Inhalt

ArbG München, Endurteil v. 05.07.2022 – 16 Ca 5978/21
Titel:

Darlehensverträge, Einheitliches Rechtsgeschäft, Darlehensrückzahlungsanspruch, Darlehensnehmer, Darlehensbetrages, Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis, Rahmenvertrag, Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Aufhebung des Arbeitsverhältnisses, Bestehendes Arbeitsverhältnis, Arbeitsvertraglich, Arbeitsvertragsangebot, Arbeitsvertrag - Parteien, Abschluss des Arbeitsvertrags, Ausschlußfristen, Insolvenzschuldner, Betriebsbedingte Kündigung, Rückgewähranspruch, Rückzahlungsverpflichtung, Rückzahlungsansprüche des Arbeitgebers

Schlagworte:
Zulässigkeit der Klage, Zuständigkeit des Arbeitsgerichts, Ausschlussfristen, Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis, Einheitliches Rechtsgeschäft, Fälligkeit des Darlehens, Verfall von Ansprüchen
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG München, Urteil vom 06.03.2023 – 5 Sa 508/22
BAG Erfurt, Urteil vom 16.04.2024 – 9 AZR 181/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 58720

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 19.825,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Rückzahlung eines Darlehens, das dem Beklagten zur Finanzierung eines Lehrgangs zur Erlangung einer Musterberechtigung für ein bestimmtes Flugzeugmuster zur Verfügung gestellt wurde.
2
Der Kläger wurde mit Beschluss des AG A-Stadt vom 01.04.2019 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. mbH i. L. (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) bestellt.
3
Die Insolvenzschuldnerin führte Lufttransporte aller Art einschließlich Personenbeförderung durch.
4
Der Beklagte hatte sich bei der Insolvenzschuldnerin auf eine Stelle als Co-Pilot auf dem Flugzeugtyp A 320 Family beworben. Er verfügte zu diesem Zeitpunkt lediglich über die allgemeine Erlaubnis als Verkehrsflugzeugführer, jedoch nicht über die sogenannte Musterberechtigung (Type Rating) für Flugzeugmuster der Airbus A320 Family. Die Musterberechtigung ist zwingender Bestandteil der erforderlichen Luftfahrterlaubnis für ein bestimmtes Flugzeugmuster. Sie wird durch eine mehrmonatige theoretische und praktische Einweisung mit anschließender Prüfung erworben.
5
Am 02.07.2018 schlossen die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte einen „Darlehensvertrag zur Finanzierung der Type-Rating-Kosten für das Flugzeugmuster Airbus A320 Family“ (Bl. 73 f. d. A.). Hierin finden sich u. a. folgende Regelungen:
„Im Hinblick auf das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit der Gesellschaft vereinbaren die Parteien folgendes Darlehen und zwar zur Finanzierung des/der Type Rating Lehrganges/Prüfung als Co-Pilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A320 Family:
§ 1 Darlehen
Die Gesellschaft gewährt dem Darlehensnehmer ein Darlehen iHv 20.950 EUR … (,Darlehensbetrag‘).
§ 2 Fälligkeit der Auszahlung
Die Auszahlung des Darlehensbetrages erfolgt durch die Gesellschaft bei Ausbildungsbeginn direkt an den Darlehensnehmer. Die Auszahlung der ersten Rate in Höhe von 10.475 EUR erfolgt zum Ausbildungsbeginn 23.07.2018 und die Auszahlung der zweiten Rate in Höhe von 10.475 EUR erfolgt zum 06.08.2018.
§ 3 Zins/Lohnsteuer
(1) Das Darlehen ist nicht zu verzinsen. …
§ 4 Tilgung
(1) Das Darlehen ist in monatlichen Raten in Höhe von 225 EUR … (Höhe der Einzelraten), mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses zu tilgen und zwar jeweils zum Ende des Monats, der dem Beginn des Arbeitsverhältnisses folgt (Datum der ersten Ratenzahlung).
(2) Nach der ersten Ratenzahlung sind die Tilgungsraten ebenfalls jeweils zum Ende eines Monats fällig.
(3) Die Tilgung des Darlehens erfolgt über einen Zeitraum von 94 Monaten.“
§ 6 Vorzeitige Beendigung des Darlehens/Fälligkeit
(1) Der ausstehende Darlehensbetrag wird insgesamt fällig, wenn das bestehende Arbeitsverhältnis, gleich aus welchem Grunde, beendet wird. Dies gilt nicht für die Fälle der betriebsbedingten Kündigung, der durch die Gesellschaft veranlassten Eigenkündigung, der einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses oder der gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
(2) Ferner wird der Darlehensbetrag insgesamt fällig, wenn der Darlehensnehmer nach der erfolgreichen Absolvierung des Type Rating Lehrganges als Co-Pilot den Arbeitsvertrag vor Arbeitsaufnahme kündigt und/oder seine arbeitsvertragliche Tätigkeit als Co-Pilot nicht aufnimmt. Voraussetzung für die Rückzahlung/Fälligkeit des Darlehensbetrages ist, dass die Kündigung vor Arbeitsaufnahme und/oder die Nichtaufnahme der Arbeit nicht durch die Gesellschaft veranlasst wurde.
(3) Ferner wird der Darlehensbetrag insgesamt fällig, wenn der Mitarbeiter das Ausbildungsziel schuldhaft nicht erreicht (etwa aufgrund endgültig nicht bestandener Prüfung).
(4) Entschließt sich der Darlehensnehmer die Ausbildung aus von ihm zu vertretenden Gründen abzubrechen, ist er der Gesellschaft zur Rückzahlung des Darlehensbetrages in Höhe der bis dahin entstandenen Ausbildungskosten verpflichtet.
…“
6
Zugleich mit diesem Vertrag schlossen die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte ebenfalls am 02.07.2018 eine „Ausbildungsvereinbarung zum Erwerb der Musterberechtigung als Co-Pilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A320 Family“ (Bl. 75 d. A.). Diese enthält u. a. folgende Bestimmungen:
„§ 1 Gegenstand/Zeitrahmen
(1) Der Co-Pilot wird auf eigene Kosten an dem Lehrgang zum Erwerb der Musterberechtigung (Type Rating) als Co-Pilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A320 Family teilnehmen und zwar in der Flugschule C. ... Service GmbH als Ausbildungsbetrieb. G. gewährt dem Co-Piloten zur Finanzierung der Lehrgangskosten ein Darlehen und zwar auf der Grundlage eines gesondert abzuschließenden Darlehensvertrages.
(2) Der Lehrgang wird voraussichtlich in dem Zeitraum vom 23.07.2018 bis zum 31.10.2018 stattfinden.
§ 2 Vergütung
Mit Beginn des Lehrgangs zum Erwerb der Musterberechtigung erhält der Co-Pilot eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 1.550,00 € brutto.
§ 3 Beendigung
Die Ausbildungsvereinbarung endet spätestens mit der Vorlage der lizenzrechtlich eingetragenen Musterberechtigung in Kopie gegenüber G. durch den Co-Piloten, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Sollte der Co-Pilot die Prüfungen zur Erlangung der Musterberechtigung endgültig nicht bestehen, endet die Ausbildungsvereinbarung bereits zu diesem Zeitpunkt, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
§ 4 Arbeitsvertrag
Nach erfolgreich abgeschlossenen Type Rating erhält der/die Auszubildende ein Arbeitsvertragsangebot als Co-Pilot.“
7
Die Insolvenzschuldnerin zahlte das Darlehen in Höhe von Euro 20.950,00 an den Beklagten aus.
8
Der Beklagte absolvierte den Lehrgang zum Erwerb der Musterberechtigung als Co-Pilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A320 Family erfolgreich.
