Inhalt

ArbG München, Beschluss v. 08.08.2022 – 23 BV 256/21
Titel:

Coronavirus, SARS-CoV-2, Betriebsrat, Eintragung, Betriebsratswahl, Wahlvorstand, Arbeitnehmer, Betriebsvereinbarung, Bewerber, Interessenausgleich, Behinderung, Chancengleichheit, Nichtigkeit, Zustimmung, Annullierung, Anfechtung, berechtigtes Interesse, Sinn und Zweck, Grundsatz der Chancengleichheit

Schlagworte:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Betriebsrat, Eintragung, Betriebsratswahl, Wahlvorstand, Arbeitnehmer, Betriebsvereinbarung, Bewerber, Interessenausgleich, Behinderung, Chancengleichheit, Nichtigkeit, Zustimmung, Annullierung, Anfechtung, berechtigtes Interesse, Sinn und Zweck, Grundsatz der Chancengleichheit
Rechtsmittelinstanz:
LArbG München, Teilbeschluss vom 25.07.2023 – 7 TaBV 54/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 54589

Tenor

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe

A.
1
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
2
Die Antragsteller, die Beteiligten zu 1) bis 6), sind entweder Beschäftigte bei der Beteiligten zu 8) oder Beschäftigte bei der Beteiligten zu 9) (im Folgenden: Arbeitgeberinnen), die einen gemeinsamen Betrieb mit 383 Mitarbeitern bilden. Der Beteiligte zu 7) ist der elfköpfige Betriebsrat (im Folgenden: Betriebsrat), der sich nach der Betriebsratswahl am 25.08.2021 konstituiert hat. Der Betriebsratswahl lag u.a. die „Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich zur Bildung eines einheitlichen Betriebes“ mit Wirkung zum 1. Juni 2021 zugrunde, in der aufgrund einer Prognose vom 19.05.2021 zur Mitarbeiterentwicklung von einer erforderlichen Betriebsratsgröße von elf Mitgliedern ausgegangen worden war.
3
Der im gemeinsamen Betrieb der Arbeitgeberinnen gebildete Übergangsbetriebsrat hatte zur Durchführung der Betriebsratswahl einen Wahlvorstand mit Frau St. als Vorsitzender, Herrn Ha., Frau He., Herrn J. und Frau Y. sowie den Ersatzmitgliedern Herrn Ö und Frau Sc. bestellt. Die Arbeitgeberinnen hatten für die Wahl angegeben, dass sechs der 383
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Mitarbeiter zu den leitenden Angestellten gehörten, darunter zwei Frauen. Hinsichtlich der Berechnung zur Mindestanzahl für das Minderheitengeschlecht wird auf die Ausführungen des Betriebsrats im Schriftsatz vom 18.07.2021 auf Seite 3 (Bl. 173 ff. d.A.) Bezug genommen. Das vom Wahlvorstand am 13.07.2021 erlassene und u.a. per E-Mail an die Beschäftigten der Beteiligten zu 8) und zu 9) versandte Wahlausschreiben führte Folgendes aus:
„… Die Wählerliste und die Wahlordnung liegen in … Raum 35.-101 zur Einsicht während den Sprechzeiten des Wahlvorstandes aus…
…Das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, muss mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein, wenn der Betriebsrat aus mindestens drei Mitgliedern besteht (§ 15 Abs. 2 BetrVG).
In unserem Betrieb sind am 13.07.2021 189 Frauen und 194 Männer beschäftigt. Der Betriebsrat hat aus 11 Mitgliedern zu bestehen (gemäß „Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich zur Bildung eines einheitlichen Betriebes“ zum 01. Juni 2021). Auf das Geschlecht in der Minderheit der Frauen entfallen 5 Mindestsitze (§ 15 Abs. 2 BetrVG).
Gewählt werden können weiter nur diejenigen Arbeitnehmer/innen, die ordnungsgemäß zur Wahl vorgeschlagen wurden. Ein ordnungsgemäßer Wahlvorschlag setzt voraus, dass dieser gemäß § 14 Abs. 4 BetrVG von mindestens 19 wahlberechtigten Arbeitnehmern bzw. Arbeitnehmerinnen unterzeichnet worden ist (Stützunterschriften)… Die Stimmabgabe ist an die Wahlvorschläge gebunden. Die Wahlvorschläge müssen schriftlich in Form von Vorschlagslisten … eingereicht werden. Der letzte Tag für die Einreichung von Vorschlagslisten ist der 27. Juli 2021 bis spätestens 18:00 Uhr.
Bei der Aufstellung von Vorschlagslisten sollen das Geschlecht in der Minderheit, … berücksichtigt werden. Nicht fristgerecht eingereichte Wahlvorschläge können nicht berücksichtigt werden.
Die Wahlvorschläge hängen am folgenden Ort … aus…“
5
Als Anlage zur E-Mail vom 13.07.2021 versandte der Wahlvorstand die „Kurzhinweise zur Einleitung und Durchführung einer Betriebsratswahl“, die u.a. folgende Informationen enthielten:
„Werden mindestens zwei Vorschlagslisten für gültig befunden, können die Arbeitnehmer/innen sich bei der Wahl nur für eine der Listen entscheiden (Listenwahl). Wurde nur eine Vorschlagsliste eingereicht oder für gültig befunden, können die Arbeitnehmer/innen den einzelnen Kandidaten ihre Stimme geben (Personenwahl). Der Beschäftigte kann dann so viele Bewerber/innen ankreuzen, wie Sitze zu vergeben sind.“
6
Hinsichtlich der Einzelheiten des Wahlausschreibens sowie der „Kurzhinweise zur Einleitung und Durchführung einer Betriebsratswahl“ wird auf die Anlage AS2 (Bl. 30 d.A.) sowie auf die Anlage Agg1 (Bl. 86 ff. d.A.) Bezug genommen.
7
Am 15.07.2021 fand ein Treffen statt, an dem u.a. Mitglieder des Wahlvorstandes, u.a. Frau St., und von den Antragstellern zumindest unstreitig die Beteiligten zu 3) und zu 4) teilnahmen. Mit dem zuständigen Gewerkschaftssekretär wurde besprochen, welche Voraussetzungen für eine Personenwahl und welche Voraussetzungen für eine Listenwahl vorliegen müssten. Außerdem wurde eine Reihung der ersten Plätze auf der mit der Bezeichnung „Ge2. A2.“ angelegten Liste (im Folgenden: „Liste 1“ oder „Liste Ge2. A2.“), vorgenommen; die ersten elf Positionen wurden mit den Vorsitzenden bzw. stellvertretenden Vorsitzenden der früheren sechs Betriebsratsgremien besetzt, die in den Vorgängerbetrieben des Gemeinschaftsbetriebs der Beteiligten zu 8) und zu 9) gebildet worden waren. Die Liste lag ab dem 15.07.2021 mit dieser Reihung grundsätzlich im Büro des Wahlvorstands aus; Listenverantwortlicher war Herr Ö.
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Am 22.07.2021 fand eine vom Wahlvorstand organisierte Frage-Antwort-Runde zur Betriebsratswahl statt, auf der der Beteiligte zu 1) u.a. nachfragte, wie ein Mitarbeiter kandidieren könne. Wie genau die Frage beantwortet wurde, ist zwischen den Beteiligten streitig.
