Inhalt

ArbG Nürnberg, Endurteil v. 27.06.2022 – 10 Ca 2442/22
Titel:

Anspruch einer Gewerkschaft auf Herausgabe der oder Zugang zu den dienstlichen E-Mail-Adressen der Mitarbeiter eines Betriebs

Normenketten:
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
BetrVG § 2 Abs. 2
DS-GVO Art. 6 Abs. 1 lit. f
Leitsätze:
1. Der Arbeitgeber ist nach Art. 9 Abs. 3 GG gegenüber einer Gewerkschaft nicht zur Herausgabe der dienstlichen E-Mail-Adressen seiner Arbeitnehmer verpflichtet, um das Recht der Gewerkschaft auf Zugang zum Betrieb zu gewerkschaftlicher Betätigung und zu Werbe- und Informationszwecken zu gewährleisten. (Rn. 32 – 46) (redaktioneller Leitsatz)
2. Jedenfalls ohne Darlegung eines konkreten betriebsverfassungsrechtlichen Anlass für den (digitalen) Zugang zum Betrieb ergibt sich ein solcher Anspruch auch nicht aus § 2 Abs. 2 BetrVG. (Rn. 47 und 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gewerkschaft, Mitgliederwerbung, digitales Zutrittsrecht, Datenschutzrecht, Koalitionsfreiheit, Globalantrag
Rechtsmittelinstanzen:
ArbG Nürnberg, Berichtigungsbeschluss vom 14.11.2022 – 10 Ca 2442/22
LArbG Nürnberg, Urteil vom 26.09.2023 – 7 Sa 344/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 54653

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klagepartei trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf € 15.000,00 festgesetzt.
4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über digitale Zugangsrechte der Klägerin im Betrieb der Beklagten. Die Klägerin begehrt insbesondere Herausgabe aller dienstlichen E-Mail-Adressen der Beklagten sowie Zugang zu der bei der Beklagten verwendeten Applikation „...“ und Einrichtung eines Links im Intranet der Beklagten namens „...“ auf dessen Startseite.
2
Die Klägerin ist die für den Betrieb der Beklagten in C-Stadt zuständige Gewerkschaft. Die Beklagte ist ein führender Hersteller von Sportartikeln. Im Betrieb in C-Stadt ist ein Betriebsrat gebildet.
3
Auf dem Betriebsgelände der Beklagten in C-Stadt, der sogenannten ... (nachfolgend ...), sind kraft arbeitsvertraglicher Zuordnung ca. 5.400 Mitarbeiter beschäftigt. Die ... wurde ab Mitte April 2019 schrittweise im Betrieb genommen und am 09.08.2019 offiziell eingeweiht. Neben einem neuen Bürogebäude wurden weitere soziale Einrichtungen für die Beschäftigten, zusätzliche Kantinen und Begegnungsstätten, mehr Parkflächen und neue Sportmöglichkeiten geschaffen. Die ... bietet unter anderem Kinderbetreuungseinrichtungen, einen Wäscheservice für Beschäftigte, einen Paketannahmeservice für Beschäftigte, fünf Cafeterien, zwei Restaurants und zahlreiche Sportanlagen, wie etwa Skateboardparks, Tennisplätze, Laufbahnen, Kletterwände, Fußballplätze und ein Fitnessstudio. Die Beklagte hat sich für ein sogenanntes „activity based working“ als Konzept entschieden und hierüber bereits am 18.12.2017 eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen (Betriebsvereinbarung zur Neuausrichtung der Arbeitskultur – „...“ vom 18.12.2017, Anlage AG 2, auf die inhaltlich Bezug genommen wird). Hierbei ist Ausgangspunkt, die Arbeitsplatz- und Raumgestaltung an die konkrete Tätigkeit der Mitarbeiter anzupassen. Die Arbeitsumgebung ist in Modulen gestaltet, die die Tätigkeit der Beschäftigten nach den jeweiligen Bedürfnissen bestmöglich unterstützen. So gibt es etwa Meetingräume unterschiedlicher Größe, Fokusboxen, Telefonieboxen, „Thinktanks“ und „open Workspaces“, aber auch „recreational areas“ etwa mit Sofas und Bibliotheken, Sportmöglichkeiten oder Kreativbereichen. Dieses Konzept soll den Beschäftigten ein kreatives Arbeitsumfeld mit größtmöglicher Freiheit und Flexibilität bieten. Im Betrieb der Beklagten existiert ein Konzept, wonach es angesichts der vorstehend beschriebenen Arbeitsumgebung nicht erforderlich ist, dass jedem Beschäftigten jederzeit ein Schreibtisch zur Verfügung steht. Die Beklagte hat vielmehr eine „share ratio“ von 0,8 eingeführt, was bedeutet, dass für jeden Beschäftigten grundsätzlich 0,8 Schreibtische zur Verfügung stehen, was daraus resultiert, dass das Konzept „activity based working“ vorsieht, dass Arbeitszeit in anderen Modulen abseits des Schreibtisches verbracht wird.
4
Daneben besteht die Möglichkeit zur mobilen Arbeit, soweit das Aufgabengebiet der Mitarbeiter keine räumliche Einbindung in das Betriebsgelände der Beklagten erfordert. Am 31.03.2022 schloss die Beklagte mit ihrem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung über mobiles Arbeiten („...“, auf die inhaltlich Bezug genommen wird), die zum 01.05.2022 in Kraft getreten ist. Diese Gesamtbetriebsvereinbarung sieht für die Mitarbeiter der Beklagten, die unter den Geltungsbereich fallen, die Möglichkeit vor, bis zu 40% ihrer wöchentlichen Arbeitszeit mobil zu arbeiten, also außerhalb der Betriebsstätte. Eine Ausdehnung der mobilen Arbeitszeit ist nur für abschließend genannte Härtefälle vorgesehen (§ 4 Abs. 1 GBV ...). Das Angebot zur mobilen Arbeit ist für die Mitarbeiter freiwillig, sie können daher auch weiterhin ihre Arbeitsleistung vollständig in der Betriebsstätte der Beklagten erbringen.
5
Vor Abschluss dieser Betriebsvereinbarung, im Zeitraum außerhalb des staatlich angeordneten „Lockdowns“ während der Corona Pandemie, während derer die Beschäftigten gehalten waren, nach Möglichkeit ihre Arbeitsleistung von zu Hause aus zu erbringen, erbrachte die Mehrheit der Beschäftigten mindestens 80% der individuellen Arbeitsleistung in der ... und nutzte das Betriebsgelände neben beruflichen auch zu privaten Zwecken, etwa für Sport.
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Während des ersten coronabedingten Lockdowns im Juni/Juli 2020 arbeiteten ca. 400-600 Mitarbeiter in der .... Ab August 2020 wurde die ... dann schrittweise wieder geöffnet, sodass vor dem zweiten pandemiebedingten Lockdown bereits wieder etwa 3.000 Mitarbeiter in der ... zugelassen waren. Während des Lockdowns ab August 2021 suchten im Durchschnitt täglich 1.200 Beschäftigte die ... auf.
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Bei der Beklagten existiert eine Betriebsvereinbarung „Corona Pandemie“ vom 16.12.2020, Anlage AG 3, auf die inhaltlich Bezug genommen wird sowie ein Annex hierzu, „Return to Office“ vom 16.12.2020, Anlage AG 4.
