Titel:
Verjährung eines Anspruchs auf Übereignung eines Grundstücks
Normenkette:
BGB § 205, § 212 Abs. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Ein Anerkenntnis gem. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB, das durch schlüssiges Handeln oder durch bloßes Schweigen erfolgen kann, liegt vor, wenn das Verhalten des Schuldners das Bewusstsein vom Bestehen der Schuld klar und unzweideutig zum Ausdruck bringt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vereinbarung einer Vorlagesperre im Rahmen des Vollzugs eines notariellen Grundstückkaufvertrags begründet die Hemmung der Verjährung nach § 205 BGB nicht. (Rn. 30 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verjährung, Auflassungsvormerkung, Zustimmung zur Löschung, Anerkenntnis, Vorlagesperre, Hemmung der Verjährung, Leistungsverweigerungsrecht
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 13.09.2022 – 20 U 3138/22 e
LG Landshut, Endurteil vom 29.04.2022 – 21 O 3442/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 224/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 55751
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 29.04.2022, Aktenzeichen 21 O 3442/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Landshut ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 167.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger verlangt von der Beklagten Zustimmung zur Löschung einer Auflassungsvormerkung.
2
Der Kläger veräußerte mit notariellem Kaufvertrag vom 20.08.2004, Urkundsrollennummer: …77/2004 des Notars C. L. (Anlage K 2), das Grundstück S.straße 16, … O. (Grundbuch des Amtsgerichts E. für O. Band …1, Blatt …02) für einen Kaufpreis von 216.000 € an die Beklagte; gleichzeitig erklärten die Vertragsparteien die Auflassung des Grundstücks. Unter Abschnitt II., 2. Absatz des Vertrages vereinbarten die Parteien folgende Vorlagesperre für den Vollzug der Auflassung:
„Die Vertragsteile weisen den Notar an, den Antrag auf Vollzug der Auflassung beim Grundbuchamt erst zu stellen, wenn der Verkäufer dem schriftlich zustimmt oder wenn der Verkäufer bestätigt hat oder wenn dem Notar in anderer Weise nachgewiesen ist, dass der geschuldete Kaufpreis bezahlt ist. Der Käufer verzichtet auf sein Recht, selbst den Antrag auf Eigentumsumschreibung zu stellen.“
3
Unter dem 03.09.2004 wurde zu Gunsten der Beklagten eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen; die Auflassung selbst ist bislang nicht im Grundbuch eingetragen.
4
Die Beklagte zahlte gemäß den vertraglichen Vereinbarungen am 09.09.2004 einen Teilbetrag des Kaufpreises von 80.000 € auf das Anderkonto des Notars. Mit diesem Betrag sollte die Lastenfreistellung erreicht werden (vgl. Abschnitt VIII. Ziffer 1-5 des Vertrages). Der Kaufpreisrest sollte gemäß Abschnitt VIII Ziffer 6 des Vertrages vom 20.08.2004 wie folgt fällig werden:
„Der verbleibende Kaufpreisrest ist innerhalb von zehn Tagen zu bezahlen, nachdem der Verkäufer den Käufer zur Zahlung schriftlich aufgefordert hat. Die Aufforderung ist erst möglich nach Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen vom vorgenannten Anderkonto. Bei Aufforderung hat der Verkäufer dem Käufer die ganze oder teilweise Verwendung des Betrages zur Finanzierung des vom Verkäufer zu erwerbenden Ersatzobjektes glaubhaft zu machen.
Wird das Verlangen vor dem 31.08.2007 gestellt, ist der Kaufpreisrestbetrag bis zur Fälligkeit unverzinslich. Wird das Verlangen nach dem 31.08.2007 gestellt, ist der ab 01.09.2007 bis zur Fälligkeit mit dem für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigung geltenden Zinssatz zu verzinsen. Der Kaufpreisrest ist jedenfalls mit dem Ableben des Verkäufers fällig. Der Verkäufer tritt bereits heute den Anspruch auf Zahlung des Kaufpreisrestbetrages an seine Tochter … ab. Er wird seine Tochter über diese Abtretung selbst informieren.
Käufer hat im Fall des Ablebens des Verkäufers den Kaufpreisrestbetrag an Frau … zu zahlen, ohne dass ihm der Nachweis erbracht werden muss, dass die Abtretung an Frau … rechtzeitig mitgeteilt wurde.“ Ergänzend wird auf den Kaufvertrag vom 20.08.2004 (Anlage K 2) Bezug genommen.
5
Der Kläger forderte die Beklagte nicht zur Kaufpreiszahlung auf. Ihm war unter Einsatz des Restkaufpreises unstreitig bereits wenige Jahre nach dem Abschluss des Kaufvertrags der Erwerb eines Ersatzobjekts nicht mehr möglich, nach seinem Vortrag von Anfang an nicht.
6
Mit Schreiben vom 05.08.2021 (Anlage K 3) erhob der Kläger bezüglich des Anspruchs auf Übereignung die Einrede der Verjährung und forderte die Beklagte unter Fristsetzung erfolglos zur Erteilung einer Löschungsbewilligung auf. Im November 2021 erhob er Klage.
7
Die Beklagte hinterlegte in der Folge den restlichen Kaufpreis in Höhe von 136.000 € zugunsten der Tochter des Klägers.
8
Hinsichtlich der Darstellung des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Landshut vom 29.04.2022 Bezug genommen.
9
Das Landgericht verurteilte die Beklagte mit Endurteil vom 29.04.2022 entsprechend dem Antrag des Klägers, ihre Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung zu erteilen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch auf Eigentumsverschaffung sei in zehn Jahren ab Abschluss des Kaufvertrages, also mit Ablauf des 20.08.2014 verjährt. Die Verjährung sei nicht gemäß § 205 BGB gehemmt, weil die im Vertrag vereinbarte „Vorlagesperre“ lediglich das gesetzliche Leistungsverweigerungsrecht des Klägers nachbilde. Die Erhebung der Einrede sei nicht treuwidrig; Anhaltspunkte dafür, dass die Beschaffung eines Ersatzobjekts ausschließlich aus Gründen unterblieben sei, die der Disposition des Klägers unterliegen würden, seien auch nach Hinweis nicht vorgetragen worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der landgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.
10
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Zur Begründung trägt sie insbesondere vor:
11
Das Landgericht sei zu Unrecht von einer Verjährung des Anspruchs ausgegangen. Der Kläger habe bereits alle erforderlichen Handlungen zur Herbeiführung des Eigentumsübergangs vorgenommen; daher scheide eine Verjährung des Anspruchs aus. Die Verjährung sei in analoger Anwendung des § 205 BGB gehemmt; die vereinbarte Vorlagesperre stehe einem Leistungsverweigerungsrecht gleich, da die Interessenlage einem Stillhalteabkommen entspreche. Die Berufung des Klägers auf die Verjährung sei deshalb treuwidrig, weil er über die im August 2014 endende 10-Jahresfrist des § 196 BGB hinaus weitere rund sieben Jahre die Verzinsung des offenen Restkaufpreises in Anspruch genommen habe, um sich sodann auf Verjährung zu berufen, um sich von seinen vertraglichen Verpflichtungen zu lösen. Der vertraglich vereinbarte Nachweis einer Verwendung des Restkaufpreises für den Erwerb eines Ersatzobjekts sei keine Fälligkeitsvoraussetzung für die Zahlung des Restkaufpreises.
12
Mit der Gegenerklärung vom 10.10.2022 trägt die Beklagte ferner vor, der Kläger habe gegenüber der Beklagten den Eigentumsverschaffungsanspruch „in anderer Weise anerkannt“ mit der Folge, dass die Verjährungsfrist gemäß § 212 Abs. 1, Nr. 1 BGB neu begonnen habe. Die Parteien hätten über viele Jahre hinweg vielfältig zusammengewirkt, um die Absicht des Klägers zu verwirklichen, unter Verwendung eines Teils des Kaufpreises ein Ersatzobjekt zu erwerben. So habe der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 29.06.2010 bekunden lassen, dass der Tausch und Umzug in das Anwesen S.straße 2 die nächstliegende Alternative sei. Bei einer Besprechung am 05.08.2010 sei vereinbart worden, dass der Kläger in dieses Anwesen umziehe und anstelle eines Kaufpreises ein Nutzungsentgelt vereinbart werde, das mit dem Restkaufpreis aus dem streitgegenständlichen Kaufvertrag verrechnet werde. Das hierüber gefertigte Protokoll habe der Kläger mit dem Vermerk „einverstanden“ unterzeichnet. Der Kläger habe im März 2013 bei der zuständigen Behörde den – im Oktober 2013 abgelehnten – Antrag gestellt, den Neubau von Stallungen und Maschinenhalle sowie den Umbau des Wohnhauses zu genehmigen. Der ablehnende Bescheid sei der Beklagten kurze Zeit nach dessen Zustellung an den Kläger zur Kenntnis gelangt. Aus dem Baugenehmigungsantrag des Klägers ergebe sich, dass er bereit gewesen sei, am streitgegenständlichen Kaufvertrag festzuhalten, was wiederum zum Neubeginn der Verjährung mit einer Laufzeit bis November 2023 geführt habe. Mit Schreiben vom 22.08.2018 habe der Bevollmächtigte des Klägers mitgeteilt, dass dieser nach wie vor einem Umzug in das Anwesen S.straße 2 positiv gegenüberstehe. Auch damit habe der Kläger bekundet, am streitgegenständlichen Kaufvertrag festzuhalten.
13
Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren:
1. Das am 29.04.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Landshut, Az. 21 O 3442/21, wird aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
Hilfsweise beantragt sie, die Revision zuzulassen.
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
15
Er rügt das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 10.10.2022 als verspätet und bestreitet den neuen Sachvortrag, soweit nicht ausdrücklich zugestanden.
16
Bezüglich des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird ergänzend auf die Berufungsbegründung vom 27.06.2022, die Gegenerklärung vom 10.10.2022 und den Schriftsatz der Beklagten vom 14.10.2022 sowie die Schriftsätze des Klägers vom 14.09.2022 und vom 12.10.2022 Bezug genommen.
17
Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 13.09.2022 auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
18
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 29.04.2022, Aktenzeichen 21 O 3442/21, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
19
Der Kläger hat gegen die Beklagte aus § 886 BGB Anspruch auf Beseitigung der für diese im Grundbuch zu Lasten seines Grundstücks, Flurnummer: …90 des Grundbuchs des Amtsgerichts E. für O. eingetragenen Vormerkung. Der Anspruch der Beklagten auf Übereignung des Grundstücks des Klägers ist verjährt.
20
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 13.09.2022 Bezug genommen.
21
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 10.10.2022 geben zu einer Änderung keinen Anlass.
22
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus dem neuen Tatsachenvortrag im Schriftsatz vom 10.10.2022 – den der Kläger in unzulässiger Weise nur pauschal bestritten hat – kein Anerkenntnis ihres Anspruchs auf Eigentumsverschaffung durch den Kläger mit der Folge, dass die Verjährung gemäß § 212 Abs. 1, Nr. 1 BGB neu begonnen hätte.
23
a) Ein Anerkenntnis gemäß § 212 Abs. 1, Nr. 1 BGB kann durch schlüssiges Handeln oder sogar durch bloßes Schweigen erfolgen. Erforderlich ist jedoch, dass das Verhalten des Schuldners das Bewusstsein vom Bestehen der Schuld klar und unzweideutig zum Ausdruck bringt (BGH, Urteil vom 08.05.2002 – I ZR 28/00). Es muss das Vertrauen des Gläubigers begründet werden, der Schuldner werde sich nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung berufen (BGH, Urteil vom 21.11.1996 – IX ZR 159/95). Gegenstand der Verjährung ist immer nur der materiellrechtliche Anspruch, nicht der gesamte Vertrag (Grothe in Münchener Kommentar BGB 9. Auflage § 194, Rn. 40). Ein Anerkenntnis bezüglich eines bestimmten Anspruchs – hier des Anspruchs der Beklagten auf Verschaffung des Eigentums – kann deshalb grundsätzlich nicht schon darin gesehen werden, dass über andere in demselben Vertrag geregelte Ansprüche oder darin angesprochene Themenkreise – wie den Erwerb eines Ersatzgrundstücks durch den Kläger – verhandelt wird.
