Titel:
Honorarvereinbarung, Selbstbehalt, Widerrufsrecht, Versicherungsschein, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Vollstreckungsbescheid, Versicherungsmakler, Elektronischer Rechtsverkehr, Erfolgshonorar, Krankentagegeldversicherung, Honoraransprüche, Kostenentscheidung, Finanzdienstleistung, Rechtzeitiger Einspruch, Parteivorbringen, Qualifizierte elektronische Signatur, Klageabweisung, Verstöße gegen das Transparenzgebot, Außerbetrachtbleiben
Schlagworte:
Honorarvereinbarung, Widerrufsrecht, Versicherungsmakler, Tarifoptimierung, Jahresersparnis, Transparenzverbot, Inhaltskontrolle
Rechtsmittelinstanzen:
LG Traunstein, Endurteil vom 05.09.2023 – 2 S 2447/22
LG Traunstein, Berichtigungsbeschluss vom 05.02.2024 – 2 S 2447/22
BGH Karlsruhe, Urteil vom 04.04.2024 – I ZR 137/23
LG Traunstein, Endurteil vom 27.05.2025 – 2 S 2447/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 58414
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.947,82 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit 06.11.2021 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 280,60 Kosten der außergerichtlichen Vertretung nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit 06.11.2021 zu bezahlen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin macht Schadensersatz geltend.
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Mit schriftlicher Vereinbarung vom 20.02.2018 beauftragte die Klägerin den Beklagten, ihre Krankenversicherung bei … nach Möglichkeit günstiger zu gestalten: Die Versicherungsgesellschaft solle gleich bleiben, der Leistungsumfang etwa dem bisherigen entsprechend, außer vom Kunden abweichend gewünscht; als Honorar wurden 80 % der berechneten Jahresersparnis zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart, fällig, wenn die Umstellung ihrer Veränderung innerhalb von 24 Monaten beantragt wird (Anlage K1, Blatt 18 der Akte).
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Der Beklagte seinerseits war Krankenversicherungsnehmer, ….
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Zum 01.01.2019 ergab sich gemäß Schreiben … vom 22.11.2018 (Blatt 25 der Akte) aufgrund Beitragsentlastung im Alter unter Verrechnung eines entfallenen Bonus für 2018 ein monatlicher Gesamtbeitrag von € 428,87. Sowohl im dortigen Nachtrag zum Versicherungsschein (Blatt 26 unten), als auch im nachfolgenden Versicherungsschein zum 01.01.2019 wird der Beklagte als Betreuer des Vertrages gelistet (Anlage K4, Blatt 21 der Akte).
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Letzterer Versicherungsschein mit einem künftigen monatlichen Beitrag von € 337,77 ist der Ausschluss der Tätigkeit des Beklagten entsprechend Auftrag und Beratungsdokumentation vom 04.12.2018 (Anlage NMP3, Blatt 48 der Akte), wonach die Klägerin einen geringeren Selbstbehalt wünschte und den Beklagten mit der Vertragsumstellung beauftragte (Anlage NMP5, Blatt 48 der Akte), im Umfang eben dokumentiert im Versicherungsschein zum 01.01.2019 (Blatt 22 der Akte) mit einem künftigen Monatsbeitrag von € 337,77 (Blatt 22 der Akte).
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Im Zusammenhang damit hat der Beklagte schließlich noch einen Vertrag zum Zwecke der Reduzierung des Selbstbehalts sowie einen weiteren Vertrag zur zusätzlichen Absicherung der Kosten von Zahnbehandlung mit der … vermittelt (Aufnahmeantrag vom 04.12.2018, Anlage NMP2), womit sich der Selbstbehalt von € 1.800,00 bei gleichzeitigem Wechsel in den Tarif … zunächst auf einen Selbstbehalt von € 1.200,00 reduzierte und durch den Vertrag mit der … (Schreibweise Blatt 43) um weitere € 1.000,00, dies bei zusätzlichen monatlichen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der … von € 96,00 für die Reduzierung des Selbstbehalts und € 18,00 für die Reduzierung des Selbstbehalts Zahnbehandlung.
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Die Klägerin behauptet,
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der Beklagte sei zum Zeitpunkt des Abschlusses der Honorarvereinbarung Bestandsbetreuer der … gewesen, weshalb ihm kein Vergütungsanspruch im Hinblick auf 34 d Gewerbeordnung zustehe,
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davon unabhängig habe er keinen Honoraranspruch, da die Reduktion des monatlichen Beitrags einerseits auf den Entfall der monatlichen Altersrückstellung beruhe, andererseits auf einer erkauften Reduzierung des Selbstbehalts, wobei zudem die hier zu auf zu mittelnden Mittel höher lägen, zur tatsächlich entfallene Selbstbehalt.