9
Am 29.08.2018 schlossen die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte einen Arbeitsvertrag (Bl. 71 f. der Akte) ab. In diesem Arbeitsvertrag ist unter anderem geregelt:
„§ 1 Der Vertrag tritt ab dem 15.10.2018 nur in Kraft, wenn der Pilot im Besitz einer gültigen Erlaubnis für Berufs-/Verkehrsflugzeugführer gemäß Operations Manual Part A (OM-A)„Qualification Requirements“ oder einer entsprechenden Anerkennung durch das Luftfahrt-Bundesamt, der Musterberechtigung Airbus A320FAM einer Zuverlässigkeitsprüfung sowie – sofern notwendig – einer deutschen Arbeitserlaubnis ist … …
§ 10 Weitere Einzelheiten, soweit in diesem Arbeitsvertrag nicht enthalten, sind in dem Rahmenvertrag für Piloten mit der Anlage II (Vergütung und Zulagen) und der Anlage III (Urlaubsordnung) sowie in den im Rahmenvertrag genannten Verfahrensanweisung geregelt. Der Rahmenvertrag ist Bestandteil dieses Vertrages; dies gilt auch für alle Teile des Operations Manual in der jeweils gültigen und genehmigten Fassung.“
10
Wegen des weiteren Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf Bl. 71 f. der Akte verwiesen.
11
Im Rahmenvertrag für Piloten (Bl. 102 ff. der Akte) sind unter anderem folgende Regelungen enthalten:
„§ 1 Gegenstand des Rahmenvertrages
Der Rahmenvertrag regelt die näheren Einzelheiten des Arbeitsvertrages zwischen der G. GmbH (im Folgenden „G.“ genannt) und C. (im Folgenden „Pilot“ oder „Mitarbeiter“ oder „Mitarbeiterin“ genannt). Die im Rahmenvertrag in Bezug genommenen Anlagen gelten in der jeweils aktuellen Fassung. Der Rahmenvertrag mit seinen Anlagen ist Bestandteil des Arbeitsvertrags des Mitarbeiters.
§ 21 Rückzahlung von Vorschüssen und Darlehen
Offene Restbeträge von Vorschüssen und Darlehen werden spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Rückzahlung in voller Höhe fällig.
§ 26 Ausschlussfristen
(1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis – mit Ausnahme von Ansprüchen, die aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit und/oder aus vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen des Arbeitgebers oder seines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen resultieren sowie von Vergütungsansprüchen, soweit diese den gesetzlichen Mindestlohn nicht überschreiten – verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei in Textform geltend gemacht werden.
(2) Lehnt die Gegenseite der Anspruch schriftlich ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
§ 27 Anwendbares Recht/Gerichtsstand
(1) das Arbeitsverhältnis und der Arbeitsvertrag unterliegen dem Recht der Bundesrepublik Deutschland.
…“
12
Wegen des weiteren Inhalts des Rahmenvertrags wird auf Bl. 102 ff. Bezug genommen.
13
Ab November 2018 behielt die Insolvenzschuldnerin zur Tilgung des Darlehens vereinbarungsgemäß EURO 225,00 monatlich von der Vergütung des Beklagten ein. Insolvenzbedingt wurde das Arbeitsverhältnis zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten zum Ablauf des 10.04.2019 beendet. Ab April 2019 setzte der Beklagte die weitere Tilgung des Darlehens aus. Bis zu diesem Zeitpunkt waren insgesamt EUR 1.125,00 getilgt worden. Der noch offene Darlehensbetrag beläuft sich auf EURO 19.825,00.
14
Mit Schreiben vom 22.09.2020 (Bl. 84 ff. d. A.) forderte der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung von zwei Wochen zur Rückzahlung von Euro 3.600,00 sowie zur Aufnahme der monatlichen Tilgung des Darlehens auf. Für den Fall, dass der Beklagte der Zahlungsaufforderung nicht nachkommt, forderte der Kläger den Beklagten auf, eine Verzichtserklärung im Hinblick auf die Einrede der Verjährung sowie – vorsorglich – den Verzicht auf die Ausschlussfrist gemäß § 26 des Rahmenvertrages für Piloten sowie etwaige sonstige vertragliche Ausschlussfristen zu erklären.
15
Der Beklagte leistete die vom Kläger geforderten Zahlungen nicht und gab auch keine Verzichtserklärung ab. Daraufhin kündigte der Kläger mit Schreiben vom 02.11.2020 (Bl. 89 f. d. A.) den Darlehensvertrag vom „23.07.2018“ und forderte den Beklagten zur Rückzahlung des gesamten ausstehenden Darlehensbetrags in Höhe von Euro 19.825,00 auf.
16
Dieser Zahlungsaufforderung kam der Beklagte nicht nach. Mit Schriftsatz vom 29.06.2021, die am 30.06.2021 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, hat der Kläger die streitgegenständliche Klage auf Zahlung von Euro 19.825,00 erhoben.
17
Der Kläger bestreitet, dass die Insolvenzschuldnerin dem Beklagten mündlich zugesagt habe, bei einer betriebsbedingten Kündigung auf eine Rückgewähr des Darlehens zu verzichten.
18
Der Kläger führt aus, dass er den Darlehensvertrag aufgrund des Zahlungsverzugs des Klägers wirksam außerordentlich gekündigt habe und daher der gesamte ausstehende Darlehensbetrag zurückzuzahlen sei.
19
Nach den Entscheidungsgründen des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Januar 2022 (9 AZR 144 / 21) stünde fest, dass die zu arbeitsvertraglichen Rückzahlungsklauseln bei Aus- und Fortbildungsmaßnahmen entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung auf den vorliegenden Rückgewähranspruch keine Anwendung fänden. Die Rückzahlungsverpflichtung aus § 1 und § 4 des Darlehensvertrags benachteiligten den Beklagten nicht unangemessen. Das von dem Beklagten erworbene Type Rating stelle im Verhältnis zum Rückgewähranspruch des Klägers einen angemessenen Gegenwert dar.
20
Dem Rückgewähranspruch stünden auch keine sonstigen rechtlichen Hindernisse entgegen. Auf den Rückgewähranspruch sei die Ausschlussfrist des § 26 des Rahmenvertrags nicht anwendbar. Der Darlehensvertrag stelle evident ein abgeschlossenes und gegenüber dem Arbeitsvertrag spezielleres Regelungswerk dar. Der streitbefangene Rückgewähranspruch sei im Übrigen kein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Der Darlehens- und der Arbeitsvertrag hingen nicht im Sinne eines einheitlichen Rechtsgeschäfts miteinander zusammen. Zwar bestehe zwischen dem Darlehens- und dem Arbeitsvertrag eine wirtschaftliche Verknüpfung. Vorliegend korrespondiere diese wirtschaftliche Verknüpfung aber nicht mit einem rechtlichen Zusammenhang von Arbeits- und Darlehensvertrag. Der rechtliche Zusammenhang ergebe sich insbesondere nicht aus der Präambel des Darlehensvertrages. Der rechtliche Bestand des Darlehensvertrags sei nicht vom Abschluss des Arbeitsvertrags abhängig gewesen und vice versa.
21
Der Kläger beantragt,
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 19.825,00 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
22
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
23
Nach Ansicht des Beklagten besteht kein Rückzahlungsanspruch des Klägers.
24
Der Beklagte behauptet, dass ihm gegenüber seitens der Insolvenzschuldnerin erklärt worden sei, dass das streitgegenständliche zweckgebundene Darlehen bei einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zurückzuzahlen sei.
25
Nach Ansicht des Beklagten stellen der Darlehensvertrag und der Arbeitsvertrag ein einheitliches Rechtsgeschäft dar. Ein Verknüpfungswille der Insolvenzschuldnerin und des Beklagten werde durch die mehrfachen ausdrücklichen Bezugnahmen im Darlehensvertrag auf den Arbeitsvertrag (Präambel, § 4 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 des Darlehensvertrages) belegt. Im Übrigen seien allein vor dem Hintergrund des Arbeitsvertrags Konditionen wie Zinsfreiheit und ratierliche Tilgung ab Beginn des Arbeitsverhältnisses vereinbart und auf eine Bonitätsprüfung verzichtet worden.
26
Der Beklagte führt aus, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine ratierliche Rückzahlung des für die Aus- und Fortbildung zur Verfügung gestellten Betrages gehabt habe. Ein Rückzahlungsanspruch ergebe sich nicht aus § 4 Abs. 1 des Darlehensvertrages. Die darin enthaltende Regelung benachteilige ihn unangemessen und stelle eine nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksame AGB dar.
27
Im Übrigen seien etwaige Rückzahlungsansprüche des Klägers wegen Nichteinhaltung der Ausschlussfristen des § 26 des Rahmenvertrags verfallen. Gemäß § 21 des Rahmenvertrags würden offene Restbeträge von Darlehen spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Rückzahlung in voller Höhe fällig. Gemäß § 26 i. V. m. § 21 des Rahmenvertrags hätte der Kläger den fälligen Anspruch spätestens drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, also am 11.07.2019, in Textform geltend machen und sodann spätestens am 27.08.2019 einklagen müssen. Dies sei nicht erfolgt.
28
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird vollumfänglich auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Niederschriften der Sitzungen am 16.09.2021 und 05.07.2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

29
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
30
Die Klage ist zulässig.
31
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG eröffnet. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts München folgt aus § 46 Abs. 2 S. 2 ArbGG i. V. m. §§ 12, 13 ZPO. Im Übrigen bestehen keine Zulässigkeitsbedenken.
II.
32
Die Klage ist unbegründet. Selbst wenn ein Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens in Höhe von Euro 19.825,00 ursprünglich entstanden sein sollte, ist dieser mittlerweile wegen Nichteinhaltung der vertraglichen Ausschlussfristen verfallen.
33
1. Ein etwaiger Anspruch auf Rückzahlung des noch ausstehenden Betrages des dem Beklagten von der Insolvenzschuldnerin gewährten Darlehens stellt einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 26 des Rahmenvertrages für Piloten dar.
34
a) Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Anwendungsbereich der Ausschlussfristen des § 26 des Rahmenvertrages nicht aufgrund des Wortlauts des § 1 des Rahmenvertrages auf Ansprüche aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien – anstelle des gesamten Arbeitsverhältnisses – beschränkt. § 1 des Rahmenvertrages stellt lediglich klar, dass die Regelungen im Rahmenvertrag Bestandteil des Arbeitsvertrages zwischen der Insolvenzschuldnerin bzw. dem Beklagten und dem Kläger sind. Dies ist auch in § 10 des schriftlichen Arbeitsvertrages ausdrücklich vereinbart worden. Im Rahmenvertrag ist eine Vielzahl von Regelungen enthalten, die das Arbeitsverhältnis insgesamt betreffen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 26 des Rahmenvertrages erfassen die Ausschlussfristen alle Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“. Für eine Beschränkung auf im schriftlichen Arbeitsvertrag selbst geregelte Ansprüche ist kein Ansatzpunkt ersichtlich. Grundsätzlich erfassen Ausschlussfristen, die sich auf alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis beziehen, sowohl die vertraglichen als auch die tariflichen und gesetzlichen Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien (BAG, Urteil vom 21.01.2010 – 6 AZR 556/07).
35
b) Auch steht die Systematik von Darlehens- und Rahmenvertrag einer Anwendung des § 26 des Rahmenvertrages nicht entgegen. Das Argument des Klägers, dass andernfalls alle Regelungen des Rahmenvertrages, die sich auf Darlehen beziehen, insbesondere dessen § 21, zur Anwendung kommen müssten, überzeugt nicht. Zum Fälligkeitszeitpunkt enthält der Darlehensvertrag eigenständige Regelungen, die als speziellere Normen den § 21 des Rahmenvertrages verdrängen. Dies schließt aber nicht die Anwendbarkeit anderer Bestimmungen aus dem Rahmenvertrag aus. Zur Anwendbarkeit von Ausschlussfristen enthält der Darlehensvertrag weder eine positive noch eine negative Aussage. Ob Ansprüche aus dem Darlehensvertrag dem Anwendungsbereich des § 26 des Rahmenvertrages unterfallen, richtet sich daher allein nach der Frage, ob diese als Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“ im Sinne dieser Vorschrift zu qualifizieren sind.
36
c) Ob bei einem Arbeitgeberdarlehen der Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis ist oder nur mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung steht, hängt von der konkreten Ausgestaltung des Darlehensvertrags ab, insbesondere davon, wie eng das Arbeitgeberdarlehen mit dem Arbeitsverhältnis verknüpft ist (BAG, Urteil vom 21.01.2010 – 6 AZR 556/07).
37
Die Kammer schließt sich der vom LAG Berlin in seinem Urteil vom 20.01.2021 – 15 Sa 1128/20 vertretenen und vom BAG im Revisionsurteil vom 25.01.2022 – 9 AZR 144/21 unbeanstandeten Auffassung an, dass es sich bei dem Darlehensvertrag und dem später abgeschlossenen Arbeitsvertrag um ein einheitliches Rechtsgeschäft handelt.
38
Von einem einheitlichen Rechtsgeschäft ist dann auszugehen, wenn äußerlich selbstständige Rechtsgeschäfte durch den Willen der Parteien miteinander verknüpft sind. Ein sogenannter „Einheitlichkeitswille“ liegt vor, wenn das eine Geschäft nicht ohne das andere gewollt ist, die möglicherweise äußerlich getrennten Rechtsgeschäfte also miteinander stehen und fallen sollen. Dabei kommt es auf den rechtlichen Zusammenhang und nicht auf eine wirtschaftliche Verknüpfung an. Ein einheitliches Rechtsgeschäft kann – bei einem dahingehenden Parteiwillen – auch in den Fällen vorliegen, in denen einzelne Rechtsgeschäfte in mehreren Urkunden niedergelegt sind und unterschiedlichen Geschäftstypen angehören. Legen die Parteien ihre vertraglichen Absprachen in mehreren selbstständigen Verträgen nieder, spricht dies gegen einen rechtlichen Zusammenhang, ohne den Willen, ein einheitliches Rechtsgeschäft zu begründen, auszuschließen. Ob es sich aufgrund eines entsprechenden Willens der Vertragsparteien um ein einheitliches Rechtsgeschäft handelt, ist durch Ermittlung und Auslegung des – objektiv erkennbaren – Parteiwillens festzustellen (BAG, Urteil vom 25.01.2022 – 9 AZR 144/21).
39
Ein Verknüpfungswille der Parteien ergibt sich vorliegend daraus, dass im Darlehensvertrag an mehreren Stellen auf den zu einem späteren Zeitpunkt abzuschließenden Arbeitsvertrag ausdrücklich Bezug genommen wird. In der Präambel des Darlehensvertrags wird klargestellt, dass das Darlehen „im Hinblick auf das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses“ zur „Finanzierung des/der Type Rating Lehrganges/Prüfung als Co-Pilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A320 Family“ gewährt wird. Für die Fälligkeit der Rückzahlung des Darlehens wird in § 4 Abs. 1 des Darlehensvertrages an den Beginn des Arbeitsverhältnisses angeknüpft. Auch die in § 6 des Darlehensvertrages geregelte vorzeitige Gesamtfälligkeit des Darlehens hängt vom Bestand des Arbeitsverhältnisses ab.
