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OLG München, Endurteil v. 14.02.2022 – 21 U 3802/21
Titel:

Kein Anspruch auf Schadensersatz wegen des Einbaus unzulässiger Abschalteinrichtungen in ein Dieselfahrzeug (hier: Audi A7)

Normenketten:
BGB § 31, § 826
Fahrzeugemissionen-VO Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
Leitsätze:
1. Bei der "Restreichweitenfunktion" handelt es sich nicht um eine evident unzulässige, auf der Basis einer strategischen Grundentscheidung eingesetzte und von vornherein durch Arglist geprägte Abschalteinrichtung wie sie in Form der sogenannten "Umschaltlogik" beim Motor EA 189 zum Einsatz kam. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn die zuständige Behörde (hier: KBA) eine technische Konfiguration für zulässig erachtet, ist für eine Sittenwidrigkeit kein Raum. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Strategie, AdBlue Tanks möglichst klein zu halten, stellt kein Indiz für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung dar. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Audi, V6 Dieselmotor (Euro 6), unzulässige Abschalteinrichtung, Thermofenster, Restreichweitenfunktion, Warmlaufprogramm, dynamisches Schaltprogramm, AdBlue-Tank, Getriebemanipulation
Vorinstanz:
LG Ingolstadt, Endurteil vom 27.05.2021 – 64 O 957/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 16.04.2024 – VIa ZR 417/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 57565

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 27.05.2021, Az. 64 O 957/20, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Entscheidungsgründe

I.
1
Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche der Klagepartei gegen die Beklagte im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Dieselfahrzeugs.
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Die Klagepartei erwarb am 01.03.2018 zu einem Preis von 42.890 € ein Gebrauchtfahrzeug vom Typ … mit der Euro-Schadstoffnorm 6 und dem Motorkennbuchstaben CRT, vgl. Zulassungsbescheinigung Teil I, Anlage BE 4. Das Fahrzeug, Baujahr 2014, wurde am 05.12.2014 erstmalig zugelassen und hatte bei Erwerb durch den Kläger eine Fahrleistung von 59.221 km. Es verfügt über eine 7Gang S-Tronic (Automatik) mit dem DL 501-Getriebe. Auf dem Prüfstand übernimmt ein Warmlaufprogramm die Schaltpunktsteuerung, im normalen Fahrbetrieb erfolgt diese über ein sog. Dynamisches Schaltprogramm (DSP). Die Beklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs und des im Fahrzeug verbauten V6 Dieselmotors, der vorliegend eine Leistung von 200 kW hat.
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Der Kauf wurde mit einem Darlehen finanziert, wobei dem Kläger ein sog. verbrieftes Rückgaberecht eingeräumt wurde. Dem Kläger entstanden Finanzierungskosten in Höhe von 1.018,84 €.
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Das Fahrzeug war Gegenstand eines Rückrufs wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung durch das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden KBA). Auf Anordnung des KBA nimmt die Beklagte deshalb eine Aktualisierung der Motorsoftware vor. Das Software-Update wurde vom KBA für Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs mit Bestätigung vom 12.11.2018 freigegeben, Anlage B 5. Die Aktualisierung der Software wurde beim streitgegenständlichen Fahrzeug durchgeführt.
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Die Abgasreinigung erfolgt über die Abgasrückführung. Dabei wird ein Teil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt, was zu einer Verringerung der Stickoxidemissionen führt. Die Abgasrückführung wird außerhalb eines bestimmten Temperaturfensters reduziert („Thermofenster“). Eine Abgasnachbehandlung erfolgt über einen SCR-Katalysator. Der Rückruf des KBA betrifft die Arbeitsweise dieses SCR-Katalysators, wenn das AdBlue nur noch für eine voraussichtliche Restreichweite von 2.400 km ausreicht.
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Die Klagepartei begehrte erstinstanzlich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des um Nutzungen gekürzten Kaufpreises zuzüglich Finanzierungskosten Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, Feststellung des Annahmeverzugs und Zahlung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung.
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Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.
