Titel:
Elektronisches Dokument, Reparaturkosten, Elektronischer Rechtsverkehr, Anlaß zur Klageerhebung, Unkostenpauschale, Haftpflichtversicherer, Streitwert, Klagepartei, Gutachtergebühren, Kosten des Rechtsstreits, Kostenentscheidung, Klageveranlassung, Anderweitige Erledigung, Vermessungskosten, Fristsetzung, Gutachterkosten, Erledigterklärung, Merkantile Wertminderung, Qualifizierte elektronische Signatur, Klageschrift
Schlagworte:
Erledigterklärung, Kostenentscheidung, Verfahrensausgang, Verteilung der Kosten, Haftung des Beklagten, Mahnung, Klageerhebung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 55965
Tenor
1. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
2. Der Streitwert wird auf 6.131,86 € festgesetzt.
Gründe
1
Mit der Klageschrift machte die Klägerin Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 19.04.2021 in … geltend, wobei der Unfallhergang sowie die Haftung des Beklagten zwischen den Parteien unstreitig ist.
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Vorgerichtlich machte die Klagepartei ihren Schaden mit Schreiben vom 21.06.2021 unter Fristsetzung bis zum 19.07.2021 geltend (Anlage K 2). Mit weiterem Schreiben vom 27.09.2021 erfolgte eine weitere Fristsetzung bis zum 11.10.2021 (Anlage K 3).
3
Der Schaden wurde von der Klagepartei in der Klageschrift vom 23.02.2022 wie folgt beziffert:
Vermessungskosten (lt. Rechnung): 434,59 €
Reparaturkosten (netto lt. Gutachten): 4.637,48 €
Merkantile Wertminderung (lt. Gutachten): 200,00 €
Gutachtergebühren (lt. Rechnung): 834,79 €
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Nach Rechtshängigkeit wurden von dem Beklagten zunächst auf die Hauptforderung die Vermessungskosten in Höhe von 434,59 €, die Gutachterkosten in Höhe von 834,79 €, die Kostenpauschale in Höhe von 25 € sowie ein Teil der Reparaturkosten in Höhe von 3.856,00 €, mithin ein Betrag in Höhe von 5.150,38 € erstattet. Mit Schriftsatz vom 25.05.2022 erklärte die Klagepartei die Klage insoweit für erledigt.
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Nachdem der Beklagte weitere 981,48 € auf die Hauptforderung geleistet hat, erklärte die Klagepartei die Klage mit Schriftsatz vom 24.06.2022 insoweit für erledigt.
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Nachdem auch die Zinsen sowie die Nebenforderungen nach Rechtshängigkeit beglichen wurden, wurde der Rechtsstreit von der Klagepartei mit Schriftsatz vom 26.08.2022 insgesamt für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Erledigterklärung zugestimmt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 a Abs. 1 ZPO.
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Die Beklagtenpartei hat der Erledigterklärung der Klagepartei zugestimmt.
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Das Gericht hat deshalb unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen darüber zu entscheiden, wie die Kosten des Rechtsstreits zu verteilen sind. Ausschlaggebend ist hierbei insbesondere der ohne die Erledigterklärung zu erwartende Verfahrensausgang, wobei lediglich eine summarische Prüfung der jeweiligen Erfolgsaussichten erfolgen kann.
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Vorliegend waren deshalb der beklagten Partei die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da sie ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre. Denn die beklagte Partei hat zwischenzeitlich die strittige Forderung ohne Einwendungen bezahlt und hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass die Forderung der Klägerseite berechtigt war.
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Die beklagte Partei war ferner, da sie trotz Mahnung nicht geleistet hat, bei Klageerhebung in Verzug und hat dadurch zur Klage Veranlassung gegeben. Der Rechtsgedanke des § 93 ZPO kommt deshalb vorliegend nicht zur Anwendung.
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Zwischen den Parteien war von Anfang an unstreitig, dass die Beklagte eine vollumfängliche Haftung trifft. Hinsichtlich der eingeklagten Kosten für die Achsenvermessung, der Sachverständigenkosten und der Unkostenpauschale waren diese Schadensposten zwischen den Parteien ebenfalls nicht streitig, wurden vorgerichtlich durch die Klagepartei angemahnt und nicht beglichen, so dass Anlass zur Klageerhebung bestand.
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Dies gilt entgegen der Auffassung der Beklagtenpartei auch im Hinblick auf die zunächst bestrittenen Positionen der Reparaturkosten und der Wertminderung.
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Die Klägerin hat mit vorgerichtlichem Schreiben vom 21.06.2021 und vom 27.09.2021 auch die Reparaturkosten und die Wertminderung unter Fristsetzung angemahnt. Eine Zahlung erfolgte vorgerichtlich nicht. Soweit sich der Beklagte darauf beruft, ihm sei vorgerichtlich der Reparaturnachweis nicht vorgelegt worden, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.
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Im Regelfall muss der Kläger in einer Mahnung den Anspruch nur der Höhe nach beziffern und individualisieren, dh den zugrunde liegenden Sachverhalt soweit benennen, dass aus Sicht des Beklagten eine Verwechslung mit anderen Ansprüchen ausgeschlossen ist, zur Leistung auffordern und hierzu eine angemessene Frist setzen. Darüber hinaus muss der Kläger weder den Sachverhalt darlegen, noch Beweismittel vorlegen, noch Ausführungen zur Rechtslage machen (BeckOK ZPO/Jaspersen, 45. Ed. 1.7.2022, ZPO § 93 Rn. 29). Hält der Beklagte vorprozessual die gegnerische Forderung für teilweise oder insgesamt nicht schlüssig bzw. nicht nachvollziehbar, darf er nicht pauschal die Leistung verweigern, sondern hat deutlich zu machen, welche Angaben oder Unterlagen er benötigt; werden ihm diese vorenthalten, fehlt es an einem Klageanlass (MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 93 Rn. 8). Dies gilt auch im Rahmen eines Haftpflichtfalles. Der Geschädigte hat dem Haftpflichtversicherer grundsätzlich vor Einreichung der Klage eine gewisse Prüfungsfrist zu gewähren. Sinn und Zweck der Prüfungsfrist ist es unter anderem, dass der Haftpflichtversicherer bei dem Geschädigten die zur Feststellung des Schadensereignisses und der Schadenshöhe erforderlichen Auskünfte und Belege (z.B. einen Kostenvoranschlag) anfordert (vgl. § 119 Abs. 3 VVG). Unterlässt der Versicherer die Anforderung und werden ihm die Belege daher erst im Prozess zugänglich gemacht, kann er sich der ihn bei einem daraufhin erklärten Anerkenntnis treffenden Kostenlast nicht mit der Begründung entziehen, es habe mangels einer schlüssigen Darlegung des Anspruchs keine Klageveranlassung gegeben (MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 93 Rn. 30). Der Beklagte hat schon nicht vorgetragen, entsprechende Auskünfte oder Nachweise bei der Klagepartei angefordert zu haben. Vielmehr hat der Beklagte nach Aktenlage innerhalb gesetzter Frist weder reguliert noch Einwendungen gegen den Haftungsgrund und die Schadenshöhe erhoben. Nachdem die Ansprüche bereits mit Schreiben vom 21.06.2021 geltend gemacht wurden, eine Regulierung oder Reaktion nicht erfolgte, konnte die Klagepartei jedenfalls bei Einreichung der Klage am 23.02.2022 davon ausgehen, dass eine Regulierung nicht erfolgt.
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Die Kosten waren demnach insgesamt der Beklagtenpartei aufzuerlegen.