Inhalt

LG München II, Endurteil v. 29.09.2022 – 5 O 1043/21 Bau
Titel:

Mietminderung, Sachverständigenberatung, Fahrlässige Unkenntnis, Prozeßbevollmächtigter, Anzeigepflicht, Typengemischte Verträge, Zustand der Mietsache, Abnutzung der Mietsache, Urkundenprozess, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Vertragsschluss, Mietvertragliches Element, Elektronischer Rechtsverkehr, Baugrubenaushub, Abböschung, Mitverschulden, Mangelhaftigkeit, Schriftsätze, Hinweispflicht

Schlagworte:
Mietminderung, Werkvertrag, Mangelhaftigkeit, Abnahme, Beweislast, Verschulden, Mietzinsanspruch
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 17.01.2023 – 28 U 6295/22 Bau
OLG München, Beschluss vom 22.05.2023 – 28 U 6295/22 Bau
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 17.01.2024 – VII ZR 139/23
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 17.01.2024 – VII ZR 123/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 58496

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 
3.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. 

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche der Klägerin über die Einbringung eine Spundwand durch die Klägerin am Bauvorhaben Bad Wiessee.
2
Zwischen der (im Folgenden:) und der beklagten Bauträgerin wurden insgesamt vier Verträge geschlossen, wobei nur der Vertrag vom 30.06.2018 (K1) streitgegenständlich ist. Weitere Verträge betrafen Erdarbeiten, Abbrucharbeiten und eine weitere Spundwand und wurden mit Schreiben von 20.08.2018 (B5) durch die Beklagte gekündigt. In dem streitgegenständlichen Vertrag einigten sich die Parteien über die Errichtung eines Spundwandverbaus in einem begrenzten Bereich der Baugrube, und zwar entlang der Tiefgaragenabfahrt bis zur mittig im Baukörper liegenden Tiefgarageneinfahrt. Die Parteien einigten sich über eine Auftragssumme in Höhe von 24.000 EUR netto. Weiter heißt es in der Leistungsbeschreibung des Vertrags auszugsweise:
„Spundwandverbau System Kragträger (…)
- Spundwände Larsen 603 anliefern, Rammen und bis zu 3 Monate vorhalten
- Vorhalten je weiteren Monat 2.850,00 € Netto
- Verbau Tiefe von 0,00 bis 4,00 m
- Spundwandlänge von 6,00 bis 8,00m
- Verbau entlang der Tiefgaragenabfahrt ca.20,00m zum späteren abstützen gegen die Tiefgarage (abstützarbeiten Bauseits) (…)
- Statik und Beweissicherung falls erforderlich bauseits“ [sic.]
3
Unter dem 05.07.2021 versandte der Geschäftsführer der eine Email mit Fotos und teilte mit, dass die Spundwand eingebaut wurde. Ein Kippen der Spundwand wurde durch die Beklagte zu keinem Zeitpunkt angezeigt. Mit Email vom 09.06.2021 (B12) forderte die Beklagte die zum Ziehen der Spundwand auf. Die Spundwand wurde jedoch nie gezogen und befindet sich nach wie vor im Boden. Mit Email vom 20.08.2021 forderte die Prozessbevollmächtigte der Beklagte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin „letztmalig“ auf, die Spundwand zu ziehen und kündigte an, dass sonst die sichtbaren bzw. oberirdischen Spundwandteile abgeschnitten würden. Im September 2021 schnitt die Beklagte diese Teile der Spundwand ab und pflasterte den Bereich.
4
Mit Schreiben vom 12.02.2019 (K6) forderte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Vorhaltekosten für die Monate Oktober 2018 bis Februar 2019 in Höhe von 16.957,50 EUR brutto. Mit Schreiben vom 07.10.2020 (K7) fordert die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte auf, für die Monate Oktober 2018 bis September 2020 einen Betrag in Höhe von 81.139,50 EUR brutto zu zahlen. Zahlungen erfolgten nicht. Die ursprüngliche Pauschalsumme für das Einbringen der Spundwand und das Vorhalten für die ersten 3 Monate wird mit der Klage nicht verfolgt.
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Die Klägerin behauptet, es sei bei einem Ortstermin im Jahr 2018 bindend besprochen worden, dass nach Einbringung der Spundwand entlang dieser abgeböscht werden solle und diese so in der Bauphase keine Last erhalten solle. Weiter sei besprochen worden, dass nach Herstellung des Kellerbeschosses bzw. der Tiefgarage die Spundwände gegen den Baukörper abgesteift würden und erst dann der Baugrubenaushub für die Rampe durchgeführt werden. Die Abstützung gegen den neuen Baukörper hätte die Beklagte vornehmen sollen. Die Beklagte habe auch die Länge der Spundwand vorgegeben. Die Einholung einer Statik sei für diese Spundwand nicht erforderlich. Die Spundwand sei im Juli 2018 eingebracht worden, indem 34 Bohlen zu je 8 Meter des 603 durch den Subunternehmer geliefert und eingebracht worden seien. Die Klägerin behauptet, sie sei durch Abtretungsvereinbarung vom 01.02.2021 (K3) Inhaberin der Ansprüche geworden.
6
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei mit Einwendungen ausgeschlossen, da ein Vorbehalt bei Annahme der Mietsache nicht erklärt wurde. Die Fälligkeit der Forderungen sei gem. § 556b BGB am dritten Werktag des einzelnen Zeitabschnitts eingetreten, da es sich um ein Mietvertragselement des Vertrages handele.
