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OLG München, Hinweisbeschluss v. 13.09.2022 – 20 U 3138/22 e
Titel:

Verjährung bei Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks

Normenkette:
BGB § 196, § 200, § 205, § 362, § 886
Leitsätze:
1. Der Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks ist vor Eintragung des neuen Eigentümer nicht bereits dann erfüllt, wenn der Schuldner alle zur Eigentumsverschaffung erforderlichen Handlungen vorgenommen hat. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Führt eine vertragliche Regelung lediglich die Wirkung des § 320 BGB zu Gunsten des Schuldners vertraglich fort, die durch eine Erklärung der Auflassung bereits im Kaufvertrag in Wegfall geraten war, liegt kein Stillhalteabkommen iSd § 205 BGB vor. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist es dem Schuldner möglich, eine Leistung zu erbringen, liegt ein Stillhalteabkommen iSd § 205 BGB nicht vor, auch wenn die zu erbringende Leistung noch nicht fällig ist. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Grundstückskaufvertrag, Eigentumsverschaffung, Erfüllung, Verjährung, Stillhalteabkommen, Zurückbehaltungsrecht, Fälligkeit, Treuwidrigkeit
Vorinstanz:
LG Landshut, Endurteil vom 29.04.2022 – 21 O 3442/21
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 15.11.2022 – 20 U 3138/22
BGH Karlsruhe, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 224/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 55951

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 29.04.2022, Az. 21 O 3442/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Entscheidungsgründe

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Das Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 886 BGB Anspruch auf Beseitigung der für diese im Grundbuch zu Lasten seines Grundstücks, Flurnummer: … des Grundbuchs des Amtsgerichts E. für O. eingetragenen Vormerkung. Der Eigentumsverschaffungsanspruch der Beklagten aus dem Kaufvertrag vom 20.08.2004 i.V.m. § 433 Abs. 1, S. 1 BGB ist verjährt.
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1. Der Eintritt der Verjährung ist im Ausgangspunkt eine Einrede, die im Rahmen des § 886 BGB geltend gemacht werden kann (BGH Urteil vom 10.10.1988, Az: II ZR 92/88).
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2. Der Kläger hat hinsichtlich des Eigentumsverschaffungsanspruchs unstreitig die Einrede der Verjährung erhoben.
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3. Der Berufungsbegründung kann nicht gefolgt werden, soweit dort ausgeführt wird, eine Verjährung des Eigentumsverschaffungsanspruchs sei nicht mehr möglich, da der Kläger alle zur Eigentumsverschaffung erforderlichen Handlungen vorgenommen habe (Berufungsbegründung, S. 3/4). Gegenstand der Verjährung ist der Anspruch der Beklagten auf Eigentumsverschaffung. Dieser Anspruch ist trotz der vom Kläger vorgenommenen Handlungen nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen, da die Beklagte noch kein Eigentum an dem Grundstück erworben hat. Die Erfüllung des Anspruchs tritt nicht bereits durch die Vornahme der Leistungshandlungen ein, sondern erst mit Eintritt des Leistungserfolgs (Fetzer in Münchener Kommentar BGB 9. Auflage § 362, Rn. 2); hier mit vollständigem Vorliegen der Voraussetzungen für den Eigentumsübergang gemäß § 873 Abs. 1 BGB. In diesem Zusammenhang fehlt es vorliegend bislang an der Eintragung in das Grundbuch. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger ggf. verpflichtet ist, Mitwirkungshandlungen zu wiederholen (Fetzer a.a.O.), ist gerade im vorliegenden Fall Erfüllung des Anspruchs noch nicht eingetreten. Ein nicht erfüllter Anspruch unterliegt jedoch gemäß § 194 Abs. 1 BGB der Verjährung. Eine Unverjährbarkeit des Eigentumsverschaffungsanspruchs nach Vornahme von Leistungshandlungen lässt sich aus den Wertungen des Gesetzes gerade nicht entnehmen. § 196 BGB regelt die Verjährungsfrist für den Eigentumsverschaffungsanspruch ausdrücklich.
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Die in der Berufungsbegründung zitierten Entscheidungen (BayObLG 29.07.1993, Az: 2 Z BR 62/93; OLG München 27.03.2007, Az: 32 Wx 32/07) betreffen das Antragsrecht im Grundbuchverfahren, nicht die Erfüllung des Eigentumsverschaffungsanspruchs.
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4. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 196 BGB 10 Jahre. Sie beginnt gemäß § 200 BGB mit der Entstehung des Anspruchs. Insoweit wird auf die Ausführungen des Landgerichts im Endurteil vom 29.04.2022 (dort S. 5/6) Bezug genommen.
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5. Eine Hemmung der Verjährung gemäß oder entsprechend § 205 BGB ist nicht eingetreten. Insoweit kann im Ausgangspunkt auf die Ausführungen des Landgerichts im Endurteil vom 29.04.2022 (dort S.6/7) Bezug genommen werden. Grundlage für das Stillhalteabkommen muss der Parteiwille sein, was bei gesetzlichen Leistungsverweigerungsrechten nicht der Fall ist (BGH Urteil vom 13.11.2019, Az: IV ZR 317/17). Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die vertragliche Regelung unter Ziffer II.2, 2. Absatz des Vertrags vom 20.08.2004 (Anlage K 2) lediglich die Wirkung des § 320 BGB zu Gunsten des Klägers vertraglich fortführt, die durch die Erklärung der Auflassung bereits im Kaufvertrag in Wegfall geraten war, und damit als eigenständiges vertragliches Leistungsverweigerungsrecht anzusehen ist. Ohne diese vertragliche Regelung kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bereits im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses die gemäß § 873 BGB erforderlichen Erklärungen abgegeben hätte. Es handelt sich damit um eine im beiderseitigen Interesse gewählte Vereinfachung der Vertragsabwicklung.
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Darüber hinaus fehlt es auch an den Voraussetzungen für ein Stillhalteabkommen; Voraussetzung für ein Stillhalteabkommen gemäß § 205 BGB ist, dass der Schuldner berechtigt sein soll, vorübergehend die Leistung zu verweigern und der Gläubiger sich der Möglichkeit begeben hat, seine Ansprüche jederzeit weiterzuverfolgen (BGH Urteil vom 14.12.2017, Az: IX ZR 118/17). Der Gläubiger muss mit dem Willen handeln, sich hinsichtlich der Durchsetzbarkeit seiner Forderung zu beschränken (BGH a.a.O.). Letzteres ist vorliegend gerade nicht der Fall. Nach der vertraglichen Vereinbarung vom 20.08.2004 kann nicht nur der Kläger den Notar zum Vollzug der Auflassung beim Grundbuchamt veranlassen. Alternativ dazu kann dem Notar auch in anderer Weise nachgewiesen werden, dass der geschuldete Kaufpreis bezahlt ist (Anlage K 2, dort Ziffer II.2., 2. Absatz). Damit stand auch der Beklagten als Gläubigerin des Eigentumsverschaffungsanspruchs weiterhin die Möglichkeit offen, den Notar zum Vollzug der Auflassung zu veranlassen, indem sie diesem gegenüber die Kaufpreiszahlung nachweist. Der sonstige Nachweis der Kaufpreiszahlung steht nach dem Vertrag im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Alternativen gerade nicht nur dem Kläger zu. Soweit die Beklagte vorträgt, die Kaufpreiszahlung sei mangels Fälligkeitskündigung des Klägers nicht fällig gewesen (Schriftsatz vom 17.01.2022, S. 4), ändert dies nichts daran, dass es der Beklagten gemäß § 271 Abs. 2 BGB möglich gewesen wäre, den Kaufpreis vor Fälligkeit zu bezahlen, um auf dieser Grundlage den Notar zum Vollzug der Auflassung zu veranlassen. Damit fehlt es jedoch vorliegend an einer Voraussetzung für ein Stillhalteabkommen. Nach Regelungen im Vertrag vom 20.08.2004 hatte die Beklagte jederzeit die Möglichkeit, ihren Anspruch weiterzuverfolgen.
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6. Die Erhebung der Verjährungseinrede ist vorliegend nicht treuwidrig gemäß § 242 BGB. Insoweit ist die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet (Grüneberg in Grüneberg BGB 81. Auflage § 242, Rn. 21 und 96). Aus dem Zeitpunkt der Erhebung der Verjährungseinrede kann grundsätzlich kein treuwidriges Verhalten des Klägers hergeleitet werden. Der Schuldner kann grundsätzlich frei entscheiden, wann er die Verjährungseinrede erhebt (Ellenberger in Grüneberg BGB 81. Auflage Vor § 194, Rn. 18). Die Beklagte hat, wie das Landgericht zutreffend ausführt (Endurteil vom 29.04.2022, S. 7/8), nicht nachgewiesen, dass der Kläger die vertraglich vereinbarten Voraussetzungen für die Auszahlung des Restkaufpreises herbeiführen konnte. Der Kläger trägt vor, es sei ihm mit den zur Verfügung stehenden Geldmitteln nie möglich gewesen, ein Ersatzobjekt zu finden (Schriftsatz vom 07.02.2022, S. 3/4). Dieser Vortrag wurde durch die Beklagte unstreitig gestellt (Schriftsatz vom 22.02.2022, S. 3). Nachdem die Regelung über den Verwendungsnachweis im Vertrag unter dem Gliederungspunkt Kaufpreisfälligkeit getroffen wurde, geht der Senat davon aus, dass es sich bei der Verwendung für ein Ersatzobjekt tatsächlich um eine Voraussetzung für die Fälligkeit des Restkaufpreises handelt. Bei der Frage, ob die entsprechende Regelung im Vertrag tatsächlich (wie die Beklagte meint) gemäß § 275 BGB hinfällig gewesen ist, handelt es sich um eine rechtliche Wertung. Wenn sich der Kläger als rechtlicher Laie an den Wortlaut der Vereinbarung hält, ist dies jedenfalls nicht als treuwidrig einzustufen. Die Beklagte hätte dem Kläger gegenüber auf diesen Nachweis verzichten können bzw. eine entsprechende Vertragsänderung anregen können. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte jedenfalls die Möglichkeit hatte, den Kaufpreis zu bezahlen, um die Wirkungen des Eigentumsübergangs herbeizuführen.
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Der Senat empfiehlt daher dringend, aus Kostengründen die Berufung zurückzunehmen. Im Fall der Rücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 (Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses).