Inhalt

LG München I, Endurteil v. 06.05.2022 – 28 O 4279/21
Titel:

Darlehensverträge, negative Feststellungsklage, Widerrufsinformation, Klagepartei, Widerrufsrecht, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Widerrufsbelehrung, Widerrufsfrist, Örtliche Zuständigkeit, Hilfswiderklage, Fahrzeugschlüssel, Rückabwicklung, Kfz-Kaufvertrag, Wertersatz, Anzahlung, Darlehensantrag, Darlehensbedingungen, Klageabweisung, Nettodarlehensbetrag, Entscheidung im schriftlichen Verfahren

Schlagworte:
Zuständigkeit, Negative Feststellungsklage, Widerrufsinformation, Unleserliche Unterlagen, Beweislast, Abweisung der Klage, Vorläufige Vollstreckbarkeit
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 22.11.2022 – 5 U 3652/22
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 09.04.2024 – XI ZR 328/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 58043

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 31.575,48 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klagepartei macht gegen die Beklagte Ansprüche nach Widerruf eines Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Kraftfahrzeugs geltend.
2
Am 13.12.2018 schloss die Klagepartei mit der Beklagten einen Darlehensvertrag zur Finanzierung eines Pkw … über einen Nettodarlehensbetrag von 26.575,48 Euro. Der Kaufpreis betrug 31.396,48,- Euro. Die Klagepartei leistete eine Anzahlung von 5.000,00 Euro. Der vertraglich vereinbarte Sollzinssatz betrug 1,97 % gebunden für die gesamte Vertragslaufzeit. Das Darlehen sollte in 48 monatlichen Raten zu je 248,36 Euro und einer Schlussrate von 16.361,55,- Euro zurückgezahlt werden.
3
Das Darlehen wurde ausgekehrt.
4
Mit Schreiben vom 15.12.2020 erklärte die Klagepartei den Widerruf des Darlehensvertrages (K 2). Die Beklagte wies den Widerruf zurück (Anlage K3).
5
Die Klagepartei begehrt die Rückabwicklung des Vertrags und Rückzahlung der geleisteten Zahlungen.
6
Die Klagepartei meint, dass ihr zum Zeitpunkt des Widerrufs noch ein Widerrufsrecht zugestanden habe, weil die Beklagte nicht korrekt über das Widerrufsrecht belehrt habe. In der Widerrufsbelehrung und den sonstigen Regelungen des Vertrags lägen Fehler vor, die dazu führten, dass die Widerrufsfrist nicht angelaufen sei:
7
Die Klagepartei beantragt zuletzt:
1. Festzustellen, dass die Klagepartei [primär: wegen des erklärten Widerrufs vom 15.12.2020] nicht zur Zahlung von Zinsen und zur Erbringung von Tilgungsleistungen gemäß Darlehensantrag vom 13.12.2018 (Nettodarlehensbetrag 26.575,48 EUR, Anzahlung 5.000,00 EUR) verpflichtet ist;
2. Die Beklagtenpartei zu verurteilen, an die Klagepartei 10.712,28 EUR [Anzahlung und Raten] nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf diesen Betrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen nach Herausgabe des mit dem unter 1. genannten Darlehen finanzierten Fahrzeugs … nebst Fahrzeugschlüssel.
3. Festzustellen, dass sich die Beklagtenpartei mit der Rücknahme des unter Ziffer 2 genannten Fahrzeugs nebst Fahrzeugschlüssel in Annahmeverzug befindet;
4. Die Hilfs-Widerklage als unzulässig abzuweisen.
8
Die Beklagte beantragt:
Klageabweisung.
9
Für den Fall des vollständigen oder teilweisen Obsiegens der Klagepartei erhebt die Beklagte
Hilfswiderklage:
1. Festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, an die Beklagte Wertersatz für den Wertverlust des Fahrzeugs … zu zahlen.
2. Festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, an die Beklagte für den Zeitraum zwischen der Auszahlung der Darlehensmittel an den Verkäufer und der Rückgabe des Fahrzeugs …, und unmittelbar anschließender Saldierung der gegenseitigen Rückgewähransprüche, Nutzungsersatz in Höhe von 1,97 % p.a. auf den jeweils noch offenen Darlehenssaldo zu zahlen.
10
Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgericht München I.
11
Die Beklagte meint, in dem Darlehensvertrag seien sämtliche erforderlichen Pflichtangaben enthalten.
12
Die Beklagte meint, die von der Beklagten erteilte Widerrufsinformation entspreche vollständig den Vorgaben des Musters aus Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB. Zugunsten der Beklagten greife daher die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB berufen könne.
13
Im Falle eines wirksamen Widerrufs müsste die Klagepartei jedenfalls Wertersatz für die Nutzung des Fahrzeugs zahlen.
14
Das Gericht hat mündlich verhandelt am 25.02.2022. Die Parteien haben sich jeweils mit Schriftsatz vom 06.04.2022 mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO einverstanden erklärt. Gemäß Beschluss vom 08.04.2022 wurden bis zum 06.05.2022 bei Gericht eingegangene Schriftsätze bei der Entscheidung berücksichtigt.

Entscheidungsgründe

I.
15
Die Klage ist zulässig.
16
Das Landgericht München I ist örtlich zuständig.
17
Bei Widerruf eines Darlehensvertrags zur Finanzierung eines Kfz-Kaufvertrags ist für eine negative Feststellungsklage, mit der Erfüllungsansprüche der Bank gegen den Verbraucher geleugnet werden sollen, zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit der Wohnsitz des Verbrauchers als Erfüllungsort gemäß § 29 Abs. 1 ZPO maßgeblich (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 21. Juni 2021 – 11 U 67/20 –, juris). Ist die örtliche Zuständigkeit gem. § 29 Abs. 1 ZPO für eine negative Feststellungsklage begründet, mit der die Feststellung begehrt wird, dass aus einem Darlehensverhältnis keine Zins- und Tilgungsleistungen mehr geschuldet werden, ist das Gericht auch für die Leistungsanträge zuständig, die auf Rückabwicklung des Darlehensverhältnisses sowie eines gem. § 358 Abs. 3 BGB hiermit verbundenen Vertrages zielen (vgl. OLG Celle, Urteil vom 22. Juli 2020 – 3 U 3/20 –, juris).
II.
18
Die Klage erweist sich jedoch als unbegründet.
19
Ob die Belehrungen in der Widerrufsinformation zum streitgegenständlichen Darlehensvertrag fehlerhaft sind, wie von der Klageseite gerügt, kann das Gericht nicht beurteilen. Die Klageseite legt teilweise unleserliche Darlehensunterlagen als Anlage K 1 vor. Insbesondere die maßgebende Widerrufsinformation sowie die Darlehensbedingungen sind völlig verwaschen kopiert bzw. gescannt und nur mit großem Aufwand und teils gar nicht entzifferbar. Hierauf wurde die Klagepartei mit Beschluss vom 17.03.2022 (Bl. 86 d.A.) ausdrücklich hingewiesen. Ebenso wurde die Klagepartei darauf hingewiesen, dass die Anlage K1 nicht sämtliche 20 Seiten des Darlehensvertrages umfasst. Der Klagepartei wurde aufgegeben, eine leserliche und vollständige Kopie des Darlehensvertrags bis spätestens 06.04.2022 vorzulegen, ansonsten werde nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Klage ohne weiteres als unbegründet abgewiesen werden. Die Klagepartei hat hierauf angegeben, dass die Vertragsunterlagen durch die Beklagtenpartei vorzulegen sind. Weshalb es der Klagepartei nicht möglich sein sollte, den Vertrag vollständig und leserlich vorzulegen, hat die Klagepartei offengelassen.
20
Die Klage muss daher abgewiesen werden, da die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klagepartei es verabsäumt hat, ihre Behauptung, die Widerrufsinformation sei fehlerhaft und entspreche überdies nicht dem gesetzlichen Muster, nicht hinreichend unter Beweis gestellt hat.
III.
21
Kosten: § 91 ZPO.
IV.
22
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 S. 1, 2 ZPO.