9
Die Vorschlagsliste „Ge2. A2.“ wurde zunächst durch fortlaufendes Eintragen von Kandidaten und Stützunterschriften erstellt. So wurden z.B. der Beteiligte zu 1) und der Mitarbeiter Herr Kn3. am 26.07.2021 als Kandidaten auf den Rangplätzen 18 und 19 eingetragen; im Anschluss leisteten beide auch Stützunterschriften. Die Beteiligte zu 2) trug sich am 27.07.2021 gegen 15:00 Uhr als Kandidatin ein und leistete außerdem ihre Stützunterschrift. Nach ihrer Eintragung als weitere Kandidatin wurden der Beteiligte zu 1) und Herr Kn3. nicht um eine erweiterte Zustimmung gebeten.
10
Bis zum Fristablauf zur Einreichung von Wahlvorschlagslisten am 27.07.2021, 18:00 Uhr, wurden beim Wahlvorstand insgesamt zwei Listen eingereicht. Unstreitig gab es auf den Listen Doppelunterschriften von drei Mitarbeitern. Hierüber wurde Frau Sc., Listenführerin bzw. einzige Bewerberin auf der Liste mit der Bezeichnung „Sc“ (im Folgenden: „Liste 2“), durch den Wahlvorstand mündlich am 28.07.2021 informiert, am 30.07.2021 schriftlich unter Setzung einer Nachfrist von drei Tagen.
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Mit Schreiben vom 03.08.2021 gab der Wahlvorstand beide Listen als gültig bekannt. Auf der „Liste 1“ mit dem Kennwort „Ge2. A2.“ waren die Mitglieder des Wahlvorstands Herr Ha., Frau St., Herr J., Frau He. und Frau Y. sowie das Ersatzmitglied Herr Ö. nummeriert aufgeführt unter den Nr. 2, Nr. 3, Nr. 5, Nr. 7 und Nr. 11 bzw. Nr. 6. Das Ersatzmitglied des Wahlvorstands Frau Sc. war auf der „Liste 2“ mit dem Kennwort „Sc“ als einzige Wahlbewerberin genannt.
12
Mit einem „Offenen Brief“ wandten sich 25 Mitarbeiter der Beteiligten zu 8) und 9) per E- Mail vom 19.08.2021 an sämtliche Mitarbeiter der Arbeitgeberinnen und forderten den Wahlvorstand auf, die Fristen für das Wahlverfahren zu verlängern, um die Einreichung zusätzlicher Kandidatenlisten zu ermöglichen. Hinsichtlich der näheren Umstände zur Erstellung, Versendung etc. des „Offenen Briefs“ und zu den Reaktionen auf den Brief wird auf den Vortrag der Antragsteller in der Antragsschrift, Seite 12 ff. (Bl. 12 ff. d.A.), Bezug genommen. Die gegenüber dem Wahlvorstand geforderte Fristverlängerung erfolgte nicht.
13
Das Ergebnis der Betriebsratswahl vom 25.08.2021 wurde am 30.08.2021 durch den Wahlvorstand bekannt gegeben.
14
Mit ihrer am 13.09.2021 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Antragsschrift machen die Antragsteller geltend, dass die Betriebsratswahl offensichtlich und unheilbar nichtig, zumindest unwirksam sei.
15
Die Antragsteller vertreten die Auffassung, dass die Betriebsratswahl vom 25.08.2021 an verschiedenen Mängeln leide, die zur Nichtigkeit, zumindest zur Anfechtbarkeit der Wahl, führten. Im Wahlausschreiben sei die Anzahl der erforderlichen Stützunterschriften falsch – nämlich mit 19 zu niedrig – angegeben worden anstelle der erforderlichen 20 Stützunterschriften. Die für die Stützunterschriften nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BetrVG erforderlichen 5% an unterstützenden Mitarbeitern würden sich bei einer Belegschaft von 383 Mitarbeitern auf 19,15 und damit im Ergebnis auf 20 stützende Mitarbeiter belaufen. Das Wahlausschreiben habe zudem keinen Hinweis auf das dritte Geschlecht enthalten. Zudem seien die Wahlvorschläge fehlerhaft gewesen. Die „Liste 1“ sei fortlaufend ergänzt worden mit Kandidaten und Stützunterschriften, ohne dass die Zustimmung zu später ergänzten Kandidaten bzw. zu den erfolgten Änderungen nachträglich von den früheren Unterstützern eingeholt worden sei. Der Wahlvorstand habe dann nicht seiner Prüfungs- und Hinweispflicht nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WO genügt, da er diesen Verstoß nicht beanstandet, sondern vielmehr die Liste zugelassen habe. Gerade der Wahlvorstand habe durch seine lückenhafte Information das System einer fortlaufenden Ergänzung der „Liste 1“ um Stützunterschriften, aber auch um Kandidaten, begründet. Es sei nicht nachvollziehbar – wie der Betriebsrat vorträgt – dass noch am 27.07.2021 ausreichend aktuelle Stützunterschriften nach der Eintragung des letzten Kandidaten und nach – etwaiger – Annullierung der bisherigen Stützunterschriften gesammelt worden sein könnten. Schließlich seien im Hinblick auf die Urlaubszeit und die „coronabedingte“ Arbeit im „Home Office“ viele Mitarbeiter am 27.07.2021 nicht im Betrieb anwesend gewesen. Auch habe der Wahlvorstand – insbesondere auch nicht nach Versendung des „Offenen Briefs“ – auf diese – angebliche – wichtige Korrektur hingewiesen. Genauso wenig seien der Beteiligte zu 1), die Beteiligte zu 2) und der Mitarbeiter Herr Kn3. als frühere Unterstützer über die Korrektur informiert worden.
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Die „Liste 2“ habe aufgrund der Doppelunterschriften keine ausreichende Anzahl an Stützunterschriften erhalten. Gegen Ende der Einreichungsfrist am 27.07.2021, um ca. 17:45 Uhr, habe die Beteiligte zu 4) festgestellt, dass die „Liste 2“ lediglich etwa 13 Stützunterschriften aufgewiesen habe. Dass die Liste innerhalb weniger Minuten dann um ca. acht weitere Unterschriften ergänzt worden sein solle, sei nicht realistisch. Auch bei der „Liste 2“ habe der Wahlvorstand gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 WO verstoßen, da er es nach § 6 Abs. 5 WO unterlassen habe, ordnungsgemäß zu klären, welche Unterschriften zählen sollten. Eine rechtzeitige Erklärung der „Doppelunterzeichner“ vor Ablauf der Einreichungsfrist sei nicht erfolgt. Eine Korrektur der Fehlerhaftigkeit der „Liste 2“ wäre nur innerhalb der zweiwöchigen Einreichungsfrist möglich gewesen, eine nachträgliche Heilung sei ausgeschlossen, da andernfalls § 9 WO unterlaufen werde. Zudem habe der Wahlvorstand die Listenverantwortliche Frau Sc. erst einen Tag später mündlich und zwei Tage nach Einreichung der Liste schriftlich über die Fehlerhaftigkeit informiert.