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Das Landgericht hat der Klage nach informatorischer Anhörung des Klägers mit Urteil vom 27.05.2021 im Wesentlichen stattgegeben. Wegen des vorliegenden Rückrufs durch das KBA ging das Erstgericht von einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und nahm eine sittenwidrige Schädigung des Klägers durch die Beklagte an.
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Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
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Sie ist der Meinung die Klage sei unbegründet, weil der Kläger eine angebliche Täuschung oder sittenwidrige Schädigung der Beklagten nicht substantiiert dargelegt habe und eine solche auch nicht vorliege. Im Übrigen fehle es an einem ersatzfähigen Schaden, auch unter dem Gesichtspunkt des dem Kläger eingeräumten verbrieften Rückgaberechts. Das landgerichtliche Urteil beruhe auf einem Fehlverständnis der vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) beanstandeten Funktion im streitgegenständlichen Fahrzeug. Die von der Beklagten vorgenommene Aktualisierung der Motorensoftware beziehe sich auf eine prüfstandsunabhängige Funktion, nämlich die Arbeitsweise des SCR-Katalysators, wenn der Harnstoff nur noch für eine voraussichtliche Restreichweite von 2.400 km ausreicht. Wegen dieser Aktualisierung der Software könne der Kläger aber keine Ansprüche herleiten. Vor dem von der Beklagten angebotenen Update sei der Betrieb des SCR-Katalysators so eingestellt gewesen, dass es in seltenen und außergewöhnlichen Fahrweisen zu einer Herabsetzung des Wirkungsgrads der AdBlue-Einspritzung in dem SCR-Katalysator hätte kommen können. Weitere Strategien, die das KBA bei anderen Fahrzeugtypen als unzulässig eingestuft habe, kämen in dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht zum Einsatz. Das Fahrzeug gehöre nicht zur Gruppe der sog. EU6 – Vorerfüller-Fahrzeuge, für die verpflichtende Rückrufe des KBA im Hinblick auf deren Emissionsverhalten vorliegen. Insbesondere verfüge das Fahrzeug nicht über die bei anderen Fahrzeugen eingesetzten Einrichtungen, die als Strategien A bis D bezeichnet werden. Die Beklagte habe auch nicht im Zusammenhang mit dem Thermofenster das KBA oder den Kläger getäuscht. Das Thermofenster sei ein gängiger Industriestandard und dem KBA zum Zeitpunkt der Erteilung der Typgenehmigung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp bekannt gewesen. Die Einzelheiten der Systemleistung des Thermofensters hätten nicht offengelegt werden müssen, da eine detaillierte Umschreibung der Emissionsstrategien erst seit dem Inkrafttreten der VO (EU) 2016/646 im Mai 2016 gefordert sei. Das Vorbringen der Klagepartei zu einer angeblich vorliegenden Getriebemanipulation sei verspätet und im Übrigen gebe es auch keine Manipulation. Die in beiden Schaltprogrammen hinterlegte Schaltpunktbedatung sei so ähnlich, dass es beim Durchfahren des NEFZ im Getriebe-Warmlaufschaltprogramm ebenso wie bei initialer Aktivierung des DSP zu keinen relevanten Unterschieden komme. Die unterschiedlichen Schaltprogramme seien nur deshalb verwendet worden, um eine Reproduzierbarkeit der Messergebnisse sicherzustellen. Konkrete Anhaltspunkte, worin die Sittenwidrigkeit des Einsatzes eines Getriebe-Warmlaufschaltprogramms begründet sein solle, seien nicht ersichtlich und seitens der Klagepartei nicht vorgetragen worden. Die Genehmigungsbehörde sei schon deshalb nicht getäuscht worden, weil im Typgenehmigungsverfahren keine Angaben zur Getriebeschaltpunktsteuerung hätten gemacht werden müssen. Die verbaute Fahrkurve habe keine Grenzwertrelevanz. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung, Schriftsatz vom 16.09.2021, Bl. 319 ff. d.A., sowie den weiteren Schriftsatz vom 28.01.2022, Bl. 416 ff. d.A., Bezug genommen.
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Die Beklagte beantragt in der Berufung:
I. In Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Ingolstadt vom 27.05.2021, Az. 64 O 957/20, wird die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Hilfsweise für den Fall, dass dem Antrag nach Ziffer I. nicht stattgegeben werden sollte: Der Rechtsstreit wird, soweit zu Lasten der Beklagten entschieden wurde, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Ingolstadt zurückverwiesen.
III. Höchst hilfsweise für den Fall, dass dem Antrag nach Ziffer I. und dem nach Ziffer II. nicht stattgegeben werden sollte: Die Revision wird wegen divergierender Rechtsprechung zugelassen.
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Der Kläger beantragt in der Berufung,
die Berufung der Beklagten abzuweisen.
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Er ist der Auffassung, dass weder eine Verletzung von Verfahrensrecht noch eine Verletzung von materiellem Recht durch das landgerichtliche Urteil vorliege.
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Der Katalysator des streitgegenständlichen Fahrzeugs verfüge über zwei unterschiedliche Betriebsarten zur Eindüsung von Reagens, den Speicher- und den Onlinebetrieb mit einer signifikant unterschiedlichen Effektivität. Das Fahrzeug erkenne mit Hilfe eines Softwarealgorithmus (Aufheizstrategie, Strategie A) das Vorkonditionieren für den Prüfstand und sorge in der darauffolgenden Prüfstandsanordnung für einen höheren NH3-Füllstand (Harnstoff) im SCR-Katalysator (alternatives Aufheizen/ Strategie B). Diese im Vergleich zum realen Fahrbetrieb erhöhte Menge AdBlue sorge auf dem Prüfstand für geringere NOx-Emissionen. Im realen Fahrbetrieb hingegen werde dem SCR-Katalysator jedoch deutlich weniger Harnstoff zugeführt, sodass das Fahrzeug einen um ein Vielfaches höheren NOx-Emissionswert aufweise, als es die gesetzlichen Grenzwerte vorschrieben. Der Rückruf des KBA sei nicht nur wegen der Arbeitsweise des SCR-Katalysators erfolgt, sondern auch wegen vier unterschiedlicher Strategien. Insoweit verweist der Kläger auf einen Rückrufbescheid des KBA, Anlage BE 3. Die näher dargestellten Strategien A bis D kämen auch in dem streitgegenständlichen Fahrzeug zum Einsatz, weil es ein Vorerfüller sei und ebenfalls die Typenbezeichnung 4G habe. Weiter sei der AdBlue Tank in Absprache mit anderen Herstellern zu niedrig dimensioniert und ein unzulässiges Thermofenster verbaut. Schließlich läge weiter eine unzulässige Manipulation des Getriebes vor, weil das Warmlaufprogramm zyklusnah bedatet sei und mit Hilfe eines Lenkwinkeleinschlags der Prüfstand erkannt werde. Im realen Fahrbetrieb mit der Aktivierung des Dynamischen Schaltprogramms würden die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte um ein Vielfaches überschritten. Die Lenkwinkelerkennung habe für die Modelle …, … und … mit 3.0 l Dieselaggregat und Euro 5 Norm zu einem entsprechenden Rückruf des KBA geführt. Die Typgenehmigung habe die Beklagte durch diese zwei unterschiedlichen Schaltprogramme bei der Getriebesteuerung erschlichen. Die Beklagte habe die im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Abschalteinrichtungen in dem Bewusstsein implementiert, gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen und diesen Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen. Der Kläger bestreitet, dass der gegenständliche Rückrufbescheid lediglich „seltene und außergewöhnliche“ Fahrweisen betreffe. Die vorhandenen Abschalteinrichtungen seien in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens gegenüber dem KBA offengelegt worden, obwohl der BGH von einer Offenbarungspflicht der Abgasreinigungsstrategie ausgehe (BGH vom 19.01.2021, VI ZR 433/19). Es sei noch immer ein Stilllegungsrisiko gegeben, weshalb an dem Vorliegen eines Schadens kein Zweifel bestehe. Der Schaden entfalle nicht durch die Einräumung eines verbrieften Rückgaberechts im Finanzierungsvertrag. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klagepartei wird auf die Berufungserwiderung, Schriftsatz vom 22.11.2021, Bl. 342 ff. d.A., sowie die Schriftsätze vom 21.01.2022, Bl. 382 ff.d.A., und vom 01.02.2022 Bezug genommen.
