Teil-)Abnahme(-fähigkeit) handelt es sich um ein der Feststellung zugängliches Rechtsverhältnis. Sowohl eine negative Feststellungsklage, als auch eine positive Feststellungsklage sind zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 09.05.2019 – VII ZR 154/18).
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2. Die Klägerin kann auch ein Feststellungsinteresse aufweisen. Denn dieses besteht im Hinblick auf den Beginn des Laufs der Verjährung und die weiteren erheblichen Rechtsfolgen, die an die Abnahme geknüpft sind (vgl. BGH, Urteil vom 09.05.2019 – VII ZR 154/18).
22
II. Die Klage hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, da das ursprüngliche Klagebegehren unbegründet war, da der Klägerin kein Anspruch auf Erklärung der Teilabnahmen zustand.
23
1. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Feststellung zu, dass die Weigerung der Beklagten am 15.04.2020 das Untergeschoss – mit Ausnahme der Treppenhäuser – abzunehmen, unberechtigt war. Ob es sich bei dem Untergeschoss mit Ausnahme der Treppenhäuser um eine in sich abgeschlossene Leistung im Sinne des § 12 Abs. 2 VOB/B handelt, kann dahinstehen, da jedenfalls die vertraglich vereinbarten vorzulegenden Unterlagen am 15.04.2020 seitens der Klägerin nicht vorgelegt wurden (vgl. die Ausführungen unter c.).
24
a. Entgegen der Auffassung der Klagepartei kommt es auf eine etwaige konkludente (Teil-)Abnahme der Leistung der Klagepartei durch das Einbringen von Elektrokabeln durch einen Drittunternehmer nicht an. Denn einerseits lässt die Beauftragung von Nachfolgegewerken nicht den Schluss auf den Willen des Auftraggebers, hier der Beklagten, zu, eine Teilabnahme erklären zu wollen (vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2019 – VII ZR 274/17) und andererseits ist nach Ziffer 12. des Verhandlungsprotokolls eine Abnahme durch konkludentes Verhalten oder eine fiktive Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B ausgeschlossen.
25
b. Jedenfalls erscheint es schon zweifelhaft, ob das Untergeschoss ohne die Treppenhäuser – somit nicht einmal ein einzelnes Stockwerk – eine in sich abgeschlossene Leistung darstellen kann.
26
aa. Denn abgeschlossene Teile der Leistung liegen vor, wenn sie sich in ihrer Gebrauchsfähigkeit als abgeschlossenes Teilwerk beurteilen lassen und als unabhängig von anderen Teilen anzusehen, also funktionell trennbar sind (vgl. BeckOK VOB/B, Koenen, 46. Edition, Stand 31.10.2021, § 12 Abs. 2, Rn. 3). Der Begriff der in sich abgeschlossenen Teile der Leistung ist möglichst eng auszulegen, damit vor allem Schwierigkeiten und Überschneidungen hinsichtlich unterschiedlicher Abnahmewirkungen, insbesondere unterschiedlicher Gewährleistungsfristen und Gefahrübergänge, vermieden werden (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 20. Auflage 2017, Oppler, § 12 Abs. 2 VOB/B, Rn. 6).
27
bb. Bislang ist es jedoch noch nicht gelungen allgemein gültige Abgrenzungskriterien zu entwickeln, wann in abgeschlossene Leistungen vorliegen. Die Rechtsprechung orientiert sich an dem Zweck der Vorschrift und an dem Interesse des Auftraggebers, zusammengehörende Leistungsteile nicht dadurch zu zergliedern, dass für sie unterschiedliche Abnahmewirkungen eintreten, wie z.B. unterschiedliche Gewährleistungsfristen und Gefahrübergänge. Daraus wird geschlossen, dass Leistungsteile innerhalb eines Gewerks grundsätzlich nicht als in sich abgeschlossen angesehen werden können. Es mangelt ihnen regelmäßig an der Selbständigkeit, die eine eigenständige Beurteilung der Teilleistung ermöglichen könnte. So wird beispielsweise das Verlegen von Estrich in mehreren Stockwerken nicht als in sich abgeschlossen gesehen, da jedes Stockwerk keine besonders abnehmbare Teilleistung ist (vgl. Kniffka, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage 2020, Teil 3, E., Rn. 82 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 06.05.1968 – VII ZR 33/66). Anders kann dies allerdings bei klarer räumlicher oder zeitlicher Trennung der Leistungsteile eines Gewerks zu beurteilen sein, wobei eine ausreichende räumliche Trennung etwa dann angenommen werden kann, wenn die Leistungsteile an verschiedenen Bauwerken, etwa an mehreren Häusern, zu erbringen sind (vgl. Kniffka, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage 2020, Teil 3, E., Rn. 83; BGH, Urteil vom 20.08.2009 – VII ZR 212/07).
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cc. Unter Anwendung dieser Grundsätze erscheint es durchaus zweifelhaft, ob das Untergeschoss, mit Ausnahme der Treppenhäuser, eine in sich abgeschlossene Leistung darstellen kann.
29
aaa. Soweit die Klagepartei meint, dass grundsätzlich jedes einzelne Leerrohr für sich als selbständig anzusehen sei und somit eigenständig beurteilt werden könne und auch jede einzelne Leerrohrstrecke mit ihren Enddosen oder Tüllen separat beurteilbar wäre, da nur festzustellen sei, ob sie sich an der richtigen Position im Gebäude befindet und ob diese Leistung von Anfang bis Ende für den Einzug von Elektrokabeln durchgängig ist, kann sie hiermit nicht durchdringen. Genau eine solche Betrachtung würde dem Sinn und Zweck der Vorschrift zuwiderlaufen, da man vermeiden möchte, zusammengehörende Leistungsteile innerhalb eines Gewerkes zu zergliedern, sodass hierfür unterschiedliche Abnahmewirkungen eintreten. Würde man dieser Argumentation folgen, so könnte beispielsweise auch ein Fliesenleger für jede einzelne verlegte Fliese eine Teilabnahme fordern, da hier nur zu prüfen wäre, ob diese fest mit dem Untergrund verbunden worden ist.
30
bbb. Vielmehr ist der hiesige Fall mit denen vom BGH entschiedenen Fälle vergleichbar. So hat der BGH entschieden, dass das Erbringen von einzelnen Leistungen eines Rohbaus, z.B. eine Betondecke oder ein Stockwerk, keine in sich abgeschlossen Teile der Bauleistung sind (vgl. BGH, Urteil vom 06.05.1968 – VII ZR 33/66). Im Urteil vom 20.08.2009 hat der BGH entschieden, dass das Erbringen von Wärmedämmarbeiten an einem Haus an verschiedenen Bauabschnitten nicht zu einer räumlichen Trennung führt. Insbesondere führen auch optische Unterbrechungen an einem Bauwerk nicht zu einer Selbständigkeit der Leistung (vgl. BGH, Urteil vom 20.08.2009 – VII ZR 212/07). Nichts anderes hat im vorliegenden Fall hinsichtlich der Verlegung von Leerrohren in den verschiedenen Stockwerken, hier des Untergeschosses, des … zu gelten. Denn vertraglich geschuldet war die Erbringung von Elektroeinlegearbeiten im Neubau eines Institutsgebäudes in der …, mithin waren Elektroeinlegearbeiten im gesamten Neubau geschuldet. Eine Selbständigkeit der einzelnen Stockwerke des Neubaus kann hier nicht angenommen werden. Dies muss erst recht dann gelten, wenn die Teilabnahme nicht hinsichtlich des gesamten Stockwerks verlangt wird, sondern die Treppenhäuser hiervon ausgenommen werden sollen.
31
ccc. Eine andere Beurteilung lässt sich auch nicht darauf stützten, dass eine klare räumliche oder zeitliche Trennung der Leistungsteile, hier des Untergeschosses mit Ausnahme der Treppenhäuser, vorliegt.
32
1). Denn bei Zugrundelegung der Argumentation der Klagepartei (welcher nicht zu folgen ist – vgl. obige Ausführungen), dass jedes Leerrohr für sich genommen abnahmefähig wäre, läge eine solche klare räumliche Trennung des bloßen Untergeschosses ohne die Treppenhäuser zweifelsohne nicht vor.
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2). Vielmehr spricht auch schon das Weglassen der Treppenhäuser im Untergeschoss gegen eine klare räumliche Trennung. Denn eine solche klare räumliche Trennung kann beispielsweise nur dann angenommen werden, wenn die Leistungsteile an verschiedenen Bauwerken zu erbringen sind (vgl. Kniffka, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage 2020, Teil 3, E., Rn. 83). Bei Leistungsteilen eines Gewerks innerhalb eines Stockwerkes kann man jedoch nicht von einer klaren räumlichen Trennung sprechen.
34
dd. Letztlich kann es im vorliegenden Fall dahinstehen, ob es sich um in sich abgeschlossene Leistungen handelt, da der Anspruch aus anderen Gründen scheitert (siehe sogleich).
35
c. Die Voraussetzungen der Teilabnahme lagen am 15.04.2020 nicht vor, da die Klägerin die vertraglich vereinbarten vorzulegenden Unterlagen nicht vorgelegt hat.
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aa. Entgegen der Auffassung der Klägerin oblag dieser die Pflicht zur Vorlage der Unterlagen, als sie die Teilabnahme begehrt hat. Denn ausweislich der Ziffer 12 des Verhandlungsprotokolls (= Anlage K1) ist bestimmt, dass die Klägerin zur Abnahme des Bauherrn Unterlagen zu liefern hat.
37
aaa. Bei dem Verhandlungsprotokoll, und somit auch hinsichtlich Ziffer 12. des Verhandlungsprotokolls, handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Sinne der §§ 305 ff. BGB.
38
1). Auch Allgemeine Geschäftsbedingungen sind auszulegen. Nach der ständigen Rechtsprechung sind Allgemeine Geschäftsbedingungen objektiv-generalisierend auszulegen, und zwar ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Dies ändert auch den Auslegungsmaßstab: Während beim Individualvertrag gemäß §§ 133, 157 BGB darauf abzustellen ist, wie der konkrete Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste, kommt es bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf das Verständnis der konkreten Vertragspartner nicht an. Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (vgl. beck-online.GROSSKOMMENTAR, Bonin, Stand: 01.12.2021, § 305 c BGB, Rn. 89).
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2). Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Ziffer 12. des Verhandlungsprotokolls dahingehend auszulegen, dass die Klägerin die dort aufgelisteten Unterlagen zumindest einfach – hingegen nicht mehrfach – bei der Abnahme vorzulegen hat.
40
a). Zwar ist der Klägerin grundsätzlich zuzustimmen, wenn sie meint, dass in Ziffer 12. des Verhandlungsprotokolls nicht die Beklagte als Bauherr bezeichnet wird. Denn ausweislich der ersten Seite des Verhandlungsprotokolls (= Anlage K1) wurde die Beklagte nämlich als Auftraggeber (AG) und die Klägerin als Nachunternehmer bezeichnet. Dennoch ist in Ziffer 12. die Vorlage von Unterlagen zwischen den Parteien, also der Auftraggeberin (= Beklagte) und der Nachunternehmerin (= Klägerin) geregelt worden.
41
aa). Die Regelung ist nämlich nicht dahingehend verstehen, dass die Klägerin der Beklagten die Unterlagen erst bei der Abnahme durch den Bauherrn vorzulegen hat. Sondern vielmehr ist die Regelung dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin der Beklagten die Unterlagen zum Zwecke der Abnahme durch den Bauherrn bei der Abnahme (zwischen den Parteien) vorzulegen hat.