40
Durch die vorgenannten Bezugnahmen wird deutlich, dass das Darlehen von der Insolvenzschuldnerin gewährt wurde, um die hierdurch finanzierte berufliche Fortbildung des Beklagten für den eigenen Geschäftsbetrieb nutzbar zu machen. Es handelte sich um eine Investition der Insolvenzschuldnerin zur Personalgewinnung und erfolgte somit in ihrem eigenen Interesse (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.02.2021 – 15 Sa 1128/20).
41
Da der Darlehensvertrag und der später abgeschlossene Arbeitsvertrag so eng verknüpft sind, dass ein einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt, handelt es sich nach Auffassung der Kammer bei der Darlehensrückzahlungsforderung nach Ansicht der Kammer um einen Anspruch „aus dem Arbeitsverhältnis“ im Sinne des § 26 des Rahmenvertrages. Das Darlehen wurde nicht lediglich im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis abgeschlossen.
42
Ziel des Darlehens war es vielmehr, dass Arbeitsverhältnis mit einem Co-Piloten auf dem Fluzeugmuster Airbus A320 Family überhaupt erst zu ermöglichen. Das Darlehen war eine Voraussetzung für den Abschluss des Arbeitsverhältnisses.
43
2. Die in § 26 Abs. 2 des Rahmenvertrags vereinbarte Frist zur gerichtlichen Geltendmachung des streitgegenständlichen Zahlungsanspruchs war im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits abgelaufen.
44
Zwischen den Parteien ist streitig, ob ab April 2019 überhaupt noch Darlehensrückzahlungsansprüche fällig geworden sind oder diese aufgrund der insolvenzbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfallen sind.
45
Etwaige Darlehensrückzahlungsansprüche wären nicht gemäß § 21 des Rahmenvertrages bereits mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses insgesamt fällig geworden. § 21 des Rahmenvertrages wird durch die speziellere Regelung in § 6 Abs. 1 S. 2 des Darlehensvertrages verdrängt, die eine Gesamtfälligkeit im Falle einer betriebsbedingten Kündigung, der durch die Gesellschaft veranlassten Eigenkündigung und der einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses ausschließt. Es verbliebe somit bei der in § 4 Abs. 1 des Darlehensvertrages geregelten ratierlichen Rückzahlungsverpflichtung.
46
Da der Beklagte ab April 2019 keine Tilgungsraten mehr geleistet hat, hat der Kläger das Darlehen mit Schreiben vom 02.11.2020 gekündigt und den Beklagten zur Rückzahlung des gesamten ausstehenden Darlehensbetrags in Höhe von 19.825,00 € aufgefordert. Wenn bis dahin ein Anspruch des Klägers auf ratierliche Rückführung des Darlehens bestanden haben sollte, wäre durch die Kündigung des Darlehens ein Anspruch auf Rückzahlung des gesamten Restdarlehensbetrags fällig geworden. Die Kammer geht mangels anderslautenden Sachvortrags der Parteien davon aus, dass das Schreiben des Klägers vom 02.11.2020 dem Beklagten im Rahmen der üblichen Postlaufzeiten im November 2020 zugegangen ist.
47
Da der Beklagte sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs im November 2020 erklärt hat, hätte der Kläger den Anspruch gemäß § 26 Abs. 2 des Rahmenvertrages innerhalb von drei Monaten gerichtlich geltend machen müssen. Die Klage ist allerdings erst ca. sieben Monate nach Ablauf der Erklärungsfrist am 30.06.2021 beim Arbeitsgericht eingegangen. Etwaige Darlehensrückzahlungsansprüche des Klägers sind daher verfallen.
III.
48
Als unterlegene Partei trägt der Kläger die Kosten des Rechtsstreits, § 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO.
IV.
49
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO.
V.
50
Gegen dieses Urteil kann der Kläger Berufung einlegen. Im Einzelnen gilt Folgendes: