Titel:
Widerspruch beim Policenmodell und Rechtsmissbrauch - Inanspruchnahme steuerlicher Vorteile bei einer Basisrentenversicherung ("Rürup-Rente")
Normenketten:
VVG § 5a (idF vom 2.12.2004)
BGB § 242
ZPO § 254
AEUV Art. 267
Leitsätze:
1. Zwar führt alleine der Umstand, dass der Versicherungsnehmer wiederholt Vertragsänderungen vorgenommen hat bzw. auch vertragliche Rechte ausgeübt hat im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung nicht zur Treuwidrigkeit der Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 5a VVG aF. Hieraus ergibt sich aber nicht, dass eine oder mehrere Vertragsänderungen nicht als ein Indiz bewertet und in die Gesamtabwägung, ob besonders gravierende Umstände die Ausübung des Widerspruchsrechts als treuwidrig erscheinen lassen, eingestellt werden könnte. Vorliegend ist angesichts mehrerer Umstände (außergewöhnlich langer Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Widerspruch, deutlicher Hinweis auf das Lösungsrecht in der Verbraucherinformation gem. § 10a VAG aF, bei dem Vertrag handelt es sich um eine steuerlich geförderte Rürup-Rentenversicherung) von einem Rechtsmissbrauch auszugehen. (Rn. 15 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, ist nicht zur Anrufung des EuGH verpflichtet, nur weil ein niedrigeres einzelstaatliches Gericht in einer Rechtssache, die der beim erstgenannten Gericht anhängigen ähnelt und genau die gleiche Problematik betrifft, dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat. Es ist auch nicht verpflichtet, die Antwort auf diese Frage abzuwarten. Es bleibt allein dem nationalen Gericht überlassen, zu beurteilen, ob die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt, und demgemäß zu entscheiden, ob es davon absieht, eine vor ihm aufgeworfene Frage nach der Auslegung des Unionsrechts dem Gerichtshof vorzulegen (vgl. EuGH BeckRS 2015, 81095 Rn. 58 mwN, 63 – van Dijk). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rentenversicherung, Basisrente, Rürup-Rente, Policenmodell, Widerspruch, Widerspruchsbelehrung, besonders gravierende Umstände
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 04.04.2022 – 25 U 796/22
LG Traunstein, Endurteil vom 27.01.2022 – 1 O 1741/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 10.07.2024 – IV ZR 196/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 58715
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 27.01.2022, Aktenzeichen 1 O 1741/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Traunstein ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die beklagte Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 39.483,26 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Klagepartei will bereicherungsrechtliche Ansprüche nach einem Widerspruch aus dem Jahr 2020 gegen das Zustandekommen eines fondsgebundenen steuerbegünstigten Lebensversicherungsvertrags („Rüruprente“), der im Jahr 2006 geschlossen wurde geltend machen und erhebt eine Stufenklage.
2
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Bezug genommen (Bl. 118/121 d.A.). Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Landgerichts war der Widerspruch verfristet; unabhängig davon sei das Widerspruchsrecht verwirkt gewesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts wird Bezug genommen (Bl. 122/125 d.A.).
3
Die Klagepartei verfolgt mit der Berufung ihr Begehren weiter. Auf die Berufungsbegründung und die Gegenerklärung wird Bezug genommen.
4
Die Klagepartei stellt im Berufungsverfahren den Antrag, das erstinstanzliche Urteil wie folgt abzuändern:
1. a) Die Beklagte wird (auf erster Stufe) verurteilt, der Klägerin Auskunft in geordneter Darstellung betreffend des bei ihr unter der Nr. …408.0 geführten Vertrages zu erteilen, die folgende Auskünfte bezogen auf den Zeitraum vom 01.06.2006 bis zum 12.05.2020 enthält:
- die dem Vertrag in Abzug gebrachten Abschluss- und Vertriebskosten nach Datum und Betrag, aufgeschlüsselt nach einbehaltenen und an Dritte abgeführten Abschluss- und Vertriebskostenanteilen
- die dem Vertrag in Abzug gebrachten Verwaltungskosten nach Datum und Betrag
- die dem Vertrag in Abzug gebrachten Risikokostenanteile nach Datum und Betrag
- die Höhe der tatsächlich investierten Sparanteile der Prämien nach Datum und Betrag
- das am 12.05.2020 tatsächlich vorhandene Fondsguthaben des Vertrages nach Datum und Betrag unter Ausweisung der Einzelfonds, sowie der vorhandenen Fondsanteile nebst Fondsanteilspreis b) Es wird (auf erster Stufe) festgestellt, dass der bei der Beklagten unter der Nr. …408.0 geführte Vertrag infolge des Widerspruchs der Klägerin vom 12.05.2020 nicht zustande gekommen ist und die Beklagte infolgedessen zur Herausgabe der empfangenen Leistungen und der damit gezogenen Nutzungen nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen verpflichtet ist.
2. Die Beklagte wird (auf zweiter Stufe) verurteilt, an die Klägerin einen Betrag zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 21.05.2020 zu bezahlen, wobei diese den Betrag erst nach erfolgten Auskünften gem. Antrag Ziffer 1a) abschließend berechnen und beziffern können wird.
5
Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren, die Berufung zurückzuweisen.
6
Der Senat hat mit Beschluss vom 04.04.2022 (Bl. 173/ 175 d.A.) auf seine Absicht, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, hingewiesen.
7
Die Berufung gegen das im Tenor bezeichnete Urteil ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten.
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Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Vorbringen in der Berufung – auch in der Gegenerklärung – ist nicht geeignet, zu einem abweichenden Ergebnis zu gelangen.
9
Der Senat hält nach nochmaliger Überprüfung auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Gegenerklärung an seiner im Hinweisbeschluss dargelegten Rechtsauffassung fest.
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Grundsätzlich sind zwar Auskunfts- und Zahlungsantrag einer Stufenklage getrennt voneinander zu verhandeln und zu bescheiden. Der noch nicht bezifferte Leistungsanspruch darf aber dann zusammen mit dem Auskunftsanspruch abgewiesen werden, wenn der Leistungsantrag unzulässig ist oder – wie hier – ein Leistungsanspruch bereits dem Grunde nach nicht besteht (BGH, Urteil vom 24. März 2010 – Az. IV ZR 69/08 –, juris, Rn. 25; BGH, Urteil vom 08. Mai 1985 – Az. IVa ZR 138/83, BGHZ 94, 268-275; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.09.2019 – Az. I -24 U 211/18; OLG Köln, Teilurteil vom 19.12.2014 – Az. I-20 U 150/14, 20 U 150/14; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 254 ZPO, Rn. 9).
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Die Klägerin kann die begehrten Auskünfte von der Beklagten nicht verlangen; sie hat auch keinen bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruch.
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Der Klägerin steht der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu, insbesondere auch nicht aus Treu und Glauben (§ 242 BGB). Ein Auskunftsanspruch kommt unter Umständen nach Treu und Glauben in Betracht, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechts im Unklaren ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann. Die Auskunftserteilung muss dem Verpflichteten zumutbar sein. Ob diese Voraussetzungen vorliegen ist anhand der Umstände des Einzelfalls unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu bestimmen (BGH, Urteil vom 11.02.2015 – IV ZR 213, dort II Ziffer 3 a, 1.Absatz). Hier ist es der Beklagten schon deswegen nicht zumutbar, die verlangte Auskunft zu erteilen, weil der Klägerin schon dem Grunde nach kein bereicherungsrechtlicher Rückabwicklungsanspruch zusteht.
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1. Es ist allgemein anerkannt, dass, wenn – wie hier – besonders gravierende Umstände vorliegen, Rechtsmissbrauch auch bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung oder auch nicht ausreichenden Verbraucherinformationen angenommen werden kann (BGH, Hinweisbeschluss vom 08. September 2021 – IV ZR 133/20; BGH, Beschlüsse vom 27.01.2016 und vom 22.03.2016 -IV ZR 130/15; BGH, Beschlüsse vom 11.11.2015 und 13.01.2016 – IV ZR 117/15, BeckRS 2016, 02174, NJW 2016, 375; BGH, Urteil vom 29.07.2015 – IV ZR 384/14, r+s 2015, 435: offengelassen für nur marginale Fehler in der Widerspruchsbelehrung; Senat, Urteil vom 31.08.2018 – 25 U 607/18 – die Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 03.06.2020 unter dem Az. IV ZR 214/18 zurückgewiesen; Senat, Beschlüsse vom 11.06.2019 und 24.07.2019 – 25 U 1937/19 – die Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 13.01.2021 unter dem Az. IV ZR IV ZR 229/19 zurückgewiesen; Senat, Beschlüsse vom 18.06.2019 und 23.09.2019 – 25 U 737/19 – die Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 28.10.2020 unter dem Az. IV ZR IV ZR 272/19 zurückgewiesen; Senat, Beschluss vom 22.11.2018 – 25 U 3563/17 – die Nichtzulassungsbeschwerde gegen diesen Beschluss wurde vom BGH am 26.06.2019 unter Az. IV ZR 297/18 zurückgewiesen; OLG Hamm, Urteil vom 13.01.2017 – 20 U 159/16 – die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BGH am 06.12.2017 unter Az. IV ZR 51/17 zurückgewiesen; OLG Dresden,, Beschlüsse vom 26.10.2020 und 03.12.2020 – 4 U 1418/20; OLG Karlsruhe, Beschlüsse vom 9.2.22 und 20.12.2021 – 12 U 80/21; OLG Brandenburg, Urteil vom 12.08.2019 – Az. 11 U 95/18, NJW-RR 2019,1443; OLG Hamm, Beschluss vom 10.02.2020 – 20 U 269/19, VersR 2020, 1369; OLG Hamm, Beschluss vom 20.03.2019 – 20 U 15/19, VersR 2019, 1133; OLG Hamm, Beschluss vom 19.09.2018 – I -20 U 102/18; OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.05.2018 – Az. 12 U 14/18; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.12.2016 – 12 U 137/16; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.10.2016 – I-4 U 131/16; KG, Urteil vom 12.04.2016 – 6 U 102/15 – rechtskräftig; OLG Köln, Urteil vom 26.02.2016 – 20 U 178/15; OLG Dresden, Beschluss vom 20.08.2018 – 4 U 644/18; OLG Dresden, Urteil vom 26.08.2015 – 7 U 146/15, VersR 2015,1498; OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 19.10.2015 – 3 U 49/15; OLG Stuttgart, Urteil vom 06.11.2014 – 7 U 147/10 – VersR 2015, 878; LG Wiesbaden, Urteil vom 12.02.2015 – 9 O 116/14, bestätigt durch OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 19.11.2015 – 3 U 49/15).
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Ob eine Rechtsausübung rechtsmissbräuchlich ist, obliegt der tatrichterlichen Beurteilung (vgl. z. B. BGH, Hinweisbeschluss vom 08.09.2021 – IV ZR 133/20).
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2. Besonders gravierende Umstände liegen hier – wie im Hinweisbeschluss dargestellt – vor:
2.1. Zunächst ist darauf hinzuweisen dass die Klägerin in den Verbraucherinformationen auf der 1. Seite (Anschreiben beginnend mit „Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde“, enthalten im Anlagenkonvolut K 1) deutlich darauf hingewiesen wurde, dass sie sich innerhalb von 30 Tagen vom Vertrag lösen kann und sie trotzdem den Vertrag fast 14 Jahre durchgeführt hat.
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Bei den Verbraucherinformationen sind die Mängel nicht so erheblich, dass sie die Annahme eines Rechtsmissbrauchs ausschließen würden; eine fehlerhafte Verbraucherinformation steht einer fehlenden Verbraucherinformation nicht gleich; so ist allgemein anerkannt, dass eine etwaige Intransparenz der Verbraucherinformation zur Überschussbeteiligung kein Widerspruchsrecht auslöst (vgl. BGH, Urteil vom 26.09.2007 – Az. IV ZR 321/05, VersR 2007,1547 Rn. 9 – 11; OLG Hamburg, Beschluss vom 10.08.2015 – Az. 9 U 57/15; Senat, Beschluss vom 20.10.2016 – Az. 25 U 3853/16; Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Auflage 2004, § 5 a VVG, Rn. 38 m.w.N.).
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Die Fonds in die investiert wurde, wurden im Versicherungsschein namentlich bezeichnet, so dass die Klägerin immerhin die Möglichkeit hatte sich bei Vertragsschluss nach den dort befindlichen Vermögenswerten zu erkundigen, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass die Zusammensetzung des Portefeuilles laufenden Veränderungen unterliegt, so dass die Angabe der Vermögenswerte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nur einen eingeschränkten Informationswert hat.
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Die fehlende Angabe über die Zugehörigkeit zu einer Einrichtung zur Sicherung der Ansprüche des Versicherten schadet nicht; geht man mit der Klägerin davon aus, dass zur Zeit des Vertragsschlusses keine diesbezügliche Pflicht des Versicherers bestand (vgl. Bl. 152 d.A.), so entstand der Klägerin durch die Nichtangabe einer solchen Einrichtung kein Nachteil; bei einer fehlenden Angabe musste sie, wenn sie die Unterlagen angesehen hat, davon ausgehen, dass keine Zugehörigkeit der Beklagten bestand. War die Beklagte bei einer solchen Einrichtung, so hätte das für die Klägerin lediglich eine Besserstellung bedeutet.
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Zur Überschussermittlung und Überschussbeteiligung finden sich in den Bedingungen ein Verweis auf das HGB auf das die Rechtsverordnung zu § 81 c VAG sowie ausführliche Erläuterungen mit einer Beispielsrechnung und auch die (damals) aktuellen Überschusssätze. In Hinblick auf die Überschussbeteiligung genügt es, wenn der Versicherer in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen auf die Anwendung des Versicherungsaufsichtsgesetzes und des Handelsgesetzbuches hinweist. Es ist nicht möglich, die Angaben zur Ermittlung der Überschussbeteiligung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen so konkret und ausführlich darzustellen, dass jeder Versicherungsnehmer einen bestimmten, jährlich nachprüfbaren Anspruch feststellen kann. Der Versicherer kann bei Abschluss eines über viele Jahre laufenden Lebensversicherungsvertrages oder Rentenversicherungsvertrages nicht schon bei Vertragsschluss abstrakt festlegen, unter welchen Umständen er in welcher Weise die Bilanzierungsspielräume ausfüllen werde. Des weiteren und vor allem können einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer die Grundsätze zur Bilanzierung nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz und dem Handelsgesetzbuch nicht in verständlicher Weise dargelegt werden (BGH, Urteil vom 09.05.2001 – Az. IV ZR 121/00, VersR 2001, 841; Senat, Beschluss vom 20.07.2018 – Az. 25 U 2102/18; Senat, Urteil vom 13.01.2017 – Az. 25 U 2567/16). Eine nur unzureichende Verbraucherinformation steht einer fehlenden Verbraucherinformation nicht gleich. Zur Überschussermittlung sind in den Verbraucherinformationen und/oder den AVB Angaben über die Quellen des Überschusses zu machen, an dem die Versicherungsnehmer beteiligt werden sollen (nicht benötigte Sicherheitszuschläge, Kostenersparnisse, Kapitalerträge). Die gesetzlichen Vorgaben, anhand deren der Überschuss zu ermitteln ist, müssen ihrem Inhalt nach auch nicht ansatzweise geschildert werden. Das Unterbleiben solcher Angaben hätte im Übrigen auch keine zivilrechtlichen Konsequenzen (BGH, Urteil vom 26.09.2007 – Az. IV ZR 321/05, VersR 2007,1547 Rn. 9 – 11; OLG Hamburg, Beschluss vom 10.08.2015 – Az. 9 U 57/15; Senat, Beschluss vom 20.07.2018 – Az. 25 U 2102/18; Senat, Beschluss vom 20.10.2016 – Az. 25 U 3853/16; Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Auflage 2004, § 5 a VVG, Rn. 38 m.w.N.; Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Auflage 2004, § 5 a VVG, Rn. 38 m.w.N.).
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Die von der Klägerin vermissten Informationen zum Mindestversicherungsbetrag für die Beitragsfreistellung und zu Leistungen aus einer beitragsfrei gestellten Versicherung stehen der Annahme eines Rechtsmissbrauchs hier nicht entgegen.
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2.2. Des weiteren ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine (steuerlich geförderte) RürüpRentenversicherung handelt (Fondsrente zur Basisversorgung); ausdrücklich ausgeschlossen sind Kapitalwahlrecht und Rückkauf. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist das als ein Umstandsmoment zu berücksichtigen, das erheblich ins Gewicht fällt.
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2.3. Schließlich hat die Klägerin mehrfach von ihrem vertraglich eingeräumten Recht, dynamischen Erhöhungen von Beiträgen zu widersprechen, Gebrauch gemacht; 2011 wurde der Vertrag außerdem einvernehmlich angepasst, 2013 eine Beitragsreduzierung vereinbart, im Jahr 2014 hat die Klägerin von ihrem Recht auf Beitragsfreistellung Gebrauch gemacht. Weiter hat sie erheblich auf die Vertragsdurchführung auch dadurch ein Fluss genommen, dass sie in den Jahren 2018 und 2019 die Fonds umgeschichtet hat; zu den Einzelheiten wird auf die als solche unstreitigen Ausführungen der Beklagten zum Vertragsverlauf (Bl. 32/34 d.A.) Bezug genommen. Aus Sicht des Versicherers brachte die Klägerin zum Ausdruck, den Vertrag durchführen zu wollen und an ihm festhalten zu wollen. Dass das als Umstandsmoment zu berücksichtigen ist entspricht der ständigen – vom Bundesgerichtshof gebilligten – Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Senat, Beschlüsse vom 18.06.2019 und 23.09.2019 – 25 U 737/19 zu Änderungen bei der Dynamik – die Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 28.10.2020 unter dem Az. IV ZR IV ZR 272/19 zurückgewiesen).
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Zwar führt alleine der Umstand, dass der Versicherungsnehmer wiederholt Vertragsänderungen vorgenommen hat bzw. auch vertragliche Rechte ausgeübt hat im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung nicht zur Treuwidrigkeit der Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 5a VVG in der Fassung vom 21. Juli 1994 (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – Az. IV ZR 217/15). Aus dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich allerdings nicht, dass eine oder mehrere Vertragsänderungen nicht als ein Indiz bewertet und in die Gesamtabwägung eingestellt werden könnte. Vorliegend ist aber angesichts der dargestellten Umstände (außergewöhnlich langer Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Widerspruch, vgl. i.Ü 2.1, 2.2.) von einem Rechtsmissbrauch auszugehen.
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Unabhängig davon wurde der Klägerin hier jedenfalls nicht die Möglichkeit genommen, ihr Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben. In der Belehrung wurde die Klägerin deutlich auf ihr 30 Tage befristetes Lösungsrecht vom Vertrag hingewiesen.
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3. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) oder eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf eine erfolgte Vorlage ist nicht veranlasst. Hier stellt sich keine entscheidungserhebliche und der einheitlichen Auslegung bedürfende Frage des Unionsrechts.
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3.1. Die Frage, ob es einem Versicherer, der einem Verbraucher keine ordnungsgemäße Belehrung oder Verbraucherinformation hat zukommen lassen, untersagt ist, sich gegenüber einem Widerspruchsrecht des Verbrauchers auf Verwirkung, Rechtsmissbrauch oder Zeitablauf zu berufen, ist nicht klärungsbedürftig. Diese Frage ist durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt (so auch OLG Karlsruhe, VersR 2022, 352, 355 f).
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a) Das Verbot des Rechtsmissbrauchs erkennt der Gerichtshof als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ausdrücklich an (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2020 – C-112/19, NVwZ 2021, 387 Rn. 45 ff mwN; BGH, Beschluss vom 31. Januar 2022 – XI ZR 113/21, zVb Rn. 58 f mwN). Das gilt auch für die Lösung von einem Lebensversicherungsvertrag. Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, werde dem Versicherungsnehmer durch eine fehlerhafte Belehrung nicht die Möglichkeit genommen, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben, wäre es unverhältnismäßig, es ihm zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a., NJW 2020, 667 Rn. 79). In solchen Fällen sei im Wege einer Gesamtwürdigung insbesondere dem nationalen Rechtsrahmen und den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019, aaO Rn. 81; vom 2. April 2020 – C-20/19, NJW 2020, 1499 Rn. 26) . Mit dieser Rechtsprechung wäre es nicht vereinbar, den Einwand unzulässiger Rechtsausübung auszuschließen.
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Das in eine andere Richtung weisende Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. September 2021 (C-33/20, C-155/20, C-187/20, WM 2021, 1986) betrifft Kreditverträge, nicht
29
Versicherungsverträge. Es lässt sich auf Versicherungsverträge nicht übertragen (vgl. OLG Karlsruhe, VersR 2022, 352, 356). Bei diesen genießen Versicherungsnehmer – oft über lange Zeit – Versicherungsschutz, den sie bei Eintritt des Versicherungsfalls in Anspruch genommen hätten. Außerdem wirkt sich eine Renditeerhöhung bei einzelnen Versicherungsnehmern wegen der Überschussbeteiligung zu Lasten der anderen Versicherten aus. Darüber hinaus enthält die Verbraucherkredit-Richtlinie (RL 2008/48/EG) in Art. 14 selbst die Bestimmungen sowohl zu Dauer und Beginn der Widerrufsfrist sowie zu deren Voraussetzungen. Im Gegensatz dazu hat die zweite und dritte Lebensversicherungs-Richtlinie (RL 90/619/EWG, RL 92/96/EWG) die Modalitäten der Ausübung des Lösungsrechts einer Regelung durch das nationale Recht überlassen, das daher auch die Möglichkeit von Einschränkungen dieses Rechts regelt. Eine Grenze ergibt sich hier nur aus dem Gebot der praktischen Wirksamkeit, das jedoch durch die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens in Fällen, in denen wie hier ein besonders langer Zeitablauf und gravierende Umstandsmomente vorliegen, nicht beeinträchtigt ist (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.02.2022, Az. 12 U 80/21, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 19.12.2013 – C-209/12 –, juris, Rz. 22; außerdem EuGH, Urteil vom 19.12.2019 - C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18 –, juris, Rz. 55). Diese Differenzierungen übergeht das Oberlandesgericht Rostock in seinem Urteil vom 08.03.2022 und in seinem Hinweisbeschluss vom 9. November 2021 im Verfahren 4 U 51/21, wenn es die Rechtsprechung zu Kreditverträgen auf Versicherungsverträge übertragen will.
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b) Klärungsbedürftigkeit ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die 8. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt Vorabentscheidungsersuchen (Beschluss vom 30. Dezember 2021 – 8 O 1519/20, juris, anhängig beim EuGH unter C-2/22; vom 13. Januar 2022 – 8 O 1463/20, juris) an den Europäischen Gerichtshof zu den vorgenannten Fragen gerichtet hat.
31
Ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, ist nicht zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs verpflichtet, nur weil ein niedrigeres einzelstaatliches Gericht in einer Rechtssache, die der beim erstgenannten Gericht anhängigen ähnelt und genau die gleiche Problematik betrifft, dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat. Es ist auch nicht verpflichtet, die Antwort auf diese Frage abzuwarten (EuGH, Urteil vom 9. September 2015 – C-72/14, C-197/14, ZESAR 2016, 333 Rn. 63 – van Dijk; BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798 Rn. 16). Es bleibt allein dem nationalen Gericht überlassen, zu beurteilen, ob die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt, und demgemäß zu entscheiden, ob es davon absieht, eine vor ihm aufgeworfene Frage nach der Auslegung des Unionsrechts dem Gerichtshof vorzulegen (EuGH, Urteil vom 9. September 2015, aaO Rn. 58 mwN).
