Inhalt

LG Coburg, Endurteil v. 07.07.2022 – 51 O 856/21
Titel:

Verkehrsunfall, Wiederbeschaffungswert, Kaufpreis, Haftpflichtversicherer, Fahrzeug, Nutzungsausfall, Restwert, Ersatzfahrzeug, Kaufvertrag, Gutachten, Wirtschaftlichkeitsgebot, Erstattung, Haftung, Wiederbeschaffungsaufwand, Kosten des Rechtsstreits

Schlagworte:
Verkehrsunfall, Wiederbeschaffungswert, Kaufpreis, Haftpflichtversicherer, Fahrzeug, Nutzungsausfall, Restwert, Ersatzfahrzeug, Kaufvertrag, Gutachten, Wirtschaftlichkeitsgebot, Erstattung, Haftung, Wiederbeschaffungsaufwand, Kosten des Rechtsstreits
Fundstelle:
BeckRS 2022, 58113

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.10.2021 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Erstattung von Schadenspositionen im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall vom 03.10.2021, in welchem das Fahrzeug des Klägers sowie ein bei der Beklagten versichertes Fahrzeug verwickelt waren.
2
Der Kläger ist Eigentümer eines VW Tiguans 2.0 TDI mit dem amtlichen Kennz. ..., welcher am 03.10.2021 in einen Verkehrsunfall verwickelt war, der allein schuldhaft durch das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... verursacht wurde.
3
Die Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig. Die Beklagte hat die unfallbedingt eingetretenen Schäden weitgehend reguliert.
4
Durch das Unfallereignis ist am klägerischen Fahrzeug erheblicher Sachschaden eingetreten. Dieser beauftragte das Kfz-Sachverständigenbüro P. S. am 05.10.2021 mit der Erstellung eines Schadengutachtens. Der Sachverständige stellte in seinem Gutachten unter anderem fest, dass der Wiederbeschaffungswert eines gleichwertigen Fahrzeugs mit Mehrwertsteuer 19.500,00 €, der Restwert mit Mehrwertsteuer 6.200,00 € betragen. Der Sachverständige ermittelte Restwert und Wiederbeschaffungswert am derzeitigen örtlichen Markt, zur Ermittlung des Restwertes wurden drei Angebote eingeholt und der Restwert mit dem Höchstgebot angesetzt. Am 04.10.2021 übersandte die Beklagte dem Kläger ein Schreiben, aus welchem sich die Haftung dem Grunde nach ergibt. Diesem Schreiben war ein allgemeines Hinweisschreiben mit wichtigen Hinweisen zu Mietwägen, Sachverständigenkosten und Restwerten beigefügt, aus welchem sich im letzten Punkt der Hinweis ergibt, dass ein beschädigtes Fahrzeug bitte nicht sofort verkauft werden solle, sondern eine Benachrichtigung durch die Beklagten abgewartet werden soll. Wegen der weiteren Einzelheiten des Hinweises wird auf die Anlage B1 Bezug genommen.
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Am 06.10.2021 rechnete der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber den Beklagten den Verkehrsunfall ab und legte dabei folgende Daten zu Grunde:
Wiederbeschaffungsaufwand 13.300,00 €
(Wiederbeschaffungswert 19.500,00 € abzügl. Restwert -6.200,00 €)
Sachverständigengebühren 1.585,56 €
Nutzungsausfall (Unfalltag bis Erhalt Gutachten) 236,00 €
Ummeldekosten 85,00 €
Tankinhalt 60,00 €
Kostenpauschale 30,00 €
6
Am 07.10.2021 verkaufte der Kläger sein Fahrzeug an einen der aus dem Sachverständigengutachten ersichtlichen Aufkäufer für 6.200,00 € und beschaffte sich am 22.11.2021 ein Ersatzfahrzeug zu Kaufpreis von 29.990,00 € einschließlich Mehrwertsteuer.
7
Am 12.10.2021 übermittelte die Beklagte dem Kläger das Angebot einer Firma über den Aufkauf des Unfallfahrzeuges zu 11.200,00 € und rechnete unter Berücksichtigung eines Restwertes von 11.200,00 € den Unfall gegenüber dem Kläger ab.
8
Der Kläger behauptet, die Beklagte habe Zahlungen in Höhe von 7.917,95 € auf den Wiederbeschaffungsaufwand geleistet, so dass sich ein Differenzbetrag in Höhe von 5.382,35 € ergäbe.
9
Der Kläger beantragt daher:
10
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.382,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 5.000,00 € seit dem 26.10.2021 und aus einem weiteren Betrag in Höhe von 382,35 € seit dem 10.12.2021 zu zahlen.
11
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
12
Die Beklagte rügt die Aktivlegitimation des Klägers und behauptet, dieser sei am Unfalltag nicht Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeuges gewesen, weil dieses über die DSL-Bank finanziert und im Zuge dessen sicherungsübereignet worden sei.
13
Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt. Der Termin, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, war mit Beschluss des Landgerichts Coburg auf den 17.6.2022 festgesetzt.