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Im Übrigen sei gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl verstoßen und das Ergebnis der Betriebsratswahl unzulässig vorweggenommen worden: Der Wahlvorstand habe suggeriert, dass es im Rahmen der Betriebsratswahl eine Personenwahl mit nur einer einzigen Liste geben werde. Insbesondere sei allen an einer Kandidatur interessierten Mitarbeitern erklärt worden, dass sie sich nur in die (einzig) ausliegende Liste, auf der insbesondere die Wahlvorstandsmitglieder die vordersten Listenplätze belegten, eintragen müssten und dass ihre Kandidatur damit gesichert sei. Ein Hinweis, dass bei Einreichung weiterer Listen die Reihenfolge der Eintragung auf der ausgelegten Liste ganz entscheidend für die Chance einer Wahl in den Betriebsrat sei, sei stets bewusst unterblieben. Als der Beteiligte zu 1) am 22.07.2021 auf der vom Wahlvorstand organisierten Frage-Antwort-Runde nachgefragt habe, wie ein Mitarbeiter kandidieren könne, sei geantwortet worden, dass eine Kandidatenliste mit einigen Kandidaten bereits im Wahlbüro ausliege; dort könne sich ein Mitarbeiter eintragen und sei damit Kandidat. Auf diese Weise habe z.B. der Beteiligte zu 1) den Eindruck gewonnen, dass die Eintragung in die beim Wahlvorstand ausliegende Liste der gesetzlich (allein) vorgegebene Weg einer Kandidatur sei und dass die Chancen auf eine Wahl in den Betriebsrat für alle Kandidaten auf der Liste genau gleich seien. Der Wahlvorstand – und gerade nicht ein Listenvertreter – habe die „Liste 1“ geführt; schließlich habe der Wahlvorstand versichert, dass mit der Eintragung in die „Liste 1“ alles richtig gemacht werde. Kandidaten hätten sich lediglich innerhalb der kurzen Öffnungszeiten des Wahlvorstandsbüros in die „Liste 1“ eintragen können. Mitarbeiter, die sich an einer Kandidatur interessiert gezeigt hätten, seien nicht auf die Möglichkeit der Einreichung einer eigenen Liste hingewiesen worden. Aufgrund dieses vom Wahlvorstand hervorgerufenen falschen Verständnisses hätten zumindest der Beteiligte zu 1), die Beteiligte zu 2) sowie Herr Kn3. auf der „Liste 1“ kandidiert und nicht an die Aufstellung eines eigenen Wahlvorschlags gedacht. Alle Antragsteller seien davon ausgegangen, dass keiner seine eigenen Wahlvorschläge zusätzlich vorbereiten und einreichen solle. Dass dann doch eine zweite Liste kurz vor Fristablauf eingereicht worden sei, sei sehr überraschend und unerwartet erfolgt. Durch das überraschende Einreichen eines zweiten Wahlvorschlags unmittelbar vor Ablauf der Einreichungsfrist habe festgestanden, dass die ersten zehn Kandidaten der „Liste 1“ nur eine Stimme bräuchten, um in den Betriebsrat gewählt zu werden. Der Wahlvorstand habe letztlich bewirkt, dass keine Wahlen zum Betriebsrat stattgefunden hätten, sondern eine faktische vorweggenommene Besetzung erfolgt sei.
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Die Nichtigkeit der Wahl ergebe sich daraus, dass aufgrund von Indizien geschlossen werden könne, dass bereits von vornherein möglicherweise ein Plan vorgelegen habe, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Aus den Indizien lasse sich auf ein kollusives Verhalten schließen. Im Übrigen habe eine Wahl gleichsam ohne Wahlvorschläge stattgefunden, da beide Vorschlagslisten nicht gültig gewesen seien. Zumindest sei die Wahl unwirksam; denn durch die Verstöße sei das Ergebnis massiv beeinflusst worden bzw. ein pflichtgemäßes Handeln des Wahlvorstandes hätte zu einem anderen Wahlergebnis geführt. Entgegen § 9 BetrVG sei ein Betriebsrat mit elf Mitgliedern und nicht mit neun gewählt worden.
19
Den Antragstellern stehe ein Einsichtsrecht in die Wahlakten nach § 19 WO zu. Es sei dem Betriebsrat möglich, die eingereichten Wahlvorschlagslisten vorzulegen.
20
Die Antragsteller beantragen, nach Antragserweiterung um den unter Ziffer 1 formulierten Antrag in der mündlichen Anhörung vom 29.07.2022, zuletzt:
1. Der Beteiligte zu 7) wird verurteilt, an die Antragsteller die Wahlunterlagen betreffend die Betriebsratswahl vom 25. August 2021 für den gemeinsamen Betrieb der Pa. und der San,, Betrieb A-Gemeinde, insbesondere die Vorschlagslisten und Stützunterschriftslisten, herauszugeben, hilfsweise zur Einsicht zur Verfügung zu stellen.
2. Festzustellen, dass die Betriebsratswahl vom 25. August 2021 für den gemeinsamen Betrieb der Pa. und der San., Betrieb A-Gemeinde, nichtig ist.
3. Hilfsweise die Betriebsratswahl vom 25. August 2021 für den gemeinsamen Betrieb der Pa. und der San., Betrieb A-Gemeinde, für unwirksam zu erklären.
21
Der Beteiligte zu 7) beantragt
Zurückweisung der Anträge.