7
Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 91.057,50 zu entrichten, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.03.2019 aus € 16.957,50 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.10.2020 aus € 64.182,00 und im Übrigen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
8
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
9
Die Beklagte behauptet, die Spundwand sei nicht ordnungsgemäß eingebracht worden und sei weiter zur Sicherung der Baugrube ungeeignet. Sie sei schon nicht geradlinig eingebracht worden, sodass eine Abstützung – sofern eine solche vereinbart gewesen sei – nicht hätte durchgeführt werden können. Es seien zu viel kurze Bohlen verwendet worden, die insbesondere für die Bodenverhältnisse ungeeignet gewesen wären. Der Geschäftsführer der Beklagten sei an dem Tag des Einbaus der Spundwand nicht vor Ort gewesen. Die Spundwand sei dann nach Einbringung während der Bauarbeiten am 14.10.2020 auf einer Länge von 10 Metern um ca. 40-50 cm gekippt. Im Rahmen einer Notmaßnahme hätte dann die Beklagte bzw. deren Subunternehmer die kippende Spundwand mit Baumstämmen gegen den bereits errichteten Baukörper abgestützt. Dadurch hätte ein weiteres Kippen verhindert werden können, allerdings sei es nicht gelungen, sie wieder in die ursprüngliche Position zu bringen. Die Beklagte trägt weiter vor, dass die Spundwand nach der Vorhaltezeit von 3 Monaten wieder hätte gezogen werden können, wenn die ihrer Verpflichtung zum Abbruch des Kellers aus einem der anderen Verträge nachgekommen wäre.
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Die Beklagte ist der Auffassung, der Werklohn wäre folgend ihrer Erklärung im Schreiben vom 06.08.2021 (B15) und nochmals im Schriftsatz vom 16.08.2022 (Bl. 233/243) auf 0 EUR gemindert. Ein Mitverschulden der Beklagten läge nicht vor.
11
Die Klägerin hat zunächst Urkundsklage erhoben (Bl. 1/4), dann aber im Schriftsatz vom 07.02.2022 (Bl. 91/93) erklärt, dass sie vom Urkundsprozess Abstand nimmt und das Verfahren im ordentlichen Verfahren fortgeführt werden soll. Das Gericht hat am 18.11.2021 eine Güteverhandlung durchgeführt (Bl. 48/52) und am 04.07.2022 die Zeugen,, und vernommen (Bl. 184/210). Weiter hat in dem Termin der Sachverständige Dipl.-Ing. auf Grundlage des Beweisbeschlusses vom 19.05.2022 (Bl. 146/147) ein mündliches Gutachten erstattet. Zur Vervollständigung des Sach- und Streitstands wird auf die Klageschrift vom 25.02.2021 (Bl. 1/4), die Klageerwiderung vom 26.07.2021 (Bl. 14/20) sowie die weiteren zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 18.11.2021 und 04.07.2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
13
Die Klage ist zulässig. Das Landgericht München II ist gem. § 12 ZPO örtlich und gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 GVG sachlich zuständig. Die Zuständigkeit der Baukammer ergibt sich aus § 72a GVG.
B.
14
Die Klage ist indes unbegründet.
15
I. Die Klägerin ist zwar aktivlegitimiert. Die Beklagte hat das Bestehen der Abtretungsvereinbarung im Urkundsprozess bestritten, nach Abstandnahme jedoch nicht mehr thematisiert. An der Authentizität und der Wirksamkeit der Vereinbarung K3 bestehen indes keine durchgreifenden Zweifel. Laut Handelsregister ist dem Geschäftsführer bei beiden Gesellschaften das Recht eingeräumt, mit der Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen.
16
II. Es handelt sich vorliegend um einen Werkvertrag mit mietvertraglichen Elementen (Ziff. 1), eine Vergütung der Vorhaltezeit steht der Klägerin jedoch infolge einer Minderung auf 0 EUR nicht zu (Ziff. 2).
17
1. Es handelt sich bei dem Vertrag vom 30.06.2018 weder um einen reinen Werkvertrag, noch um einen reinen Mietvertrag, sondern um einen typengemischten Vertrag (lit. a), der sich teilweise nach Werkvertragsrecht, teilweise nach Mietrecht richtet (lit. b).
18
a) Der Vertrag vom 30.06.2018 ist ein typengemischter Vertrag. Dies ergibt eine Auslegung des Vertrags nach dem Parteiwillen und der Interessenlage (siehe dazu Stadler in: Jauernig, § 311 BGB, Rn. 33). Durch den Vertrag hat sich die verpflichtet, die Spundwände zu rammen, vorzuhalten und schließlich wieder zu ziehen. Die Pflicht zum Vorhalten hat mietvertragliche Elemente, denn dadurch werden die eingebrachten Spundwände der Beklagten für eine bestimmte Zeit der Nutzung überlassen. Bei dem Rammen handelt es sich hingegen um ein werkvertragliches Element, bei dem der Erfolg der Errichtung einer geeigneten Spundwand geschuldet ist. Es handelt sich hierbei insbesondere nicht um eine Standardtätigkeit, die keiner individuellen Anpassung an die Gegebenheiten bedarf und somit vergleichbar wäre mit der reinen Überlassung eines Gegenstandes zur Nutzung. Dass die Spundwandlänge und die Tiefe des Verbaus individuell auf die Umstände abzustimmen sind, ergibt sich letztlich schon aus den Angaben in Vertrag, in dem hier keine exakten Maße angegeben sind, sondern eine Tiefe von „0,00 bis 4,00 m“ und eine „Spundwandlänge von 6,00 bis 8,00m“. Weiter bedarf es für die Einbringung der Spundwände genaue Kenntnisse der Bodenverhältnisse. Hierzu hat der Sachverständige ausgeführt, dass bei dem vorliegenden Bauvorhaben ein äußerst problematischer Boden vorgelegen habe. Es handele sich um sog. Seeton, der besonders weich sei. Eine Einbringung der Spundwand ohne Einholung einer Statik, die die genaue Länge der Bohlen und die notwendige Tiefe der Einbringung bestimmt, widerspreche den allgemein anerkannte Regeln der Technik. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Spundwand als Kragträger, der sich selber hält, oder mit einer Abstützung oder Verankerung errichtet wird, da auch bei letzterem eine genaue Berechnung der richtigen Bohlenlänge vor Einbringung der Bohlen notwendig sei. Gleiches gelte für den Fall, wenn man die Spundwand mit einer Böschung habe entlasten wollen. Auch hier hätte genau berechnet werden müssen, welche Böschungswinkel notwendig ist und welche Maßnahmen zum Schutz der Böschung notwendig sind (z.B. Wasserhaltung und Frostschutz). Das Gericht übernimmt die schlüssigen und widerspruchsfreien Feststellungen des als zuverlässig bekannten Sachverständigen nach eigener kritischen Prüfung. Es ist daher mitnichten so, dass es sich bei der Einbringung einer Spundwand um einen Standardvorgang handelt und der Schwerpunkt hier auf der Vorhaltezeit liegt. Eine „Standardspundwand“, wie die Klägerin sie nennt, gibt es demnach nicht. Dabei kann es auch nicht auf die Dauer der Vorhaltezeit ankommen, denn der Vertrag ist anhand der vertraglichen Pflichten und nicht anhand der tatsächlich Durchführung auszulegen. Ein und derselbe Vertrag kann nicht unterschiedlicher Rechtsnatur sein, wenn die Vorhaltezeit einmal mehrere Jahre und ein anderes Mal nur wenige Monate dauert. Es ist demnach nicht ein Schwerpunkt festzustellen zwischen den beiden Hauptpflichten Errichtung und Vorhaltung. Demnach enthält der Vertrag Werk- und Mietelemente gleichermaßen und ist als typengemischter Vertrag einzustufen.
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b) Es kommt nicht darauf an, auf welchem der Elemente der Schwerpunkt liegt, vielmehr bestimmt sich das dispositive Recht bei einem typengemischten Vertrag grundsätzlich aus einer Kombination der Regelwerke der geregelten Vertragstypen (Becker in: Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Auflage 2021, § 311 Rn. 31). Dann ist für jede Rechtsfrage einzeln zu prüfen, aus welchem Regelwerk die sachnächste Vorschrift heranzuziehen ist, wobei dabei auch die Grundsätze von Treu und Glauben und der Sinn und Zweck des Gesamtvertrags zu berücksichtigen ist (Stadler in: Jauernig, § 311 BGB, Rn. 33).
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2. Ein Anspruch auf Vergütung für die Vorhaltezeit ab Oktober 2018 besteht jedoch nicht. Der Anspruch ist infolge Minderung vollständig erloschen.
21
a) Die Frage der Minderung richtet sich vorliegend nicht nach § 638 BGB, sondern nach der mietvertraglichen Vorschrift des § 536 Abs. 1 BGB. Die Vorhaltezeit ist das mietvertragliche Element des Vertrages. Die Parteien streiten vorliegend nicht über den Anspruch auf die Pauschalsumme in Höhe von 24.000 EUR netto aus dem Vertrag. Dieser Betrag korrespondiert mit dem werkvertraglichen Element des Einbringens und mit dem mietvertraglichen Element des Vorhaltens für die ersten drei Monate. Da hier nur die Vergütung ab dem 4. Monat in Höhe von 2.850,00 EUR netto monatlich für insgesamt 27 Monate verlangt wird, besteht für den streitgegenständlichen Vertragsteil zeitlich keine werkvertragliche Verpflichtung, sondern handelt es sich um den Betrag, mit dem die Überlassung der Spundwand abgegolten wird.
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b) Die Spundwand war seit Beginn des Vorhaltezeitraums mit erheblichen Mängeln behaftet.
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aa) Sinn und Zweck der Spundwand ist allein die Sicherung der Baugrube vor dem Nachrutschen des angrenzenden Erdreichs. Dabei kommt es nicht maßgeblich darauf an, dass der Vertrag einerseits von einem Kragträger spricht, was eine sich selbst haltende Spundwand beschreibt, und andererseits eine Abstützung der Spundwand bauseits vorsieht. In beiden Fällen ist Sinn und Zweck der Spundwand die Sicherung der Baugrube vor nachrutschendem Erdreich. Das Gericht ist dabei davon ausgegangen, dass die von der Klageseite geschilderten Bohlen eingebaut wurden. Die Beklagte hat hierzu (noch in der Verfahrensphase des Urkundsprozesses) nicht ausreichend substantiiert bestritten. Zudem bestätigte der Zeuge den Einbau dieser Bohlen.
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bb) Zu der Frage der Mangelhaftigkeit hat sich das Gericht durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. sachverständig beraten lassen. In der Verhandlung am 04.07.2022 gab er an, dass aus den vorgelegten Lichtbildern ersichtlich sei, dass die Spundwand gekippt sei, wobei sich das obere Ende der Spundwand dadurch ca. einen Meter in Richtung des Baukörpers bewegt habe. Aufgrund der unzureichenden Länge der Bohlen habe eine konkrete Gefährdung der Baugrube und der Arbeiter bestanden. Eine Abböschung an der Spundwand sei nicht nur unüblich und werde in der Fachliteratur nicht als zulässige Methode vertreten, sondern vorliegend auch viel zu steil gewesen, um eine stabilisierende Wirkung zu haben. Eine Böschung dürfe maximal einen Winkel von 35° haben und bedürfe bei einer Baugrube wie der vorliegenden auch eines rechnerischen Nachweises. Der Arbeitsraum für die Errichtung des Baukörpers habe die Böschung weiter verkleinert und den Winkel auf 80° oder teilweise sogar 90° vergrößert. Die Abböschung habe damit keinesfalls die Spundwand stabilisieren können. Aufgrund des schiefen Zustands der Spundwand hätte das Ziehen der Bohlen zu erheblichen Verwerfungen im Boden und massiven Folgeschäden geführt. Es seien weiter viel zu kurze Bohlen eingebaut worden. Statt der verwendeten Bohlen von vermutlich nicht mehr als neun Metern wäre eine Spundwandlänge von mindestens 14 Meter notwendig gewesen, wobei die genaue Länge nur durch einen Statiker, der insbesondere auch den vorliegenden Boden beachten müsste, berechnet werden könne. Schon der Umstand, dass das Einbringen der Bohlen ohne Vibration vor sich ging, sei ein klares Warnzeichen, dass ein extrem weicher Boden vorhanden sei. Dies ergebe sich aber auch schon aus dem Bodengutachten. Auch wenn eine Abstützung gegen den neuen Baukörper beabsichtigt gewesen wäre, sei dies ohne statische Berechnung nicht möglich. Der Verbau sei auch nicht geeignet gewesen, um ihn gegen den Baukörper abzustützen. Dafür müssten die einzelnen Bohlen genau in einer Linie liegen, was bei der vorliegenden Spundwand nicht der Fall sei. Unmittelbar nach dem Einbringen müsse dann ein Breitflanschträger angebracht werden, was unterblieben sei. Auch die Einbringung einer Spundwand ohne Statik, welche dann erst zu dem späteren Zeitpunkt, zu dem abgestützt werden soll, eingeholt wird, widerspreche den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Hier komme es ebenfalls maßgeblich darauf an, welche Bohlenlänge verbaut wird. Eine Statik müsse stets vor Einbringung der Spundwand eingeholt werden.
25
Die Ausführungen des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen hat das Gericht kritisch überprüft. Sie sind in sich schlüssig und nachvollziehbar, der Sachverständige hat seine Ausführungen entsprechend belegt und dem Gericht anhand der Lichtbilder erklärt, sodass das Gericht nach Würdigung der Angaben keine Zweifel daran hat, dass der Sachverständige die allgemein anerkannte Regeln der Technik zum maßgeblichen Zeitpunkt dargestellt und die richtigen Schlussfolgerungen gezogen hat.
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cc) Die Spundwand hat zu keinem Zeitpunkt dem Zweck der Absicherung der Baugrube auch nur ansatzweise genügt. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Spundwand nach dem Vertrag gegen den Baukörper abgestützt werden sollte, wie dies die Klägerin behauptet, oder ob es sich um einen Kragträger, mithin um eine sich selbst haltende Spundwand handeln sollte. Beiden Zwecken genügte die Spundwand nicht, da die Bohlen in beiden Fällen deutlich zu kurz waren. Die von der Klägerin vorgetragene Durchführung der Baugrubensicherung war von vornherein vorliegend nicht möglich, da eine geeignete Abböschung aufgrund des geringen Abstands zwischen der Grenze der Baugrube und dem späteren Baukörper nicht hätte errichtet werden können. Insofern konnte schon der Bautenstand, zu dem der Baukörper für eine Abstützung zur Verfügung gestanden hätte, mangels ausreichender Abböschung zuvor nicht erreicht werden können. Auch kann sich die Klägerin nicht auf den Vertragspassus, die Statik sei „falls erforderlich“ bauseits zu erbringen, stützen. Der Vertrag ist so auszulegen, dass jedenfalls die Erforderlichkeit einer Statik durch die zu prüfen war, denn sie ist das Fachunternehmen, das zur entsprechenden Prüfung in der Lage ist. Der Passus erlaubt der nicht den Einbau einer Spundwand ohne vorherige Abklärung der Notwendigkeit. Die Klägerin kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, die Statik hätte erst später, zum Zeitpunkt der Errichtung der Abböschung oder der Abstützung eingeholt werden können, weshalb die Prüfung der Erforderlichkeit eine Statik bei der Beklagten gelegen hätte. Ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen ist – ganz gleich welche Art der Sicherung der Spundwand beabsichtigt ist – die Länge der Bohlen vorab durch eine statische Berechnung zu klären. Damit muss die Statik zwingend vor Einbringung der Bohlen eingeholt werden. Den Ausführungen der Klägerin, aus der Darstellung des Sachverständigen auf S. 25 oben des Protokolls (Bl. 208) wäre eine Mangelfreiheit aufgrund der Abböschung zu folgern, kann nicht gefolgt werden. Sie übersieht hier, dass eine ausreichende Abböschung von vornherein bei diesem Bauvorhaben nicht möglich gewesen ist und die dies auch erkennen konnte. Weiter hat der Sachverständige an der genannten Stelle nicht ausgeführt, dass die vorliegende Länge der Spundwände ausreichend gewesen wäre bei einer ordnungsgemäßen Spundwand, sondern man dann kürzere Bohlen hätte einbauen können als bei dem System Kragträger.
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Anders als die Klägerin vorträgt hat die Spundwand auch in dem Zeitraum, in dem sie noch keine Last erhalten sollte, den vertraglichen Zweck nicht erfüllt. Auch nach Vortrag der Klägerin war der frühe Zeitraum der Spundwandeinbringung dem konkreten Bauablauf geschuldet. Einen eigenständigen Zweck erfüllte die Spundwand in diesem Zeitraum nicht, vielmehr bestand auch in diesem Zeitraum der Zweck der Spundwand darin, dem Grunde nach dazu geeignet zu sein, die (spätere) Baugrube zu sichern.
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Die Ausführungen der Klägerin auf S. 12 ihres Schriftsatzes vom 13.09.2022 (Bl. 275), der Sachverständige gehe von einem falschen Begriff der Spundwand aus, teilt das Gericht ebenfalls nicht. Die Klägerin zitiert an dieser Stelle eine Definition aus einem Baulexikon, wonach eine Spundnwand z.B. auch zur Sicherung der Baugrube gegen drückendes Wasser dienen könne. Auch das Gericht geht davon aus, dass eine Spundwand unterschiedliche Funktionen erfüllen kann. Dass sie indes vorliegend dazu diente, die Baugrube zu sichern, ergibt sich schon aus dem Vertrag und den diesem zugrundeliegenden Umständen. Unstrittig ist weiter zwischen den Parteien, dass die Spundwand notwendig war, um die Errichtung der Tiefgaragenabfahrt zu ermöglichen. Daher versteht das Gericht den Sachverständigen so, dass er zu dem Zweck der Spundwand in dem vorliegenden Bauvorhaben ausgeführt hat. Schließlich übersieht die Klägerin auch, dass selbst bei Zugrundelegung ihres Sachvortrags (verbindliche Vorgabe der Beklagten zur konkreten Errichtung) eine Hinweispflicht der als Unternehmerin und Fachunternehmen bestanden hätte. Die Erteilung eines Hinweises wurde von der Klägerin indes nicht vorgetragen, selbst im Verfahren ging die Klägerin noch von einer mangelfrei errichteten Spundwand aus. Anders als die Klägerin vorträgt (Bl. 265) ist in dem Vertrag gerade kein Hinweis enthalten, dass eine Statik erforderlich ist. Diese Auslegung lässt der Wortlaut („falls“) nicht zu.
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dd) Das Gericht musste dazu auch nicht mehr den angebotenen und in dem Termin vom 04.07.2022 nicht erschienenen Zeugen anhören. Dieser war durch die Klägerin in dem Schriftsatz vom 18.02.2022 dafür benannt worden, welche Spundwand durch die und welche durch die Fa. errichtet wurde (Bl. 99/100). Hier war das Gericht jedoch nach Anhörung der Zeugen und des Sachverständigen sowie Inaugenscheinnahme der Lichtbilder ohnehin von dem von der Klägerin dargelegten Sachverhalt ausgegangen. Weiter ist der Zeuge im Schriftsatz vom 13.09.2022 (Bl. 264/278) für die Behauptung angeboten worden, dass das Abböschen und Abstützen einer Spundwand ein übliches Vorgehen sei und diese Vorgehensweise durch die und die Fa. bei einem anderen Bauvorhaben so durchgeführt werde. Auch dieser Sachverhalt ist nicht entscheidungserheblich. Der Sachverständige hat dargelegt, dass Abstützen und Abböschen zulässige Methoden sind, jedoch nur Einhaltung bestimmter Maßnahmen (Einholung Statik, Böschungswinkel, Anbringen eines Breitflanschträgers usw, s.o., vgl. S. 20/21 des Protokolls = Bl. 203/204). Die Durchführung anderer Bauvorhaben ist für das vorliegende Verfahren nicht relevant. Aus diesem Grund hatte das Gericht auch die Ausführungen der Klägerin auf S. 12/13 ihres Schriftsatzes vom 13.09.2022 (Bl. 275/276) nicht mehr dem Sachverständigen zur Beurteilung vorzulegen. Insbesondere geht ausweislich Anlage K25 auch der Privatsachverständige davon aus, dass eine vorherige Statik notwendig gewesen wäre. Dieser hat im Übrigen keine Ausführungen zum konkreten Sachverhalt, sondern nur allgemeine Bemerkungen zur Zulässigkeit verschiedende Spundwandsysteme gemacht, die allesamt mit den Ausführungen des Gerichtssachverständigen übereinstimmen.
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c) Die Mietminderung ist auch entgegen der Argumentation der Klägerin nicht ausgeschlossen gem § 536b BGB.