Entscheidungsgründe

14
Die zulässige Klage erweist sich weit überwiegend als begründet.
15
Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung von weiteren 5.000,00 € verlangen, denn in dieser Höhe steht dem Kläger noch ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu. Dem gemäß § 249 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Schaden ist im vorliegenden Falle ein Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 13.300,00 € zu Grunde zu legen.
16
Der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2, Satz 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden, wie hier, nicht im Wege der Reparatur sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges beheben will, leistet bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen genüge, wenn er die Veräußerung zu einem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, dass eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (allgemeine Rechtsprechung, statt aller BGH NJW 2017, 953). Der Geschädigte ist hiernach weder verpflichtet über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus noch eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen, noch ist er gehalten abzuwarten, um dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer vor der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs Gelegenheit zu geben, zum eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen und ggf. bessere Restwertangebote vorzulegen (wie vor). Der Gesetzgeber hat insofern dem Geschädigten in § 249 Abs. 2, Satz 1 BGB die Möglichkeit eingeräumt, die Behebung des Schadens gerade unabhängig von dem Schädiger in eigene Hände zu nehmen und in eigener Regie durchzuführen. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung würde unterlaufen, sähe man den Geschädigten schadensrechtlich grundsätzlich verpflichtet, vor der von ihm beabsichtigten Schadensbehebung Alternativvorschläge des Schädigers einzuholen. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Haftpflichtversicherer rechtzeitig dem Geschädigten eine Verwertungsmöglichkeit unterbreitet hat, die dieser ohne weiteres annehmen konnte und deren Annahme ihm zumutbar ist (wie vor).
17
Gemessen an diesen Maßstäben war der Geschädigte berechtigt, am 07.10.2021 sein Fahrzeug für den vom Sachverständigen ermittelten Preis von 6.200,00 € an die Recycling L2. GmbH zu verkaufen. Ein Alternativangebot der Beklagten lag dem Geschädigten zu diesem Zeitpunkt nicht vor, denn dieses wurde frühestens mit Schreiben vom 12.10.2021 (Anlage B4) unterbreitet.
18
Der in der Eintrittserklärung vom 04.10.2021 der Beklagten (Anlage B1) enthaltene allgemeine Hinweis, es könne sicherlich ein besseres Angebot vermittelt werden, ist ebenso wenig wie der telefonisch erfolgte Hinweis der Mitarbeiterin der Beklagten für den Kläger konkret annehmbar und jeweils mit einem Zuwarten verbunden. Hierzu ist der Kläger jedoch nicht verpflichtet. Der abgeschlossene Kaufvertrag ist trotz der zu diesem Zeitpunkt noch gültigen Sicherungsübereignung wirksam. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war der Kläger aktiv legitimiert, denn der bei der DSL-Bank bestehende Kredit wurde spätestens am 14.12.2021 vollständig getilgt und die Sicherungsübereignung damit erledigt, so dass der Kläger Volleigentümer wurde. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem als Anlage K9 vorgelegtem Schreiben der DSL Bank vom 14.12.2021, aus dem sich ergibt, dass aus dem Sicherungseigentum keine Ansprüche mehr hergeleitet werden. Die Klage wurde am 21.12.2021 eingereicht.
19
Der Kläger durfte auf den Wiederbeschaffungsaufwand 13.300,00 € von der Beklagten verlangen, denn als Wiederbeschaffungsaufwand ist der vom Sachverständigen P. S. unter Berücksichtigung des Restwertes von 6.200,00 € ermittelte Betrag (Anlage K1) zu Grund zu legen. Hierauf hat die Beklagte bereits 8.300,000 € reguliert hat. Dies ergibt sich aus der als Anlage B6 vorgelegten Abrechnung, aus der zu entnehmen ist, dass die Beklagte für den Wiederbeschaffungswert 19.500,00 € zu Grunde legte und hierauf Zahlungen in Höhe von 8.300,00 € leistete.
20
Der Kläger kann Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 27.10.2021 verlangen, weil die Beklagte sich ab diesem Zeitpunkt mit der Restzahlung in Verzug befand. Der Kläger hatte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 6.10.2021 den Verkehrsunfall abgerechnet und Zahlung bis zum 27.10.2021 verlangt.
II.
21
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1; 709 S. 1, S. 2 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers war verhältnismäßig gering, da sie 1/10 der Klageforderung nicht erreichte.