Titel:
Androhung der Zwangsvollstreckung, Kostenfestsetzung, Sofortige Beschwerde, Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung, Gläubigervertreter, Rechtspflegererinnerung, Kosten der Zwangsvollstreckung, Vollstreckungsgebühr, Gerichtsgebührenfreiheit, Kosten des Erinnerungsverfahrens, Vollstreckbare Ausfertigung, Erstattungsfähige, Sofortige Erinnerung, Kostenentscheidung, Zwangsvollstreckungsmaßnahme, Rechtsmittel, Fristsetzung, Gegenstandswert, Vollstreckungsmaßnahmen, titulierter Anspruch
Schlagworte:
Kostenfestsetzung, Vollstreckungsandrohung, Erstattungsfähigkeit, Vollstreckungsgebühr, Fristsetzung, Treu und Glaube, Erinnerung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 56418
Tenor
1. Die Erinnerung des Gläubigers … vom 12.07.2022 wird zurückgewiesen.
2. Der Gegenstandswert wird auf 119,10 € festgesetzt.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die Gläubiger trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.
Gründe
1
Der Gläubigervertreter beantragte am 30.03.2022, eingegangen am 04.04.2022, die Kostenfestsetzung für vorangegangene Vollstreckungsmaßnahmen gem. §§ 788 Abs. 2, 103 Abs. 2, 104 ZPO in Höhe von 119,10 EUR.
2
Zur Begründung führte der Gläubigervertreter aus, dass er dem Schuldner am 18.03.2022 die Zwangsvollstreckung aus dem Endurteil des AG Augsburg vom 19.01.2022 (21 C 1136/21) androhte.
3
Auf die Androhung habe der Schuldner am 25.03.2022 die Hauptforderung bezahlt, nicht jedoch die Kosten der Vollstreckungsandrohung.
4
Der Gläubiger persönlich faxte dem Schuldnervertreter am 17.03.2022 um 23:31 Uhr ein Schreiben. In diesem Schreiben forderte der Gläubiger den Schuldner auf, dass es „zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung“ angebracht wäre, „alsbaldig eine Zahlung zu leisten“.
5
Der Schuldnerverteter ist der Auffassung, dass die Vollstreckungsandrohung vom 18.03.2022 nicht erstattungsfähig sei, weil diese Androhung aufgrund des persönlichen Schreibens des Gläubigers vom 17.03.2022 nicht mehr notwendig gewesen wäre.
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Das AG Augsburg wies durch die zuständige Rechtspflegerin mit Beschluss vom 06.07.2022, zugestellt am 07.07.2022, die Kostenfestsetzung zurück. Die Rechtspflegerin begründete ihre Entscheidung damit, dass die anwaltliche Vollstreckungsandrohung vom 18.03.2022 durch den Gläubigervertreter nicht mehr notwendig war, weil schon der Gläubiger am 17.03.2022 die Vollstreckung androhte.
7
Gegen diese Entscheidung legte der Gläubigervertreter mit Schriftsatz vom 12.07.2022, eingegangen am 21.07.2022, sofortige Beschwerde ein.
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Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt der Gläubigervertreter die Kostenfestsetzung fort.
9
Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde am 02.08.2022 nicht abgeholfen.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze verwiesen.
11
Statthaftes Rechtsmittel gegen die Versagung der Kostenfestsetzung ist vorliegend nicht die sofortige Beschwerde, sondern die sofortige Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG, da die sofortige Beschwerde wegen § 567 Abs. 2 ZPO unzulässig ist.
12
Die unzulässige sofortige Beschwerde ist daher in eine zulässige sofortige Erinnerung umzudeuten.
13
Die sofortige Erinnerung ist fristgerecht erhoben, in der Sache jedoch unbegründet.
14
Die anwaltliche Vollstreckungsandrohung vom 18.03.2022 war (noch) nicht notwendig im Sinne des § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
15
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehören zu den Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.d. § 788 Abs. 1 ZPO alle Aufwendungen, die gemacht werden, um unmittelbar die Vollstreckung aus dem Titel vorzubereiten oder die einzelnen Vollstreckungsakte durchzuführen (BGH, Beschluss vom 5. Juni 2014 – VII ZB 21/12 –, Rn. 8, juris).
16
Notwendig sind diese Kosten, wenn sie für eine Maßnahme angefallen sind, die der Gläubiger zum Zeitpunkt ihrer Vornahme bei verständiger Würdigung der Sachlage zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs objektiv für erforderlich halten durfte (BGH, a.a.O.).
17
Kosten für eine anwaltliche Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung sind daher grundsätzlich erstattungsfähig.
18
Die durch eine Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung ausgelöste Vollstreckungsgebühr ist schon dann gem. §§ 788 Abs. 1 Satz 1, 91 ZPO erstattungsfähig, wenn der Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung im Besitz hat und dem Schuldner vor der anwaltlichen Zahlungsaufforderung ein den Umständen nach angemessener Zeitraum zur freiwilligen Erfüllung zur Verfügung stand.
19
Einer gesonderten Zahlungsaufforderung bedarf es grundsätzlich nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2003 – IXa ZB 146/03 –, juris).
20
Liegt allerdings bereits eine persönliche Aufforderung des Gläubigers unter Fristsetzung und unter Androhung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vor, so ist eine weitere anwaltliche Zahlungsaufforderung während der laufenden Frist nicht notwendig.
21
Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz „venire contra factum proprium“, der es dem Gläubiger untersagt ist, gegen sein eigenes Handeln zuwiderzuhandeln.
22
Der Gläubiger verstieß daher „Treu und Glaube“, wenn er den Schuldner am 17.03.2022 eine Zahlungaufforderung unter Androhung der Zwangsvollstreckung zukommen lässt und die dort gesetzte Frist „alsbaldig“ nicht abwartet, sondern am nächsten Tag ein anwaltliches Androhungsschreiben versenden lässt.
23
Dem Gläubigerverteter ist zuzustimmen, dass es der Fristsetzung nicht bedurfte. Nachdem die Fristsetzung aber erfolgt ist, so hat sich der Gläubiger daran festzuhalten.
„Alsbald“ meint „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO und somit einen Zeitraum von bis zu 14 Tagen.
24
Während dieser Zeit – insbesondere schon am Folgetag – war die weitere anwaltliche Androhung der Zwangsvollstreckung am 18.03.2022 noch nicht notwendig im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO und damit auch nicht erstattungsfähig.
25
Gegen die Entscheidung der Rechtspflegerin ist nicht zu erinnern.
26
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 11 Abs. 4 RPflG).
27
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO (analog).
28
Die Entscheidung ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar.