Inhalt

OLG München, Beschluss v. 11.02.2022 – 9 U 5403/21
Titel:

Durchgriffshaftung, Beweisaufnahme, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Subunternehmer, Kosten des Berufungsverfahrens, Gesamtschuldner, Sekundäre Darlegungslast, Vertragsschluss, Teilurteil, Kostenentscheidung, Sicherheitsleistung, Schriftsätze, Inanspruchnahme besonderen Vertrauens, Formelle Rechtskraft, Streitwert, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Deliktischer Anspruch, Beweisantizipation, Hinweisbeschluss, Geleistete Zahlungen

Schlagworte:
Durchgriffshaftung, Deliktische Haftung, Teilurteil, Berufung, Aussichtslosigkeit der Berufung, Beweisaufnahme, Schadensaufstellung
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 10.01.2022 – 9 U 5403/21
LG München I, Urteil vom 13.07.2021 – 5 O 12132/17
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 06.06.2023 – VII ZR 71/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 55645

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 13.07.2021, Aktenzeichen 5 O 12132/17, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 80.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger begehrt von den Beklagten zu 2) und 3) im Wege der Durchgriffshaftung beziehungsweise der deliktischen Haftung die Rückzahlung von für das Bauvorhaben des Klägers „Sanierung eines Reihenhauses in der H.-Straße 2b, O.“ geleisteter Zahlungen. Der Beklagte zu 2) war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Geschäftsführer der K.-GmbH der Beklagten zu 1), der Beklagte zu 3) war technischer Angestellter bei der ehemaligen Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 1) wurde mit rechtskräftigem Teilurteil vom 07.08.2018 zur Zahlung von 80.000,00 € an den Kläger verurteilt.
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Das Landgericht München I hat mit Schlussurteil vom 13.07.2021 die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) zurückgewiesen. Tragend hat es darauf abgestellt, dass mangels Inanspruchnahme besonderen Vertrauens eine Durchgriffshaftung nicht in Betracht komme, ebenso wenig ein deliktischer Anspruch aus § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 I StGB. Die Entgegennahme von Baugeld mit dem Versprechen einer baldigen Fertigstellung oder Weiterführung der Baumaßnahme sei kein Betrug, zumal die Beweisaufnahme ergeben habe, dass durchaus Bauarbeiten auf der Baustelle erbracht und Subunternehmer bezahlt worden seien. Es fehle an einer substantiierten Darstellung, welche Gelder tatsächlich im Folgenden nicht auf der Baustelle eingebracht worden seien. Da der Beklagte zu 3) lediglich Angestellter der GmbH und nicht Geschäftsführer gewesen sei, scheide bei diesem eine Durchgriffshaftung von vorneherein aus. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass der Beklagte zu 3) Gelder vereinnahmt hat, um versprochene Leistungen verdeckt nicht auszuführen. Auch habe sich nicht bestätigt, dass Subunternehmer systematisch nur geringe Abschläge erhalten hätten, um diese bei Laune zu halten. Die Klagepartei habe zu allen Themenbereichen (Fenster, Türen, Rohrleitungen) nur pauschale Behauptungen in den Raum gestellt, ohne dass ein Schaden einem Beklagten oder einer Handlung zugeordnet werden könne.
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Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 13.07.2021 Bezug genommen.
4
Gegen dieses dem Klägervertreter am 13.07.2021 zugestellte Endurteil legte dieser mit Schriftsatz vom 10.08.2021 (Bl. 339/341 d.A.), beim Oberlandesgericht München eingegangen am gleichen Tag Berufung ein, die er mit Schriftsatz vom 12.10.2021 (Bl. 350/369 d.A.), beim Oberlandesgericht München eingegangen am 13.10.2021, begründete.
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Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Ansprüche weiter und stützt diese nun mehr – abweichend vom Sachvortrag in erster Instanz – auf unmittelbare vertragliche Ansprüche, da er nun mehr einen direkten Vertragsschluss mit den Beklagten zu 2) und 3) behauptet.
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Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger:
I. Das Urteil des Landgerichts München I, Aktenzeichen: 5 O 12132/17 wird aufgehoben.
II. Die Beklagten zu 2.) und 3.) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 80.000,00 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit 28.10.2017 zu bezahlen.
III. Die Beklagten zu 2.) und 3.) haben als Gesamtschuldner die Kosten beider Instanzen zu tragen.
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Die Beklagten zu 2.) und 3.) beantragen jeweils,
die Berufung zurückzuweisen.
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Der Senat hat mit Beschluss vom 10.01.2022 (Bl. 338/393 d.A.) darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
9
Hierauf hat der Kläger mit Schriftsatz vom 08.02.2022 (Bl. 399/412 d.A.) erwidert.
II.
10
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 13.07.2021, Aktenzeichen 5 O 12132/17, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 10.01.2022 (Bl. 338/393 d.A.) Bezug genommen.
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Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 08.02.2022 (Bl. 399/412 d.A.) geben zu einer Änderung keinen Anlass.
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Hierzu sind folgende Ausführungen veranlasst:
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1. Soweit der Kläger nach zwei Zeitabschnitten differenziert und meint, dass im Zeitraum April bis Juni keine Bauleistungen mehr erfolgten, kann der Kläger ebenfalls nicht substantiiert belegen, dass Gelder veruntreut bzw. in keiner Weise mehr für die Bauausführung verwendet wurden. Die Beweisaufnahme durch das Erstgericht erbrachte vielmehr, dass jedenfalls zum Teil nach wie vor Zahlungen an Subunternehmer geleistet wurden.
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2. Die Wertung des Erstgerichts, dass auf Zeitgewinn zielende, beschwichtigende Äußerungen, wie sie der Kläger dem Beklagten zu 2) vorwirft, nicht als Verstoß gegen das allgemeine Anstandsgefühl und gegen die Grunderfordernisse der Redlichkeit im geschäftlichen Verkehr gewertet werden können, ist nicht zu beanstanden. Nur in dem Fall, dass dies anders wäre, käme eine Durchgriffshaftung des Beklagten zu 2) überhaupt in Betracht.
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3. Auch die Zeugenaussagen des Zeugen R. wurde, auch wenn sie im Schlussurteil nur beiläufig erwähnt wurde, vom Erstgericht nicht einseitig oder falsch interpretiert. Schließlich gab der Zeuge an, dass er die Hälfte seines Werklohns erhalten hat und dass er im Übrigen Erinnerungsschwächen habe.
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4. Die nachträgliche beschwichtigende Erklärung der Beklagten zu 2) und 3), die Subunternehmer seien vollständig bezahlt worden, kann keinen strafbaren Betrug begründen, da nicht nachgewiesen werden kann, dass die Beklagten zu 2) und 3) bereits bei Anforderung der Gelder vom Kläger vorhatten, diese Gelder nicht zweckgerichtet als Vorschuss für die Bauleistungen zu verwenden, da jedenfalls teilweise und in nicht unerheblichen Umfang tatsächlich Zahlungen an Subunternehmer erfolgt sind, wie die Beweisaufnahme in erster Instanz ergeben hat.
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5. Der Zeuge K. konnte nicht sagen, wer ihm die Anweisung bezüglich der Rohre auf der Baustelle gegeben habe. Ob die Beklagten zu 2) und 3) nachträglich nach Entdeckung der alten Leitungen einen Täuschungsversuch unternommen haben, indem sie erklärten, der Austausch sei nur in einem kleinen Teil unterblieben, ist demgegenüber irrelevant, denn eine weitere Vermögensverfügung des Klägers ist danach nicht mehr erfolgt.
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6. Auf die Vernehmung des Zeugen A.G. kam es nicht an, da dieser ebenfalls schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 20.04.2021, S. 4/6, Bl. 292/294 d.A., eine Anzahlung erhalten und auch Fenster eingebaut hat. Selbst wenn keine vollständige Bezahlung erfolgt sein sollte, belegt dies weder eine Betrugs- noch eine Veruntreuungsabsicht. Insoweit handelt es sich bei dem Beweisangebot bezüglich des Zeugen A.G. auch nicht um eine unzulässige Beweisantizipation.
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7. Soweit der Kläger behauptet, durch die Zahlungen ab 22.03.2016, die bei Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht mehr geleistet worden wären, sei durch den Beklagten zu 2) ein Schaden von 35.000,00 € und beim Beklagten zu 3) von 20.000,00 € entstanden, erschließt sich dies nicht, da eine schlüssige Schadensaufstellung fehlt. Dies hat bereits das Erstgericht zutreffend moniert. Auch die Grundsätze einer sekundären Darlegungslast helfen hierüber nicht hinweg.
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8. Zum Zeugen H. gilt nach wie vor das unter Ziffer 5. Im Hinweisbeschluss vom 10.01.2022 Gesagte.
22
9. Richtig ist, dass die formelle Rechtskraft des Teilurteils – in Abweichung zu den Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 10.01.2022 unter Ziffer 3. – nicht entgegensteht. Allerdings spricht nichts für einen direkten Vertragsschluss der Beklagten zu 2) und 3) anstelle der Beklagten zu 1).
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10. Inwieweit sich aus der Anlage K 4 in Verbindung mit den Anlagen K 21, K 32, K 34, K 35, K 36 und B 7 ein weit überhöhter Fertigstellungsgrad und schriftliche Lügen im Zusammenhang mit anlassbezogenen Geldforderungen ergeben soll, wird auch im Schriftsatz vom 28.09.2018, S. 3/4, Bl. 138/139 d.A. nicht plausibel dargestellt.
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11. Auf die Grundsätze der sekundären Darlegungslast kommt es bei den Beklagten zu 2) und 3) nicht an, da die Beklagten zu 2) und 3) nicht persönlich vertraglich zur Abrechnung der erhaltenen Abschlagszahlungen verpflichtet sind, und diesen auch keine deliktische Haftung nach § 826 BGB bzw. nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 263 Abs. 1, 266 StGB dem Grunde nach nachgewiesen werden kann.
III.
25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
26
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
27
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.