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Der Senat hat über den Rechtsstreit am 14.02.2022 mündlich verhandelt. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird weiter Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
II.
16
Die Berufung ist zulässig und begründet. Sie führt zur Änderung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage als unbegründet. Mangels vertraglicher Beziehungen kommen lediglich deliktische Ansprüche in Betracht, die jedoch im Ergebnis zu verneinen sind.
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1. Eine Haftung der Beklagten ergibt sich nicht aus §§ 826, 31 BGB wegen der Verminderung der Stickoxidreduktion im Rahmen der Abgasnachbehandlung bei Aktivierung der „Restreichweitenfunktion“.
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Es genügt für eine Haftung nach § 826 BGB, und zwar bereits in Bezug auf die Frage nach der objektiven Sittenwidrigkeit, nicht die bloße Feststellung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne der europarechtlichen Vorgaben. Der darin liegende Gesetzesverstoß ist für sich allein nicht ohne Weiteres geeignet, den Einsatz der beanstandeten Technologie durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich anzusehen, vgl. zuletzt BGH, Hinweisbeschluss vom 29.09.2021, Az. VII ZR 126/21. Maßgeblich ist, ob entweder die beanstandete Technik darüber hinaus bereits aufgrund ihrer Machart als evident unzulässige, auf der Basis einer strategischen Grundentscheidung eingesetzte und durch Arglist geprägte Abschalteinrichtung dem Handeln ein sittenwidriges Gepräge gibt oder ob darüber hinaus weitere Umstände dazu treten, die den Einsatz der beanstandeten Technologie durch Verantwortliche der Beklagten als besonders verwerflich erscheinen lassen. Auf die mittlerweile ständige Rechtsprechung des BGH zu „Thermofenstern“ (siehe BGH, Beschluss vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 433/19, Rdnr. 16 ff.; vom 09.03.2021, Az.: VI ZR 889/20, Rdnr. 27, Urteil vom 13.07.2021, Az.: VI ZR 128/20, Rdnr. 11 ff., vom 16.09.2021, Az.: VII ZR 192/20, Rdnr. 15 ff.) in Abgrenzung zur Entscheidung des BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, wird Bezug genommen. Danach fehlt es vorliegend an zureichenden Anhaltspunkten bereits hinsichtlich der objektiven Sittenwidrigkeit, für die Klagepartei darlegungs- und beweisbelastet ist.
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a) Wie in Bezug auf die Technologie der Thermofenster kann unterstellt werden, dass es sich bei der „Restreichweitenfunktion“ um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Bei der „Restreichweitenfunktion“ handelt es sich jedoch nicht um eine evident unzulässige, auf der Basis einer strategischen Grundentscheidung eingesetzte und von vornherein durch Arglist geprägte Abschalteinrichtung wie sie in Form der sogenannten „Umschaltlogik“ beim Motor EA 189 der … AG zum Einsatz kam. Anders als die „Umschaltlogik“ unterscheidet die im streitgegenständlichen Fahrzeug eingesetzte „Restreichweitenfunktion“ nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet. Die streitgegenständliche Abschalteinrichtung (“Restreichweite“) führt nicht dazu, dass bei erkanntem Prüfstandbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und der Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert wird, sondern sie tritt nur dann in Funktion, wenn der AdBlue-Stand niedrig ist. Ob dazu eine hochdynamische Fahrweise hinzukommen muss, mit der Folge, dass die Technologie nur bei seltenen und außergewöhnlichen Fahrweisen greift, welche die Klagepartei bestritten hat, kann dahinstehen. Die Abschalteinrichtung unterscheidet jedenfalls von vornherein nicht zwischen Prüfstand und regulärer Fahrsituation, so dass mangels Prüfstandsbezogenheit nicht schon aus der Funktionsweise der Technologie auf eine als sittenwidrig zu bewertende Täuschungsabsicht der Beklagten geschlossen werden kann. Zudem liegt ein sachlicher Grund für die Abschalteinrichtung darin zu verhindern, dass der Motor in Ausnahmefällen bereits vor Ablauf der 2.400 km nicht mehr funktioniert.
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Die Funktionsweise der Technologie steht zur Überzeugung des Senats fest. Sie wurde von der Beklagten ausführlich beschrieben und von der Klagepartei nur in Bezug auf das Vorliegen seltener und außergewöhnlicher Fahrweisen bestritten. Die Funktionsweise der Software wird damit teilweise vom Kläger eingeräumt und bestätigt in dem hierzu ergangenen Rückrufbescheid des Kraftfahrtbundesamtes, der dem Senat bekannt ist und der im Wortlaut auszugsweise im Urteil des Senats vom 18.10.2021, Az.: 2504/21, wiedergegeben worden ist, worauf Bezug genommen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 18.05.2021, Az.: VI ZR 486/20, Rdnr. 10, und vom 14.09.2021, Az.: VI ZR 491/20, Rdnr. 10).
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b) Unter diesen Umständen wäre der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber der Beklagten nur dann gerechtfertigt, wenn zu dem Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der „Restreichweitenfunktion“ in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt. Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung, wie oben bereits ausgeführt, nach allgemeinen Grundsätzen die Klagepartei als Anspruchsteller.
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Konkrete Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass die Beklagte in Bezug auf die „Restreichweitenfunktion“ in dem Bewusstsein der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung handelte, hat die Klagepartei indes nicht dargetan und sind auch sonst nicht ersichtlich. Soweit die Klagepartei auf ein allgemeines Verheimlichen durch die Beklagte im Genehmigungsverfahren abstellt, überzeugt dies nicht. Denn schon aus dem Rückrufbescheid zur „Restreichweitenfunktion“ ergibt sich, dass auch das Kraftfahrtbundesamt als zuständige Genehmigungsbehörde die Rechtslage als nicht zweifelsfrei eingestuft hat (dort „Begründung“, 1. und 2. Absatz; vgl. BGH, Urteil vom 16.09.2021, Az.: VII ZR 190/20, Rdnr. 30). Bei einer zweifelhaften Rechtslage besteht aber kein Indiz für ein manipulatives Verheimlichen zum Erschleichen der Typgenehmigung.
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2. Eine Haftung nach §§ 826, 31 BGB ist auch hinsichtlich der Behauptung weiterer unzulässiger Abschalteinrichtungen zu verneinen. Der Vortrag der Klagepartei ist unzureichend und von der Beklagten substantiiert bestritten.
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Nach allgemeinen Grundsätzen trägt derjenige, der einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. In bestimmten Fällen ist es aber Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern. Dabei hängen die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden zunächst davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner – hier die Klagepartei – vorgetragen hat. In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Klägers das einfache Bestreiten des Beklagten. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist. Eine sekundäre Darlegungslast trifft den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 35 ff. m.w.N.).
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Voraussetzung ist stets ein schlüssiger und erheblicher Sachvortrag der zunächst darlegungs- und beweisbelasteten Klagepartei. Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten. Weiter ist es einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -nachbehandlung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann. Zur hinreichenden Substantiierung ist nicht erforderlich, dass der Beweisführer sich auch darüber äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in die Sachkenntnis eines Sachverständigen gestellten Behauptung habe. Gleichwohl bleiben greifbare Anhaltspunkte – über die bloße pauschale Behauptung hinaus – erforderlich für das behauptete sittenwidrige Verhalten der Beklagten. Unbeachtlich ist der auf Vermutung gestützte Sachvortrag einer Partei erst dann, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sie zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber „aufs Geratewohl“, gleichsam „ins Blaue hinein“ aufgestellt sind und sich damit als rechtsmissbräuchlich darstellen. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten. Entscheidend ist damit, ob die Klagepartei ausreichend greifbare Anhaltspunkte zur Begründung ihres Vorwurfs objektiv sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten im Zusammenhang mit dem Emissionsverhalten ihres Fahrzeugs vorbringt (BGH, Beschluss vom 28.01.2020, Az.: VIII ZR 57/19, Rdnr. 7 ff. m.w.N., BGH, Urteil vom 13.07.2021, Az.: VI ZR 128/20, Rdnr. 20 ff., vom 16.09.2021, Az.: VII ZR 190/20, Rdnr. 21 ff., vom 16.09.2021, Az. VII ZR 322/20, Rdnr. 16). Daran fehlt es hier.