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Die Klägerin ist der Auffassung, die Honorarvereinbarung sei unwirksam, jedenfalls hätte sie nur ein wesentlich geringeres Honorar ursprünglich geschuldet.
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Nachdem die Klägerin die Forderung aus der Honorarrechnung des Beklagten (Anlage K2, Blatt 19) bereits ausgeglichen hat und in der Sache bereits Vollstreckungsbescheid ergangen ist am 07.02.2022, zugestellt am 10.02.2022, wogegen am 18.02.2022 rechtzeitig Einspruch eingelegt wurde, beantragt die Klägerin, den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg, Geschäftszeichen 21-7676970-0-6 aufrechtzuerhalten.
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Der Beklagte beantragt dessen Aufhebung und Klageabweisung.
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nicht Bestandsbetreuer gewesen zu sein, wie sich dies aus Anlage NMP 1, Blatt 48 der Akte ergebe,
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die vereinbarte Provision aufgrund seiner Beauftragung als Nachweismakler verdient zu haben, die sich im einzelnen berechne wie auf Blatt 45 dargestellt.
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Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf das schriftsätzliche Parteivorbringen und die vorgelegten Urkunden Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB begründet.
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1. a) Die geschlossene Honorarvereinbarung ist nicht bereits nach § 134 BGB nichtig:
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Hat sich, wie vorliegend, ein Versicherungsmakler vertraglich verpflichtet, einen Versicherungsnehmer bei der Tarifoptimierung, d.h. bei der Umstellung seiner bestehenden Krankheitskosten – und/oder Krankentagegeldversicherung zur Unterstützung zu beraten, ist diese Tätigkeit von der Erlaubnis des § 34 d GewO gedeckt. Der Vertrag verstößt nicht gegen § 3 RDG. Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars für den Fall, dass durch den Tarifwechsel eine Ersparnis von Beiträgen entsteht, verstößt nicht gegen den auf Verträge wie diesen nicht anwendbaren § 4 Abs. 2 Satz 2 RDGEG (vgl. LG Bamberg, Beck RS 2018 von rund 30340).
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b) Das Gericht geht jedoch davon aus, dass die Klägerin die Honorarvereinbarung wirksam gemäß § 312 g BGB mit Schriftsatz vom 29.08.2022 widerrufen hat: Gemäß § 356 BGB erlöscht eben das Widerrufsrecht nach 12 Monaten und 14 Tagen nach Vertragsschluss nach § 356 Abs. 3 Satz 3 BGB dann nicht, wenn es sich um einen Vertrag oder Finanzdienstleistungen handelt; nach § 312 Abs. 5 BGB umfasst der Begriff der Finanzdienstleistung eben auch Vertragsverhältnisse im Zusammenhang mit einer Versicherung, wie vorliegend.
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Damit wurde die Honorarvereinbarung, die … unstreitig geschlossen wurde, wirksam widerrufen.
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2. Ohnehin hätte nach Auffassung des Gerichts die auf den Selbstbehalt entfallende Ersparnis bei Berechnung des Honorars außer Betracht bleiben müssen: Nach der Honorarvereinbarung, Anlage K1, Blatt 18 der Akte, wurde als Honorar 80 % der berechneten Jahresersparnis zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart (Anlage K1, Blatt 18 der Akte).
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Ziffer 5 2.1. der der Honorarvereinbarung zugrunde liegenden AGB (Anlage MMP 7, Blatt 48 der Akte) bestimmt, dass sich die Jahresersparnis einerseits aus der Differenz der monatlichen Beitragsprämien, andererseits unter Berücksichtigung unterschiedlicher Selbstbehalte errechnet, verstößt zur Überzeugung des erkennenden Gerichts gegen das Transparenzverbot, ist überraschend und hält der Inhaltskontrollen nach § 307 BGB nicht stand: Nach dem Wortlaut der Honorarvereinbarung und der Vertragsgestaltung konnte der Kunde davon ausgehen, dass lediglich die jährliche Beitragsersparnis, sogenannte Jahresersparnis ist. Der Beklagte hätte daher allenfalls ein Honorar von € 446,04 verdienen können.
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Aus den dargelegten Gründen, kommt es hierauf jedoch nicht an.
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Kostenentscheidung: § 91 ZPO.
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Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.