22
Er trägt vor, dass es im gemeinsamen Betrieb zwar 383 Mitarbeiter gebe, allerdings nur 377 wahlberechtigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Abzug der sechs leitenden Angestellten. Die Daten zur Mitarbeiterstruktur hätten die Arbeitgeberinnen, die Beteiligten zu 8) und zu 9), zur Verfügung gestellt. Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ergebe sich als Anzahl der erforderlichen Stützunterschriften 18,85, nämlich 5% von 377. Selbst wenn man – entsprechend der Argumentation der Antragsteller – davon ausginge, dass 20 Stützunterschriften im Wahlausschreiben als erforderlich hätten angegeben werden müssen, fehle die nach § 19 BetrVG erforderliche Kausalität. Ein – hypothetischer – zu niedriger Wert schrecke niemanden davon ab, eine Liste einzureichen; ein falscher, zu niedrig angegebener Wert wäre nur anfechtungsrelevant, wenn eine Liste genau die Anzahl an Stützunterschriften aufweisen würde, die ggf. zu niedrig angegeben wäre. Die von den Arbeitgeberinnen übermittelten Daten hätten keine Angaben zu Beschäftigten mit Zugehörigkeit zum dritten Geschlecht enthalten. Auf dem Treffen am 15.07.2021 zur Liste „Ge2. A2.“ habe der zuständige Gewerkschaftssekretär ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Durchführung einer Personenwahl nicht in der Hand des Wahlvorstandes liege, und erläutert, unter welchen Voraussetzungen eine Listenwahl erfolgen müsse. Daraufhin sei am 15.07.2021 die Listenreihung vorgenommen worden, da eine Listenwahl gerade auch bei größeren Betrieben nie auszuschließen sei. Die Reihung sei am 15.07.2021 erfolgt, um zu erreichen, dass alle sechs vormaligen Betriebe der Rechtsvorgängerinnen dort auf den vorderen Plätzen und möglichst auch im zu wählenden Betriebsrat vertreten wären. Auf der am 22.07.2021 vom Wahlvorstand organisierten Frage-Antwort-Runde zur Betriebsratswahl sei auf die Frage, wie man kandidieren könne, geantwortet worden, dass dies auf einem gültigen Wahlvorschlag mit eigener Unterschrift und unter fristgerechter Einreichung erfolgen müsse. Auf die weitere Frage, ob der Wahlvorstand dazu im Intranet etwas vorhalte, sei geantwortet worden, dass der Wahlvorstand sich neutral zu verhalten habe. Die Liste „Ge2. A2.“ sei – nach der erfolgten Reihung – tatsächlich aber auch für andere Kandidaturen offen gewesen. Stützunterschriften, die vor dem 27.07.2021 geleistet worden seien, seien daher noch annulliert worden. Bei Einreichung des Wahlvorschlags hätten sich dort 26 Stützunterschriften befunden, die alle vom 27.07.2021 datiert hätten. Herr Ö. habe die Liste am 27.07.2021 gegen 17:45 Uhr bei sich gehabt, um noch Stützunterschriften, jedoch keine neuen Kandidaten zuzulassen; die Liste habe zu dem Zeitpunkt nicht zur Eintragung von Kandidaten ausgelegen. Die „Liste 2“ sei da vielmehr bereits abgegeben und weggeschlossen gewesen; die Beteiligte zu 4) habe daher nicht feststellen können, wie viele Stützunterschriften die Liste genau zu dem Zeitpunkt aufgewiesen habe. Nachdem am 27.07.2021 beide Listen eingereicht worden waren, habe sich herausgestellt, dass es drei doppelte Stützunterschriften gegeben habe. Diese drei Personen seien am Abend des 27.07.2021 gemäß § 6 Abs. 5 WO befragt worden, auf welcher Liste sie ihre Stützunterschriften aufrecht erhalten wollten. Nach den Rückantworten habe die Vorschlagsliste „Ge2. A2.“ noch 23 Unterstützer gehabt, die Vorschlagsliste „Sc“ noch 21. Frau Sc. sei vorsorglich zur Mängelbeseitigung nach § 8 Abs. 2 Ziffer 3 Halbsatz 2 WO aufgefordert worden; eine Mängelbeseitigung sei nach Rückmeldung der „Doppelstützer“ jedoch nicht mehr erforderlich gewesen. Die Größe des Betriebsrats mit elf Mitgliedern sei aufgrund der damals aktuellen Prognose der Arbeitgeberinnen vom 19.05.2021 zulässig festgelegt worden.
23
Hinsichtlich der Antragserweiterung im Rahmen der mündlichen Anhörung am 29.07.2022 ist der Beteiligte zu 7) der Auffassung, dass diese wegen einer möglichen Verzögerung des Verfahrens nicht sachdienlich sei.
24
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Frau St., Herr J., Frau He. sowie Frau Y.; der Betriebsratsvorsitzende Herr Ha. wurde informatorisch angehört.
25
Die Arbeitgeberinnen, die Beteiligten zu 8) und 9), haben keine Anträge gestellt.
26
Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Sitzungsprotokolle vom 11.10.2021 und vom 29.07.2022 sowie den gesamten weiteren Akteninhalt Bezug genommen (§§ 80 Abs. 2, 85 Abs. 2, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, §§ 495, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
B.
27
Die zulässigen Anträge sind nicht begründet.
28
I. Der Antrag zu Ziffer 1 ist zulässig.
29
1. Der erst im Rahmen der Anhörung vom 29.07.2022 von den Beteiligten zu 1) bis 6) gestellte Antrag ist sachdienlich nach § 81 Abs. 3 ArbGG.
30
a) Sachdienlich ist eine Antragsänderung bzw. -erweiterung, wenn der bisherige Streitstoff und das Ergebnis des bisherigen Verfahrens auch für die Entscheidung über den geänderten Antrag nutzbar gemacht werden können und wenn der Streit der Beteiligten mit einer Entscheidung über den geänderten Antrag endgültig oder besser beigelegt werden kann und ein weiteres Verfahren vermieden wird (Spinner in: Germelmann/Matthes/Prütting, § 81 ArbGG Rn. 86).
31
b) In diesem Sinne war der Antrag sachdienlich.
32
Aus der in § 19 WO normierten Pflicht des Betriebsrats, die Wahlakten mindestens bis zur Beendigung seiner Amtszeit aufzubewahren, ergibt sich grundsätzlich ein Anspruch auf Einsichtnahme in die Wahlakten. Aus dem Zweck der Aufbewahrungspflicht folgt ein berechtigtes Interesse derjenigen an der Einsichtnahme in die Wahlakten, für die die Gültigkeit der Betriebsratswahl von Bedeutung ist. Das sind zumindest diejenigen Personen und Stellen, die nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG berechtigt sind, die Betriebsratswahl anzufechten (BAG, Beschluss vom 27.07.2005 – 7 ABR 54/04, NZA 2006, 59). Die Aufbewahrungspflicht soll es ermöglichen, auch nach Abschluss der Betriebsratswahl vom Inhalt der Wahlakten Kenntnis zu nehmen. Dies dient dem Zweck, die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratswahl überprüfen zu können (BAG, Beschluss vom 27.07. 2005 – 7 ABR 54/04, NZA 2006, 59).
33
Die Einsichtnahme bzw. ein etwaiger Rechtstreit über das Bestehen eines Einsichtnahmerechts kann damit für die Beteiligten grundsätzlich die Frage klären, ob die Durchführung eines Anfechtungsverfahrens nach § 19 BetrVG sinnvoll ist oder nicht.
34
Der zuletzt ergänzend gestellte Antrag zu 1) steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den bereits zuvor gestellten Anträgen und dem von den Beteiligten bereits vorgetragenen Streitstoff zu einer möglichen Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 25.08.2021. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist zudem das Ergebnis des bisherigen Verfahrens nutzbar. Eine Behandlung der Antragserweiterung in diesem Rechtsstreit kann ein weiteres Verfahren mit den Beteiligten zur Gesamtthematik Betriebsratswahl erübrigen.
35
2. Den Antragstellern steht auch ein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich des Antrags zu 1) zu. Zwar besteht der Sinn und Zweck von § 19 WO – zumindest im Schwerpunkt – darin, auf einer Vorstufe eine Vorfrage zu einem möglichen Wahlanfechtungsverfahren zu klären. Hier wurde der Antrag gestellt, als das Verfahren der Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsklage bereits längst beschritten war. Allerdings war die zu den Anträgen 2) und 3) durchgeführte Beweisaufnahme „beschränkt“ auf eine Zeugenvernehmung, eine Vorlage von Unterlagen bzw. Urkunden war nicht angeordnet. Im Übrigen richtet sich das Einsichtnahmerecht nach § 19 WO auf die gezielte Klärung von Fragen zu einem bestimmten Aspekt der Betriebsratswahl, nämlich den Wahlunterlagen; parallel gestellte Anträge auf Anfechtung bzw. Nichtigkeitsfeststellung mögen aus ganz anderen Gründen und unabhängig von einem Einsichtnahmerecht zulässig oder unzulässig, begründet oder unbegründet sein. Auch kann ein Rechtsschutzbedürfnis ggf. insoweit bestehen, als mit Hilfe der Einsichtnahme ggf. geklärt werden kann, mit wie viel Aufwand ein Anfechtungs- bzw. Feststellungsverfahren in wie vielen Instanzen sinnvoll (weiter) geführt werden könnte.
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Die Aufbewahrungspflichten des Betriebsrats und das Einsichtnahmerecht nach § 19 WO ermöglichen zudem unabhängig von einem Anfechtungsverfahren die Lektüre der Wahlakten und die dadurch erlangte Kenntnis von Verstößen gegen Wahlvorschriften, um derartigen Fehlern bei der nächsten Betriebsratswahl vorzubeugen (BAG, Beschluss vom 27.07.2005 – 7 ABR 54/04, NZA 2006, 59).
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II. Der Antrag zu 1) ist unbegründet.
38
Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Zurverfügungstellung bzw. Einsichtnahme in die gesamten Wahlakten bzw. Wahlunterlagen der am 25.08.2021 durchgeführten Betriebsratswahl. Auch ein Anspruch auf Einsichtnahme in die von den Antragstellern explizit benannten Bestandteile der Wahlunterlagen, die Vorschlagslisten und Stützunterschriftslisten, auf deren Einsichtnahme der Antrag „insbesondere“ gerichtet war, besteht nicht.
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1. Ausdrücklich ist das Recht auf Einsichtnahme in die Akten einer Betriebsratswahl zwar nicht im Gesetz geregelt; aus der in § 19 WO normierten Pflicht des Betriebsrats, die Wahlakten mindestens bis zur Beendigung seiner Amtszeit aufzubewahren, ergibt sich jedoch grundsätzlich ein Anspruch der nach § 19 Abs. 2 BetrVG Wahlanfechtungsberechtigten auf Einsichtnahme in die Wahlakten (BAG, Beschluss vom 27.07.2005 – 7 ABR 54/04, NZA 2006, 59; BAG, Beschluss vom 12.06.2013 – 7 ABR 77/11, NZA 2013, 1368).
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Dieses Recht auf Einsichtnahme in die Wahlakten der Betriebsratswahl gilt allerdings nicht für Bestandteile der Wahlakten, aus denen Rückschlüsse auf das Wahlverhalten einzelner Arbeitnehmer gezogen werden können. Die Einsichtnahme auch in solche Unterlagen ist nur zulässig, wenn dies zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Wahl erforderlich ist. Nach dem Grundsatz der geheimen Wahl, der nach § 14 Abs. 1 BetrVG auch für die Betriebsratswahl gilt, darf die Stimmabgabe des Wählers keinem anderen bekannt werden. Dies dient dem Zweck, den Wähler vor jeglichem sozialen Druck zu schützen. Der Grundsatz der geheimen Wahl gilt nicht nur für den eigentlichen Wahlakt, sondern auch für die Wahlvorbereitung. Einschränkungen des Grundsatzes der geheimen Wahl sind insoweit nur zulässig, wenn diese zur Durchführung einer ordnungsgemäßen Wahl erforderlich sind. Der Grundsatz der geheimen Wahl wirkt auch nach Beendigung der Wahl gegenüber Auskunftsverlangen über die Stimmabgabe (BAG, Beschluss vom 27.07.2005 – 7 ABR 54/04, NZA 2006, 59; BAG, Beschluss vom 12.06.2013 – 7 ABR 77/11, NZA 2013, 1368; BAG, Beschluss vom 02.08.2017 – 7 ABR 42/15, NZA 2018, 182). Die Wahlakten der Betriebsratswahl geben zwar in der Regel keinen Aufschluss darüber, wem der einzelne Wahlberechtigte seine Stimme gegeben hat. Gegebenenfalls kann allerdings beispielsweise aus persönlichen Schreiben einzelner Wahlberechtigter an den Wahlvorstand, die dieser zu den Wahlakten genommen hat, auf deren Wahlverhalten geschlossen werden. Die wahlberechtigten Arbeitnehmer besitzen daher ein berechtigtes Interesse an der möglichst vertraulichen Behandlung derartiger Unterlagen. Die Einsichtnahme auch in solche Bestandteile der Wahlakten ist deshalb nur zulässig, wenn die Einsichtnahme gerade in diese Schriftstücke zur Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Wahl notwendig ist; dies ist entsprechend darzulegen (vgl. BAG, Beschluss vom 27.07.2005 – 7 ABR 54/04, NZA 2006, 59; BAG, Beschluss vom 12.06.2013 – 7 ABR 77/11, NZA 2013, 1368).
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2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht den Antragstellern der geltend gemachte Anspruch auf Zurverfügungstellung bzw. Einsichtnahme in die gesamten Wahlakten, auch nicht „insbesondere in die Vorschlagslisten und Stützunterschriftslisten“ – oder als „Minus“ ausschließlich in diese Listen – zu.
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a) Die Antragsteller haben nicht dargelegt, dass eine entsprechende Einsichtnahme auch in die in den Wahlakten vorhandenen Schriftstücke, die Rückschlüsse auf die Stimmabgabe der wahlberechtigten Arbeitnehmer zulassen (z.B. mit Stimmabgabevermerken versehene Wählerlisten oder die Briefwahlunterlagen) zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Wahl erforderlich ist. Hierzu ist schon keinerlei Vortrag erfolgt.
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b) Aber auch bezogen auf eine Vorlage bzw. Einsichtnahme in einzelne, konkrete Bestandteile der Wahlakten, nämlich auf die Vorschlags- und Stützunterschriftslisten, haben die Antragsteller ein berechtigtes Interesse zur Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Wahl nicht dargelegt. Nach Wertung der Kammer zählen im konkreten Fall insbesondere die Stützunterschriftslisten zu den Unterlagen, die vom berechtigtes Interesse der wahlberechtigten Mitarbeiter an der möglichst vertraulichen Behandlung von Wahlunterlagen erfasst sind. Aus einer Streichung von doppelt geleisteten Stützunterschriften und damit aus einer nachträglichen, bewussten Entscheidung der Mitarbeiter zwischen zwei Wahlvorschlägen lässt sich durchaus auch – selbst wenn es „nur“ um die im Vorfeld der Wahl geleisteten Stützunterschriften geht – auf ein bestimmtes Wahlverhalten bei der anschließenden Betriebsratswahl schließen. Das berechtigte Interesse der betroffenen Mitarbeiter an Vertraulichkeit wäre grundsätzlich nur dann nicht schützenswert, wenn an der Kenntnis der Unterschriften bzw. deren Streichung ein berechtigtes Interesse der Antragsteller dargelegt worden wäre, um die Ordnungsgemäßheit der Wahl überprüfen zu können.
