Titel:
Keine Durchgriffshaftung, Teilurteil, Beweisangebote, Vertragsschluss, Subunternehmer, Prozeßkostenhilfeantrag, Beweisaufnahme, Vertragspartner, Geleistete Zahlungen, Deliktische Haftung, Rechtskräftige, Inanspruchnahme besonderen Vertrauens, Rechtsfehler, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Deliktischer Anspruch, Bauvertrag, Eigene Beweiswürdigung, Prüfungsumfang, Gelegenheit zur Stellungnahme, Erstgericht
Schlagworte:
Durchgriffshaftung, Deliktische Haftung, Teilurteil, Berufung, Vertragspartner, Beweisangebot, Schaden
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 13.07.2021 – 5 O 12132/17
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 11.02.2022 – 9 U 5403/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 06.06.2023 – VII ZR 71/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 56230
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 13.07.2021, Az. 5 O 12132/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Der Senat regt zur Vermeidung unnötiger Kosten an, die Berufung zurückzunehmen.
3. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 80.000,00 € festzusetzen.
4. Es ist beabsichtigt, den Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten zu 2) mangels ausreichender Bedürftigkeit i.S.d. § 114 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen, da der Beklagte zu 2) nach eigenen Angaben über einen Mercedes im Wert von 12.000,00 € verfügt, der vorrangig zu veräußern wäre. Die Rücknahme des PKH-Antrages wird angeregt.
5. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 01.02.2021.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger begehrt von den Beklagten zu 2) und 3) im Wege der Durchgriffshaftung beziehungsweise der deliktischen Haftung die Rückzahlung von für das Bauvorhaben des Klägers „Sanierung eines Reihenhauses in der…“ geleisteter Zahlungen. Der Beklagte zu 2) war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten zu 1), der Beklagte zu 3) war technischer Angestellter bei der ehemaligen Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 1) wurde mit rechtskräftigem Teilurteil vom 07.08.2018 zur Zahlung von 80.000,00 € an den Kläger verurteilt.
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Das Landgericht München I hat mit Schlussurteil vom 13.07.2021 die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) zurückgewiesen. Tragend hat es darauf abgestellt, dass mangels Inanspruchnahme besonderen Vertrauens eine Durchgriffshaftung nicht in Betracht komme, ebenso wenig ein deliktischer Anspruch aus § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 I StGB. Die Entgegennahme von Baugeld mit dem Versprechen einer baldigen Fertigstellung oder Weiterführung der Baumaßnahme sei kein Betrug, zumal die Beweisaufnahme ergeben habe, dass durchaus Bauarbeiten auf der Baustelle erbracht und Subunternehmer bezahlt worden seien. Es fehle an einer substantiierten Darstellung, welche Gelder tatsächlich im Folgenden nicht auf der Baustelle eingebracht worden seien. Da der Beklagte zu 3) lediglich Angestellter der GmbH und nicht Geschäftsführer gewesen sei, scheide bei diesem eine Durchgriffshaftung von vorneherein aus. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass der Beklagte zu 3) Gelder vereinnahmt hat, um versprochene Leistungen verdeckt nicht auszuführen. Auch habe sich nicht bestätigt, dass Subunternehmer systematisch nur geringe Abschläge erhalten hätten, um diese bei Laune zu halten. Die Klagepartei habe zu allen Themenbereichen (Fenster, Türen, Rohrleitungen) nur pauschale Behauptungen in den Raum gestellt, ohne dass ein Schaden einem Beklagten oder einer Handlung zugeordnet werden könne.
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Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Ansprüche weiter und stützt diese nun mehr – abweichend vom Sachvortrag in erster Instanz – auf unmittelbare vertragliche Ansprüche, da er nun mehr einen direkten Vertragsschluss mit den Beklagten zu 2) und 3) behauptet.
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Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts München I ist richtig. Das Endurteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Vielmehr rechtfertigen die Tatsachen, die der Senat im Rahmen des durch § 529 ZPO festgelegten Prüfungsumfangs der Beurteilung des Streitstoffs zugrundezulegen hat, keine andere Entscheidung. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts Bezug. Die Berufungsbegründung vom 12.10.2021 (Bl. 350/369) vermag dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen.
