Titel:
Kostenentscheidung, Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Schuldanerkenntnis, WEG - Beschwerde, Notwendige Auslagen, Tagessatz, Arbeitsunfähigkeit, Schuldangemessenheit, Schmerzensgeld, Freiheitsstrafe, Schleudertrauma, Hauptverhandlung, Geldstrafe, Fremdschaden, Leinenzwang, Kosten des Verfahrens, Erforderliche Feststellungen, Vorwerfbarkeit, Strafrahmen, Bundeszentralregister
Normenkette:
StGB § 142 I Nr. 1
Schlagworte:
unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, typische Gefahr im Straßenverkehr, Schmerzensgeld, Fahrlässigkeit, Schuldangemessenheit, Geldstrafe, Tagessatz
Fundstelle:
BeckRS 2022, 56400
Tenor
Die Angeklagte A… M… ist schuldig des unerlaubtes Entfernens vom Unfallort.
Die Angeklagte wird zur Geldstrafe von30 Tagessätzen zu je … € verurteilt.
Die Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen.
Entscheidungsgründe
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Die ledige Angeklagte arbeitet als Senior Business Consultant bei der Firma MA…
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Der Auszug aus dem Bundeszentralregister enthält keine Eintragung
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Die Angeklagte ging am 21.07.2021 gegen 20:00 Uhr auf dem Fußweg der Hochleite in M.. Ungeachtet des regen Radverkehrs auf dem benachbarten Radweg ließ sie ihren Hund B… von der Leine, der zusammen mit dem Hund B… ihrer Begleiterin tollte und in das Vorderrad der mit hoher Geschwindigkeit auf ihrem Rad fahrenden Zeugin .. geriet.
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Das Vorderrad blockierte, sodass sich die Zeugin über ihren Radlenker überschlug und auf dem Boden aufprallte, wo sie zunächst bewegungslos liegen blieb.
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Die Zeugin erlitt hierbei ein Schleudertrauma, Schürfwunden an beiden Beinen und in den Handflächen, sowie Prellungen. Nachdem sie wegen Schwindels eine Nacht im Krankenhaus zur Beobachtung verblieb, war sie nachfolgend eine Woche arbeitsunfähig krankgeschrieben und absolvierte zwischenzeitlich 24 Therapiestunden aufgrund der seit dem Unfall bestehenden Schulterschmerzen. Am Rad entstand Sachschaden in Höhe von 120 €.
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Obwohl die Angeklagte den Unfall bemerkte und erkannte, bzw. damit rechnete, dass aufgrund ihres und ihres Hundes Verhalten ein nicht völlig unbedeutender Fremdschaden entstanden war, verließ sie die Unfallstelle, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.
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Dieser Sachverhalt ergab sich zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der durchgeführten Hauptverhandlung.
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Die Angeklagte, die zunächst keine Angaben zur Sache machte, ließ sich nachfolgend dahingehend ein, dass ihr Hund B… aufgrund des Vorfalls am Hinterteil verletzt worden sei und beklagte, dass es einer langwierigen Therapie bedurft hätte, um das vollständig verängstigte Tier wieder an einen freien Auslauf in der fraglichen Gegend heranzuführen. Die Radfahrer seien dort mit regelmäßig unangemessener Geschwindigkeit unterwegs. Von Unfallort habe sie sich entfernt, um später auch mit weiteren Helfern nach ihrem abgängigen Hund zu suchen, der erst nach einer Stunde gefunden worden sei. Zum Beleg legt sie schriftliche Aussagen ihrer Helfer vor, die angeben, dass die Angeklagte nach ihrem von einem Rad angefahrenen Hund gesucht habe. Entgegen der vom Gericht geäußerten Vermutung herrsche an der Hochleite kein Leinenzwang. Dieser gelte in ihren Augen nur in den durch Poller gekennzeichneten Bereichen.