24
b) Soweit sich die Parteien im Sommer 2010 bezüglich der etwaigen Übernahme des Anwesens S.straße 2 als Ersatzobjekt durch den Kläger darauf verständigt haben, dass das kapitalisiert vorab zu zahlende Nutzungsentgelt vom Restkaufpreis einbehalten und der Restbetrag nach Übergabe des Anwesens des Klägers an die Beklagte ausbezahlt wird (vgl. Ziffer 5 der Niederschrift über die Besprechung am 05.08.2010, Anlage BV 2), liegt darin kein Anerkenntnis bezüglich des Anspruchs der Beklagten auf Eigentumsverschaffung aus dem Kaufvertrag vom 20.08.2004. Die Ausführungen zum Einbehalt des Restkaufpreises finden sich unter der Überschrift „Nutzungsentgelt“, unter der festgehalten wird, dass der Kläger – anders als im Vertrag vom 20.08.2004 vorgesehen – das nun vorgesehene Ersatzanwesen nicht zu Eigentum erwirbt, sondern entgeltlich nutzt. Ein Nutzungsentgelt wird jedoch nicht festgelegt, dieses war ausweislich Ziffer 3. erst u.a. anhand der Kosten der Modernisierungen und Neubauten von der Beklagten noch zu berechnen. Die vom Kläger mit Schreiben seines Anwalts vom 29.06.2010 (Anlage BV 1) geforderten Um-/Neubauten, die teilweise von dem Ergebnis einer Besprechung im Jahr 2008 abwichen, waren noch von der Beklagten abzugleichen und zu bewerten (vgl. Ziffer 6.). Ausweislich der Ausführungen unter „Weitere Festlegungen“ sollte eine verbindliche Vereinbarung gesondert getroffen werden. So sollte der Anwalt des Klägers eine Vereinbarung entwerfen, „mit der beide Seiten verbindlich erklären, dass und bis wann“ der Kläger sein Anwesen geräumt haben und in das Ersatzanwesen umgezogen sein wird (Ziffer 19). Dass eine solche verbindliche Vereinbarung getroffen worden wäre, ist nicht vorgetragen. Im Vordergrund der Gespräche und (Vor-)Vereinbarungen im Jahr 2010 stand ersichtlich, mit dem Kläger eine Einigung über dessen Umzug in ein anderes Anwesen zu finden, den er wiederum von nicht ohne weiteres zu erfüllenden Bedingungen abhängig machte, nämlich der Errichtung von Bauten für seinen landwirtschaftlichen Betrieb. Hinzu kommt, dass der Bevollmächtigte des Klägers in seinem Schreiben vom 29.06.2010 (Anlage BV 1) darauf hingewiesen hatte, dass für den Kläger „nicht nur das Verlassen der eigenen Scholle, sondern auch ein endgültiger Eigentumsverlust … ein schwieriger, wenn nicht unüberwindbarer Schritt wäre“. Damit hat der Kläger seine Bereitschaft zur Eigentumsübertragung an die Beklagte ausdrücklich in Frage gestellt.
25
Selbst wenn im Übrigen im Jahr 2010 ein Neubeginn der Verjährung eingetreten sein sollte, wäre die Verjährungsfrist von zehn Jahren im August 2020 abgelaufen.
26
c) In dem Umstand, dass der Kläger im März 2013 einen (im Oktober 2013 abgelehnten) Antrag auf Baugenehmigung für die Errichtung landwirtschaftlicher Gebäude und die Vornahme von Umbauten am Wohnhaus auf dem möglichen Ersatzgrundstück gestellt hat, liegt ebenfalls kein Anerkenntnis des Anspruchs der Beklagten auf Eigentumsübertragung aus dem Kaufvertrag vom 20.08.2004. Wie oben ausgeführt, muss das Verhalten des Schuldners das Bewusstsein vom Bestehen der Schuld klar und unzweideutig zum Ausdruck bringen und das Vertrauen des Gläubigers begründen, der Schuldner werde sich nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung berufen. Mit dem Antrag auf Baugenehmigung bekräftigt der damals bereits 71 Jahre alte Kläger, dass er weiterhin nur dann zu dem bei den Gesprächen im Jahr 2010 in Aussicht genommenen Umzug in das Anwesen S.straße 2 bereit ist, wenn dort – wie schon in dem Protokoll vom August 2010 und dem vorangegangenen Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom Juni 2010 ausgeführt – die von ihm für notwendig erachteten baulichen Einrichtungen für die Weiterführung seines landwirtschaftlichen Betriebs geschaffen werden.
27
d) Das Schreiben des Klägers vom 22.08.2018 (Anlage BV 4) betrifft ausschließlich einen etwaigen Umzug des Klägers in das Anwesen S.straße 2 und einen Mietverzicht der Beklagten für das Anwesen des Klägers. Auch darin liegt kein Anerkenntnis des Anspruchs der Beklagten auf Übertragung des Eigentums an dem streitgegenständlichen Grundstück. Nichts anderes gilt für die Zahlung der im Vertrag vom 20.08.2004 vereinbarten Nutzungsentschädigung durch den Kläger.
28
e) Der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 10.10.2022 ist auch nicht geeignet, eine Hemmung gemäß § 203 BGB anzunehmen. Nach dem Parteivortrag haben die Parteien nicht über den Anspruch der Beklagten auf Übereignung des Grundstücks des Klägers verhandelt, sondern über den Umzug des Klägers in ein anderes Anwesen. Hinzu kommt, dass selbst diese Verhandlungen ersichtlich nach Ablehnung der Baugenehmigung im Herbst 2013 nicht fortgeführt worden sind.
29
2. Die Voraussetzungen der Verjährungshemmung gemäß § 205 BGB sind auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Gegenerklärung vom 10.10.2022 durch die im Kaufvertrag vom 20.08.2004 vereinbarte Vorlagesperre (Anlage K 2, Punkt II., 2. Absatz) nicht erfüllt.
30
a) Die Vorlagesperre stellt schon keine Vereinbarung eines Leistungsverweigerungsrechts des Verkäufers dar, so dass der Anwendungsbereich des § 205 BGB von vornherein nicht eröffnet ist. Es handelt sich um eine verfahrensrechtliche Gestaltung, mit der der Vollzug der bereits bindend gewordenen Auflassung durch Anweisungen der Vertragsparteien an den Notar vorübergehend gesperrt wird, um so den Verkäufer davor zu schützen, dass er das Eigentum an seinem Grundstück verliert, ohne den Kaufpreis zu erhalten (vgl. BGH, Urteil vom 14.09.2018 – V ZR 213/17; BGH, Beschluss vom 26.09.2018 – V ZB 41/19). Vereinbart wird damit eine Treuhandtätigkeit des Notars nach § 24 BNotO. Dem Notar wird die Anweisung erteilt (vgl. § 53, 1.Hs. a.E. BeurkG), die Eintragung des Eigentumswechsels erst zu beantragen, wenn ihm die Zahlung des Kaufpreises nachgewiesen ist, oder der Verkäufer dem zustimmt oder bestätigt hat, dass der Kaufpreis bezahlt ist.
31
b) Abgesehen davon ist § 205 BGB nur auf vertraglich vereinbarte, nicht jedoch auf gesetzliche Leistungsverweigerungsrechte anzuwenden (BGH Urteil vom 14.12.2017 – IX ZR 118/17). Auf vertraglich vereinbarte Leistungsverweigerungsrechte, die gesetzliche Leistungsverweigerungsrechte nur nachbilden, ist die Regelung des § 205 BGB ebenfalls nicht anwendbar (Grothe in Münchener Kommentar BGB 9. Auflage § 202, Rn. 2).
