Inhalt

OLG München, Endurteil v. 01.12.2022 – 1 U 2349/22
Titel:

Berufung, Arzt, Zahnmedizin, Ermessensentscheidung, Medizin, Ermessen, Widerspruch, Ausbildung, Revision, Amtspflichtverletzung, Approbation, Fallzahl, Verweigerung, Kostenentscheidung, praktische Ausbildung, Innere Medizin

Schlagworte:
Berufung, Arzt, Zahnmedizin, Ermessensentscheidung, Medizin, Ermessen, Widerspruch, Ausbildung, Revision, Amtspflichtverletzung, Approbation, Fallzahl, Verweigerung, Kostenentscheidung, praktische Ausbildung, Innere Medizin
Vorinstanz:
LG München I, Entscheidung vom 06.04.2022 – 15 O 12647/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 25.01.2024 – III ZR 14/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 54608

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 06.04.2022, Az. 15 O 12647/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Das Urteil und das in Ziffer I genannte Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 41.951,61 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerin macht gegen den Beklagten Ansprüche aus Amtshaftung wegen der verzögerten Erteilung einer Approbation als Ärztin geltend. Den Beamten der Regierung von … wirft sie vor, diese hätten zu Unrecht ihre in … durchlaufene Ausbildung nicht als gleichwertig anerkannt, sondern im Bereich der inneren Medizin Defizite in der praktischen Ausbildung gesehen und die Approbation deswegen erst erteilt, nachdem die Klägerin das PJ-Tertial im Bereich der inneren Medizin am Universitätsklinikum … in … abgeleistet hatte. Außerdem habe die Bearbeitung ihrer Angelegenheit unangemessen lange gedauert. Für alle Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
2
Das Landgericht sieht keine Amtspflichtverletzung auf Seiten des Beklagten. Die Verweigerung der Approbation ohne zusätzliche praktische Ausbildung sei, wenn sie denn überhaupt rechtswidrig gewesen sei, jedenfalls nicht schuldhaft erfolgt. Verzögerungen in der Bearbeitung seien nicht zu erkennen. Es sei nachvollziehbar, dass die Mitarbeiter der Beklagten angesichts einer Fallzahl von 1.700 Anträgen im Jahr 2017 externe Gutachter beschäftigt und dabei auf die bundeseinheitliche Gutachtenstelle, welche für diese Zwecke eingerichtet worden war, zurückgegriffen haben. Die Angelegenheit sei durchaus zügig bearbeitet worden, insbesondere, weil ein Anhörungsschreiben an die Klägerin ergangen war und diese sich auch nicht sofort dazu geäußert hatte. Bezüglich der Vorgänge in der Behörde stützt sich das Landgericht auf die als Zeugin vernommene Frau ….
3
Für alle weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
4
Die Klägerin bringt mit ihrer Berufung vom 21.04.2022, begründet am 06.07.2022, vor: Die Beklagte hätte sich nicht in Widerspruch zu dem beauftragten Gutachter … setzen dürfen. Bei der Beklagten habe jegliche Sachkompetenz gefehlt. Die Entscheidung zu Lasten der Klägerin sei willkürlich gewesen. Insbesondere sei für die innere Medizin eine praktische Tätigkeit durch eine theoretische Ausbildung leichter zu ersetzen als im Bereich der Zahnmedizin oder der Chirurgie. Die Entscheidung sei auch nicht einem Ermessen der Behörde oblegen, sondern es habe sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff gehandelt. Die Behörde sei personell und organisatorisch ungenügend besetzt, was die Klägerin durch die Zeugeneinvernahme des … beweisen möchte (S. 18 der Berufungsbegründung = Bl. 141).
5
Die Klägerin beantragt,
Unter Abänderung des angegriffenen Urteils des Landgerichts München I vom 06.04.2022, Az.: 15 O 12647/19, wird die Klage der Klägerin und Berufungsklägerin vollumfänglich stattgegeben.
6
Der Beklagte beantragt,
Die Berufung wird zurückgewiesen.
7
Er verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertieft sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Insbesondere führt er aus, dass ein mögliches Verschulden jedenfalls von der Klägerin zu beweisen sei und rügt unzureichenden bzw. unzureichend substantiierten Sachvortrag. Auf Grundlage der pauschalen Vorwürfe sei nicht der Vorwurf einer verzögerten Sachbehandlung begründet.
II.
8
Die zulässige Berufung ist unbegründet und war deswegen zurückzuweisen.
9
1. Es ist schon nicht im Ansatz zu erkennen, warum die Entscheidung der Regierung von …, die Klägerin müsse eine Lücke in ihrer praktischen Ausbildung im Bereich der inneren Medizin vor einer Approbation schließen, rechtswidrig gewesen sein soll. Der Senat ist in erster Linie Arzthaftungssenat und vermag es durchaus zu beurteilen, dass auch praktische Kenntnisse der inneren Medizin unerlässlich sind, um als approbierter Arzt Menschen behandeln zu dürfen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Sachverständige … zu einer anderen Beurteilung gekommen war. Auch haben die Mitarbeiter des Beklagten nicht irrtümlich angenommen, eine Ermessensentscheidung zu treffen oder einen Beurteilungsspielraum ausschöpfen zu können. Es handelt sich schlicht um Rechtsanwendung, die hier zutreffend erfolgt ist.
10
2. Eine Verzögerung in der Bearbeitung ist nicht aufgetreten, deswegen auch nicht vorwerfbar. Dass angesichts des großen Geschäftsanfalls die Mitarbeiter der Beklagten auf die bundeseinheitliche Gutachtenstelle zurückgegriffen haben, zeigt gerade, dass sie um eine zügige Bearbeitung bemüht waren. Zum Zeitlauf führt der Beklagtenvertreter auf S. 5 ff. seiner Berufungserwiderung vom 10.08.2022 (Bl. 153 ff) aus: „Das Gutachten von … ist bei der Regierung von … am 17. August 2017 eingegangen. Unter Berücksichtigung von Urlaubszeiten wurde dieses externe Gutachten dem internen Gutachter am 12.09.2017 vorgelegt. Nach Prüfung … wurde mit Schreiben vom 9. November 2017 das Ergebnis der Klägerin mitgeteilt und ihr Wege aufgezeigt, wie sie ihre Defizite ausgleichen kann. Die Klägerin hat hierzu erst mit Schreiben vom 04.12.2017, also auch nach weiteren 4 Wochen Stellung genommen. … Auf das Schreiben der Klägerin vom 04.12.2017 wurde ihr am Folgetag geantwortet. Am 21.12.2017 reichte die Klägerin weitere Nachweise ein, die die Gleichwertigkeit aber nicht nachweisen konnten, so dass es zum Bescheid vom 16.01.2018 kam.“ Diese zutreffende Schilderung zeigt, dass der Vorgang bei der Regierung von … nicht etwa einfach liegengelassen wurde, sondern die Sache jeweils in vertretbaren Abständen bearbeitet worden ist. Dabei fällt auf, dass etwa 6 Wochen der dem Beklagten vorgeworfenen Verzögerung im Bereich der Klägerin entstanden ist.
III.
11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 ff ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen.