Titel:
Keine Erstattungsfähigkeit der Kosten von einem durch den Prozessbevollmächtigten im eigenen Namen beauftragten Terminsvertreter
Normenketten:
ZPO § 91
BGB § 670, § 675
VV RVG Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2
Leitsatz:
Die Kosten von einem durch den Prozessbevollmächtigten im eigenen Namen beauftragten Terminsvertreter sind nicht erstattungsfähig (Anschluss OLG Hamm BeckRS 2019, 38868). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenerstattung, Terminsvertreter, Auftrag, gesetzliche Auslagen, Aufwendung
Vorinstanz:
AG Würzburg, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 02.03.2022 – 16 C 388/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 26.03.2024 – VI ZB 58/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 56634
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 02.03.2022, Az. 16 C 388/21, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 238,00 € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1
Gegenstand des Rechtsstreits 16 C 388/21 vor dem Amtsgericht Würzburg war eine Klage wegen Schadensersatz, nach einem Verkehrsunfall. Im Termin vom 07.07.2021 trat für die Beklagtenvertreter, eine Rechtsanwaltskanzlei aus … eine ortsansässige Rechtsanwältin auf, die eine auf dem Briefkopf der Beklagtenvertreter erstellte und von diesen unterzeichnete Terminsvollmacht (BI. 74 d. A.) mit folgendem Inhalt vorlegte:
„S. den 2. Juli 2021
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TERMINSVOLLMACHT
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In dem Rechtsstreit
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(…)
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erteilen wir
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Frau Rechtsanwältin …
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für den Verhandlungstermin am 07.07.2021, um 10:00 Uhr, Saal B 101, vor dem Amtsgericht Würzburg
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Terminsvollmacht.“
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2
Mit Schriftsatz vom 05.01.2022 nahmen die Klägervertreter nach Eingang eines schriftlichen Sachverständigengutachtens die Klage zurück (BI. 132 d. A.). Der Beklagte stimmte der Rücknahme zu (BI. 143 d. A.).
3
Durch Beschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 27.01.2022 (BI. 137 ff. d. A.) wurde ausgesprochen, dass der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Gleichzeitig wurde der Streitwert auf 1.402,76 € festgesetzt.
4
Am 18.02.2022 reichten die Beklagtenvertreter unter Korrektur eines zuvor gestellten Antrages einen Kostenfestsetzungsantrag über 639,63 € ein (BI. 148, 149 d. A.), der sich wie folgt zusammensetzt:
1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG
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165,10 €
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1,2 Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG
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152,40 €
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Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG
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20,00 €
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Auslagen Vorb. 7 1 1 VV RVG iVm §§ 670, 675 BGB
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gem. beigefürter Rechnung
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200,00 €
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Nettobetrag
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537,50 €
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19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG
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102.13 €
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Gesamtbetrag
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639,63 €
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Dem Kostenfestsetzungsantrag beigefügt war eine Kostenrechnung der Terminsvertreterin (BI. 150 d. A.), die an die Beklagtenvertreter gerichtet war und eine „Pauschale für Terminsvertretung“ in Höhe von 200,00 € zzgl. 19 % Mehrwertsteuer enthält.
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Zur Begründung des Kostenfestsetzungsantrags wird ausgeführt: „Mit der Wahrnehmung des Termins haben wir einen Unterbevollmächtigten beauftragt.“ Ferner tragen die Beklagtenvertreter vor, es handle sich, wenn der Hauptbevollmächtigte einen Terminsvertreter in eigenem Namen beauftrage, um Auslagen des Hauptbevollmächtigten nach Vorb. 7 I 1 VV RVG iVm §§ 670, 675 BGB. Diese Auslagen seien auch erstattungsfähig. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Kostenfestsetzungsantrag vom 18.02.2022 verwiesen.
7
Durch Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 02.03.2022 (BI. 155 ff. d. A.) wurden die von der Klagepartei an die Beklagtenpartei zu erstattenden Kosten auf 401,63 € nebst Zinsen festgesetzt. Die im Kostenfestsetzungsantrag enthaltenen Auslagen für die Terminsvertreterin wurden nicht berücksichtigt. Zur Begründung führt das Amtsgericht aus, die Gebühren und Auslagen für die Terminsvertreterin seien nur festsetzungsfähig, wenn diese von der Partei selbst oder durch den Prozessbevollmächtigten im fremden Namen beauftragt werde, nicht aber, wenn der Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen den Auftrag zur Terminsvertretung erteilt. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Gründe des Kostenfestsetzungsbeschlusses Bezug genommen.
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Gegen diesen den Beklagtenvertretern am 07.03.2022 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss legten diese mit Schriftsatz vom 21.03.2022 (BI. 159 ff. d. A.), bei Gericht eingegangen am gleichen Tage, sofortige Beschwerde ein. Die Beklagtenvertreter hätten vermieden, zu Lasten der eigenen Partei und zu Lasten des Prozessgegners höhere Kosten zu verursachen, da ansonsten Reisekosten der Beklagtenvertreter in Höhe von 380,70 € angefallen wären. Im Übrigen verweist die Beschwerde auf eine Entscheidung des saarländischen Oberlandesgerichts vom 7. März 2022, Az. 4 W 24/21. Wegen der weiteren Begründung der sofortigen Beschwerde wird auf den Schriftsatz vom 21.03.2022 Bezug genommen.
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Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 07.04.2022 (BI. 179 d. A.) nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht Würzburg als zuständigem Beschwerdegericht vorgelegt.
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Durch Beschluss vom 19.07.2022 hat der Einzelrichter das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache der Kammer übertragen.
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Die zulässige sofortige Beschwerde erweist sich in der Sache als unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht die Kosten der Terminsvertreterin nicht festgesetzt.
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1. Unterbevollmächtigter und Terminsvertreter werden nach dem RVG gleichbehandelt. In der Festsetzung ist für den Gebührenanfall vorab zu klären, ob der Prozessbevollmächtigte selbst oder seine Partei den Unterbevollmächtigten/Terminsvertreter beauftragt hat (Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage, § 91, Rn. 13.102).
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Vorliegend haben die Beklagtenvertreter die Terminsvertreterin im eigenen Namen selbst beauftragt. Dies ergibt sich aus der Vollmacht selbst, die von den Beklagtenvertretern stammt und unterzeichnet ist, ferner aus der Rechnung der Terminsvertreterin, welche an die Beklagtenvertreter, nicht etwa an die Partei gerichtet ist: Auch im Kostenfestsetzungsantrag vom 18.02.2022 wird vorgetragen, die Beklagtenvertreter („wir“) hätten die Unterbevollmächtigte beauftragt. Gleichzeitig wird ausgeführt, dass auch dann eine Erstattungspflicht bestehe. Soweit in der Beschwerdeschrift vorgebracht wird, es bestehe die Einwilligung bzw. das Einverständnis der Partei, einen Terminsvetreter zu beauftragen, ändert dies nichts an der Tatsache, dass die Beklagtenvertreter selbst Vollmacht erteilen wollten und erteilt haben.
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2. a) Beauftragt der Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen den Terminsvertreter, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten, ob dessen Kosten erstattungsfähig sind.
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Während das Saarländische Oberlandesgericht (vgl. Beschluss vom 07.03.2022, 4 W 24/21 m. w. N.) die Beauftragung des Terminsvertreters durch den Prozessbevollmächtigten und die durch die Partei gleich behandelt, erachtet das Oberlandesgericht Hamm (vgl. Beschluss vom 15.10.2019, 25 W 242/19 m. w. N.) im hier vorliegenden Fall der Beauftragung durch den Prozessbevollmächtigten die Kosten des Terminsvertreters als nicht erstattungsfähig.
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b) Die Kammer tritt der letztgenannten Ansicht bei. Das Oberlandesgericht Hamm hat in dem o. g. Beschluss Folgendes ausgeführt:
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aa) Die Kostenerstattungspflicht des Gegners bestimmt sich nach §91 Abs. 1 S. 1 ZPO, wonach die der berechtigten Partei erwachsenen Kosten im Umfang ihrer Notwendigkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu erstatten sind. Hierzu gehören gemäß §91 Abs. 2 S. 1 ZPO die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts.
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bb) Bereits nach der gesetzlichen Regelung ist es danach ausgeschlossen, den Prozessgegner mit einer allein aufgrund Vereinbarung mit dem Mandanten weiterberechneten Vergütung für den Terminsvertreter zu belasten (vgl. auch Hansens RVGreport 2012, 248, 249). Anderenfalls bestünde zudem das Risiko, dass auf diesem Wege die Regelung des § 49b Abs. 1 BRAO umgangen würde (vgl. auch Jungbauer, in: Bischpf/Jungbauer Nr. 3401 VV RVG Rn. 63). Nach dieser Vorschrift darf der Rechtsanwalt grundsätzlich keine geringeren Gebühren und Auslagen als nach dem RVG vereinbaren. Diese Bestimmung gilt nicht im Verhältnis zwischen Anwälten (BGH, Urteil vom 29.06.2000, I ZR 122/98, NJW 2001, 753; Urteil vom 01.06.2006, I ZR 268/03, NJW 2006, 3569; 2011), würde aber bei einer Beauftragung des Terminsvertreters durch den Mandanten eingreifen.
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cc) Eine Erstattungspflicht kommt nach Maßgabe des §91 Abs. 2 S. 1 ZPO danach allein unter dem Gesichtspunkt gesetzlicher Auslagen nach Teil 7 des Vergütungsverzeichnisses in Betracht.
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(1) Die ersatzfähigen Auslagen des Anwalts sind nicht auf den Katalog der Nrn. 7000 ff. RVG beschränkt. Soweit besondere Geschäftskosten in diesen Ziffern nicht geregelt sind, kann der Rechtsanwalt sie gemäß Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG ersetzt verlangen, sofern es sich um Aufwendungen i.S.v. § 675 i.V.m. § 670 BGB handelt. Darunter fallen alle nicht zu den allgemeinen Geschäftskosten zählenden, notwendigen und nützlichen Auslagen, die der Rechtsanwalt im Interesse der Erfüllung des Auftrags auf Wunsch oder im Interesse des Auftraggebers gemacht hat (Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt Vorbem. 7 VV RVG Rn. 13). Hierzu zählen beispielsweise Übersetzungs- und Detektivkosten, verauslagte Gerichts- bzw. Gerichtsvollzieherkosten sowie Kosten für Registerauszüge (vgl. i. E. Müller-Rabe a. a. O. Rn. 23 m. w. N.). Derartige Aufwendungen sind auch grundsätzlich im Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähig, wobei wie sonst einschränkend das Erfordernis der Notwendigkeit der Kosten i.S.v. § 91 ZPO besteht (Müller-Rabe a. a. O. Rn. 26).
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(2) Die Vergütung des Terminsvertreters stellt keine Aufwendung i.S.v. § 675 i.V.m. § 670 BGB dar.
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Zwar betrifft sie die Wahrnehmung eines Gerichtstermins, die ohne weiteres im Interesse des Mandanten liegt. Im Unterschied zu den sonstigen Fällen, die unter Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG erfasst werden, fällt aber die Vertretung des Mandanten vor Gericht in den Kreis der originären Tätigkeiten des Rechtsanwalts, für dessen Erfüllung er Sorge tragen und folglich auch für die damit verbundenen Kosten aufkommen muss.
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Durch den Anwaltsvertrag wird der Anwalt grundsätzlich persönlich ohne Möglichkeit der Delegation verpflichtet, §§ 675 Abs. 1, 613 S. 1 BGB. Zu den höchstpersönlich wahrzu nehmenden Pflichten gehört die Wahrnehmung von Verhandlungsterminen für den Mandanten (Vill, in: Zugehör u. a., Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl. 2015, § 2 Rn. 384; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, 5. Aufl. 2014, § 38 Rn. 74). Soweit im Bereich höchstpersönlicher anwaltlicher Pflichten die Erteilung einer Untervollmacht zulässig ist, bedarf es für eine wirksame Delegation einer Beteiligung des Mandanten, entweder indem er den Unterbevollmächtigten persönlich beauftragt oder durch Erteilung des Auftrags seitens des Prozessbevollmächtigten im Namen und mit Vollmacht des Mandanten (Rinkler, in: Zugehör u. a. § 1 Rn. 286, 288). Es kommt dann ein entsprechender Vertrag zwischen dem Mandanten und dem Unterbevollmächtigten zustande (Rinkler a. a. O. § 1 Rn. 292). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, z. B. bei einer Auftragserteilung durch den Hauptbevollmächtigten im eigenen Namen, bestehen die vertraglichen Beziehungen nur zwischen den beiden Rechtsanwälten (Rinkler a. a. O. § 1 Rn. 299). Auf diesem Weg kann der Rechtsanwalt also eigene Pflichten aus dem Anwaltsvertrag mit dem Mandanten nicht an Dritte delegieren. Er allein bleibt persönlich aus dem Anwaltsvertrag verpflichtet und muss für die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten Sorge tragen. Damit geht einher, dass er finanziellen Aufwand, der mit der Vertragserfüllung verbunden ist, auf eigene Rechnung zu bestreiten hat. Demnach ist die Vergütung eines von ihm beauftragten Terminsvertreters von ihm zu tragen und kann nicht dem Mandanten in Rechnung gestellt werden.
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(3) Richtig ist, dass der Prozessgegner durch diese Sichtweise möglicherweise kostenmäßig besser gestellt wird, als wenn der Prozessbevollmächtigte den Termin in eigener Person wahrnimmt oder die Partei bzw. ihr Prozessbevollmächtigter im Namen der Partei einen Terminsvertreter beauftragt, der dann eine Vergütung auf der Grundlage von Nrn. 3401, 3402 VV RVG beanspruchen kann, die wiederum im Grundsatz i.H. der fiktiven Reisekosten des Anwalts erstattungsfähig ist. Dies ist jedoch lediglich ein Reflex der bestehenden Rechtslage, der allein keinen gesetzlich nicht gegebenen Erstattungsanspruch zu begründen vermag.
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Diese Ausführungen überzeugen die Kammer, die sich daher der Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm anschließt. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss erweist sich daher als zutreffend; die sofortige Beschwerde war somit als unbegründet zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren auf § 3 ZPO.
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Angesichts der genannten divergierenden obergerichtlichen Rechtsprechung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Rechtsbeschwerde zuzulassen, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.