Titel:
Vorläufige Vollstreckbarkeit, Nutzungsentschädigung, Klagepartei, Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten, Rechtshängigkeit, Kosten des Berufungsverfahrens, Kostenentscheidung, Basiszinssatz, Zug-um-Zug, Abänderung, Zurückweisung der Berufung, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Abschalteinrichtung, Feststellung des Annahmeverzugs, Hinweisbeschluss, Klageabweisung, Übereignung, Beweisangebote, Landgerichte
Schlagworte:
Schadensersatz, Abschalteinrichtung, Klagepartei, Berufung, Vorstand, Beweisangebot, Rückruf
Vorinstanzen:
OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 04.02.2022 – 3 U 328/21
LG Hof, Urteil vom 03.08.2021 – 11 O 43/21
LG Hof, Urteil vom 03.08.2021 – 11 O 43/21
Rechtsmittelinstanzen:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 16.10.2023 – VIa ZR 446/22
OLG Bamberg, Urteil vom 20.03.2024 – 3 U 328/21
Fundstelle:
BeckRS 2022, 56471
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 03.08.2021, Aktenzeichen 11 O 43/21, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Hof ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.082,62 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Klagepartei nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.
2
1. Die Klagepartei erwarb am 05.04.2016 von einem nicht am Rechtsstreit beteiligten Autohaus ein Gebrauchtfahrzeug der Marke …, Typ … zum Kaufpreis von 26.500,00 € (Anlage K 1). Zum Zeitpunkt des Kaufs betrug der Kilometerstand des Fahrzeugs 59.500 km, zum 03.08.2021 betrug er 93.258 km. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs OM 651 Euro 5 ausgestattet. Das Fahrzeug ist nicht von einem Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt betroffen.
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2. Die Klagepartei hat in erster Instanz vorgetragen, in dem von ihr erworbenen Fahrzeug kämen mit Wissen und Wollen des Vorstands der Beklagten mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen zum Einsatz (Thermofenster, Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung,
Slipguard, Bit 13, Bit 14, Bit 15, Aufwärmstrategie, Wechsel der Motorsteuerung nach 1200 Sekunden, Getriebemanipulation), außerdem sei das On-Board-Diagnosesystem manipuliert. Auf dieser Grundlage hat die Klagepartei in erster Instanz zuletzt beantragt,
- 1.
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Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs … mit der FIN … an die Klagepartei 26.500,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.01.2020 abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 2.417,38 € zu zahlen.
- 2.
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Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Klageantrag Ziffer 1. bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
- 3.
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Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei die von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ihres Rechtsanwaltes A. in Höhe von 1.711,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
- 3.
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Die Beklagte ist dem Vortrag der Klagepartei in erster Instanz entgegengetreten und hat Klageabweisung beantragt.
- 4.
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Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 03.08.2021 abgewiesen.
4
Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz im Übrigen wird Bezug genommen auf die Feststellungen im angegriffenen Ersturteil (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
5
5. Gegen das vorgenannte Endurteil wendet sich die zulässige Berufung der Klagepartei, mit der sie ihre Sachanträge – mit Ausnahme des Antrags auf Feststellung des Annahmeverzugs – weiterverfolgt. Sie trägt im Wesentlichen vor:
6
Das Landgericht habe die neueste aktuelle Rechtsprechung des BGH verkannt bzw. nicht beachtet (Urteil vom 13.07.2021, VI ZR 128/20; Urteil vom 04.05.2021, VI ZR 81/20) und daher die Anforderungen an ein substantiiertes Vorbringen überspannt. Zudem habe das Landgericht das „in der Klage (dort unter G)“ enthaltene Beweisangebot auf Vernehmung von „Personen aus dem Vorstand der Beklagten und der … GmbH“ zum subjektiven Tatbestand übergangen.
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Die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung sowie „die weiteren 5 unzulässigen Abschalteinrichtungen“ seien in der Klage detailliert beschrieben und mit Beweisangeboten versehen.
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Die Klagepartei beantragt,
- 1.
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Unter Abänderung des am 03.08.2021 verkündeten Urteils des LG Hof, Az.: 11 O 43/21 die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges … mit der Fahrgestellnummer … an die Klagepartei 26.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 11.01.2020 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 2.417,38 Euro zu zahlen.
- 2.
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Unter Abänderung des am 03.08.2021 verkündeten Urteils des LG Hof, Az.: 11 O 43/21 die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Rechtsanwaltes A. in Höhe von 1.711,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
- 6.
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Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil unter ausführlicher Darlegung der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Sie beantragt die Zurückweisung der Berufung.
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Wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen.
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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 03.08.2021, Aktenzeichen 11 O 43/21, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats vom 04.02.2022 Bezug genommen. Die Ausführungen des Klägers in der Stellungnahme vom 25.02.2022 zu dem Hinweisbeschluss des Senats, die der Senat zur Kenntnis genommen und erwogen hat, geben auch nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung. Insoweit sind nur die nachfolgenden ergänzenden Anmerkungen veranlasst:
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1. Die der Klagepartei eingeräumte Frist zur Stellungnahme gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO ermöglicht nicht eine Art „zweite Berufungsbegründung“. Soweit in der Stellungnahme vom 25.02.2022 somit im Berufungsverfahren neue Angriffs- und Verteidigungsmittel enthalten sind, sind diese deshalb gemäß §§ 530, 296 Abs. 1 ZPO zwingend zurückzuweisen (OLG München, Beschluss vom 08. April 2021 – 8 U 4122/20 –, Rn. 6, juris).
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2. Zudem will die Klagepartei von den „neuen Tatsachen“ aufgrund eines Artikels in der Zeitschrift … vom 06.11.2021 erfahren haben. Sollte dies tatsächlich der Fall gewesen sein, wäre ihr ein Vortrag dieser Tatsachen innerhalb der Berufungsbegründungsfrist, die bis zum 01.12.2021 verlängert worden war, möglich und zumutbar gewesen. Weshalb dieser Vortrag nicht bereits in der Berufungsbegründung gehalten wurde, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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3. Schließlich würde selbst die Zulassung des neuen Vortrags der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Das als Anlage K 4 vorlegte Gutachten bezieht sich auf ein Fahrzeug des Typs E 350 BlueTec, das mit einem Dieselmotor des Typs OM 642 ausgestattet ist (Seite 5 des Gutachtens). Damit liegt weder ein vergleichbarer Fahrzeug- noch ein vergleichbarer Motortyp vor, sodass die Feststellungen des Gutachtens nicht auf den Streitfall übertragen werden können.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.