32
Selbst wenn die Vorlagesperre (auch) als Leistungsverweigerungsrecht des Verkäufers einzuordnen wäre, handelte es sich um eine vertragliche Vereinbarung, die nur die Einrede des § 320 Abs. 1 BGB nachbildet. Durch den Umstand, dass der Kläger im Kaufvertrag vom 20.08.2004 bereits die Auflassung bezüglich des veräußerten Grundstücks erklärt hat, sparen sich die Parteien einen sonst erforderlichen weiteren Beurkundungstermin und die Beklagte erhält insoweit Sicherheit, als der Verkäufer bereits die Auflassung hinsichtlich des verkauften Grundstücks erklärt hat und zu ihren Gunsten ein Anwartschaftsrecht entsteht (Krauß in Beck'sches Notar-Handbuch Kapitel 1, § 1, Rn. 448). Andererseits hat der Kläger als Verkäufer hierdurch die Einrede des nicht erfüllten Vertrags gemäß § 320 Abs. 1 BGB verloren. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, haben die Parteien den Notar angewiesen, den Antrag auf Vollzug der Auflassung beim Grundbuchamt erst dann zu stellen, wenn der Käufer zustimmt oder die Zahlung des Kaufpreises nachgewiesen ist. Hierdurch soll, wie die Gegenerklärung zutreffend ausführt (dort S. 5), ein Schutz zu Gunsten des Käufers für den Verlust der Einrede des nichterfüllten Vertrags geschaffen werden. Durch die Einrede gemäß § 320 BGB wird die Verjährung jedoch gerade nicht unterbrochen (H.Schmidt in BeckOK BGB § 320, Rn. 25). Ein weitergehender Schutz der Beklagten durch eine Verlängerung der Verjährung war durch die Parteien nicht beabsichtigt; ein solcher erscheint auch nicht sachgerecht. Die Ursache für den Umstand, dass dem Kläger nach dem Vertrag vom 20.08.2004 ein vertragliches und kein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht mehr zusteht, geht auf die von den Parteien gewählte vertragliche Umsetzung des Grundstückskaufs zurück. Durch die Vereinbarungen in diesem Vertrag ist einerseits das Leistungsverweigerungsrecht des Klägers in Wegfall geraten, andererseits wurde gleichzeitig die Vorlagesperre vereinbart. Durch eine derartige Vertragsgestaltung sollen aber gesetzliche Leistungsverweigerungsrechte gerade nicht in den Anwendungsbereich des § 205 BGB aufgenommen werden können. Diese geht nicht über die bloße Aufnahme eines gesetzlichen Leistungsverweigerungsrechts in einen Vertrag hinaus. Andernfalls könnte die Wertung des § 205 BGB, dass die Regelung nicht auf gesetzliche Leistungsverweigerungsrechte anzuwenden ist, immer durch Verzicht auf das gesetzliche Recht und anschließende Neuvereinbarung umgangen werden.
33
c) Vor dem Hintergrund vorstehender Auslegung des § 205 BGB ist – entgegen der Berufungsbegründung (dort S. 4/5) – eine analoge Anwendung der Vorschrift auf den vorliegenden Sachverhalt nicht möglich. Der Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich des § 205 BGB bewusst eingeschränkt (BT-Drucksache 14/6040, S. 118). Im Gegensatz zur Vorgängerregelung in § 202 BGB a.F. sieht § 205 BGB eine Anwendung auf gesetzliche Leistungsverweigerungsrechte nicht vor. Eine analoge Anwendung auf gesetzliche Leistungsverweigerungsrechte ist nicht möglich (BGH Beschluss vom 25. Januar 2012 – XII ZB 461/11). Eine planwidrige Regelungslücke bezüglich vertraglich vereinbarter Leistungsverweigerungsrechte, die einem gesetzlichen Leistungsverweigerungsrecht nachgebildet sind, besteht nicht.