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Im Betrieb der Beklagten werden verschiedene Kommunikationssysteme betrieben. So existiert ein dienstliches E-Mail-Programm. Nicht jeder Mitarbeiter der Beklagten hat eine eigene dienstliche E-Mail-Adresse. Insbesondere hat die Mehrheit der Beschäftigten im Einzelhandel sowie der Lagermitarbeiter keine eigene E-Mail-Adresse. Des Weiteren verwendet die Beklagte eine Anwendung des Pakets Microsoft Office 360 namens „...“. Das soziale Netzwerk „...“ basiert auf der Anwendung Microsoft Office 365. Die Beklagte nutzt dieses als soziales Intranet, das alle Mitarbeiter weltweit untereinander verbindet. Von seiner Funktionsweise ähnelt es einem unternehmenseigenen „F.“, mit dem Unterschied, dass man nicht nur Gruppen (hier Communities genannt) erstellen und beitreten, private Nachrichten versenden und Postings erstellen kann, sondern auch Unternehmensdaten (digitale Unterlagen, Dateien etc.) hochladen, anschauen und anderen Mitgliedern zum Download zugänglich machen kann. Es dient damit nicht primär der sozialen Verbindung und Interaktion, sondern dem arbeitsbezogenen Informationsaustausch innerhalb von einzelnen Teams und zwischen gesamten weltweiten Organisationsbereichen. Jedes Mitglied in „...“, also jeder Mitarbeiter, hat eine sogenannte ... Card, auf der der vollständige Name, die berufliche E-Mail-Adresse, Telefonnummer und Anschrift sowie Berichtslinien (in der Hierarchie nach oben als auch nach unten) einzusehen sind. Innerhalb des „...“ – Netzwerks der Beklagten hat jeder Mitarbeiter Zugriff auf die ... Card seines Kollegen. Auf Grundlage dieser Daten lässt sich ein weltweites personalisiertes Organigramm abbilden – vom CEO bis zum „einfachen“ Angestellten. Kernelement und Ausgangspunkt der Verwendung dieser Software ist die E-Mail-Adresse. Sie ist Identitätsausweis, um sich innerhalb der Microsoft Office 365 Anwendungen wie „...“ zu bewegen. Diese Identität kann nicht mit einer gewöhnlichen E-Mail-Domain und einem normalen Microsoft – Konto erstellt werden. Vielmehr bedarf es einer firmeneigenen E-Mail-Adresse, die einem Mitarbeiter konkret zugeordnet ist. Der Mitarbeiter des Unternehmens erhält sodann ein Geschäftskonto, das dem Unternehmen zugewiesen ist. Der Mitarbeiter befindet sich in der Regel nur innerhalb der Office 365 Anwendungen des eigenen Unternehmens. Personen, die Microsoft nicht nutzen oder bei Microsoft über ein Verbraucherkonto verfügen, sind von der Office 365 Applikation „...“ generell ausgeschlossen. Zur Einrichtung einer Office 365 Identität der Klägerin bedürfte es neben der Einrichtung einer E-MailAdresse mit ... – Domain des Weiteren einer Office 365 Lizenz, die durch die Beklagte erworben werden und auf Namen und Rechnung der Beklagten erfolgen müsste. Grundsätzlich ist Voraussetzung für die Einbindung in das „...“ – Netzwerk, dass eine ... – Domainadresse besteht. Möglich ist auch, einen Externen als sogenannten Internal User anzulegen. In diesem Falle würde sich der Externe wie ein Mitarbeiter der Beklagten mit vollen Zugriff, insbesondere mit Zugriffsrechten auf alle Daten, die in „...“ vorhanden sind, in dieser Applikation bewegen.
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Die Beklagte betreibt weiterhin eine unternehmensinterne Internetplattform namens „...“, die global ausgerichtet ist. Dort werden weltweit sogenannte „spaces“ angezeigt, die mit verschiedenen Themen befüllt werden können. Auf die Inhalte dieser Plattform können Beschäftigte aus allen Betrieben der Beklagten weltweit zugreifen. Die Beklagte hat auf der Internetseite des Gesamtbetriebsrats der Beklagten für die Klägerin eine eigene Rubrik eingerichtet, auf die User des Intranets zugreifen können (vgl. Ausdruck Anlage AG 10, Bl. 185 d. A.). Diese Rubrik enthält eine Kurzvorstellung der Klägerin unter persönlicher Vorstellung des zuständigen Bezirksleiters, sowie der Gewerkschaftssekretärin.
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Mit Schreiben vom 05.05.2020 (Bl. 10 d. A.), auf das inhaltlich Bezug genommen wird, beantragte die Klägerin digitale Zugangsrechte zur unternehmensinternen Kommunikation. Mit Schreiben vom 18.05.2020 (Bl. 8 d. A.), auf das ebenfalls Bezug genommen wird, erfolgte eine erneute Antragstellung. Mit E-Mail vom 12.05.2020 hat die Beklagte dies abgelehnt.
11
Mit ihrem ursprünglich im Beschlussverfahren gestellten Antrag vom 16.11.2020, eingegangen beim Arbeitsgericht Nürnberg am 20.11.2020, und der Beklagten zugestellt am 30.11.2020, begehrt die nunmehrige Klägerin Herausgabe sämtlicher dienstlicher E-MailAdressen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dem Betrieb C-Stadt der Beklagten zugeordnet sind, sowie in Ergänzung für neu hinzukommende Beschäftigte, hilfsweise die Verpflichtung, der Klägerin eine E-Mail-Adresse für den Betrieb C-Stadt einzurichten, der alle Beschäftigten des Betriebes der Beklagten in C-Stadt zugeordnet sind, höchst hilfsweise der Klägerin Zugang zur internen E-Mail-Adressen Liste für den Betrieb C-Stadt „alle Beschäftigte“ zu gewähren, sowie im Falle des Obsiegens mit diesem Antrag Programmierung des E-Mail Programms der Beklagten dahingehend, dass die E-Mails der Klägerin nicht im Spamordner landen, sowie Einrichtung eines Zugangs unter dem Stichwort „...“ in der Applikation „...“, sowie Programmierung eines Links im Intranet der Beklagten mit der Adresse https://....de. Mit Schriftsatz vom 18.02.2022, eingegangen beim Arbeitsgericht Nürnberg am 28.02.2022, ergänzt die Klägerin ihre Anträge um 2 weitere Hilfsanträge im Hinblick auf die Applikation „...“.
12
Die Klägerin meint, ihr stünden die geltend gemachten Ansprüche zum Einen aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Zugangsrecht zum Betrieb für Gewerkschaften, § 2 Abs. 2 BetrVG und zum Anderen aus dem gewerkschaftlichen Betätigungsrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG zu. § 2 Abs. 2 BetrVG betreffe nicht nur den physischen Zutritt zum Betrieb, sondern auch den digitalen Zugang. Auch bestehe dieses Zugangsrecht nicht nur anlassbezogen, sondern auch darüber hinaus.
13
Der Betrieb in C-Stadt werde digitalisiert. Bei der Beklagten erfolge immer mehr Desksharing und mobiles Arbeiten. Die Kommunikation erfolge dementsprechend nicht mehr ausschließlich im Betrieb, sondern sei entgrenzt. Dies habe sich insbesondere während der Corona Pandemie gezeigt, wo die überwiegende Anzahl der Arbeitnehmer in mobiler Arbeit gearbeitet hätte. Zwar sei es richtig, dass es der gelebten Arbeitsrealität bei der Beklagten entspreche, dass sich Beschäftigte im Rahmen gemeinsamer Projekte persönlich auf dem Gelände der ... treffen, um direkt miteinander zu kommunizieren. Im Rahmen des „activity based working“ Ansatzes sei dies sicherlich der Fall. Es sei jedoch auch festzustellen, dass, gerade in einem internationalen Konzern, die mobile und digitale Zusammenarbeit, sowie die Bereitstellung von Information und Kommunikationstechnologien eine mindestens gleichwertige Rolle im Rahmen der betriebsüblichen Kommunikation einnehme. Es sei davon auszugehen, dass die Erfahrungen, die im Zuge der Corona Pandemie nun verstärkt im Zusammenhang mit mobiler Arbeit und digitaler Kommunikation gemacht worden seien, einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Zukunft der Arbeit haben werde. Digitale Meetings sowie Vermeidung von Dienstreisen seien hiervon typische Ausprägungen. Trotz des Vorhandenseins eines Campus sei ein Trend in Richtung Digitalisierung feststellbar. Der unternehmensstrategische Open Source Ansatz sowie die unternehmensstrategische Priorität „Schnelligkeit“, die sich auch im Geschäftsbericht, Seite 53 aus dem Jahr 2019 ergebe, bestätigten dies. Die digitale Kommunikation sei eindeutig betriebsüblich. Es werde hauptsächlich über MS -Teams kommuniziert. Auch aus dem Desksharing – Modell mit dem Faktor 0,8 zeige sich dies. Die zweimal jährlich vom Arbeitgeber veranstalteten Mitarbeiterversammlungen würden stets per Videoaufzeichnung und Live Ausstrahlung im Intranet verfügbar gemacht. Der Grund für den hiesigen Antrag sei, der Klägerin Zugang zu der von der Beklagten selbst betriebenen Digitalisierung zu verschaffen. Es klaffe eine eklatante Asymmetrie zwischen der Möglichkeit des Arbeitgebers und der Möglichkeit der Klägerin zum Zugang zu den Beschäftigen. Die Beklagte stelle sich selbst immer digitaler auf. Es werde auch durch die großzügigen Arbeitszeitrahmen von 6:00 bis 20:00 Uhr an 6 Tagen in der Woche die analoge Mitgliederwerbung und Arbeitnehmerinformation durch die Gewerkschaft aus Gewerkschaftssicht im Betrieb praktisch unmöglich. Es herrsche eine No-Flyer-Policy aus Umweltschutzaspekten. Zwar unterstütze die Klägerin den Umweltgedanken, müsse aber feststellen, dass die Ansprachemöglichkeiten im Hinblick auf Beschäftigte hiermit erschwert werden. Die bundesweit betriebenen ... – Shops seien betriebsverfassungsrechtlich dem Betrieb in C-Stadt zugeordnet. Auch wegen der räumlichen Entfernung sei die E-Mail der vorrangige Kommunikationsweg. Aus der Betriebsvereinbarung „...“ gehe hervor, dass jederzeit die Arbeitsplätze in der ... so bestückt seien, dass immer 1/5 der Mitarbeiter nicht im Betrieb sei.
