Inhalt

LG Bamberg, Endurteil v. 21.12.2022 – 14 O 619/22 V
Titel:

Feststellungsinteresse, Rechtswirksamkeit einer Faksimile-Unterschrift

Leitsätze:
1. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse setzt voraus, das dem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte es ernsthaft bestreitet oder er sich eines Rechts gegen den Kläger berühmt, und wenn das erstrebte Feststellungsurteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen.
2. Gibt eine Kfz-Haftpflichtversicherung dem Geschädigten gegenüber ein deklaratorisches Anerkenntnis ab, in dem sie die Haftung dem Grunde nach bestätigt, besteht das für eine Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse nicht.
3. Das mit einer Faksimile-Unterschrift von zwei Vorstandsmitgliedern versehene deklaratorische Anerkenntnis ist rechtswirksam abgegeben.
Schlagwort:
Feststellungsklage
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 03.04.2023 – 5 U 14/23 e
Fundstellen:
BeckRS 2022, 56402
LSK 2022, 56402
SVR 2024, 425

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 6.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten Ansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 12.09.2021 gegen 16:30 Uhr auf der Emil-Kemmer Straße Abschnitt 1640/Hafenstraße in B. ereignete.
2
Am 12.09.2021 gegen 16:30 Uhr fuhr der Kläger mit seinem Motorrad auf der Emil-Kemmer Straße Abschnitt 1640/Hafenstraße in B.. Dabei nahm ihm der Fahrer des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkws VW, amtliches Kennzeichen ..., die Vorfahrt, sodass der Kläger stürzte und sich verletzte. Der Kläger erlitt unter anderem eine distale Radiusflexionsfraktur rechts, eine Sprunggelenksdistorsion rechts sowie eine Handgelenksfraktur rechts.
3
Der anwaltlich vertretene Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 04.04.2022 auf, eine verjährungsunterbrechende Erklärung mit Originalunterschrift bis 20.04.2022 abzugeben mit dem Inhalt, dass mit Wirkung eines am 01.05.2022 rechtskräftigen Feststellungsurteils, auch im Namen des Versicherungsnehmers der Beklagten, im Rahmen der vereinbarten Deckungssumme die Ersatzpflicht aller materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 12.09.2021 anerkannt werden, soweit nicht ein Forderungsübergang auf Drittleistungsträger vorliegt.
4
Die Beklagte übersandte an den Kläger ein Schreiben vom 08.04.2022, welches mit einer Faksimile-Unterschrift versehen war, mit folgendem Inhalt:
„Zur Haftung dem Grunde nach stellen wir Ihre Mandantschaft bezüglich der unfallbedingten Schadensersatzansprüche so, als hätte sie heute gegen uns ein rechtskräftiges Feststellungsurteil erwirkt.
Diese Erklärung gilt im Rahmen der dem Vertrag zugrunde liegenden Deckungssumme und erfolgt bis dahin auch im Namen unseres Versicherungsnehmers.“
5
Der Kläger ist der Ansicht, dass ein Feststellungsinteresse gegeben sei, da die abgegebene Erklärung nicht die Anforderungen an ein Anerkenntnis und eine verjährungsunterbrechende Erklärung erfülle. Es handele sich bei der verjährungsunterbrechenden Erklärung um ein Schuldanerkenntnis im Sinne von § 781 BGB, weshalb gemäß § 126 BGB eine eigenhändige Namensunterschrift erforderlich sei. Die auf der Erklärung vorhandene Faksimile-Unterschrift erfülle damit nicht die Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB.
6
Der Kläger hat zunächst beantragt:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 12.09.2021 gegen 16.30 Uhr in B., Hafengebiet, Emil-Kemmer Straße Abschnitt 1640/Hafenstraße, zu erstatten.
7
Mit Schriftsatz vom 23.08.2022 wurde die Klage erweitert.
8
Der Kläger beantragt zuletzt:
1.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 12.09.2021 gegen 16.30 Uhr in B., Hafengebiet, Emil-Kemmer Straße Abschnitt 1640/Hafenstraße, zu erstatten.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 627,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
9
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
10
Die Beklagten sind der Ansicht, dass ein Feststellungsinteresse nicht bestehe, da die begehrte rechtsverbindliche Erklärung durch die Beklagte bereits außergerichtlich abgegeben worden sei und die vorhandene Faksimilie-Unterschrift hierfür ausreichend sei. Es handele sich nicht um ein konstitutives Anerkenntnis im Sinne von § 781 BGB, sondern um eine Erklärung mit dem Zweck, die Verjährung von Ansprüchen zu verhindern.
11
Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.
12
Mit Verfügung vom 27.10.2022 und mit Beschluss vom 10.11.2022 wurde der Kläger seitens des Gerichts gemäß § 139 ZPO darauf hingewiesen, dass nach vorläufiger Auffassung des Gerichts nicht vom Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses des Klägers ausgegangen werde, da mit der Erklärung der Beklagten vom 08.04.2022 (Anlage K5) sowohl ein wirksamer Verzicht im Sinne des § 202 Abs. 2 BGB als auch ein wirksames deklaratorisches Anerkenntnis vorliege.
13
Die Parteien haben mit Schriftsätzen vom 02.11.2022 (Bl. 23) und vom 07.11.2022 (Bl. 25 f.) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO erklärt.
14
Mit Beschluss vom 10.11.2022 wurde als Termin zur Einreichung von Schriftsätzen der 08.12.2022 bestimmt. Ein Termin zur Verkündung einer Entscheidung wurde bestimmt auf 21.12.2022, 13:30 Uhr.
15
Für die weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16
Die Klage ist mangels Bestehen eines Feststellungsinteresses unzulässig, worauf das Gericht den Kläger auch hingewiesen hat.
A.
17
Die Klage ist unzulässig.
18
Für den Antrag auf Feststellung des Bestehens einer Schadensersatzpflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger fehlt das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Ein solches ist gegeben, wenn dem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte es ernsthaft bestreitet oder er sich eines Rechts gegen den Kläger berühmt, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 34. Auflage, § 256 Rn. 7 m.w.N.). Eine solche Gefahr besteht für den Kläger aufgrund der abgegebenen Erklärung der Beklagten vom 08.04.2022 (Anlage K5) aber gerade nicht.
19
I. Die Beklagte hat mit dem Schreiben vom 08.04.2022 die Haftung dem Grunde nach hinsichtlich aller unfallbedingter Schadensersatzansprüche anerkannt.
20
1. Es handelt sich dabei um ein deklaratorisches Anerkenntnis. Ein solches ist gegeben, wenn die Parteien lediglich ein zwischen ihnen bestehendes Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Beziehungen dem Streit oder der Ungewissheit entziehen wollen. Im Gegensatz zu dem konstitutiven Anerkenntnis des § 781 BGB soll daher mit dem deklaratorischen Anerkenntnis keine neue Schuld begründet, sondern eine bereits bestehende Schuld lediglich bestätigt werden (vgl. Sprau in: Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 81. Auflage, § 781 Rn. 3 m.w.N.). Das deklaratorische Schuldanerkenntnis erzeugt damit keinen neuen, selbstständigen Anspruch, Anspruchsgrundlage bleibt die ursprüngliche Forderung. Dem Gläubiger wird jedoch die Rechtsverfolgung unter Umständen über eine Beweislastumkehr hinaus erleichtert (vgl. Stadler in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 18. Auflage, § 781 Rn. 18 m.w.N.).
21
So liegt der Fall hier. Der Kläger hat die Beklagte dazu aufgefordert, die Haftung dem Grunde nach anzuerkennen. Dem ist die Beklagte mit dem Schreiben vom 08.04.2022 nachgekommen. Mit dieser Erklärung sollte jedoch keine neue Schuld geschaffen oder ein Rechtsgrund für die Eintrittspflicht der Beklagten geschaffen werden. Die Beklagte war vielmehr bereits zur Erstattung der Schadensersatzansprüche gegenüber dem Kläger verpflichtet. Ziel der Erklärung war es, den Kläger vor späteren Streitigkeiten über das Vorliegen der Haftung dem Grunde nach gemäß §§ 113, 115 Abs. 1, 116 VVG, § 1 PflichtVG, §§ 7 Abs. 1, 8, 17, 18 StVG i.V.m. §§ 249 ff. BGB zu bewahren und das Verjähren dieser Ansprüche zu verhindern. Damit sollte durch die Beklagte ein deklaratorisches Anerkenntnis abgegeben werden.