34
Hinzu kommt, dass bei der vorliegenden Fallgestaltung kein Bedürfnis für eine Hemmung der Verjährung des Anspruchs auf Eigentumsverschaffung nach § 205 BGB besteht. § 205 BGB trägt dem Umstand Rechnung, dass bei einem vertraglich vereinbarten Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners der Gläubiger seinen Anspruch nicht durch Rechtsverfolgung durchsetzen kann (vgl. Peters/Jacoby in Staudinger BGB Bearbeitung 2019 § 205 Rn. 3). Hier stand es jedoch der Beklagten frei, den (Rest-)Kaufpreis zu bezahlen und die Kaufpreiszahlung dem Notar nachzuweisen mit der Folge, dass dieser den Antrag auf Vollzug der Auflassung beim Grundbuchamt zu stellen hatte (Ziffer II des Vertrags vom 20.08.2004, Anlage K 2).
35
d) Der Umstand, dass die Zahlung des von der Beklagten geschuldeten Kaufpreises erst mit einer Fälligkeitskündigung des Klägers fällig wurde, führt – entgegen den Ausführungen in der Gegenerklärung (dort S. 6) nicht zu einer Anwendung des § 205 BGB. Die Beklagte war nicht gehindert, den Restkaufpreis vor Fälligkeit zu bezahlen, § 271 Abs. 2 BGB. Soweit die Beklagte meint, dies hätte im Hinblick auf die Verpflichtung zur Verzinsung des Restkaufpreises einen Verstoß gegen die Leistungstreuepflicht der Beklagten dargestellt, geht das fehl. Die Pflicht zur Verzinsung des Restkaufpreises mit dem Zinssatz für gesetzliche Spareinlagen ab 01.09.2007 stellt lediglich eine Nebenpflicht dar. Eine vorzeitige Zahlung war für den Kläger nicht nachteilig, da er in diesem Fall den erhaltenen Kaufpreis selbst verzinslich hätte anlegen können. Darüber hinaus kann es nicht Inhalt einer Nebenpflicht sein, den eigenen Hauptleistungsanspruch verjähren zu lassen.
36
3. Wie bereits im Hinweis ausgeführt, ist die Erhebung der Verjährungseinrede durch den Kläger nicht treuwidrig (§ 242 BGB). Der Kläger konnte die Fälligkeitskündigung nicht erklären, da er den erforderlichen Verwendungsnachweis bezüglich der Verwendung des Kaufpreises nicht erbringen konnte. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass für den vereinbarten Grundstückskaufpreis bereits jedenfalls wenige Jahre nach Abschluss des Kaufvertrags für den Kläger ein Ersatzobjekt nicht mehr zu erwerben war (Schriftsatz vom 22.02.2022, S. 3). Damit war es dem Kläger aufgrund der vertraglichen Vereinbarung in Punkt VIII. 6. des Vertrages nicht möglich, den Kaufpreis anzufordern und damit den weiteren Vollzug des Kaufvertrags durchzusetzen, denn er konnte nicht die Verwendung des Kaufpreises für den Erwerb eines Ersatzobjekts nachweisen. Entgegen den Ausführungen in der Gegenerklärung (dort S. 6/7), ergibt die Auslegung des Kaufvertrags vom 20.08.2004 gemäß §§ 133, 157 BGB, dass es sich bei der Verpflichtung des Klägers, die Mittelverwendung nachzuweisen, um eine Voraussetzung für die Zahlung des Restkaufpreises handelt. Die Regelung ist gerade in dem Abschnitt des Vertrages, der die Fälligkeit der Restkaufpreisforderung (Punkt VI. 6.) regelt, enthalten. Die Verpflichtung zum Nachweis ist auch sprachlich ausdrücklich mit der Anforderung des Restkaufpreises verbunden. Der Umstand, dass später (erfolglos) Gespräche über den Umzug des Klägers in ein anderes Anwesen geführt wurden, das er nicht erwerben, sondern gegen Entgelt hätte nutzen sollen, ändert daran nichts.
37
4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Die Fortbildung des Rechts erfordert nicht die Zulassung der Revision. Abweichende obergerichtliche Rechtsprechung ist nicht ersichtlich.
38
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
39
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
40
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.