42
bb). Eine andere Auslegung wäre wirklichkeitsfern, denn sonst käme man zu dem Ergebnis, dass die Klägerin der Beklagten die vertraglich vereinbarten Unterlagen erst dann vorlegen müsste, wenn das gesamte Bauvorhaben – und damit nicht nur das Gewerk der Klägerin hinsichtlich der Elektroeinlegearbeiten – fertiggestellt wäre und der Bauherr die Gesamtabnahme erteilen will. Eine solche Gesamtabnahme des Gesamtbauwerks ist erst lange Zeit nach Fertigstellung des Gewerkes der Klägerin möglich. Dies würde auch dazu führen, dass der Klägerin erst mit der Gesamtabnahme des Bauwerks durch den Bauherrn ein Anspruch auf Abnahme ihres Gewerkes zustünde, sodass auch erst zu diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf vollständige Vergütung entstünde. Eine solche Auslegung würde nicht dem Verständnis von redlichen Vertragspartnern entsprechen.
43
b). Entgegen der Auffassung der Klägerin wurde durch das Einfügen der „Querstriche (/)“ auch nicht geregelt, dass diese Unterlagen gar nicht („0-fach“) vorlegt werden müssen, sondern vielmehr ist die Regelung so zu verstehen, dass die Unterlagen einfach, jedoch nicht mehrfach, vorzulegen sind.
44
aa). Denn hätte man eine Vorlage von Unterlagen nicht gewollt, so hätte man diese Regelung komplett (durch-)gestrichen, wie es an anderen Stellen des Vertrags auch stattgefunden hat (vgl. Ziffer 8.1 l, 8.1 m. der Anlage K1).
45
bb). Zwar wurden auch an anderen Stellen des Vertrags Querstriche eingefügt (vgl. beispielsweise Ziffer 5, 6.3, 6.4, 6.5 oder 14.2). Jedoch bedeuten diese Querstriche nicht, dass hiermit die Ziffer „0“ gemeint ist, sondern lediglich, dass von einer Regelung abgesehen wird. Dies hat vorliegend zur Konsequenz, dass lediglich von einer mehrfachen Vorlage („/-fach“) der Unterlagen abgesehen wird, jedoch nicht von der Vorlage insgesamt.
46
cc). Für ein solches Verständnis sprich im Übrigen auch, dass händisch der Zusatz „* und Bestandsunterlagen“ bei dem Spiegelstrich „Dokumentation * gem. LV – fach“ hinzugefügt wurde. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist damit auch keine Klarstellung verbunden, dass auch keine Dokumentation und keine Bestandsunterlagen gemäß dem Leistungsverzeichnis vorzulegen sind. Denn die Klägerin führt selbst zutreffend aus, dass im Leistungsverzeichnis keine Position vorhanden ist, welche eine Dokumentation oder Bestandsunterlagen vorsieht. Nach dem Verständnis der Klägerin hätten die Parteien also klarstellend durch händisches Einfügen von „und Bestandsunterlagen“ vereinbart, dass diese 0-fach, also gar nicht, vorzulegen sind, obwohl beide Parteien der Auffassung waren, dass diese Vorlage nicht geschuldet ist. Dies ist wirklichkeitsfern.
47
dd). Gegen dieses Verständnis spricht auch nicht, dass die Parteien im Leistungsverzeichnis keine eigene Position für Dokumentation und Bestandsunterlagen vereinbart haben. Denn die Parteien haben auch bei „Sonstiges“ nichts vereinbart. Jedenfalls würde die Klägerin die Übergabe der restlichen Unterlagen (Bestandspläne, Beschreibungen und Bedienungsanleitungen sowie TÜV-Abnahme) schulden.