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Die Antragstellerin als tarifzuständige Gewerkschaft könne sich auf ihr Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG berufen. Hieraus folge auch ein digitales Zutrittsrecht. Dies folge aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Januar 2009, Az. 1 AZR 515/08, sowie dem Prinzip der Sachnähe. Die Klägerin benötige Herausgabe der dienstlichen E-Mail-Adressen, damit ihr gewerkschaftliches Betätigungsrecht, insbesondere virtuelle Werbemöglichkeiten, garantiert werde. Mitgliederwerbung gehöre zum Kernbereich der Koalitionsbetätigung.
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Die Herausgabe der E-Mail-Adressen sei auch nicht unverhältnismäßig. Soweit sich die Beklagte auf Sicherheitsaspekte im IT-Bereich berufe, sei die Situation nicht anders, als bei der sonstigen der Verwendung der dienstlichen E-Mail-Adressen. Es stehe auch nicht zu erwarten, dass Beschäftigte durch gelegentliche Gewerkschafts-E-Mails erheblich von der Arbeit abgehalten würden. Auch etwaige Beeinträchtigungen durch Inanspruchnahme von Speicherkapazitäten durch versendete E-Mails seien verhältnismäßig. Die Abwägung zwischen Eigentumsrecht der Beklagten und gewerkschaftlichen Betätigungsrecht falle, entsprechend des Urteils des BAG vom 20.01.2009, zugunsten der Gewerkschaft aus. Auch datenschutzrechtliche Bestimmungen stünden einer Herausgabe nicht entgegen. Hilfsweise sei der Klägerin zumindest eine betriebliche E-Mail-Adresse bei der Beklagten, die jedoch für jeden ersichtlich abgrenzbar sei, einzurichten, um dann intern kommunizieren zu können. Dies sei ohne größeren Aufwand ohne weiteres möglich. Höchst hilfsweise sei der Klägerin der Zugang zu einer Adressliste im Hinblick auf E-Mail-Adressen zu gewähren. Weiter stehe der Klägerin ein Zugang zur Applikation „...“ zu. Dieser Dienst sei betriebsüblicher Bestandteil der im Betrieb bestehenden digitalisierten Kommunikation. Nach dem unstreitigen Sachvortrag der Beklagten sei es möglich, für die Klägerin hier einen Gastzugang einzurichten. In diesem Fall könne die Klägerin volle Zugriffsrechte wie ein interner User haben.
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Schließlich bestehe Anspruch auf eine Verlinkung im aktuellen Intranet „...“. Dies sei zur Bekanntgabe von Neuigkeiten, Veränderungen, Arbeitgeber- und Gewerkschaftsinformationen erforderlich. Die Beklagte könne ohne weiteres durch Ausübung ihres Weisungsrechts dafür sorgen, dass diese Inhalte lediglich außerhalb der Arbeitszeit wahrgenommen würden. Hier gehe es um die Darstellung spezifischer gewerkschaftlicher Inhalte zum Betrieb der Beklagten und nicht um allgemeine Informationen.
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Die Klägerin beantragt,
1. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin alle dienstlichen E-Mail-Adressen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dem Betrieb C-Stadt der Beklagten zugeordnet sind, herauszugeben sowie neu hinzukommende dienstliche E-Mail-Adressen binnen 3 Kalendertagen ab der Einrichtung der E-Mail für den jeweiligen Beschäftigten an die Klägerin jeweils ergänzend herauszugeben.
Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine E-Mail-Adresse für den Betrieb C-Stadt einzurichten, der alle Beschäftigten des Betriebs C-Stadt der Beklagten zugeordnet sind und die Adresse der Klägerin bekannt zu geben sowie diese stets bezüglich der Beschäftigten im Betrieb C-Stadt aktuell zu halten.
Höchsthilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Zugang zur internen E-Mail-Adressliste für den Betrieb C-Stadt „Alle Beschäftigte“ zu gewähren.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, im Falle des Obsiegens mit dem Antrag aus Ziffer 1, das E-Mail-Programm bei der Beklagten so zu gestalten und zu programmieren, dass E-Mails der Klägerin nicht im Spam-Ordner bei der Beklagten landen.
Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, im Falle des Obsiegens mit dem Hilfsantrag aus der Ziffer 1, das E-Mail-Programm so zu gestalten und zu programmieren, dass auf E-Mails der Klägerin geantwortet werden kann.
3. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin im aktuellen Intranet ... unter der Applikation „...“ einen Zugang unter dem Stichwort „...“ einzurichten und der Klägerin die Möglichkeit einer Teilnahme an dieser Applikation von und zu den Mitarbeitern zu ermöglichen.
Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin im Intranet unter der Applikation ... einen Gastzugang „...“ zu verschaffen unter dem der Klägerin die Möglichkeit einer Teilnahme an der Applikation ... ermöglicht wird mit der Maßgabe, dass die Klägerin zumindest einen Post pro Woche maximal 78 Posts pro Kalenderjahr einstellen darf.
Höchsthilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin im Intranet unter der Applikation ... eine Einbindung als Externer in eine Community „...“ zu verschaffen und alle Arbeitnehmer*innen, die dem Standort C-Stadt zugeordnet sind dieser Community hinzuzufügen.
4. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin im aktuellen Intranet .. für den Betrieb C-Stadt auf der Startseite im für die Arbeitnehmer unveränderbaren Bereich einen Link zu programmieren, der auf die Seite der Klägerin mit der Adresse https://....de verbindet.
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Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
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Sie meint, dass die geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestünden. Die Aussage der Klägerin, dass der Betrieb der Beklagten mit örtlichen Arbeitsplätzen mehr und mehr aufgelöst werde und die Kommunikation nicht mehr im Betrieb der Beklagten vor Ort erfolge, sei falsch und werde bestritten. Sie verkenne die Arbeitsrealität bei der Beklagten insgesamt. Die Beklagte habe die ... in den letzten Jahren erheblich erweitert. Die ... verkörpere den zentralen Ansatz der Beklagten, durch Begegnung und Austausch vor Ort das gemeinsame Potenzial der Beschäftigten bestmöglich zu nutzen. Das Konzept des „...“, dass in der Betriebsvereinbarung vom 18.12.2017 abgebildet sei, beinhalte, die Arbeitsplatz- und Raumgestaltung an die konkrete Tätigkeit der Mitarbeiter anzupassen und nicht umgekehrt. Zwar gebe es eine sogenannte „share ratio“ von 0,8 im Hinblick auf Desksharing; jedoch erkläre sich dies dadurch, dass Arbeit zu großen Teilen in anderen Modulen als den festen Schreibtischarbeitsplätzen erbracht werde, was aus dem Konzept „...“ folge. Die Beklagte wolle darüber hinaus den Bedürfnissen der Mitarbeiter nachkommen, Arbeitsaufgaben teilweise im Home Office oder durch mobiles Arbeiten erledigen zu können. Während der Corona Pandemie und den damit einhergehenden Lockdowns habe eine Ausnahmesituation bestanden, weshalb hier die Beklagte weniger Beschäftigte am Standort beschäftigen habe können, was auch öffentlich-rechtliche Pflicht gewesen sei. Nach Ende der Lockdowns sei eine rasche Rückkehr zur Situation vor dem Ausbruch der Pandemie erfolgt, was sich auch in der Gesamtbetriebsvereinbarung über mobiles Arbeiten („...“) zeige.
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Der Klage fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis, weshalb die Klage unzulässig sei. Die geltend gemachten Ansprüche seien nicht ausreichend außergerichtlich geltend gemacht worden.
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Eine Rechtsgrundlage für die klägerischen Ansprüche bestünde nicht. Ein solcher Anspruch folge nicht aus § 2 Abs. 2 BetrVG. Dieser Anspruch beinhalte lediglich ein physisches Zugangsrecht der Gewerkschaften zum Betrieb. Auch sei nicht ersichtlich, welcher betriebsverfassungsrechtliche Anlass mit der Klage verfolgt werde.
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Auch aus Art. 9 Abs. 3 GG folge keine Anspruchsgrundlage für die Klägerin. Da die Klägerin schwerpunktmäßig ihre Anträge damit rechtfertige, gewerkschaftliche Werbung und Information im Betrieb zu betreiben, sei richtige Verfahrensart das Urteilsverfahren. Es liege bereits ein unbegründeter Globalantrag vor. Der geltend gemachte Antrag zu 3 sei aus tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Die Beklagte könne der Klägerin den begehrten Zugang zu „...“ rein tatsächlich nicht wie beantragt gewähren. Zwar sei es unbestrittener verfassungsrechtlicher „status quo“, dass ein Zugangsrecht der Gewerkschaften zum Betrieb zu Informations- und Werbetätigkeiten bestehe. Die Beklagte gewähre dieses jedoch. Die mit den Anträgen begehrten Handlungen seien jedoch weder erforderlich, noch verhältnismäßig. Die Klägerin könne unproblematisch ihre eigenen Mitglieder über deren E-Mail-Adressen erreichen. Gegenüber Nichtmitgliedern stünde es der Gewerkschaft frei, über öffentliche Kommunikationswege wie soziale Medien oder Plakate auf sich aufmerksam zu machen. Der Betrieb der Beklagten sei auch keineswegs, wie es die Klägerin suggerieren möchte, digitalisiert, sondern weiterhin eine physische Betriebsorganisation die auf Präsenzanwesenheit der Angestellten ausgelegt sei. Die Beklagte gewähre der Klägerin auch bereits digitalen Zugang zu den Mitarbeitern. So sei der Ortsverband der Klägerin bereits heute über die Seite des Gesamtbetriebsrats der Beklagten durch eine Verlinkung zu erreichen. Es stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht der Beklagten dar, sofern diese dienstliche E-Mail-Konten der Mitarbeiter herausgeben müsste. Aus der Entscheidung des BAG vom 20.01.2009 folge nicht, dass die Beklagte zur Herausgabe von E-Mail-Adressen verpflichtet sei, sondern lediglich, dass der Empfang gewerkschaftlicher E-Mails auf dienstliche E-Mail-Konten zulässig sei. Das interne E-Mail System sei nichts anderes als ein digitales hausinternes Postverteilungssystem, das für dienstliche Zwecke eingerichtet worden sei. Hinsichtlich des analogen Postverteilungssystems habe das BAG eine Nutzung für gewerkschaftliche Werbe- und Informationsschriften in einer Entscheidung vom 23.09.1986, Az. 1 AZR 597/85 abgelehnt. Es stünde des Weiteren enormer Arbeitsausfall und damit betriebliche Einschränkungen zu befürchten. Auch stünden datenschutzrechtliche Bedenken dem Begehr der Klägerin gegenüber. Die begehrten E-Mailadressen würden sowohl Vor- als auch Nachnamen der Mitarbeiter offenbaren. Es handle sich hierbei um personenbezogene Daten. Eine Weitergabe durch den Arbeitgeber sei aus datenschutzrechtlichen Gründen nur mit Einwilligung des betroffenen Arbeitnehmers möglich. Eine Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1f DSGVO sei nicht gegeben.
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Im Hinblick auf den begehrten Zugang zu „...“ sei zu beachten, dass auch dieses interne Netzwerk als digital eingerichtete Unternehmensstruktur über Art. 12, 14 GG besonders geschützt sei. Der Klägerin müsse nach dem gestellten Antrag ein umfassender Zugang in das unternehmenseigene Netzwerk eingerichtet werden. Damit habe die Klägerin uneingeschränkten und gesetzlich nicht zu rechtfertigenden Zugriff auf interne und sensible Unternehmens- und Mitarbeiterdaten, die auch solche Daten enthielten, die Mitarbeiter beträfen, die nicht Mitglied der Klägerin seien und sogar nicht als Mitarbeiter im Betrieb in CStadt beschäftigt seien. Es würde auch ein erhebliches Sicherheitsrisiko bestehen, sofern man der Klägerin als Unternehmensexterner Zugang gewähren würde. Übertragen auf die analoge Welt begehre die Klägerin mit ihrem Antrag zu 3 nichts anderes, als ein ständig eingerichtetes Büro innerhalb der Organisationseinheit der Beklagten, in der sie dauerhaft und jederzeit ihr koalitionspolitisches Verhalten ausüben könne. Dies stehe der Klägerin jedoch nicht zu. Auch der Antrag zu 4 der Klägerin könne keinen Erfolg haben. Eine Anspruchsgrundlage für den begehrten Link auf der Startseite von ... bestehe nicht. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um ein digitales schwarzes Brett, sondern um eine Unternehmensseite, die auf die Betriebsstandorte weltweit ausgerichtet sei. Die Verlinkung sei damit nicht nur betriebsbezogen, sondern auf globaler Ebene unternehmensbezogen und würde auch solche Mitarbeiter erreichen, die nicht von der gesetzlichen Zuständigkeit der Klägerin erfasst seien. Dies stelle einen massiven Eingriff in das Eigentumsrecht und die unternehmerische Entscheidungsfreiheit der Beklagten dar.
24
Zum übrigen Sachvortrag der Parteien und den Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2022 wurde das ursprünglich im Beschlussverfahren erhobene Verfahren mit Kammerbeschluss nach Anhörung der damaligen Beteiligten in das Urteilsverfahren unter Vergabe eines neuen Aktenzeichens überführt. Die damalige Beteiligte zu 1 und jetzige Klägerin gab keine Stellungnahme ab, die damalige Beteiligte zu 2 und jetzige Beklagte stimmte der Überführung zu. Beide Parteien erklärten im Termin vom 21.06.2022 nach Verkündung des Beschlusses durch das Gericht Rechtsmittelverzicht im Hinblick auf den Beschluss zur Überleitung des Verfahrens in das Urteilsverfahren.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I.
26
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 ArbGG eröffnet. Unstreitig handelt es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen tariffähigen Parteien um Fragen des mit der Vereinigungsfreiheit der Klägerin, die eine Gewerkschaft ist, in Zusammenhang stehenden Betätigungsrecht dieser Vereinigung.
27
Das Arbeitsgericht Nürnberg ist örtlich gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 12,17 ZPO zuständig, da die Beklagte ihren Sitz im Gerichtsbezirk des Arbeitsgerichts Nürnberg hat.
28
Die Klage ist zulässig. Richtige Verfahrensart für das Verfahren ist das Urteilsverfahren gemäß §§ 2 Abs. 1 Ziff. 1, 2, Abs. 5 ArbGG. Eine Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche im Beschlussverfahren im Sinne des § 2 a ArbGG, wie dies ursprünglich geschehen ist, war nicht zulässig, so dass das Verfahren durch das Gericht nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen durch Beschluss vom 21.06.2022 in das Urteilsverfahren zu überführen war. Eine Zuständigkeit des Arbeitsgerichts im Beschlussverfahren wäre vorliegend allenfalls gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG in Betracht zu ziehen gewesen. Über Streitigkeiten bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Zugangsrechts nach § 2 Abs. 2 BetrVG ist wie über die übrigen Streitigkeiten über Aufgaben und Befugnisse der Betriebsparteien, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu entscheiden. Dagegen entscheiden die Arbeitsgerichte über Streitigkeiten zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeber die sich unmittelbar aus Art. 9 Abs. 3 GG ergeben, wie das hier in Rede stehende allgemeine Zugangsrecht der Gewerkschaften zum Betrieb zur Ausübung des gewerkschaftlichen Betätigungsrechts, insbesondere zur Verbreitung von Werbe- und Informationsmitteln, im Urteilsverfahren. Vorliegend werden die Ansprüche durch die Klägerin formal zwar sowohl auf § 2 Abs. 2 BetrVG, als auch auf Art. 9 Abs. 3 GG gestützt. Aus den Schriftsätzen zur Klagebegründung ergeben sich jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass mit der Klage ein konkretes betriebsverfassungsrechtliches Ziel verfolgt werde, bzw. ein konkreter betriebsverfassungsrechtlicher Anlass für die Klage bestehe. Es wird nicht vorgetragen, welche konkreten betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben und Befugnisse mit der Klage verfolgt werden sollen. Vielmehr stützt sich die Klägerin in der Klagebegründung vornehmlich auf Zutrittsrechte zum Zwecke von Präsenz, Information und Werbung für die Gewerkschaft und allgemeine gewerkschaftliche Angelegenheiten. Damit steht jedoch eindeutig das gewerkschaftliche Betätigungsrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG und das daraus resultierende allgemeine Zugangsrecht der Gewerkschaft zum Betrieb im Vordergrund. Richtige Verfahrensart ist daher vorliegend das Urteilsverfahren, da Fragen der Koalitionsfreiheit im Vordergrund stehen (vgl. etwa BAG 14.02.1967 – 1 AZR 494/65; Fitting, BetrVG, 31. Auflage, § 2, Rn. 96). Im Hinblick auf den entsprechenden Beschluss des Arbeitsgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2022 erklärten beide Parteien Rechtsmittelverzicht, sodass eine Sachentscheidung ergehen konnte.