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Die Zeugin H… gab an, dass die Angeklagte zusammen mit einer Bekannten der Zeugin H… deren Namen („S… L…“) und Handynummer sie angab, zusammen gestanden sei, als die Angeklagte trotz des regen Radverkehrs den lebhaften Hund, der eigentlich ein nettes Kerlchen sei, von der Leine genommen hätte. Dieser sei sofort – wie zu erwarten – losgerannt und habe den Hund ihrer Bekannten mitgerissen. Ihr eigener Hund, mit dem sie unterwegs gewesen sei, sei beifuß geblieben.
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Die beiden anderen Hunde sein von ihren beiden Halterinnen zunächst weg und dann wieder in deren Richtung zurück gelaufen, Wie zu erwarten sei der Hund B… der Angeklagten in das Vorderrad der Geschädigten geraten, sodass diese bewegungslos am Boden lag. Da sie selbst unter Schock gestanden habe, habe sie sich auf eine Bank in der Nähe gesetzt.
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Die Geschädigte sei von ihrer Begleiterin und weiteren Personen versorgt worden. Die Angeklagte sei dann einfach gegangen, ohne der Geschädigten ihre Personalien zu geben.
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Die Zeugin R… gab an, mit einer Kollegin schon auf dem Rückweg zur Stadt auf dem Rad unterwegs gewesen zu sein. Sie seien schnell unterwegs gewesen, als 2 spielende Hunde auf den Radweg gekommen sein, von denen einer in ihr Vorderrad gesprungen sei, sodass sie zum Sturz kam. Sie habe einen Helm getragen und sich überschlagen. Während sie zunächst am Radweg gelegen habe, habe ihre Begleiterin sie vor anderen Radlern gesichert. Bei dem Sturz habe sie ein Schleudertrauma erlitten und blaue Flecken am Oberschenkel. Wegen Schwindels habe sie eine Nacht im Krankenhaus bleiben müssen. Anschließend sei sie eine Woche krankgeschrieben gewesen. Für die Reparatur ihres Rades habe sie 120 € bezahlt. Wegen Beschwerden in der rechten Schulter habe sie Therapiestunden absolvieren müssen. Strafantrag wegen Körperverletzung habe sie damals gestellt. Sie habe damals nicht mehr bremsen können. Man sei auf einem asphaltierten Radweg unterwegs gewesen.
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Dann sei eine Dame auf ihre Begleiterin zugegangen und habe angegeben, dass sie die Halterin der Hunde kenne. Sie habe dann ihrer Freundin ihre Kontaktdaten gegeben.
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Die Angeklagte hat sich somit des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 Nummer 1 StGB schuldig gemacht.
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Insbesondere hat sich hier im Kontakt von Hund und Rad eine dem Straßenverkehr innewohnende typische Gefahr realisiert, die in § 28 Abs. 1 Satz 1 StVO eine entsprechende Regelung erfahren hat.
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Innerhalb des von § 142 Abs. 1 StGB eröffneten Strafrahmens von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von drei Jahren sprach zugunsten der Angeklagten, dass sie die Tatumstände letztlich eingeräumt hat, bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist und ihr Bedauern über die Tatfolgen nicht nur für ihren eigenen Hund sondern auch für die Geschädigte in Wort und insbesondere im zu Protokoll gegebenen Schuldanerkenntnis über ein Schmerzensgeld von 800 € zum Ausdruck gebracht hat.
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Zugunsten der Angeklagten sprach insbesondere, dass sie sich spontan wegen der Suche nach ihrem abgängigen Hund vom Unfallort entfernt hat. Wenn dies auch angesichts der erheblichen Verletzungen der zunächst reglos am Boden liegenden, freilich von weiteren Helfern versorgten Geschädigten die Tat nicht rechtfertigt, so setzt es deren Vorwerfbarkeit doch erheblich herab. Es wäre der Angeklagten durch kurze Angabe ihrer Personalien freilich nicht verunmöglicht worden, wie später geschehen, ihren Hund wiederzufinden.
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Dem Gericht erschien von daher die Verhängung einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen als tat- und schuldangemessen.
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Entsprechend dem zu schätzenden Einkommen der Angeklagten war der Tagessatz auf 60 € festzusetzen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464,465 StPO.