32
Das Landgericht Erfurt bezieht sich auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. September 2021 (C-33/20, C-155/20, C-187/20, WM 2021, 1986) zu Kreditverträgen und führt zur Übertragbarkeit auf das Versicherungsrecht lediglich aus, es sei kein überzeugender Grund dafür ersichtlich, dass diese Rechtsprechung nicht auch im Versicherungsrecht gelten sollte (LG Erfurt, Beschluss vom 30. Dezember 2021 – 8 O 1519/20, juris Rn. 41; vom 13. Januar 2022 – 8 O 1463/20, juris Rn. 46). Auf – teils oben schon genannte – Unterschiede zwischen Kredit- und Versicherungsverträgen wie auch der jeweiligen Richtlinien geht die Kammer nicht ein. Die so begründeten Vorabentscheidungsersuchen sind ebenso wenig wie das vorgenannte Urteil und der Hinweis des Oberlandesgerichts Rostock (Urteil vom 08.03.2022 und im Beschluss vom 9. November 2021 im Verfahren 4 U 51/21, juris) geeignet, die Beurteilung des Senats in Frage zu stellen, wonach die richtige Anwendung des Unionsrechts auf Lebensversicherungsverträge im Lichte der gefestigten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt.
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3.2. Die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach dem deutschen Recht beeinträchtigt im vorliegenden Fall nicht die Wirksamkeit oder die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschlüsse vom 12.10.2015 – Az. IV ZR 293/14, vom 30.07.2015 – Az. IV ZR 63/13, vom 17.08.2015 und 19.10.2015 – Az. IV ZR 310/14; Urteil vom 10.06.2015 – Az. IV ZR 105/13; Urteil vom 16.07.2014 – Az. IV ZR 73/13), dass in Hinblick auf die Annahme eines Rechtsmissbrauchs eine Vorlage an den EuGH nicht geboten ist, da ein „acte éclairé“ vorliegt, in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. statt vieler: Beschluss vom 02.11.2016 – Az. 25 U 4229/16).
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Das entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Nichtannahmebeschluss vom 02.02.2015 – Az. 2 BvR 2437/14). Der EuGH hat das Rechtsmissbrauchsverbot als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts im Urteil vom 05.07.2007, Kofoed, C-321/05, Slg. 2007, I-5795, Rn. 37, 38, ausdrücklich anerkannt. In anderen Entscheidungen, wie den vom BVerfG im oben genannten Nichtannahmebeschluss zitierten vom 02.05.1996, Paletta, C-206/94, Slg. 1996, I-2357, Rn. 25, oder vom 21.07.2011, Oguz, C-186/10, Slg. 2011, I-6957, Rn. 24, 25 m.w.N., hat der EuGH wiederholt klargestellt, dass aus seiner Rechtsprechung hervorgehe, dass die missbräuchliche Berufung auf die Normen des Unionsrechts nicht gestattet ist und dass die nationalen Gerichte in jedem Einzelfall dem missbräuchlichen Verhalten der Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien Rechnung tragen können, um ihnen gegebenenfalls die Berufung auf das einschlägige Unionsrecht zu verwehren. Bei der Beurteilung eines solchen Verhaltens hätten diese Gerichte allerdings die Ziele der fraglichen unionsrechtlichen Bestimmungen zu beachten. Der vom EuGH in seinem Urteil vom 19. Dezember 2013 (C-209/12, VersR 2014, 225) dargelegte Zweck der Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen, ist nicht berührt, wenn im Einzelfall einem Versicherungsnehmer unter den in Hinweisbeschluss dargestellten Umständen, nach jahrelanger Durchführung des Vertrages die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unter Berufung auf ein gemeinschaftsrechtswidriges Zustandekommen des Vertrages verwehrt wird. Ebensowenig wird der weitere in der genannten EuGH-Entscheidung angesprochene Zweck einer hinreichenden Auswahlmöglichkeit aufgrund ausreichender Information berührt. Diese Zielsetzung ist nach weit über 10 Jahren ohnehin nicht mehr erreichbar. Eine trotz der hier gegebenen gravierenden Umstände noch eingeräumte Lösungsmöglichkeit würde dem Versicherungsnehmer vielmehr die Möglichkeit eröffnen, seine – als Kapitalanlage stets in gewissem Umfang spekulative – Entscheidung für eine bestimmte Lebens- oder Rentenversicherung nachträglich mit dem Wissensvorsprung um die zwischenzeitliche Entwicklung des Zinsniveaus zu revidieren und vor allem hier der Klägerin ermöglichen trotz des wegen der Steuerbegünstigung ausdrücklichen Ausschlusses des Kapitalwahlrechts und des Rückkaufs Beiträge und Nutzungen zurückzuerhalten, was wirtschaftlich einem Rückkauf gleichkommt.