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1. Entgegen der Behauptung der Klagepartei hat das rechtskräftige Teilurteil des Landgerichts München I nicht offen gelassen, wer Vertragspartner des im Februar/März 2016 mündlich geschlossenen Vertrages geworden ist, sondern dies eindeutig und zweifelsfrei im Hinblick auf die Beklagte zu 1) beantwortet. Für eine Prüfung eines Vertragsschlusses mit den Beklagten zu 2) und 3) persönlich bestand schon wegen des eindeutigen Vortrags der Klagepartei hinsichtlich der Person des Vertragspartners keine Veranlassung.
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2. Der anderslautende, nun erstmals in der Berufung vorgebrachte Behauptung, in Wirklichkeit seinen die Beklagten zu 2) und 3) selbst Vertragspartei geworden, stellt neuen und verspäteten Sachvortrag dar, der in der Berufungsinstanz unberücksichtigt bleiben muss, vgl. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO.
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3. Zudem entfaltet das rechtskräftige Teilurteil im Hinblick auf die Beklagte zu 1) auch in Bezug auf die Beklagten zu 2) und 3) Bindungswirkung dergestalt, dass nicht behauptet werden kann, in Wirklichkeit sei nicht die Beklagte zu 1), sondern die Beklagten zu 2) und 3) Vertragspartner geworden. Denn das kontradiktorische Gegenteil steht rechtskräftig fest.
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4. Im Übrigen ergibt sich aus den als Anlage K 18 vorgelegten Quittungen unmissverständlich, dass Empfänger der im Jahr 2016 und damit in zeitlichem Zusammenhang mit dem Vertragsschluss geleisteten Zahlungen die Beklagte zu 1) war, weil dort auch der vom BGH geforderte besondere Zusatz „GmbH & Co.“ KG vorhanden war. Dies spricht neben dem Umstand, dass der Kläger erstinstanzlich allein die Beklagte zu 1) als Vertragspartner angesehen hat, dafür, dass nur mit dieser Gesellschaft ein Bauvertrag geschlossen werden sollte.
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5. Dem Beweisangebot … musste das Landgericht nicht nachgehen, weil es für die streitgegenständliche Frage, wer Vertragspartner des Klägers geworden ist, unerheblich ist, wen der jeweilige Subunternehmer berechtigt oder unberechtigt als seinen Vertragspartner angesehen hat.
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6. Auch dem Beweisangebot … musste das Erstgericht nicht nachgehen, da es für die Frage, wer Vertragspartner geworden ist, sowie für die behauptete Absicht der Beklagten zu 2) und 3), von Anfang an selbst Gelder am Fiskus vorbei zu vereinnahmen, ohne Bedeutung ist. Der Zeuge … war an dem streitgegenständlichen Bauvorhaben nicht beteiligt. Sofern er für sein Bauvorhaben einen eigenen Vertrag mit der Beklagten zu 1) hatte, ist nicht ersichtlich, welchen Erkenntnisgewinn die dortige Vertragsgestaltung und die Angabe von Kontodaten auf dem Bauvertrag für das streitgegenständliche Bauvorhaben haben sollte.
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7. Das Gleiche gilt sinngemäß für das übergangene Beweisangebot A. G.. Dem dort bezeichneten „Strickmuster“ des Vorgehens der beiden Beklagten 2) und 3) ist das Gericht nachgegangen und hat Zeugen hierzu vernommen, die die dort aufgestellten Behauptungen nicht bestätigen konnten. Inwieweit der Zeuge A. G. hierzu etwas wesentlich anderes hätte vortragen können, ist schon erstinstanzlich nicht substantiiert vorgetragen worden.
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8. Der Kläger ist offenbar mit der Feststellung der beweiserheblichen Tatsachen und mit der Beweiswürdigung des Erstgerichts nicht einverstanden und möchte daher seine eigenen Tatsachenfeststellungen und seine eigene Beweiswürdigung an die des Erstgerichts setzen. Dies stellt jedoch keinen tauglichen Berufungsangriff dar.
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9. Das Erstgericht hat die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) zutreffend auch deshalb abgewiesen, weil der Kläger einen konkreten Schaden in keinem der aufgeworfenen Themenbereiche (Gewerk Installation, Gewerk Fensterbau) substantiiert vortragen konnte.
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Hierzu verhält sich die Berufung, soweit ersichtlich, nicht.
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10. Aus der bloßen Verweigerung der Auskünfte über den Verbleib der Gelder und ein Unterbleiben der Abrechnung kann für sich genommen weder eine Durchgriffshaftung noch eine deliktische Haftung nach § 826 BGB begründet werden.
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11. Ein Rechtsfehler des Erstgerichts ist nicht erkennbar und die Berufung daher nicht erfolgversprechend.