22
2. Das deklaratorische Anerkenntnis wurde durch die Beklagte auch wirksam abgegeben. Insbesondere war die Faksimile-Unterschrift auf dem Schreiben vom 08.04.2022 ausreichend. Denn das deklaratorische Anerkenntnis bedarf im Gegensatz zu dem konstitutiven Anerkenntnis im Sinne des § 781 BGB keiner besonderen Form, insbesondere nicht der Schriftform (vgl. Habersack in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage, § 781 Rn. 3 m.w.N., Rn. 6; Stadler in: Jauernig, 18. Auflage, § 781 Rn. 15 ff.; BGH, Urteil vom 23.10.1984 – VI ZR 30/83).
23
3. Die durch den Kläger begehrte Feststellung könnte auch keine weiteren Wirkungen entfalten als die Wirkungen aus dem Schreiben der Beklagten vom 08.04.2022. Die Beklagte hat den Kläger zur Haftung dem Grunde nach bezüglich der unfallbedingten Schadensersatzansprüche so gestellt, als hätte der Kläger am 08.04.2022 ein rechtskräftiges Feststellungsurteil erwirkt. Diese Erklärung sollte im Rahmen der dem Vertrag zugrunde liegenden Deckungssumme und auch für den Versicherungsnehmer gelten. Auch wenn wünschenswert gewesen wäre, dass zur Konkretisierung des Schreibens die Anerkennung aller „materiellen und immateriellen Schadensersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 12.09.2021 gegen 16.30 Uhr in B., Hafengebiet, Emil-Kemmer Straße Abschnitt 1640/Hafenstraße“ aufgenommen werden, entfaltet das Schreiben die Wirkungen wie ein rechtskräftiges Feststellungsurteil. Denn die Beklagte hat die Haftung dem Grunde nach hinsichtlich „der unfallbedingten Schadensersatzansprüche“ anerkannt und gerade keine Einschränkung vorgenommen, sodass sowohl materielle als auch immaterielle Schadensersatzansprüche beinhaltet sind. Auch wenn der Unfall nicht ausdrücklich benannt ist, aus welchen sich die Schadensersatzansprüche beziehen sollen, ergibt sich aus dem Betreff des Schreibens, auf welchen Unfallhergang sich das Anerkenntnis bezieht. Insbesondere ist im Betreff die Versicherungsnummer, das Kennzeichen und der Name des Versicherungsnehmers und der Schadenstag benannt.
24
II. Soweit der Kläger mit der Klage die Abgabe einer verjährungsunterbrechenden Erklärung der Beklagten begehrt, ist eine solche durch das Schreiben der Beklagten vom 08.04.2022 ebenfalls gegeben.
25
Grundsätzlich wird ein Verjährungsverzicht für zulässig gehalten, sofern er auf die Höchstfrist der Verjährung bezogen ist. Er kann auch schon vor Eintritt der Verjährung rechtswirksam erklärt werden. Er erfolgt durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die nicht formgebunden ist und auch konkludent erfolgen kann. Sie setzt Verzichtswillen voraus. Da maßgeblich für die Auslegung der Willenserklärung die Sicht des Erklärungsempfängers ist, kommt es darauf an, ob dieser annehmen durfte, der Erklärende wisse um die eingetretene Verjährung oder rechne zumindest damit (vgl. Henrich in: BeckOK BGB, 63. Auflage, § 202 Rn. 7). Eine solche wurde durch die Beklagte mit Schreiben vom 08.04.2022 durch die Erklärung abgegeben, dass der Kläger so gestellt werde, als habe er am 08.04.2022 ein rechtskräftiges Feststellungsurteil gegen die Beklagte erwirkt. Da auch hier keine Form vorgeschrieben ist, wurde die Erklärung auch mit der Faksimile-Unterschrift auf dem Schreiben vom 08.04.2022 wirksam abgegeben.
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Die durch den Kläger begehrte Feststellung könnte damit keine weiteren Wirkungen entfalten als die Wirkungen aus dem Schreiben der Beklagten vom 08.04.2022.
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III. Mangels Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ist die Klage daher als unzulässig abzuweisen.
28
IV. Die geltend gemachte Nebenforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung, sodass dem Kläger kein Anspruch auf die im Hinblick auf die begehrte Feststellung geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zusteht.
B.
29
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
30
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.