48
ee). An diesem Ergebnis ändert auch das von der Klagepartei im Schriftsatz vom 22.03.2022 (= Bl. 202 d.A.) auszugsweise vorgelegte Verhandlungsprotokoll zwischen der Beklagten und einer dritten Partei, in welchem teilweise Zahlen und teilweise Schrägstriche vor dem „-fach“ eingetragen wurden. Auch insoweit ist die dort getroffene Regelung dahingehend zu verstehen, dass beispielsweise die Bestandspläne 2-fach und die TÜV-Abnahme nicht mehrfach, d.h. einfach, vorzulegen sind.
49
c). Jedenfalls gilt es auch die Regelung unter Ziffer 19.11 des Verhandlungsprotokolls zu berücksichtigen, wonach das Aufmaß der Klägerin anhand des Bestandsplans zu erfolgen hat und die Klägerin diesen (Bestands-)Plan im Original zurückerhält. Eine solche Individualvereinbarung würde keinerlei Sinn ergeben, wenn die Parteien zuvor unter Ziffer 12. vereinbart hätten – wie die Klägerin meint – dass der Bestandsplan „0-fach“ vorzulegen ist.
50
bbb. Zwar spricht das Verhandlungsprotokoll lediglich von der Vorlage der Unterlagen zum Zeitpunkt der (End-)Abnahme. Für den Fall der Teilabnahme ist nichts explizit geregelt worden. Jedoch ist die Regelung dahingehend auszulegen, dass diese Unterlagen auch bei einer Teilabnahme vorzulegen sind.
51
1). Denn eine Teilabnahme hat dieselben Auswirkungen wie die (End-)Abnahme. Denn auch mit der Teilabnahme treten sämtliche Abnahmewirkungen bezogen auf die abgenommene Teilleistung ein: Der Werklohn für die abgenommene Teilleistung wird fällig, die Gewährleistungsfrist beginnt zu laufen und es tritt die Beweislastumkehr bezüglich der Mangelfreiheit ein (vgl. BeckOK VOB/B, Koenen, 46. Edition, Stand 31.10.2021, § 12 Abs. 2, Rn. 8).
52
2). Insofern ist es nur konsequent, dass auch zum Zeitpunkt der Teilabnahme die Klägerin die notwendigen Unterlagen vorlegen muss, da auch für die Teilabnahme sämtliche Voraussetzungen der Abnahme vorliegen müssen.
53
3). Wenn nun aber die Klägerin von der Beklagten die Teilabnahme der (behaupteten) in sich abgeschlossenen Leistungen begehrt, mit der Konsequenz, dass die zuvor geschilderten Wirkungen eintreten, so ist das Verhalten der Klägerin, indem sie sich darauf beruft, dass die geforderten Unterlagen erst bei der Endabnahme und nicht bei der Teilabnahme vorzulegen sind, als treuwidrig im Sinne des § 242 BGB zu sehen. Denn einerseits begehrt die Klägerin die für sie günstigen Abnahmewirkungen und andererseits will sie ihrer vertraglichen Verpflichtung bei einer Abnahme (hier: Vorlage von Unterlagen) nicht nachkommen.
54
bb. Unstreitig wurden die Unterlagen zum 15.04.2020 nicht vorgelegt.
55
cc. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es auch unerheblich, dass sich die Beklagte zum Zeitpunkt der begehrten Erklärung der Teilabnahme in einem (behaupteten) Zahlungsverzug befand. Selbst wenn der Klägerin deshalb ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Vorlage der Unterlagen zugestanden hätte, hätte dies nicht dazu geführt, dass zum Zwecke der (begehrten) Teilabnahme die Unterlagen überhaupt nicht vorzulegen sind und die Teilabnahme ohne Vorlage der Unterlagen erklärt hätte werden können.
56
2. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Feststellung zu, dass die Weigerung der Beklagten am 04.05.2020 das Gebäude B (Bauteile C + D), Erdgeschoss bis 2. Obergeschoss, abzunehmen, unberechtigt war. Auch hier kann es dahinstehen, ob es sich bei dem Gebäude B (Bauteil C + D) – dann wohl mit Ausnahme des Untergeschosses und der darin befindlichen Treppenhäuser – um eine in sich abgeschlossene Leistung im Sinne des § 12 Abs. 2 VOB/B handelt, denn auch hinsichtlich dieser begehrten Teilabnahme wurden die vertraglich vereinbarten vorzulegenden Unterlagen am 04.05.2020 seitens der Klägerin nicht vorgelegt (vgl. die Ausführungen unter b.).
57
a. Auch hinsichtlich dieses Teilabnahmebegehrens erscheint es zweifelhaft, ob das Gebäude B (Bauteile C + D), Erdgeschoss bis 2. Obergeschoss, eine in sich abgeschlossene Leistung darstellt, welche von den anderen Leistungen klar räumlich abzugrenzen ist.
58
aa. Zunächst könnte man denken, dass die Klägerin mit diesem Teilabnahmebegehren die Abnahme eines klar abgrenzbaren Leistungsteils (Gebäude B) eines Gewerks begehrt. Jedoch gilt es zu berücksichtigen, dass auch das Gebäude B über ein Untergeschoss verfügt. Genau dieses Untergeschoss soll jedoch seinerseits – mit Ausnahme der Treppenhäuser – bereits isoliert teilabnahmefähig sein (vgl. A. I. 1.). Folglich begehrt die Klagepartei hier nicht die Abnahme eines unzweifelhaft grundsätzlich teilabnahmefähigen Bauwerks bei verschiedenen Bauwerken, sondern vielmehr die Teilabnahme des Gebäudes B mit Ausnahme der Treppenhäuser im Untergeschoss des Gebäudes B. Insoweit ist eine klare räumliche Abgrenzung äußerst fraglich.
59
bb. Sofern man auch hier die Argumentation der Klägerin berücksichtigt, dass jedes Leerrohr isoliert zu betrachten sei, hätte dies zur Konsequenz, dass jedes Stockwerk, jeder Raum und sogar jedes einzelne Leerrohr separat abnahmefähig wären, was jedoch zu einer unnatürlichen Aufspaltung der einzelnen Werkleistung (Verlegung der Leerrohre im gesamten Bauvorhaben ...-Institut) führen würde und dem Sinn und Zweck (Vermeidung unterschiedlicher Abnahmewirkungen innerhalb eines Gewerkes) widersprechen würde (vgl. A. II. 1. b. cc. aaa.).
60
cc. Letztlich gilt es zudem zu beachten, dass selbst der klägerseits benannte Zeuge … angegeben hat, dass auf der Anlage B3 ein Leerrohr zu sehen ist, welches vom Flur des Gebäudeteils B (Planabschnitt C + D) in den Flur des Gebäudeteils A (Planabschnitt A + B) verläuft, sodass auch erhebliche Bedenken hinsichtlich der klaren räumlichen Trennung der beiden Gebäudeteile A und B bestehen.
61
dd. Letztlich kann es jedoch auch hier dahinstehen, ob es sich um in sich abgeschlossene Leistungen handelt, da der Anspruch aus anderen Gründen scheitert.
62
b. Die Voraussetzungen der Teilabnahme lagen am 04.05.2020 nicht vor, da die Klägerin die vertraglich vereinbarten vorzulegenden Unterlagen unstreitig nicht vorgelegt hat. Insoweit wird vollumfänglich auf die obigen Ausführungen unter A. II. 1. c. Bezug genommen.
63
3. Mangels Bestehens eines Hauptanspruchs steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen zu.
B.
64
Die Kostenentscheidung ist § 91 Abs. 1 ZPO zu entnehmen.
C.
65
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
D.
66
Der Streitwert ist gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO festgesetzt worden.