31
aa) Der Beklagten kann keine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von dem Mangel bei Vertragsschluss vorgeworfen werden. Die insoweit beweisbelastete Klägerin ist dieser Nachweis nicht gelungen. An dieser Stelle sind die Besonderheiten des Werkvertragsrechts zu beachten, denn bei Vertragsschluss war die konkrete Mietsache – die Spundwand in der konkreten Form, mithin ordnungsgemäß errichtet an der richtigen Stelle – noch nicht existent. Eine Kenntnis von der mangelhaften Errichtung bei Vertragsschluss ist daher denklogisch nicht möglich.
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Kenntnis der Beklagte kann auch nicht aus dem Ortstermin Der Beklagten ist nicht der Nachweis gelungen, dass die konkrete Einbringung der Bohlen auf einer Weisung der Beklagten, ausgehend von einer Besprechung vor Ort, beruhte. Zwar legte die Klägerin eine Aktennotiz von einem Ortstermin vom 22.06.2018 (K24) vor, nach der „während des Baugrubenaushubs (…) entlang der Spundwände angeböscht“ werde, „sodass diese in dieser Bauphase noch keine Last erhalten. Nach Herstellung des Kellergeschosses bzw. der Tiefgarage“ würden „die Spundwände gegen den Baukörper abgesteift“ werden, damit dann der Aushub für die Rampe erfolgen könne. Laut Aktennotiz, deren Authentizität von den Parteien nicht bestritten wurde, waren bei dem Ortstermin der Geschäftsführer sowie Frau von der Beklagten, der Geschäftsführer der, Herr von dem sowie der Zeuge anwesend. Der Zeuge bestätigte auch in der Vernehmung, dass diese Email von ihm „sein dürfte“. Anders als die Klägerin bis zuletzt vorträgt, ist in der Aktennotiz nicht die Rede davon, dass nur ca. 9 Meter lange Bohlen eingebracht werden. Die Länge der Bohlen ist in der Aktennotiz ebenso wenig wie ein Böschungswinkel genannt und hat auch der Zeuge hierzu nicht ausgeführt. Diese Umstände sind aber ganz entscheidend für die Frage, ob eine ordnungsgemäße oder eine mangelhafte Spundwand errichtet wird. Ebenfalls ist in der Aktennotiz keine Rede von der Notwendigkeit einer Statik oder der Frage, wer eine solche erstellen lassen wird, was ebenfalls nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen eine ganz entscheidende Thematik für die Tauglichkeit einer Spundwand ist. Demnach kommt es nicht darauf an, ob bei dem Ortstermin die Beklagte der verbindliche Vorgaben im Sinne der Aktennotiz gemacht hat, da jedenfalls die zwei Hauptgründe für die Mangelhaftigkeit der Spundwand hier nicht nachweislich besproche wurden. So sagte auch der Zeuge aus, dass aus seiner technischen Sicht ein Verbau nie ohne statische Berechnung gebaut werden dürfe (S. 12 des Protokolls, Bl. 195). Das Gericht hält es daher für äußerst unwahrscheinlich, dass die Beklagte (ggf. über deren Subunternehmerin) eine entsprechende Vorgabe gemacht hat. Der beweisbelasteten Klägerin ist demnach jedenfalls nicht der Nachweis gelungen, dass die Errichtung einer Spundwand ohne Statik und mit zu kurzen Bohlen auf Weisung der Beklagten erfolgte, mithin sie hiervon Kenntnis hatte.
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Fahrlässige Unkenntnis der Beklagten lässt sich auch nicht aus den Angaben in dem von der formulierten Vertrag folgern. Zwar ist darin sowohl eine unzureichende Länge der Bohlen als auch der Passus, eine Statik sei – falls erforderlich – bauseits zu erbringen, enthalten. Allerdings ist keine endgültige Länge der Spundwände angegeben, sodass die Beklagte davon ausgehen durfte, dass die konkrete Länge der Spundwände – etwa nach den Vorgaben einer noch einzuholenden Statik – noch ermittelt wird. Auch musste die Beklagte trotz des Passus' zur Statik nicht davon ausgehen, dass die Beklagte tatsächlich eine Spundwand ohne Einholung einer Statik einbringt, was in keinem der denkbaren Methoden zur Errichtung einer Spundwand zulässig ist. Eine Ankündigung der sie würde nun mit den Arbeiten beginnen, hat auch die Klägerin nicht vorgetragen. Die Beklagte musste nicht davon ausgehen, dass die Klägerin ohne jegliche Berechnung Bohlen einbringt, die in keinem Fall auch nur annähernd ausreichen. Die Beklagte durfte zumindest davon ausgehen, dass die Beklagte ihrer Kooperations- und Hinweispflicht nachkommt und bereits vor Errichtung der Spundwand die Beklagte darauf hinweist, dass noch Angaben ihrerseits (z.B. die Statik) notwendig sind und nicht einfach ohne diese zwingend notwendigen Angaben eine Spundwand einbringt. Mit einem derart massiven Verstoß gegen die allgemein anerkannte Regeln der Technik musste die Beklagte nicht rechnen. Jedenfalls ist der Klägerin der Nachweis nicht gelungen, dass die Beklagte sehenden Auges eine mangelhafte Spundwand errichten ließ. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass die das Fachunternehmen für den Spezialtiefbau ist und an die fahrlässige Unkenntnis einer – auch gewerblich tätigen – Bauherrin hohe Anforderungen zu stellen sind.
