Inhalt

LG Deggendorf, Beschluss v. 22.09.2022 – 21 OH 34/21
Titel:

Notarkostenrechnung, Elektronisches Dokument, Geschäftswert, Beurkundungsverfahren, Elektronischer Rechtsverkehr, Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Beendigung des Verfahrens, Erwerber, Kostenbeschwerde, Außergerichtliche Kosten, notarielle Urkunden, Gerichts- und Notarkostengesetz, Qualifizierte elektronische Signatur, Gerichtsgebührenfreiheit, Verkehrswert, Unterzeichnung, Übergabevertrag, Handelnfür, Außergerichtliche Auslagen, Rechtsbehelfsbelehrung

Schlagworte:
Notarkostenrechnung, Beschwerde, Kostenprivileg, Geschäftswert, Fälligkeit, Betriebsfortführung, Verkehrswert
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 09.11.2022 – 32 Wx 443/22 Kost
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 22.02.2024 – V ZB 65/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 55227

Tenor

1. Der Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung nach § 127 GNotKG wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Höhe einer Notarkostenrechnung.
2
Der Notar () beurkundete im Auftrag der Antragstellerin sowie der Mutter der Antragstellerin, (), am 29.09.2020 einen Übergabevertrag (URNr. X), mit dem die Antragstellerin das landwirtschaftliche Anwesen () nebst zugehörigem Grund von ihrer Mutter zu Alleineigentum übertragen bekam.
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Mit Kostenrechnung vom 01.02.2021 stellte der Notar sodann der Antragstellerin aus einem Geschäftswert von 1.885.492,00 EUR insgesamt Gebühren und Auslagen für das Beurkundungsverfahren in Höhe von insgesamt brutto 10.000,07 EUR in Rechnung. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die genannte Notarkostenrechnung Bezug genommen.
4
Mit Schreiben vom 09.12.2021, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, hat die Antragstellerin gegen diese Notarkostenrechnung Beschwerde eingelegt. Für die Bewertung müsse ihrer Auffassung nach das Kostenprivileg des § 48 I GNotKG herangezogen werden. Das Anwesen sei am 01.01.2014 an die Antragstellerin verpachtet worden, die den Betrieb geführt habe. Allein aus sozialrechtlichen Überlegungen sei der Betrieb dann ab 01.04.2018 an den Schwiegersohn der Veräußerin (Ehemann der Antragstellerin) verpachtet worden und werde von beiden Eheleuten geführt.
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Die Präsidentin des Landgerichts Deggendorf wurde gehört.
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Darüber hinaus hat das Gericht eine Stellungnahme der Notarkasse München vom 12.08.2022 erholt, auf die inhaltlich Bezug genommen wird. Sämtliche Beteiligten hatten hierzu rechtliches Gehör.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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1. Die als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 127 I S. 1 GNotKG zu behandelnde Beschwerde der Antragstellerin ist als solche statthaft und auch im Übrigen zulässig.
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2. In der Sache bleibt der Antrag jedoch ohne Erfolg.
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Die beanstandete Notarkostenrechnung, die in formaler Hinsicht fehlerfrei ist, insbesondere auch dem Zitiergebot des § 19 GNotKG entspricht, berechnet die Kosten zutreffend. Insbesondere ist der Geschäftswert zutreffend mit dem Verkehrswert des Gegenstands der Übergabe angesetzt.
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a) Für die Wertberechnung ist nach § 96 GNotKG der Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühr maßgebend. Notargebühren werden dabei nach § 10 GNotKG mit der Beendigung des Verfahrens oder des Geschäfts, Auslagen des Notars sofort nach ihrer Entstehung fällig. Dieser Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens liegt bei Gebühren für – wie vorliegend – vollendete Beurkundungsverfahren im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Niederschrift (vgl. OLG Düsseldorf, BeckRS 2018, 31653). Hierin liegt sowohl der beurkundungsrechtliche als auch der kostenrechtliche Abschluss des Verfahrens (vgl. Korintenberg, Gerichts- und Notarkostengesetz: GNotKG, 22. Auflage 2022, § 10 Rn. 3).
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Die Fälligkeit tritt mit der Beendigung des gebührenpflichtigen Verfahrens oder Geschäfts kraft Gesetzes ein und ist damit insbesondere unabhängig von der Einforderung der Gebühren nach § 19 GNotKG durch Rechnungsstellung.
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Damit ist vorliegend mit Beendigung des Verfahrens und somit mit Unterzeichnung der Niederschrift Fälligkeit eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt mussten daher alle Kriterien erfüllt sein, die eine Anwendung von § 48 GNotKG voraussetzt, um die Gebührenprivilegierung in Anspruch nehmen zu können.
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b) Letzteres ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Die Anwendung von § 48 GNotKG setzt nämlich unter anderem voraus, dass die unmittelbare Fortführung des Betriebs durch den Erwerber selbst beabsichtigt ist.
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Vorliegend ist die Anwendung der Privilegierungsvorschrift durch den Notar deshalb unterblieben, weil ausweislich der eigenen Angaben der Beteiligten in Ziffer II. § 4 Nr. 2 der notariellen Urkunde das vertragsgegenständliche Anwesen an den Ehegatten des Erwerbers verpachtet ist, der Erwerber Kenntnis vom Inhalt des Pachtvertrages hat und ab Besitzübergang anstelle des Veräußerers in den Pachtvertrag eintritt.
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Eine unmittelbare Fortführung des Betriebes durch den Erwerber im Sinne von § 48 GNotKG liegt somit gerade nicht vor.
17
Eine beabsichtigte Fortführung des Erwerbers selbst, die zu einer unmittelbaren Übernahme des Betriebes führt, ist nach dem Wortlaut von § 48 I S. 1 GNotKG zwingende Voraussetzung für die Gewährung des Geschäftswertprivilegs. Ein verpachteter Betrieb, der auch nach der Übergabe verpachtet bleibt, löst die Anwendung des § 48 GNotKG nicht aus. Auch innerfamiliäre Verpachtung schließt die Anwendung des Privilegs aus (vgl. Korintenberg, GNotKG, § 48 Rn. 33a, Rn. 39; BeckOK Kostenrecht, Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, 38. Edition, § 48 GNotKG, Rn. 24; LG Weiden Beschluss vom 15.9.2016 – 14 T 174/16, BeckRS 2016, 115746). Entgegen der Auffassung des OLG Nürnberg in seiner Beschwerdeentscheidung zum o.a. Beschluss des LG Weiden (OLG Nürnberg, Beschluss v. 1. 2. 2017 – 8 W 2148/16) ist die Anwendung des § 48 GNotKG nach Auffassung des Gerichtes ausgeschlossen, wenn ein Erwerber den Betrieb nicht selbst unmittelbar nach Erwerb fortführt; es handelt sich um eine zwingende Tatbestandsvoraussetzung, die auch dem Willen des Gesetzgebers bzgl. § 48 GNotKG entspricht (vgl. Bundestags-Drucksache 17/11471, Seite 169: „Eine Privilegierung soll auch dann ausgeschlossen sein, wenn ein Betrieb betroffen ist, der im Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts nicht vom Eigentümer bewirtschaftet wird, sondern beispielsweise überwiegend verpachtet ist“). Im streitgegenständlichen Fall liegt ein Betrieb vor, der vor und nach dem Vollzug der Übergabe an einen Dritten (den Ehemann der Antragstellerin) verpachtet ist.
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An dieser Sichtweise ändert sich auch nichts, weil die Antragstellerin (Erwerberin) im übergebenen Betrieb – wie antragstellerseitig vorgetragen – auf Basis einer Vollmacht zur Vornahme sämtlicher landwirtschaftlichen Geschäfte sowie einer Bankvollmacht handelt. Bei Ausübung einer Vollmacht erfolgt ein Handeln für einen Dritten und nicht ein Handeln im eigenen Namen. Fehlt es aber an einer gesetzlich vorgegebenen Voraussetzung, ist die Anwendung des Land- und Forstwirtschaftsprivilegs nach § 48 GNotKG nicht möglich Sikora/Tiedtke: GNotKG: Kostenrechtsprechung 2017, DNotZ 2018, Seite 576 (582).
19
c) Der übergebene Grundbesitz war daher mit dem nach § 46 GNotKG zu ermittelnden Verkehrswert zu bewerten. Dass dieser fehlerhaft ermittelt wurde, bringt die Kostenbeschwerde weder konkret vor noch ist dies anderweitig ersichtlich.
20
3. Da die beanstandete Notarkostenrechnung somit nicht zum Nachteil der Antragstellerin von den gesetzlichen Berechnungsmaßstäben abweicht, war der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen.
III.
21
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei (vgl. Korintenberg, a.a.O., § 127 Rn. 52a). Die außergerichtlichen Kosten trägt jede Partei selbst.