29
Entgegen der Behauptung der Beklagten fehlt der Klage nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Rechtsschutzbedürfnis bedeutet, dass ein berechtigtes Interesse der Klagepartei daran besteht, zur Erreichung des begehrten Rechtsschutzes ein Zivilgericht in Anspruch zu nehmen (BGH NJW-RR 89, 263). Dies ist vorliegend gegeben. Da die Beklagte bis zuletzt die Gewährung der beantragten Handlungen verweigert, besteht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis an einer gerichtlichen Klärung.
II.
30
Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr alle dienstlichen E-Mail-Adressen der Beschäftigten der Beklagten in C-Stadt, sowie der neu hinzukommenden Beschäftigten, herauszugeben sind (1). Die gestellten Hilfsanträge zu Ziffer 1 der Klageschrift sind nicht begründet (2.). Der bedingt gestellte Antrag der Ziffer 2 der Klageschrift nebst Hilfsantrag fällt mangels Bedingungseintritts nicht zur Entscheidung an (3). Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr unter der Applikation „...“ ein Zugang unter dem Stichwort „...“ eingerichtet wird (4). Die zuletzt gestellten diesbezüglichen Hilfsanträge sind ebenfalls nicht begründet (5). Die Klägerin hat weiter keinen Anspruch darauf, dass im aktuellen Internet „...“ für den Betrieb C-Stadt auf der Startseite ein Link programmiert wird, der auf die Seite der Klägerin mit der Adresse https://....de verbindet (6).
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Herausgabe aller dienstlichen E-Mail-Adressen der Mitarbeiter, die dem Betrieb C-Stadt der Beklagten zugeordnet sind, sowie darauf, neu hinzukommende dienstliche E-Mail-Adressen binnen 3 Kalendertagen ab der Einrichtung der E-Mail für den jeweiligen Beschäftigten ergänzend herauszugeben (Antrag Ziffer 1 der Klageschrift). Ein solcher Anspruch folgt weder aus Art. 9 Abs. 3 GG (a), noch aus § 2 Abs. 2 BetrVG (b).
32
a) Die Klägerin hat aus Art. 9 Abs. 3 GG keinen Anspruch auf Herausgabe der dienstlichen E-Mail-Adressen der bei der Beklagten Beschäftigten.
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aa) Die aus Art. 9 Abs. 3 GG folgende Betätigungsfreiheit der Klägerin umfasst das Recht, Mitglieder zu werben sowie Mitglieder und Nichtmitglieder über Aktivitäten der Klägerin, die der Erreichung des Koalitionszwecks, etwa der Verbesserung der Arbeitsbedingungen, dienen sollen, zu informieren (vgl. BAG 20.01.2009 – 1 AZR 515/08 – Rn. 38 mwN). Der Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG ist nicht von vornherein auf einen Kernbereich koalitionsgemäßer Betätigungen beschränkt, die für die Erreichung des Koalitionszwecks unerlässlich sind. Er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen. Auch über die tatsächliche Art und Weise, in der eine Koalition Werbung betreiben und Informationen erteilen will, kann sie deshalb grundsätzlich selbst befinden. Soweit die Verfolgung des Koalitionszwecks von dem Einsatz bestimmter Mittel abhängt, werden auch diese vom Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst. Dementsprechend kann eine Arbeitnehmervereinigung selbst bestimmen, an welchem Ort, durch welche Personen und in welcher äußeren Form sie um Mitglieder werben oder die Arbeitnehmer informieren will. Damit unterfällt etwa ihre Entscheidung, Mitgliederwerbung unmittelbar im Betrieb und mit betriebsexternen Beauftragten zu betreiben, dem Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG. Die Gewerkschaft ist nicht auf einen Kernbereich unerlässlicher Werbemaßnahmen und damit möglicherweise auf Aktivitäten außerhalb des Rechtsbereichs des Arbeitgebers und Betriebsinhabers beschränkt (BAG 20.01.2009 – 1 AZR 515/08 – Rn. 39 mwN).
34
Ist die Gewerkschaft bei der von ihr gewählten Art und Weise der Mitgliederwerbung und Information auf die Inanspruchnahme von Eigentum oder Betriebsmitteln des Arbeitgebers angewiesen, kollidiert dies mit dessen Rechtspositionen aus Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG in Gestalt des Rechts auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit. Dieses wird insbesondere im Fall der Störung des Betriebsablaufs oder des Betriebsfriedens berührt (BAG 20.01.2009 – 1 AZR 515/08 – Rn. 40 mwN). Zum Schutz von gleichermaßen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsgütern und Gemeinwohlbelangen kann die von Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit, obwohl ohne Gesetzesvorbehalt verbürgt, eingeschränkt werden. Allerdings dürfen dem Betätigungsrecht der Koalition nur solche Schranken gezogen werden, die im konkreten Fall zum Schutz der betroffenen Rechtsgüter von der Sache her geboten sind (BAG aaO mwN). Die dazu erforderliche Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit durch die Rechtsordnung obliegt in erster Linie dem Gesetzgeber. Sieht dieser hiervon ab, ist es Sache der Gerichte, den mit Art. 9 Abs. 3 GG verbundenen staatlichen Schutzauftrag bei der Normauslegung und ggf. im Wege der Rechtsfortbildung wahrzunehmen. Dabei sind die kollidierenden Grundrechte in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu begrenzen, dass sie trotz ihres Gegensatzes für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (BAG aaO mwN).
35
Ferner ist zu berücksichtigen, dass eine tarifzuständige Gewerkschaft bei der Wahrnehmung von koalitionsgemäßen Aufgaben zum Arbeitgeber als Inhaber des Betriebs und der Betriebsmittel in einer besonderen Beziehung steht, die sich von der eines Dritten unterscheidet. Dies zeigen etwa § 2 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG und § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG. Die Inanspruchnahme von Eigentum und Betriebsmitteln durch die tarifzuständige Gewerkschaft ist dem Arbeitgeber deshalb vergleichsweise eher zuzumuten als eine solche durch Dritte, mit denen er keinerlei rechtliche Beziehungen unterhält (BAG 20.01.2009 – 1 AZR 515/08 – Rn. 41 mwN).
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bb) Zu beachten ist bei der Antragstellung weiterhin, dass ein Antrag als sogenannter Globalantrag unbegründet sein kann, wenn unter ihn zumindest auch Fallgestaltungen fallen, in denen er sich als unbegründet erweist (BAG 28.05.2002 – Az. 1 ABR 35/01).
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cc) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Kammer der Auffassung, dass der be-gehrte Herausgabeanspruch nicht besteht. Der Antrag Ziffer 1 der Klageschrift ist als sog. Globalantrag bereits zu weit gefasst. Die Verpflichtung zur Herausgabe der begehrten E-Mail-Adressen würde des Weiteren nach Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen und Grundrechte einen unverhältnismäßigen Eingriff in das insoweit bestehende Eigentumsrecht der Beklagten sowie das der Beklagten zustehende Recht auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG darstellen.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist zwar eine tarifzuständige Gewerkschaft auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich jedenfalls berechtigt, auch ohne Einwilligung des Arbeitgebers und ohne vorherige Aufforderung seitens der Arbeitnehmer E-Mails an die betrieblichen E-Mail-Adressen ihrer Mitglieder zu versenden (vgl. BAG, Urteil vom 20.01.2009 – 1 AZR 515/08). Ob dies auch für Nichtmitglieder der Gewerkschaft geht, hat das Bundesarbeitsgericht offengelassen.
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Vorliegend begehrt die Klägerin jedoch nicht alleine die Duldung der Beklagten dahingehend, dass die Klägerin an die ihr bekannten betrieblichen E-Mail-Adressen ihrer eigenen Mitglieder Informationen, nach dem Klagevortrag etwa Gewerkschaftsinformationen oder Unterlagen zur Werbung von Mitgliedern, versendet. Vielmehr begehrt die Klagepartei, dass die Beklagte aktiv verpflichtet werde, die bei der Beklagten eingerichteten dienstlichen E-Mail-Adressen aller unter den Betrieb C-Stadt fallender Mitarbeiter an die Klägerin herauszugeben habe. Mithin ist nicht lediglich eine Duldung verlangt, sondern eine aktive Herausgabe, mithin die Verschaffung von Informationen durch die Arbeitgeberseite, die der Klägerin bislang nicht bekannt sind, insbesondere auch im Hinblick auch auf solche Beschäftigte, die nicht Mitglied bei der Klägerin sind. Eine solche Verpflichtung, die über die Duldung hinausgeht, wurde bislang von den Instanzgerichten, soweit ersichtlich, nicht anerkannt (vgl. ArbG Hamburg, Urteil vom 31.03.2022 – 4 Ca 248/21; ArbG Bonn, Urteil vom 11.05.2022 – 2 Ca 93/22). Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat in seinem Urteil vom 04.11.2019 (Az. 8 Sa 460/19, Rn.25) unter Berufung auf Datenschutz erkannt, dass die dortige Beklagte weder berechtigt noch verpflichtet sei, personenbezogene Arbeitnehmerdaten an die dortige Klägerin weiterzugeben.
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Bereits von daher erscheint es als äußerst fraglich, ob eine Verpflichtung zur Herausgabe von E-Mail-Adressen aus Art. 9 Abs. 3 GG verlangt werden kann. Dies umso mehr, als nach dem in Ziffer 1 der Klageschrift gestellten Antrag sogar eine dahingehende Verpflichtung der Beklagten erwachsen würde, dienstliche E-Mail-Adressen von Beschäftigten – etwa solchen, die nicht Gewerkschaftsmitglieder sind – herauszugeben, die einer solchen Herausgabe sogar ausdrücklich widersprochen haben. In diesem Falle wäre jedoch auch das Grundrecht der Beschäftigten auf informationelle Selbstbestimmung und das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 GG, sowie die negative Koalitionsfreiheit der Beschäftigten betroffen. Nach Auffassung des Gerichts wäre eindeutig den Interessen der Beschäftigten, die der Herausgabe der dienstlichen EMail-Adresse an die Klägerin widersprächen, der Vorrang zu geben. Aus dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft folgt nicht, dass diese Beschäftigte auch gegen deren Willen mit E-Mails auf dienstliche E-Mail-Adressen belegen darf. Schon aus diesem Grund ist der Antrag Ziffer 1 daher als zu weit gefasster Globalantrag als unbegründet zurückzuweisen.
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Unabhängig hiervon und darüber hinaus ergibt jedoch auch die Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechte, dass aus Art. 9 Abs. 3 GG kein Anspruch auf Herausgabe der dienstlichen E-Mail-Adressen besteht.
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Vorliegend ist der Beklagten in der Abwägung der Vorrang zu geben, da der Beklagten mit dem gestellten Antrag eine aktive Handlungspflicht auferlegt wird, anstelle der bislang von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts angenommen Duldungspflicht, was einen weit erheblicheren Eingriff darstellt. Der gestellte Antrag beinhaltet auch nicht lediglich die einmalige Herausgabe von dienstlichen E-Mail-Adressen, sondern auch deren ständige Aktualisierung im Falle einer Änderung des Personalbestands. Es ist daher mit erheblichen Organisationsmehraufwand für die Beklagte zu rechnen. Weiter stünde durch die gegebenenfalls in erheblichen Umfang eingehenden E-Mails der Klägerin, gegebenenfalls mit zusätzlichen erheblichen Datenumfang umfassenden Anhängen, zu befürchten, dass zusätzlich erhebliche – zumindest temporäre – Belastungen der Speicherkapazitäten der Server der Beklagten entstehen würden. Schließlich ist in erheblichen Umfang damit zu rechnen, dass nach Herausgabe sämtlicher E-Mail-Adressen, auch von Mitarbeitern, die nicht Gewerkschaftsmitglieder sind, mit Beeinträchtigungen des Betriebsablaufs zu rechnen wäre, zumal nicht absehbar ist, in welchem Umfang die Klägerin nach Herausgabe der E-Mail-Adressen solche an die Mitarbeiter versenden wird. Schließlich hält es das Gericht für erheblich, dass auch die Herausgabe von E-Mail-Adressen solcher Mitarbeiter verlangt wird, die nicht Mitglieder der Klägerin sind, insbesondere da dies nach dem gestellten Antrag unabhängig von deren Einwilligung erfolgen soll. Dies ist jedoch vom gewerkschaftlichen Betätigungsrecht nicht gedeckt und unverhältnismäßig.
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Die Herausgabe der E-Mail-Adressen ist nach dem Vortrag der Parteien im Prozess darüber hinaus auch nicht erforderlich, um das Recht der Klägerin auf Zugang zum Betrieb zu gewerkschaftlicher Betätigung und zu Werbe- und Informationszwecken zu gewährleisten, weshalb der Antrag ebenfalls als unverhältnismäßig erscheint. Soweit die Klägerin hier anklingen lässt, dass die zunehmende Digitalisierung des Betriebs CStadt den Zugang der Gewerkschaft zum Betrieb zunehmend erschwere und es daher zur Wahrnehmung und Gewährleistung von Gewerkschaftsrechten erforderlich sei, dass die Beklagte die dienstlichen E-Mail-Adressen herausgebe, wird dies nicht durch ausreichenden Tatsachenvortrag der Klägerin gedeckt. Vielmehr hat die Beklagte im Wesentlichen unstreitig ihr betriebliches Organisationskonzept ausführlich dargelegt. Demnach ist Kern der Arbeitsabläufe bei der Beklagten das Konzept des „...“, das insbesondere in der Betriebsvereinbarung vom 18.12.2017 abgebildet ist. Seitens der Kammer und mangels substantiierten Bestreitens durch die Klägerin bestehen keine Zweifel daran, dass – abgesehen von der vorübergehenden Situation während der „Lockdowns“ während der Corona-Krise – das Arbeitskonzept der Beklagten hauptsächlich auf die Erbringung der Arbeitsleistung in Präsenz ausgerichtet ist, was sich insbesondere auch daran zeigt, dass unstreitig zentrales Element des Betriebs in C-Stadt die ..., die sogar noch ausgebaut worden ist, darstellt. Auch aus der zuletzt vorgelegten Gesamtbetriebsvereinbarung über mobiles Arbeiten vom 31.03.2022 wird deutlich, dass die klägerische Behauptung, die Beklagte beabsichtige, den Betrieb immer mehr ins Digitale zu verlagern, nicht ausreichend von Tatsachen gestützt ist. Vielmehr ist in genannter Gesamtbetriebsvereinbarung geregelt, dass die Möglichkeit zur mobilen Arbeit grundsätzlich nur zu 40% der wöchentlichen Arbeitszeit besteht. Eine Verpflichtung zur mobilen Arbeit besteht nicht. Anhaltspunkte dafür, dass der Standort C-Stadt, bzw. die dem Betrieb zugeordneten Stores, die denklogisch als Verkaufsläden ebenfalls hauptsächlich auf Präsenz ausgelegt sind, dauerhaft auch außerhalb von etwaigen akuten Krisensituationen nicht mehr Mittelpunkt der Betriebstätigkeiten und der zu erbringenden Arbeitsleistung sein sollen, nicht gegeben. Insbesondere spricht hierfür auch nicht das bei der Beklagten praktizierte „Desksharing“ mit einem Faktor von 0,8. Denn nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien ist es Teil des Organisationskonzepts der Beklagten, dass nicht sämtliche Arbeitsleistung am Schreibtisch erbracht wird, sondern die Beschäftigten entsprechend dem Ansatz „...“ anlassbezogen an verschiedenen Orten, jedoch vor Ort im Betrieb, tätig werden. Auch der Umstand, dass seitens der Beklagten den Beschäftigten ein großzügiger Arbeitszeitrahmen gewährt wird, stützt die klägerische Behauptung der zunehmenden „Entgrenzung“ des Betriebs nicht, sondern stellt vielmehr einen Anreiz dar, flexibel, aber eben doch in Präsenz zu arbeiten. Es erscheint auch nicht ungewöhnlich, dass nicht alle Arbeitnehmer gleichzeitig im Betrieb anwesend sind, man denke nur an Schichtbetriebe.