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a) Die Behauptung des Klägers, sein Fahrzeug sei ein Vorerfüller und ebenfalls von dem Rückruf des KBA wegen vier verschiedener Strategien (A-D) betroffen, erfolgt ersichtlich ins Blaue hinein. Der Hinweis auf die auch beim streitgegenständlichen Fahrzeug vorliegende Typvariante 4 G verfängt nicht, da diese bei mehreren Rückrufen gegeben ist, vgl. die vom Kraftfahrtbundesamt veröffentlichte, über dessen Homepage allgemein zugängliche Übersicht zu Rückrufen (Stand 13.01.2022, abrufbar unter https://www.kba.de/DE/Themen/Marktueberwachung/Abgasthematik/uebersicht2_p.pdf? blob= publicationFile& v=3), die der Senat als offenkundig im Sinne von § 291 ZPO bewertet.
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Maßgebliches Unterscheidungskriterium für den Rückruf bleibt vielmehr der Motorkennbuchstabe, hier CRT. Der im Schriftsatz vom 21.01.2022 auf Seite 16 einkopierte Auszug aus der Rückrufdatenbank betrifft zwar auch das hier vorliegende Baujahr 2014 und das streitgegenständliche Modell …, der Rückruf mit der Nr. 7130 weist aber lediglich eine Konformitätsabweichung als Beanstandung auf, was als Indiz für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht ausreichend ist. Zudem betrifft der Rückruf Fahrzeuge der Euro-Schadstoffnorm 5, während das vorliegende Fahrzeug der Euro-Schadstoffnorm 6 unterfällt. Aus dem Rückruf bei anderen Fahrzeugen kann aber nicht geschlossen werden, dass generell Fahrzeuge der Beklagten mit dem Baujahr 2014 und dem streitgegenständlichen Modell von Beanstandungen des KBA betroffen sind. Der in dem genannten Schriftsatz der Klagepartei weiter auf Seite 18 einkopierte Auszug aus der Rückrufdatenbank des KBA ist gerichtsbekannt überholt. Die Beanstandung lautet nur noch auf Konformitätsabweichung und betrifft ebenfalls Fahrzeuge mit der Euro-Schadstoffnorm 5.
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Die weiteren Rückrufe des Kraftfahrtbundesamtes zum Modell … der Beklagten, veröffentlicht in der Rückrufdatenbank des KBA (siehe oben), betreffen Fahrzeuge mit anderer Leistung und abweichendem Motorkennbuchstaben. Die Beklagte hat die Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs von sonstigen Abschalteinrichtungen, u.a. der Aufheizstrategie, explizit bestritten, greifbare Anhaltspunkte für die Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs von den Strategien A bis D hat der Kläger nicht aufgezeigt und sind auch nicht ersichtlich. Vielmehr ist unstreitig, dass das Kraftfahrtbundesamt das erforderliche Softwareupdate in Bezug auf die aktive Restreichweiten-Warnung freigegeben hat, Anlage B 5 und darin festgestellt wird, dass keine unzulässigen Abschalteinrichtungen vorliegen.
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b) Ansprüche der Klagepartei ergeben sich auch nicht wegen einer behaupteten Getriebemanipulation.