44
c) Unstreitig gab es Doppelunterschriften auf den eingereichten Vorschlagslisten; dass die erforderliche Anzahl von Stützunterschriften bei Fristablauf am 27.07.2021 jeweils auf den Listen vorgelegen hatte, war von den Antragstellern bestritten worden. Der Antrag auf Einsichtnahme wurde erst im Rahmen der mündlichen Anhörung am 29.07.2022 gestellt, nachdem die Zeugen zum Thema Einreichung der Vorschlagslisten, deren Überprüfung durch den Wahlvorstand, zur Problematik der Doppelunterschriften und deren Korrektur, vernommen worden waren. Ein berechtigtes Interesse an einer zusätzlichen Einsichtnahme der Schriftstücke war für die Kammer – wie auch im Rahmen der Anhörung vom 29.07.2022 bereits zum Beweisantrag der Beteiligten zu 1) bis 6) ausgeführt – nicht erkennbar. Insbesondere ließe allein ein Blick auf Unterschriftslisten, die zeitlich deutlich nach dem Termin zur Einreichung der Wahlvorschläge (27.07.2021) zur Verfügung gestellt würden, noch nicht erkennen, wann (binnen der Einreichungsfrist?) sie in welchem „Zustand“, das heißt mit wie vielen Unterschriften, eingereicht worden waren. Genauso wenig lässt sich entnehmen, wie nach Einreichung mit der Problematik der unstreitigen Doppelunterschriften umgegangen worden ist; allein aus (möglichen) Streichungen von Doppelunterschriften kann noch nicht der Schluss darauf gezogen werden, ob dabei das in § 6 Abs. 5 WO vorgesehene Verfahren inhaltlich und zeitlich korrekt durchgeführt worden ist. Ein „Mehrwert“ einer Einsichtnahme gegenüber der durchgeführten Beweisaufnahme war genauso wenig ersichtlich wie das im Hinblick auf den Grundsatz der geheimen Wahl erforderliche berechtigte Interesse der Antragsteller an einer Einsichtnahme.
45
III. Der auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 25.08.2021 gerichtete Antrag zu 2) ist unbegründet.
46
1. Voraussetzung für die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl ist ein so eklatanter Verstoß gegen fundamentale Wahlgrundsätze, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Wegen der weitreichenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders gravierenden und krassen Wahlverstößen angenommen werden. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen Wahlvorschriften handeln, so dass ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die Betriebsratswahl muss „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“ (BAG, Beschluss vom 30.06.2021 – 7 ABR 24/20, NZA 2021, 1561 mwN). Dabei ist für die Beurteilung der Offenkundigkeit eines Verstoßes gegen wesentliche Wahlvorschriften der Standpunkt eines „mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Dritten“ maßgeblich. So kann die Nichtigkeit der Betriebsratswahl daher beispielsweise nicht auf Umstände gestützt werden, die nur für die Mitglieder des Wahlausschusses erkennbar sind wie beispielsweise die vom Wahlvorstand genutzten Quellen für die von ihm vorgenommenen Eintragungen in die Wählerliste (vgl. BAG, Beschluss vom 30.06.2021 – 7 ABR 24/20, NZA 2021, 1561 mwN).
47
Führen einzelne Verstöße gegen Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes oder gegen die Wahlordnung jeder für sich genommen noch nicht zur Nichtigkeit der Wahl, kann auch die Gesamtwürdigung der einzelnen Verstöße nicht die Nichtigkeit der Betriebsratswahl begründen (vgl. BAG, Beschluss vom 30.06.2021 – 7 ABR 24/20, NZA 2021, 1561, Rn. 33; BAG, Beschluss vom 19.11.2003 – 7 ABR 24/03, NZA 2004, 395; LAG München, Beschluss vom 16.05.2017 – 6 TaBV 108/16, BeckRS 2017, 125281).
48
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Betriebsratswahl vom 25.08.2021 nicht nichtig.
49
a) Ein Verstoß gegen § 9 Satz 1 BetrVG bzw. gegen § 3 Abs. 2 Nr. 5 WO, § 31 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 WO liegt nicht vor. Der Betriebsrat ist im Rahmen der Wahl am 25.08.2021 in der den gesetzlichen Vorgaben nach § 9 Satz 1 BetrVG ordnungsgemäßen Größe gewählt worden. Der Betriebsrat war mit einer Anzahl von elf Mitgliedern zu wählen – und nicht als neunköpfiges Gremium, wie die Antragsteller vertreten. Der Wahlvorstand hat im Rahmen des Wahlausschreibens vom 13.07.2021 auch korrekt auf die entsprechende Größe hingewiesen.
50
aa) Maßgebend für die Größe des Betriebsrats bei einer anstehenden Betriebsratswahl ist die Zahl der „in der Regel“ im Betrieb tätigen Arbeitnehmer (BAG, Beschluss vom 18.01.2017 – 7 ABR 60/15, NZA 2017, 865; Fitting, § 9 BetrVG Rn. 11). Der Wahlvorstand hat bei der Ermittlung der für die Betriebsratsgröße maßgeblichen Zahl der regelmäßig tätigen Arbeitnehmer nicht nur einen Rückblick auf die Vergangenheit zu werfen, sondern auch die künftige, auf Grund konkreter Veränderungsentscheidungen des Arbeitgebers zu erwartende Entwicklung des Beschäftigungsstandes des Betriebs zu berücksichtigen, die unmittelbar bevorsteht (BAG, Beschluss vom 02.08.2017 – 7 ABR 51/15, NZA 2017, 1343; Fitting BetrVG § 9 Rn. 12). Dies kann z.B. bei Personalabbau oder -aufstockung auf Grund einer konkreten Personalplanung, an der der Betriebsrat beteiligt worden ist, oder infolge von Entlassungen auf Grund eines Interessenausgleichs/Sozialplans der Fall sein (Fitting, § 9 BetrVG Rn. 13). Von Veränderungen der bisherigen Personalstärke kann der Wahlvorstand allerdings nicht bei bloßen unverbindlichen Erwartungen, Hoffnungen etc. des Arbeitgebers ausgehen (LAG Nürnberg, Beschluss vom 16.04.2019 – 7 TaBV 21/18, BeckRS 2019, 15324).
51
Der Wahlvorstand muss eine wertende Einschätzung zum „normalen“ Personalbestand treffen; dafür steht ihm in Grenzfällen ein Beurteilungsspielraum zu, der nur auf die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens überprüfbar ist (LAG Nürnberg, Beschluss vom 16.04.2019 – 7 TaBV 21/18, BeckRS 2019, 15324; Krois in: A-Stadter Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 291 Rn. 153; Koch in: Erfurter, § 9 BetrVG Rn. 1).
52
bb) Zwar haben die Antragsteller und der Beteiligte zu 7) übereinstimmend vorgetragen, dass im gemeinsamen Betrieb der Beteiligten zu 8) und zu 9) insgesamt 383 Mitarbeiter tätig sind. Nach § 9 Satz 1 BetrVG besteht der Betriebsrat in Betrieben mit in der Regel 201 bis 400 Arbeitnehmern aus neun Mitgliedern und erst in Betrieben mit einer Beschäftigtenzahl von in der Regel 401 bis 700 Arbeitnehmern aus elf Mitgliedern. Wäre die Zahl von 383 Mitarbeitern als „Regel- oder Normalfall“ im gemeinsamen Betrieb zugrunde zu legen, hätte lediglich ein neunköpfiger Betriebsrat gewählt werden dürfen.
53
Der Betriebsratswahl vom 25.08.2021 lag jedoch u.a. die „Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich zur Bildung eines einheitlichen Betriebes“ mit Wirkung zum 1. Juni 2021 zugrunde, in der aufgrund einer Prognose der Arbeitgeberinnen vom 19.05.2021 zur Mitarbeiterentwicklung von einer erforderlichen Betriebsratsgröße von elf Mitgliedern ausgegangen war.