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Dass hierdurch die Herausgabe von dienstlichen E-Mail Adressen erforderlich und die gewerkschaftliche Betätigungsmöglichkeit unzumutbar eingeschränkt würde, ist nicht nachvollziehbar.
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Bei der Abwägung zu berücksichtigen ist demnach, dass es der Klägerin – auch zwischen den Parteien unstreitig – unbenommen ist, wie bisher vor Ort, online oder in sonstigen Medien Gewerkschaftswerbung und -information vorzunehmen. Weiterhin ist die Klägerin nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berechtigt, an die ihr bekannten dienstlichen E-Mail-Adressen, etwa der eigenen Mitglieder, entsprechende EMails zu versenden. Schließlich hat die Beklagte es unstreitig zugelassen, dass die Homepage der Klägerin auf der Seite des bei der Beklagten bestehenden Gesamtbetriebsrats verlinkt wird, so dass die Klägerin bereits digital vertreten ist. Die behauptete Gefahr, die Klägerin könne die Belegschaft ohne weitere digitale Zugangsrechte dauerhaft nicht mehr ausreichend erreichen, weshalb das gewerkschaftliche Betätigungsrecht ohne diese nachhaltig bedroht sei, wird durch den erfolgten und weitgehend unstreitigen Tatsachenvortrag gerade nicht gestützt. Nach Auffassung der Kammer wären erweiterte digitale Zugangsrechte wie sie die Klägerin begehrt, allenfalls dann verfassungsrechtlich in Erwägung zu ziehen, wenn die gewerkschaftliche Betätigung im Betrieb auf anderem Wege nicht oder nur sehr schwer zu erreichen wäre. Denkbar wäre dies möglicherweise, wenn der Betrieb etwa lediglich rein digital besteht, was hier offensichtlich nicht der Fall ist.
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Da der Herausgabeanspruch somit bereits an diesen Punkten scheitert, bedarf es keiner weiteren gerichtlichen Entscheidung dazu, ob die Herausgabe der E-Mail-Adressen ohne Einwilligung der betroffenen Beschäftigten auch einen ungerechtfertigten Verstoß gegen die bestehenden Rechte der Beschäftigten, insbesondere auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 GG, sowie einen ungerechtfertigten (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO) Verstoß gegen Datenschutzrecht darstellen. Bereits ohne diese datenschutzrechtliche Würdigung erscheint der Anspruch als nicht gegeben.
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b) Der Herausgabeanspruch der Email-Adressen ist auch nicht aus § 2 Abs. 2 BetrVG gegeben. Nach dieser Vorschrift ist den Beauftragten der Gewerkschaft nach Unterrichtung des Arbeitgebers oder seines Vertreters zur Wahrung der im Betriebsverfassungsgesetz genannten Aufgaben und Befugnisse der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften Zugang zum Betrieb zu gewähren, soweit dem nicht unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufs, zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen entgegenstehen. Diese Vorschrift gewährt der Gewerkschaft, auch zwischen den Parteien unstreitig, ein Recht zum physischen Zugang zum Betrieb. Dies ist in der Rechtswissenschaft allgemein anerkannt und folgt aus dem Gesetzeswortlaut. Ob aus § 2 Abs. 2 BetrVG auch ein Recht auf digitale Zugangsrechte zum Betrieb entsteht, ist, soweit ersichtlich, noch nicht höchstrichterlich entschieden und in der Rechtswissenschaft streitig. Letztlich bedarf diese Rechtsfrage vorliegend keiner Entscheidung. Denn zum einen setzt § 2 Abs. 2 BetrVG nach dessen Wortlaut voraus, dass der „Zutritt zur Wahrnehmung der in diesem Gesetz genannten Aufgaben und Befugnisse“ erfolgen muss. Erforderlich ist also ein bestimmter Anlass für den Zugang, nämlich die Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben und Befugnisse. Zwar wird man dies weit zu verstehen haben. So kann das Zugangsrecht nach § 2 Abs. 2 BetrVG auch auf allgemeine betriebsverfassungsrechtliche Unterstützungsaufgaben der Gewerkschaften nach § 2 Abs. 1 BetrVG gestützt werden (vgl. BAG 17.01.1989 – 1 AZR 805/87; Fitting, BetrVG, 31. Auflage, § 2 Rn. 66). Jedoch hat es die Klägerin vorliegend unterlassen, einen konkreten betriebsverfassungsrechtlichen Anlass für den (digitalen) Zugang konkret darzulegen. Es ist nicht vorgetragen, zur Erfüllung welcher betriebsverfassungsrechtlichen gewerkschaftlichen Aufgaben die Herausgabe von E-Mail-Adressen erforderlich ist. Die Klagebegründung zielt vielmehr auf ein allgemeines Zugangsrecht, welches aus der Koalitionsfreiheit resultiert, ab, ohne konkreten betriebsverfassungsrechtlichen Bezug.
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Doch selbst wenn man hier anderer Auffassung wäre, wäre der Anspruch gleichwohl nicht gegeben. Denn jedenfalls wäre auch beim Zugangsrecht nach § 2 Abs. 2 BetrVG eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechte und Interessen vorzunehmen, um die Reichweite eines etwaigen digitalen Zutrittsrechts zu bestimmen. Wie bereits vorstehend zu Art. 9 Abs. 3 GG ausgeführt, geht jedenfalls im vorliegenden Fall die Abwägung zulasten der Klägerin aus. Obige Erwägungen gelten hier entsprechend. Die Herausgabe der dienstlichen E-Mail-Adressen kann demnach auch nicht auf § 2 Abs. 2 BetrVG gestützt werden.
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2. Die Hilfsanträge zu Ziffer 1. der Klageschrift sind nicht begründet.
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a) Da der in Ziffer 1 der Klageschrift enthaltene Hauptantrag nicht begründet ist, fällt der erste Hilfsantrag aus Ziffer 1 der Klageschrift zur Entscheidung an. Mit diesem Antrag soll die Beklagte verpflichtet werden, der Klägerin eine E-Mail-Adresse für den Betrieb C-Stadt einzurichten, der alle Beschäftigten des Betriebs C-Stadt der Beklagten zugeordnet sind und die Adresse der Klägerin bekannt zu geben sowie diese stets bezüglich der Beschäftigten im Betrieb C-Stadt aktuell zu halten. Ein Anspruch auf Einrichtung einer solchen E-Mail-Adresse für die Klägerin mit Zugriffsmöglichkeit auf sämtliche betrieblichen E-Mail Accounts ist ebenfalls weder aus Art. 9 Abs. 3 GG, noch aus § 2 Abs. 2 BetrVG gegeben. Nach Auffassung der Kammer geht auch die diesbezüglich vorzunehmende Grundrechtsabwägung vorliegend zulasten der Klägerin aus. Insoweit kann auf die Erwägungen in obigen Ausführungen zur Herausgabe der E-Mail-Adressen verwiesen werden. Insbesondere erscheint die so gebotene Handlungspflicht der Beklagten als nicht gerechtfertigter und nicht erforderlicher Eingriff in die Grundrechte der Beklagten. Zudem erscheint auch dieser Antrag als zu weit gefasster Globalantrag, da die Beklagte nach dem Wortlaut des Antrags auch verpflichtet wäre, Beschäftigte zuzuordnen, die ausdrücklich dieser Zuordnung widersprochen haben.
51
b) Da auch der erste Hilfsantrag aus Ziffer 1 der Klageschrift unbegründet ist, kommt der zweite Hilfsantrag zur Entscheidung. In diesem begehrt die Klägerin, dass die Beklagte verpflichtet werde, Zugang zur internen E-Mail Adressliste für den Betrieb C-Stadt „alle Beschäftigte“ zu gewähren. Auch dieser Antrag ist unbegründet. Es besteht weder ein Anspruch aus Art. 9 Abs. 3 GG, noch aus § 2 Abs. 2 BetrVG. Auch bei diesem Antrag handelt es sich um einen zu weit gefassten Globalantrag, der zur Unbegründetheit des Antrags führt. Dies folgt daraus, dass auch bei einem Zugang zum Verteiler „alle Beschäftigten“ der Fall umfasst wäre, dass Beschäftigte E-Mails der Klägerin erhalten würden, obwohl sie dem gegebenenfalls ausdrücklich widersprochen haben. Darüber hinaus ist auch dieser Antrag nach Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen und Grundrechte als unbegründet zu beurteilen. Insoweit kann wiederum auf vorstehende Ausführungen Bezug genommen werden.
52
3. Der Antrag Ziffer 2 aus der Klageschrift fällt nicht zur Entscheidung an, da dieser bedingt für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag aus Ziffer 1 der Klageschrift gestellt worden ist. Die Bedingung ist nicht eingetreten.
53
4. Der Antrag Ziffer 3 der Klageschrift, wonach die Beklagte verpflichtet werden soll, der Klägerin im aktuellen Intranet „...“ unter der Applikation „...“ einen Zugang unter dem Stichwort „...“ einzurichten und der Klägerin die Möglichkeit einer Teilnahme an dieser Applikation von und zu den Mitarbeitern zur möglichen, ist ebenfalls unbegründet. Ein solcher Anspruch folgt weder aus Art. 9 Abs. 3 GG, noch aus § 2 Abs. 2 BetrVG (auch hier ist ein konkreter betriebsverfassungsrechtlicher Anlass nicht vorgetragen, vgl. oben).
54
Auch im Hinblick auf den begehrten Zugang zur Applikation „...“ erscheint der Antrag als Globalantrag als zu weitgehend. Weiterhin geht die vorzunehmende Grundrechtsabwägung auch diesbezüglich zu Lasten der Klägerin aus. Nach unbestrittenen Sachvortrag der Beklagten verbindet die Applikation „...“ die Beschäftigten der Beklagten weltweit und stellt ein unternehmensinternes soziales Netzwerk dar. Mithin würde die Einrichtung eines eigenen Zugangs der Klägerin bedeuten, dass diese weit mehr als lediglich dem begehrten Zugang zum Betrieb C-Stadt erhalten würde. Nach unbestrittenen Sachvortrag der Beklagten verfügt jedes Mitglied in „...“ über eine sogenannte ... Card, auf der der vollständige Name, die berufliche Mail Adresse, Telefonnummer und Anschrift sowie Berichtslinien (in der Hierarchie nach oben als auch nach unten) einzusehen sind. Auf Grundlage dieser Daten ließe sich nach unbestrittenen Sachvortrag der Beklagten ein weltweites personalisiertes Organigramm abbilden, vom CEO bis zum „einfachen Angestellten“ und zwar nicht begrenzt auf den Betrieb der Beklagten in C-Stadt. Mithin würde die Einrichtung eines eigenen vollen Accounts für die Klägerin einen weit gravierenderen Grundrechtseingriff für die Beklagte bedeuten als die Zurverfügungstellung der E-Mail-Adressen. Da ein Zugang zu dieser Applikation nicht auf den Betrieb C-Stadt begrenzt wäre, erscheint der – unbegrenzte – Antrag als Globalantrag unbegründet, da die Klägerin hierdurch Zugang zu Daten bekäme, die nicht nur Nichtmitglieder der Klägerin beträfen, sondern sogar Daten von Beschäftigten, die dem Betrieb C-Stadt überhaupt nicht angehören und ggf. bei im Ausland befindlichen Beschäftigten nicht einmal deutschem Recht unterfallen könnten. Die vorzunehmende Grundrechtsabwägung kann unter weiterem Verweis auf obige Ausführungen unter Ziffer II. 1. dieses Urteils im Übrigen unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes nicht zugunsten der Klägerin ausgehen. Mithin ist die Klage im Hauptantrag unbegründet.
55
5. Die Hilfsanträge zu Ziffer 3. der Klageschrift sind nicht begründet.
56
a) Da die Klage im Antrag Ziffer 3 unbegründet ist, fallen die in der Klageerweiterung vom 18.02.2022 gestellten Hilfsanträge zur Entscheidung an. Auch diese sind unbegründet. Mit dem ersten Hilfsantrag aus dieser Klageerweiterung begehrt die Klägerin, dass dieser im Internet unter der Applikation „...“ ein Gastzugang „...“ zu verschaffen sei, mit der Maßgabe, dass die Klägerin zumindest einen Post pro Woche und maximal 78 Posts pro Kalenderjahr einstellen dürfe. Nach vorstehenden Ausführungen unter Ziffer 4, auf die Bezug genommen wird, ist auch dieser Hilfsantrag weder aus Art. 9 Abs. 3 GG, noch aus § 2 Abs. 2 BetrVG gerechtfertigt, da nach obigen Ausführungen bereits schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Einrichtung eines Accounts als „...“ besteht. Auf die quantitative Beschränkung, die in dem Antrag zum Ausdruck kommt, kommt es daher nicht an.
57
b) Auch der zweite Hilfsantrag aus der Klageerweiterung vom 18.02.2022, der mangels Begründetheit des ersten Hilfsantrags zur Entscheidung kommt, ist nicht begründet. Hier begehrt die Klägerin, dass dieser unter der Applikation „...“ eine Einbindung als externer in eine Community „...“ zu verschaffen und alle Beschäftigten, die dem Standort C-Stadt zugeordnet sind, dieser Community hinzuzufügen sei. Die Beklagte hat insoweit bereits substantiiert vorgetragen, dass dieses Klagebegehren im EU-Gebiet aus technischen Gründen nicht möglich sei. „Guest Usern“ sei es hier nicht möglich, in Gespräche innerhalb eines fremden „...“ – Netzwerks eingebunden oder Mitglied einer Community innerhalb eines fremden „...“ – Netzwerk zu werden. Externe Netzwerke könnten insoweit nicht aufgebaut werden, die außerhalb des unternehmenseigenen „...“ – Netzwerks funktionieren und als Plattform für unternehmensübergreifende Kooperationen gedacht sind. Darüber hinaus sei das „...“ – Netzwerk der Beklagten nicht darauf ausgelegt, dass externe als „...“ an dem internen Netzwerk teilnehmen. Grundvoraussetzung sei, dass der Externe eine ... – Domainadresse besitze. Die Klägerin ist diesem Sachvortrag nicht substantiiert entgegengetreten. Von daher geht das Gericht davon aus, dass dieser zutreffend ist. Unabhängig davon wäre jedoch auch ein Anspruch auf Einrichtung eines „...-Account“ weder aus Art. 9 Abs. 3 GG, noch aus § 2 Abs. 2 BetrVG begründet. Auch hier würde die Grundrechtsabwägung zulasten der Klägerin ausgehen. Insoweit kann auf obige Ausführungen Bezug genommen werden. Darüber hinaus wäre ein solcher Account zur Ausübung des gewerkschaftlichen Betätigungsrechts auch nicht erforderlich. Auch insoweit kann auf obige Ausführungen (Herausgabe der E-Mail-Adressen) Bezug genommen werden. Auch hier ist im Hinblick auf § 2 Abs. 2 BetrVG ein konkreter betriebsverfassungsrechtlicher Anlass nicht gegeben.
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6. Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf eine Verlinkung im aktuellen Intranet „...“ für den Betrieb C-Stadt auf der Startseite der Beklagten unter der Adresse https://....de. Ein solcher Anspruch folgt weder aus Art. 9 Abs. 3 GG, noch aus § 2 Abs. 2 BetrVG (diesbezüglich besteht wiederum bereits kein betriebsverfassungsrechtlicher Anlass). Auch im Hinblick auf diesen Antrag ist zunächst zu berücksichtigen, dass die unternehmensinterne Internetplattform „...“ der Beklagten nach deren unbestrittenen Sachvortrag eine global ausgerichtete Plattform darstellt. Mithin sind Inhalte, die auf sogenannten „spaces“, also Platzhaltern für verschiedenen Themen, dargestellt werden, nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern weltweit angezeigt. Schon aus diesem Grund ist der Antrag der Klägerin als zu weitgehend unbegründet. Das gewerkschaftliche Zugangsrecht wäre hier nicht auf den Betrieb C-Stadt begrenzt. Darüber hinaus ist die antragsgemäße Einrichtung auch nicht erforderlich, weshalb der Antrag unverhältnismäßig ist. Denn unstreitig ist die Klägerin bereits im Internetauftritt des Gesamtbetriebsrats verlinkt. Ein weitergehender Anspruch besteht daher nicht.
III.
59
Da die Klägerin unterliegt, trägt sie gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ff. ZPO. Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 64 Abs. 3 Ziffer 1 ArbGG zuzulassen. Die Frage der Reichweite der digitalen Zugangsrechte einer Gewerkschaft zum Betrieb erscheint bislang als nicht ausreichend von der Rechtsprechung geklärt, sodass grundsätzliche Bedeutung besteht. Die Klägerin kann nach Maßgabe folgender RechtsmittelbelehrungBerufung einlegen.