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Die neuen Ausführungen der Klagepartei zur Umschaltung des Getriebes zwischen Warmlaufprogramm und Dynamischem Schaltprogramm im Schriftsatz vom 21.01.2022 führen unabhängig von der Frage der Verspätung ebenfalls nicht zu hinreichenden Anhaltspunkten für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Die bloße Umschaltung zwischen verschiedenen Programmen als solches ist nicht verboten und kann – wie die Beklagte vorträgt – zur Sicherstellung der Reproduzierbarkeit der Messergebnisse veranlasst sein. Auch eine Fahrkurvenerkennung stellt per se keinen Rechtsverstoß dar. Entscheidend ist, was die beanstandete Technologie bewirkt. Dass damit in sittenwidriger Weise auf die Emissionswerte eingewirkt werden sollte, ergibt sich nicht aus den vorgelegten konzerninternen Unterlagen der VW-AG. Auch wenn es dort heißt, dass Wechselbeziehungen zwischen der Schaltpunktsteuerung und Emissionen bestehen, ist dies kein Beleg für eine Manipulation. Im Gegenteil wird ausgeführt, dass die Unterschiede gering seien und auch nach einer Ausbedatung die Grenzwerte im NEFZ eingehalten würden. Im Übrigen fehlt es an der Darlegung eines Schädigungs- und Täuschungsvorsatzes bei Mitarbeitern der Beklagten. Die Programmierung der Getriebesteuerung allein begründet keinen derartigen Vorsatz, zumal es keine rechtlichen Vorgaben für die Schaltpunkte beim Automatikgetriebe im NEFZ gab.
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Vorgaben gab es allein für die Schaltpunkte beim Handschaltgetriebe. Die Programmierung der Getriebesteuerung ist auch nicht per se sittenwidrig. Für die Annahme eines Schädigungs- und Täuschungsvorsatzes ist erst dann Raum, wenn die Typgenehmigung unter Verschleierung der Rechtsverstöße und somit in bewusster Täuschung der Behörde erwirkt wurde und wenn damit zugleich zumindest in Kauf genommen worden ist, eine Gefahr für den Bestand der solchermaßen erlangten Typgenehmigung und damit letztlich auch für die Fahrzeug-Zulassung zu begründen. Das lässt sich hier nicht feststellen. Das KBA hat die angeblich prüfstandspezifische Getriebesteuerung bislang nicht gerügt. Zwar mag es nicht Sache des KBA sein, zu entscheiden, was eine unzulässige Abschalteinrichtung ist. Wenn aber die zuständige Behörde eine technische Konfiguration für zulässig erachtet, ist für eine Sittenwidrigkeit kein Raum. Ferner ist auch nicht erkennbar, dass eine Programmierung des Getriebes, die bei Erkennung eines bestimmten Testzyklus eine – nach Behauptung der Klagepartei – emissionsmindernde Wahl der Schaltzeitpunkte vornimmt, von der Beklagten bzw. Mitarbeitern bereits im Zeitraum 2014 zwingend als Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der VO (EG) 715/2007 aufzufassen war. Hier ist schon zweifelhaft, ob die Programmierung der Schaltpunkte den Zweck hat „die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren“. Zudem erscheint hier – anders als bei der sog. Umschaltlogik des Motors EA 189 – ein Entzug der Betriebserlaubnis fernliegend, da bei einer Beanstandung durch das KBA eine Neuprogrammierung der Getriebeschaltpunkte zu erwarten ist. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des OLG Hamm, Urteil vom 28.01.2021, Az. 18 U 21/20.
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Eine Pflicht zur genauen Beschreibung der Emissionsstrategien wurde im Übrigen erst mit der Verordnung (EU) 2016/646 der Kommission vom 20.04.2016 (ABl. L vom 26.04.2016, 1 ff.) eingeführt.
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Zudem ist auch insofern der Erklärungsinhalt der Freigabebestätigung zu berücksichtigen; auf die vorstehenden Ausführungen wird Bezug genommen.
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c) Auch der Vortrag zu angeblich von diversen Fahrzeugherstellern beschlossenen Strategie, AdBlue Tanks möglichst klein zu halten, stellt kein Indiz für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung dar. Dass allein dadurch eine unzulässige Verringerung der Eindüsung des Reagens vorgenommen wurde, trägt die Klagepartei schon nicht konkret vor und ist auch nicht ersichtlich. Ein kleiner AdBlue Tank führt allein dazu, dass häufiger Harnstoff dem Fahrzeug zugeführt werden muss.
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3. Eine Haftung nach §§ 826, 31 BGB wegen der Verwendung des Thermofensters ist ebenfalls zu verneinen.
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Wie in Bezug auf die „Restreichweitenfunktion“ kann zugunsten der Klagepartei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG handelt. Aber auch bei dem Thermofenster handelt es sich gerade nicht um eine – evident unzulässige, auf der Basis einer strategischen Grundentscheidung eingesetzte und von vornherein durch Arglist geprägte – Abschalteinrichtung wie sie in Form der sogenannten „Umschaltlogik“ beim Motor EA 189 der … AG zum Einsatz kam. Anders als die „Umschaltlogik“ unterscheidet die temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet, sondern arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise. Unter diesen Umständen wäre der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber der Beklagten nur gerechtfertigt, wenn wie bei der „Restreichweitenfunktion“ weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen, wofür die Klagepartei die Darlegungs- und Beweislast trägt.
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Konkrete Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass die Beklagte in Bezug auf das Thermofenster in dem Bewusstsein der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung handelte, hat die Klagepartei indes nicht dargetan und sind auch sonst nicht ersichtlich. Den Behauptungen zum Umfang des Thermofensters kommt vorliegend kein Indizcharakter zu (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.2021, Az.: VII ZR 190/20, Rdnr. 24, Beschluss vom 15.09.2021, Az.: VII ZR 2/21, Rdnr. 15) . Die Rechtslage zu Thermofenstern war gerade nicht eindeutig – vielmehr bedurfte es einer Befassung des EuGH – und ihr Einsatz wurde vom Kraftfahrtbundesamt als zuständiger Genehmigungsbehörde nicht als generell unzulässig eingestuft. Dies ergibt sich bereits aus dem Bericht der „Untersuchungskommission …“, Stand April 2016 (Bl. 143 d.A.). Die Interpretation der Beklagten das Thermofenster als zulässige Abschalteinrichtung zu bewerten, wurde von offizieller Seite gebilligt und war damit jedenfalls nicht unvertretbar. Insoweit wird Bezug genommen auf BGH, Urteil vom 16.09.2021, Az.: VII ZR 190/20, Rdnr. 29 ff., Beschluss vom 15.09.2021, VII ZR 2/21, Rdnr. 20 f., vom 29.09.2021, Az.: VII ZR 72/21, Rdnr. 26. Die Beklagte hat zudem ausgeführt, dass dem Kraftfahrtbundesamt zum Zeitpunkt der Erteilung der Typengenehmigung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp der Einsatz des Thermofensters bekannt gewesen sei und dass die gemachten Angaben den rechtlichen Vorgaben entsprochen hätten. Bei zweifelhafter Rechtslage besteht kein Indiz für das von der Klagepartei damit „ins Blaue“ behauptete allgemeine Verheimlichen zum Erschleichen der Typgenehmigung, zumal die Klagepartei insoweit lediglich auf ein allgemein illegales Verhalten der Beklagten abstellt.
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Zudem ist auch hier wieder der Erklärungsinhalt der Freigabebestätigung zu berücksichtigen; auf die vorstehenden Ausführungen wird Bezug genommen.
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5. Nachdem eine Haftung der Beklagten nicht gegeben ist, kommt es auf Fragen im Zusammenhang mit dem Schaden (verbrieftes Rückgaberecht) nicht mehr.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die maßgeblichen Rechtsfragen zur Haftung in der Folge des Dieselabgasskandals, insbesondere im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit und in Bezug auf die Verwendung von „Thermofenstern“ wie auch die Substantiierungsanforderungen sind mittlerweile höchstrichterlich geklärt (deutlich: BGH, Beschluss vom 29.09.2021, Az.: VII ZR 223/20, Rdnr. 8, vom 15.09.2021, VII ZR 2/21, Rdnr. 4, 24) . Es ist Aufgabe der Instanzgerichte, diese Rechtsgrundsätze auf den jeweils vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Divergierende Ergebnisse aufgrund der Würdigung des jeweils vorgetragenen Sachverhalts in tatsächlicher Hinsicht begründen überdies indes keine Divergenz i.S. des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 522 Abs. 2 ZPO. Von einer Divergenz in diesem Sinne ist vielmehr nur dann auszugehen, wenn den Entscheidungen sich widersprechende abstrakte Rechtssätze zugrunde liegen (BGH, Beschluss vom 09.07.2007, Az.: II ZR 95/06, Rdnr. 2)