54
Nach den oben dargelegten Grundsätzen durfte auch der Wahlvorstand diese Prognose im Rahmen seines Beurteilungsspielraums für die Organisation der Betriebsratswahl zugrunde legen. Es war sachgerecht, für den gemäß § 13 Abs. 1 BetrVG auf die Dauer von grundsätzlich vier Jahren zu wählenden Betriebsrat auf die für die Zukunft prognostizierten Mitarbeiterzahlen abzustellen. Die Prognose war im Interessenausgleich/Sozialplan vom 19.05.2021, d.h. zu einem aktuellen Zeitpunkt unmittelbar vor Wahrnehmung des Beurteilungsspielraums durch den Wahlvorstand, getroffen worden. Es handelte sich dabei um Angaben, die nicht lediglich in „internen“ Überlegungen der Arbeitgeberinnen enthalten waren, sondern unstreitig Bestandteil eines niedergelegten und beschlossenen Interessenausgleichs/Sozialplans waren. Aus welchem Grund diese Annahme nicht als sachgerechter Anknüpfungspunkt vom Wahlvorstand zum damaligen Zeitpunkt hätte zugrunde gelegt werden dürfen, ist nicht ersichtlich, insbesondere auch nicht von den Antragstellern ansatzweise vorgetragen.
55
b) Der Wahlvorstand hat auch die Zahl der nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BetrVG erforderlichen Stützunterschriften mit insgesamt 19 richtig ermittelt und im Wahlausschreiben bekannt gegeben. Entgegen der Auffassung der Antragsteller war die im Wahlausschreiben genannte Anzahl der erforderlichen Stützunterschriften nicht mit 20 Stützunterschriften (5% von einer Belegschaft von 383 Mitarbeitern: 19,15 und damit aufgerundet auf 20) anzugeben.
56
aa) Für die Errechnung der Mindestzahlen für die Unterzeichnung ist der Tag des Erlasses des Wahlausschreibens maßgebend (Fitting, § 14 BetrVG Rn. 49).
57
Auf die nach § 9 BetrVG erforderliche Prognose war insoweit nicht abzustellen. § 9 BetrVG dient der sachgerechten Erfüllung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben des für die Zukunft zu wählenden Betriebsrats, deren Umfang typischerweise von der Anzahl (zukünftig) regelmäßig beschäftigter Arbeitnehmer maßgeblich geprägt wird (BAG, Beschluss vom 18.01.2017 – 7 ABR 60/15, NZA 2017, 865); dabei geht es um die in der bevorstehenden Amtszeit zu erwartende Tätigkeit des Betriebsrats. Es ist jedoch gerade nicht Sinn und Zweck der Anforderungen zur „regelmäßigen“ Beschäftigtenzahl bzw. des Erfordernisses einer Prognose, dass im Zeitpunkt der vorgelagerten Wahl diese durch ein prognostiziertes Wachstum der Belegschaft – und damit eine angehobene Zahl an Stützunterschriften – erschwert wird.
58
bb) Auf die vom Beteiligten zu 7) weitergehenden präzisen Darlegungen zu den von der Anzahl der wahlberechtigten Mitarbeiter auszunehmenden leitenden Angestellten und deren Aufteilung auf die Geschlechter sind die Antragsteller nicht mehr eingegangen. Anhaltspunkte, die diesen Vortrag und die Angaben der Arbeitgeberinnen zweifelhaft erscheinen lassen könnten, waren nicht ersichtlich, insbesondere nicht von den Antragstellern vorgetragen. Eine weitergehende Pflicht zur Er- bzw. Ausforschung, bei welchen der vom Beteiligten zu 7) namentlich genannten leitenden Angestellten und aus welchen Gründen möglicherweise doch keine Eigenschaft als leitender Angestellter i.S.v. § 5 Abs. 3 BetrVG vorliegen könnte, bestand hier für die Kammer nicht. Eine „Ermittlungspflicht ins Blaue“ ohne konkret von den Beteiligten genannte Ausgangspunkte ist dem Gericht auch im Rahmen des im Beschlussverfahren geltenden eingeschränkten Untersuchungsgrundsatzes nach § 83 ArbGG nicht vorgegeben (vgl. Roos in: Natter/Gross, § 83 Rn. 31).
59
c) Der von den Antragstellern unter Hinweis auf den grundrechtlich erforderlichen Schutz nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16, NJW 2017, 3643) gerügte Umstand, dass das Wahlausschreiben keinen Hinweis auf das „dritte Geschlecht“ enthalten habe, führt zumindest im konkreten Fall nicht zu einem Verstoß des Wahlvorstands gegen § 15 Abs. 2 BetrVG. Selbst wenn man von einer Anwendbarkeit von § 15 Abs. 2 BetrVG auf ein „drittes Geschlecht“ ausgehen würde (verneinend Koch in: Erfurter, § 15 BetrVG Rn. 2, wohl auch: Fitting, § 15 BetrVG Rn. 11b; bejahend: Krois in: A-Stadter Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 291 Rn. 164) und dann auch als Folge eine entsprechende Berücksichtigung von Beschäftigten mit der Angabe „divers“ oder auch von Beschäftigen ohne Angabe i.S.v. § 22 Abs. 3, § 45b Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 PStG fordern sollte, setzt § 15 Abs. 2 BetrVG zunächst voraus, dass das entsprechende dritte Geschlecht überhaupt – nämlich in der Minderheit – im Betrieb vertreten ist. Das war hier hinsichtlich des „dritten Geschlechts“ zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht der Fall. Der Wahlvorstand hat im Zuge der Organisation der Betriebsratswahl gerade nicht festgestellt, dass dem gemeinsamen Betrieb nicht-binäre Mitarbeiter angehörten; die Angaben der Arbeitgeberinnen zur Beschäftigtenanzahl unterfallen in die beiden Geschlechtergruppen „männlich“ (mit 194 Beschäftigten) oder „weiblich“ (mit 189 Beschäftigten). Damit ist die zwischen den Antragstellern und dem Beteiligten zu 7) unstreitige Gesamtzahl an Arbeitnehmern von 383 im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Wahlausschreibens ausgeschöpft. Der Wahlvorstand hat durch den Rückgriff auf die von den Arbeitgeberinnen zur Verfügung gestellten Daten gerade das in § 2 Abs. 2 WO vorgesehene rechtliche Verfahren genutzt. Dass davon abweichend auf andere Erkenntnisquellen hätte abgestellt oder durch den Wahlvorstand eigenständig hätte ermittelt werden müssen, ist weder ersichtlich noch im Ansatz von den Antragstellern vorgebracht.
60
d) Hinsichtlich der von den Antragstellern vorgetragenen Problematik, ob die „Liste 1“ wegen „verfrüht“ geleisteter Stützunterschriften vor einer nachträglichen Ergänzung der Liste um weitere Wahlbewerber ungültig war, ist schon fraglich, ob dies im Rahmen der Nichtigkeitsprüfung überhaupt relevant sein kann.