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Eine derartige Zweckbestimmung enthalten die zugrundeliegenden Richtlinien ganz offensichtlich nicht; eine solche Zielsetzung ist auch nicht schützenswert. Soweit die Klägerin darauf verweist, dass ein subjektives Element erforderlich und hier nicht gegeben sei, hält der Senat letzteres für unzutreffend. Mit dem trotz des Vorliegens der bereits dargelegten gravierenden Umstände erfolgten Widerspruchs versucht sie sich unter Berufung auf einen formalen Fehler, der auf den vorherigen Vertragsverlauf keinerlei Auswirkungen hatte, einen unionsrechtlich nicht vorgesehenen Vorteil willkürlich zu verschaffen und sich vom Vertrag zu lösen.
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4. Eine Zulassung der Revision ist weder geboten noch zulässig, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Prüfung, ob eine Rechtsausübung rechtsmissbräuchlich ist, erfolgt jeweils im Einzelfall. Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Einzelfall, insbesondere auch, ob ein schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers auf den Bestand des Versicherungsvertrages angenommen werden kann, obliegt der tatrichterlichen Beurteilung (BGH, Urteil vom 26.09.2018 - Az. IV ZR 304/15, Rn. 23; BGH, Hinweisbeschluss vom 27.9.2017 – Az. IV ZR 506/15, NJW-RR 2018, 161; BGH, Beschluss vom 11.11.2015 – Az. IV ZR 117/15).
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Die Revision ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil das OLG Rostock mit seinem Urteil vom 08.03.2022 (4 U 51/21) mit Blick auf die Entscheidung des EuGH vom 09.09.2021 (C-33/10, C-155/20 und C 187/20) entschieden hat, dass eine Verwirkung des Widerspruches bei unzureichenden Verbraucherinformationen – zu denen das OLG Rostock auf die Belehrung über das Widerspruchsrecht zählt – nicht möglich sei. Entgegen der Darstellung des OLG Rostock ist diese Frage durch den Bundesgerichtshof für den Bereich der Versicherungsverträge bereits dahingehend entschieden, dass auch bei unzutreffender Widerspruchsbelehrung die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens in Betracht kommt (BGH, Beschlüsse vom 27.01.2016 und vom 22.03.2016 – Az IV ZR 130/15, BGH, Beschluss vom 13. Januar 2016 – IV ZR 117/15 –; vgl. auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 02. Februar 2015 – 2 BvR 2437/14). Ein höchstrichterliche Klärung dieser Frage liegt daher bereits vor; dieser folgt der Senat mit seiner hier vertretenen Auffassung. Die vorliegende Auffassung wird auch von den Oberlandesgerichten Hamm (Beschluss vom 20.09.2021, Az. 20 U 121/19), Bamberg (Beschluss vom 24.02.2022, Az. 1 U 533/21), Karlsruhe (Beschluss vom 09.02.2022, Az.: 12 U 80/21) und Stuttgart (Beschluss vom 21.01.2022, Az.: 7 U 391/21) geteilt. Allein dass das OLG Rostock aufgrund der zum Verbraucherkreditrecht ergangenen Entscheidung des EuGH nunmehr von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichen will, führt nicht dazu, dass im hiesigen Verfahren die Revision zuzulassen wäre.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1 (Kosten), § 708 Nr. 10, 711 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit) und §§ 47, 48 GKG (Streitwert).