Inhalt

LG München I, Beschluss v. 28.11.2022 – 14 S 7828/22
Titel:

Keine Beweisaufnahme über behauptete Gerüchte

Normenkette:
ZPO § 284, § 522 Abs. 2
Leitsatz:
Ein Beweisantrag, der sich auf den Wahrheitsgehalt behaupteter Gerüchte bezieht, ist wegen der damit verbundenen Ausforschung zurückzuweisen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufungsverfahren, Eigenbedarfskündigung, Räumung und Herausgabe, Zeugenbeweis, Ausforschung, Gerüchte
Vorinstanz:
AG München, Urteil vom 07.06.2022 – 432 C 4443/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 04.06.2024 – VIII ZR 292/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 58418

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 07.06.2022, Aktenzeichen 432 C 4443/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 28.811,42 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Kläger nehmen die Beklagten u.a. auf Räumung und Herausgabe der verfahrensgegenständlichen Wohnung in der Folge einer Eigenbedarfskündigung in Anspruch.
2
Mit Endurteil vom 07.06.2022 hat das Amtsgericht München der Klage stattgegeben.
3
Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten vom 07.07.2022, begründet mit Schriftsatz vom 12.09.2022.
4
Im Berufungsverfahren wird beklagtenseits beantragt,
1.1.
das Urteil des AG München vom 07.06.2022, Az. 432 C 4443/21 insgesamt aufzuheben und die Klage abzuweisen
sowie
2.
eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren.
5
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
6
Die Kammer hat mit Beschluss vom 28.09.2022 darauf hingewiesen, dass sie beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 07.06.2022, Az. 432 C 4443/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
7
Zur Begründung wird auf den vorgenannten Beschluss der Kammer Bezug genommen.
8
Die Stellungnahmefrist ist mit Verfügung des Berufungsgerichts vom 14.10.2022 auf Antrag der Beklagten vom 13.10.2022 um vier Wochen verlängert worden. Eine weitere – krankheitsbedingte – Fristverlängerung (von zwei Wochen) ist mit Schriftsatz vom 09.11.2022 beantragt, und mit Verfügung vom 11.11.2022 gewährt worden.
9
Die Gegenerklärung ist schließlich mit Schriftsatz vom 23.11.2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, erfolgt. Darin wird im Wesentlichen erneut ausgeführt, dass die beklagte Partei einen Rückübertragungsanspruch habe, der der Aktivlegitimation entgegenstehe. Erneut wird zudem der Eigenbedarf der Klägerseite bestritten. Zudem überwiege das Interesse der Beklagten an der Fortführung des Mietverhältnisses das Erlangungsinteresse der Kläger.
II.
10
Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 07.06.2022, Aktenzeichen 432 C 4443/21, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
11
Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis der Kammer Bezug genommen. Richter am Landgericht … und Richterin am Landgericht … welche am vorgenannten Beschluss nicht mitgewirkt haben, machen sich dessen Gründe vollumfänglich zu eigen.
12
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
Hierzu wie folgt:
13
1. Die Kammer hat nach wie vor keine Zweifel an der Aktivlegitimation. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Beschluss vom 28.09.2022 (Bl. 211 d.A.) wird verwiesen. Ergänzend wird insoweit auch auf die erstgerichtlichen Entscheidungsgründe Bezug genommen.
14
2. Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung sind nicht geeignet, die erstgerichtliche Beweiswürdigung zu erschüttern. Die Wiederholung diesbezüglicher Argumente aus der Berufungsbegründungsschrift lässt die Kammer zu keinem anderen Ergebnis kommen. Es ist nach wie vor nicht ersichtlich, warum Streitigkeiten innerhalb der WEG dem klägerischen Eigenbedarf entgegenstehen sollten. Die Kammer sieht sich insoweit auch nicht veranlasst, Vermutungen der Beklagten bezüglich der Nutzung eines im Anwesen befindlichen Hobbyraums nachzugehen.
15
Soweit die beklagte Partei nunmehr zusätzlich vorbringt, dass nach ihr „seit etwa 4 Wochen“ vorliegenden Informationen die Maklerin … den Auftrag habe, die Wohnung zu vermitteln, veranlasst diese pauschale, unsubstantiierte Behauptung keine Beweisaufnahme der Kammer. Die insoweit beantragte Einvernahme der Zeugin bezieht sich letztlich lediglich auf den Wahrheitsgehalt behaupteter Gerüchte und würde sich als reine Ausforschung darstellen. Auf die Frage der Präklusion dieses neuen Sachvortrags kommt es daher nicht mehr an.
16
Der Kammer erschließt sich in diesem Zusammenhang überdies nicht, welche Relevanz ein Verfahren … aus dem Jahre 2017 haben soll.
17
Unbehelflich ist auch die in der Gegenerklärung geäußerte (weitere) Vermutung, dass der Kläger nicht ernstlich beabsichtige, „seine noch jungen Töchter einem solchen Umfeld“ (im verfahrensgegenständlichen Anwesen) auszusetzen, zumal es sich hierbei lediglich um eine subjektive Einschätzung der Beklagten handelt, die augenscheinlich zuvörderst auf bloßen – überdies diffus anmutenden – Vermutungen (u.a. des Zeugen … in Bezug auf eine angebliche Ausübung der Prostitution in einem Hobbyraum des Anwesens und einen Einsatz von Interpol „mit den Verhaftungen von angeblichen Drogendealern oder Kriminellen“) beruht.
18
Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass ein etwaiger Wegfall des kündigungsgegenständlichen Eigenbedarfs nach Ablauf der Kündigungsfrist, mithin nach Beendigung des Mietverhältnisses, die materiell-rechtliche Wirksamkeit der im Streit stehenden Kündigung nicht (mehr) berühren würde.
19
3. Die Ausführungen zur Biografie der Beklagten zu 1) und zu 3) hat die Kammer zur Kenntnis genommen. Eine Änderung der zweitinstanzlichen Entscheidung ist hierdurch ebenfalls nicht veranlasst.
20
Nach alledem ist die Berufung der Beklagten nunmehr zurückzuweisen. Ein weiteres Abwarten des Ergebnisses etwaiger Vergleichsverhandlungen ist nicht veranlasst, § 272 Abs. 4 ZPO.
III.
21
Die Gewährung einer weiteren Räumungsfrist kommt auch in Ansehung des der Kammer bekannten angespannten Mietmarkts der Landeshauptstadt München, der familiären Situation der Beklagten und deren Bemühungen um Ersatzwohnraum nicht in Betracht, zumal die auf dringlichen Eigenbedarf gestützte Kündigung das Mietverhältnis bereits zum 28.02.2021 beendet hat und die Beklagten offenbar seit Juli 2022 keine Nutzungsentschädigung mehr bezahlen. Das Erlangungsinteresse der Kläger überwiegt vor diesem Hintergrund deutlich.
IV.
22
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
23
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.