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Letztlich ist der Vertrag auch widersprüchlich, da er einerseits von einem Kragträger und andererseits von einer Abstützung spricht, was ebenfalls nicht zulasten der Beklagten gehen kann. Sie durfte aus dem Vertrag schließen, dass sich die Spundwand als Kragträger selbst trägt. Dass die Spundwände für keine der denkbaren Methoden zur Sicherung der Baugrube geeignet waren, konnte und musste die Beklagte nicht erkennen. Insbesondere durfte die Beklagte damit rechnen, dass die aufgrund der vielen Unsicherheiten und Widersprüche in dem Vertrag eine weitergehende Planung vornimmt und ggf., soweit notwendig, diesbezüglich auf die Beklagte zukommt.
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bb) Weiter ist die Mietminderung auch nicht ausgeschlossen aufgrund eines fehlenden Vorbehalts bei Annahme der Mietsache, § 536b BGB. Dies ist ausweislich des Gesetzestextes dann der Fall, wenn der Mieter den Mangel bei der Abnahme kannte, fahrlässige Unkenntnis reicht hier nicht aus („obwohl er den Mangel kennt“). Bei der Annahme der Mietsache sind vorliegend die Besonderheiten des Instituts der Abnahme im Werkvertragsrecht zu berücksichtigen, denn der Werkvertragsteil ist mit der Einbringung der Spundwand abgeschlossen. Der Klägerin ist es jedoch nicht gelungen, Kenntnis der Beklagten von der Mangelhaftigkeit der Spundwand zu diesem Zeitpunkt nachzuweisen. Abnahme ist die Entgegennahme des Werkes und die Erklärung des Bestellers, dass dieses als im Wesentlichen vertragsgemäß akzeptiert wird (Busche in: MüKoBGB, § 640 BGB, Rn. 3). Die Annahme im Mietvertragsrecht liegt dann vor, wenn die Mietsache zum Gebrauch überlassen wird, mithin wenn der tatsächliche Besitz an der Sache eingeräumt wird (Bieder in: BeckOGK, § 536b BGB, Rn. 27). Noch in der Klage hat die Klägerin eine Abnahme im Rahmen einer gemeinsamen Besichtigung behauptet, allerdings hat die Beklagte bestritten, dass ihr Geschäftsführer oder ein anderer Vertreter bei der Einbringung vor Ort gewesen ist. Dagegen spricht letztlich auch die von der Beklagten vorgelegten Email vom 05.07.2018 (B6), in der Fotos von der eingebrachten Spundwand enthalten sind sowie der Text „anbei der Nachweis über die eingebauten Spundwände“. Im weiteren Prozessverlauf behauptete die Klägerin auch nicht mehr die Anwesenheit des Geschäftsführers der Beklagten am 05.07., sondern erst am 12.07.2018. Zu diesem Zeitpunkt war die Spundwand jedoch schon längst eingebaut und die Länge der Bohlen nicht mehr erkennbar. Auch die Nachricht des Geschäftsführers der enthält zu der Länge der Bohlen keine Angaben. Zwar hätte zu diesem Zeitpunkt der Geschäftsführer der Beklagten wohl nachfragen müssen, ob ausreichend lange Bohlen eingebracht wurden und nach welchen Kriterien bzw. welcher Statik die Länge der Bohlen berechnet wurden, dies würde jedoch allenfalls zur fahrlässigen Unkenntnis führen. Eine entsprechende Nachfrage der Beklagten im zeitlichen Zusammenhang mit der Fertigstellungsanzeige wurde jedoch auch von der Klägerin nicht behauptet. Kenntnis von der Mangelhaftigkeit der Spundwand zum Zeitpunkt der Annahme bzw. Abnahme kann daher nicht angenommen werden.
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d) Die Mietminderung ist auch nicht ausgeschlossen gem. § 536c BGB. Demnach besteht zwar grundsätzlich eine Anzeigepflicht zu dem Zeitpunkt, zu dem sich ein Mangel zeigt. Der Mangel hat sich vorliegend am 14.10.2020 gezeigt, als die Spundwand gekippt ist. Das Kippen der Spundwand ist zwar durch die Klägerin bis zuletzt bestritten worden, die Zeugen und haben das Kippen jedoch glaubhaft geschildert in Übereinstimmung mit den dem Gericht vorliegenden Lichtbildern, die der Sachverständige ausgewertet hat und für das Gericht einordnen konnte. Nach alledem steht für das Gericht fest, dass die Spundwand gekippt ist.
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Eine Anzeigepflicht gem. § 536c BGB ist indes ausgeschlossen, wenn die Beseitigung des Mangels oder die Abwendung der Gefahr unmöglich ist (Weidenkaff in: Palandt, 81. Auflage 2022, § 536c, Rn 9). Ebenso ist die Anzeigepflicht dann ausgeschlossen, wenn der Vermieter den Mangel selbst herbeigeführt hat (Schüller in: BeckOK MietR, § 536c BGB, Rn. 6). So liegt der Fall hier, denn hier sind wiederum die Besonderheiten des typengemischten Vertrags zu berücksichtigen. Die hat die Mietsache zu Beginn der Mietzeit erst selbst hergestellt, und zwar in einer mangelhaften Art und Weise. Die dem § 536c BGB zugrunde liegende Interessenlage, wonach der Vermieter auf den Zustand der Mietsache und insbesondere auf den Eintritt eines Mangels durch äußere Umstände oder die Abnutzung der Mietsache keinen Einfluss hat, besteht hier nicht. Andernfalls würde die Verantwortlichkeit des Vermieters/Unternehmers für von ihm verursachte Werkmängel geschmälert werden.
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Im Übrigen wäre zum Zeitpunkt des 14.10.2020 eine Mangelbehebung auch nicht mehr möglich gewesen. Die Einbringung ausreichend langer Bohlen war nicht mehr möglich, da dafür die vorhandenen Bohlen erst hätten gezogen werden müssen. Mangels ausreichender Böschung wäre das Erdreich unkontrolliert nachgerutscht.
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e) Die Mangelhaftigkeit führt zu einer Mietminderung auf 0, da die Spundwand für die Beklagte wertlos war. Die Mietminderung auf 0 ist auch für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum, also ab Oktober 2018, anzunehmen. Die Mietminderung bedarf keiner Erklärung des Mieters und ist somit kein Gestaltungsrecht, sondern tritt kraft Gesetzes ein, so lange die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache herabgesetzt oder aufgehoben ist (hM, siehe z.B. Wiederhold in: BeckOK BGB, § 536 BGB, Rn. 118 mwN). Hier bestand zu keinem Zeitpunkt eine geeignete Spundwand.
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f) Weiter ist die vollständige Mietminderung auch nicht ausgeschlossen aufgrund eines (Mit-)Verschuldens der Beklagte bzw. steht der Klägerin auch keine anteilige Miete zu aufgrund von Mitverschuldens. § 536b BGB ist nicht analog anwendbar auf eine grob fahrlässige Unkenntnis für Mängel, die nach Vertragsschluss entstanden sind (BGHZ 155, 380 = NJW 2003, 2601, Häublein in: MüKoBGB, § 536 BGB, Rn. 37). Hier bestand – wie oben ausgeführt – der Mangel nicht schon bei Vertragsschluss, sondern erst bei Annahme der Mietsache / Abnahme der Werkleistung. Die Tatbestände zum Ausschluss des Minderungsrechts sind indes abschließend in §§ 536b-536d BGB geregelt, wobei § 536c BGB nach dem Willen des Gesetzgebers eine abschließende Regelung für nachträglich sich zeigende Mängel ist (aaO). Somit ist auch eine analoge Anwendung des § 254 BGB ausgeschlossen, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Eine direkte Anwendung des § 254 BGB fällt schon aus, da kein verschuldensabhängiger Schaden vorliegt. Für die Mietminderung nach § 536 Abs. 1 ist es gleichgültig, ob der Vermieter den Mangel bzw. die Tauglichkeitsminderung zu vertreten hat, sie beheben kann oder ihre Ursache überhaupt in seinem Einflussbereich liegt (BeckOK BGB/Wiederhold BGB § 536 Rn. 118), sie ist demnach nicht dem Schadensersatzrecht zuzuordnen.
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Allenfalls besteht ein Ausschluss des Minderungsrechts, wenn der Mieter den Mangel verursacht (Selk, Mietmängel und Mängelrechte, § 536, Rn 152; Bieder in: BeckOGK, § 536 BGB, Rn. 108). Davon kann hier jedoch keine Rede sein. Auch wenn vertraglich die Erbringung der Statik „falls erforderlich“ von der Beklagten geschuldet war, ist eine (Mit-)Verursachung des Mangels nicht gegeben. Die schuldete nach dem Werkvertragsteil des Vertrages die mangelfreie Errichtung der Spundwand. Die zwingend notwendige Statik hätte sie von der Beklagten anfordern müssen. Eine fahrlässige Unkenntnis der Beklagtennach Abnahme der Werkleistung (die Obliegenheit der Beklagten, nachzufragen, ob eine Statik doch von der eingeholt wurde), stellt keine Mitverursachung des Mangels dar, denn dieser bestand zu diesem Zeitpunkt schon.
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Schließlich sind auch entgegen des Vortrags der Klageseite nicht Folgegewerke (für die die Beklagte verantwortlich ist) für das Kippen der Spundwand verantwortlich. Wie bereits oben ausgeführt, war die Spundwand von Beginn nicht in der Lage, die Baugrube zu sichern, und zwar ganz unabhängig davon, welche Maßnahmen Folgegewerke ergreifen. Es war von vornherein nicht möglich, eine ausreichende Böschung herzustellen, sodass es auf die Entfernung der – bei Weitem nicht ausreichenden – Abböschung nicht ankommt. Daher ist nach Ausführungen des Sachverständigen, denen das Gericht folgt, eine zu frühe Entfernung der Abböschung für die Untauglichkeit der Spundwand nicht ursächlich.
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g) Zusammenfassend ist zwar grundsätzlich richtig, dass auch die Beklagte vorliegend das Bauvorhaben unzureichend koordiniert hat und offensichtlich wenig Wert auf Qualität und Sicherheit in der Bauphase gelegt hat. Da die jedoch eine Spundwand eingebracht hat, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine ordnungsgemäße Sicherung der Baugrube gewährleistet hätte und die Beklagte dies zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht wusste oder wissen musste und fahrlässige Unkenntnis auch zum Zeitpunkt der Annahme nicht nachweisbar vorlag, ist der Mietzinsanspruch auf 0 gemindert.
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3. Ein Anspruch der Klägerin besteht demnach nicht.
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III. Zinsen stehen der Klägerin mangels Hauptanspruch nicht zu.
C.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
D.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.