61
aa) Zur Nichtigkeit einer Betriebsratswahl führt nicht „allein“ eine besondere Schwere eines Verstoßes gegen Wahlvorschriften, sondern darüber hinaus ist erforderlich, dass es sich um einen offensichtlichen, evidenten Verstoß gegen Wahlvorschriften handelt, so dass ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die Betriebsratswahl muss „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“ (BAG, Beschluss vom 30.06.2021 – 7 ABR 24/20, NZA 2021, 1561 mwN). Dabei ist für die Beurteilung der Offenkundigkeit eines Verstoßes gegen wesentliche Wahlvorschriften der Standpunkt eines „mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Dritten“ maßgeblich (BAG, Beschluss vom 30.06.2021 – 7 ABR 24/20, NZA 2021, 1561 mwN). Sind Wahlverstöße erst aufgrund umfangreicher und langwieriger Ermittlungen feststellbar, ist es nicht zu rechtfertigen, dass in einem solchen Fall die Wahl nicht einmal mehr dem Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl entsprechen soll (BAG, Beschluss vom 15.11.2000 – 7 ABR 23/99, BeckRS 2000, 30788031).
62
Ob die von den Antragstellern angenommenen Wahlverstöße für einen mit den „betrieblichen Verhältnissen vertrauten Dritten“ im o.g. Sinn „evident“ wären oder sich nicht vielmehr auf die Wahrnehmungs- und Erkenntnismöglichkeiten eines eingegrenzten Kreises von Mitarbeitern (Bewerber, Unterstützer, Wahlvorstand) beschränkten, kann letztlich dahinstehen.
63
bb) Die am 27.07.2021 beim Wahlvorstand eingereichte „Liste 1“ war nicht fehlerhaft.
64
Zwar war die „Liste 1“ unstreitig zunächst „fortlaufend“ ergänzt worden sowohl mit Kandidaten als auch mit Stützunterschriften, ohne dass die Zustimmung zu später ergänzten Kandidaten bzw. zu den erfolgten Änderungen nachträglich von den früheren Unterstützern eingeholt worden ist. Damit war sie im Verlauf der Eintragungen – wie die Antragsteller zu Recht vertreten und auch der Betriebsrat zugesteht – fehlerhaft geworden. Diese Liste wurde jedoch nicht in ihrer fehlerhaften Fassung eingereicht, sondern in einer geänderten Fassung. Darauf kommt es hier an: Für die Feststellung, ob die erforderliche Anzahl von geleisteten Stützunterschriften vorliegt, ist allein der Zeitpunkt der Einreichung des Wahlvorschlags gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 WO relevant. Zu diesem Zeitpunkt wies die „Liste 1“ die für die Betriebsratswahl am 25.08.2021 im gemeinsamen Betrieb notwendige Anzahl von wirksamen Stützunterschriften auf.
65
(1) Ein Wahlvorschlag ist ein Vorschlag aller, die ihn unterzeichnet haben. Wird er, nachdem Stützunterschriften geleistet wurden, geändert, führt dies grundsätzlich zur Ungültigkeit des Wahlvorschlags (BAG, Beschluss vom 21.01.2009 – 7 ABR 65/07, NZA-RR 2009, 481). Wird ein bereits unterzeichneter Wahlvorschlag ohne Einverständnis der ihn unterstützenden Arbeitnehmer abgeändert, z.B. um weitere Kandidaten ergänzt, ist nicht mehr gewährleistet, dass der Wahlvorschlag von den wahlberechtigten Arbeitnehmern getragen wurde, die vor der Änderung die Wahlvorschlagsliste unterzeichnet hatten (BAG, Beschluss vom 21.01.2009 – 7 ABR 65/07, NZA-RR 2009, 481). Wird auf einem Wahlvorschlag nach Ergänzung um weitere Kandidaten noch die nach § 14 Abs. 4 BetrVG erforderliche Anzahl von Stützunterschriften geleistet, geht aber aus der Vorschlagsliste nicht hervor, welche Kandidaten nachträglich auf die Liste gesetzt wurden, ist auch dieser Wahlvorschlag ungültig. Denn ein unbeeinträchtigter Willensbildungsprozess ist dann nicht mehr möglich, wenn späteren Unterzeichnern gegenüber der Eindruck erweckt wird, dass die Liste in der Gestalt, in der sie ihnen präsentiert wird, bereits von einer bestimmten Anzahl an Personen oder von bestimmten Personen unterstützt werde (vgl. Argumentation BAG, Beschluss vom 16.01.2018 – 7 ABR 11/16, NZA 2018, 797).
66
(2) Einen solchen fehlerhaften Wahlvorschlag enthielt die am 27.07.2021 letztlich von Herrn Ö. beim Wahlvorstand eingereichte Liste „Ge2. A2.“ allerdings nicht mehr. Nach der problematischen Ergänzung der Bewerber um weitere Kandidaten konnten die vor der Ergänzung geleisteten Stützunterschriften zwar nicht mehr berücksichtigt werden; dies war auf der Liste aber auch entsprechend durch Streichung verdeutlicht worden. Auf der eingereichten Liste war ebenfalls ausreichend verdeutlicht, auf welchen Bereich des Wahlvorschlags und damit auf welche Kandidaten sich die neu geleisteten Stützunterschriften vom 27.07.2021 bezogen.
67
Dies stand für die Kammer unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Anhörung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme zur Überzeugung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO fest.
68
(a) Für die richterliche Überzeugungsbildung nach § 286 Abs. 1 ZPO ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit erreicht ist, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen. Mögliche Zweifel müssen überwunden, aber nicht völlig ausgeschlossen sein (BAG, Urteil vom 25.04.2018 – 2 AZR 611/17, NZA 2018, 1405 mwN; BGH, Urteil vom 18.06.1998 – IX ZR 311-95, NJW 1998, 2969 mwN). Die Überzeugung von der Wahrheit erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit, weil eine solche nicht zu erreichen ist. Das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen setzen und deshalb nicht darauf abstellen, ob jeder Zweifel und jede Möglichkeit des Gegenteils ausgeschlossen ist (BGH, Urteil vom 18.06.1998 – IX ZR 311-95, NJW 1998, 2969 mwN).
69
In diesem Sinne war die Kammer nach Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass ab Annullierung der älteren Stützunterschriften für die neuen Unterstützer ab dem 27.07.2021 ersichtlich war, worauf, insbesondere auf welche Kandidaten, sich ihre Stützunterschriften bezogen.
70
(b) Die Zeugin Frau St. hat ausgeführt, dass die Mitglieder des Wahlvorstands ab 18:00 Uhr am 27.07.2021 anhand einer Checkliste zur Durchführung von Betriebsratswahlen geprüft hätten, dass beide Listen ausreichende Stützunterschriften aufwiesen. Auf der „Liste 1“ „Ge2. A2.“ seien die berücksichtigten Stützunterschriften datiert worden, außerdem sei handschriftlich ein Strich gezogen gewesen. Entsprechendes hat auch der Zeuge Herr J. ausgeführt und darauf Bezug genommen, dass Trainingsunterlagen zur Betriebsratswahl bei der Sitzung des Wahlvorstands am 27.07.2021 zur Prüfung der Korrektheit der eingereichten Listen genutzt worden seien. Auf der „Liste 1“ seien u.a. Stützunterschriften als ungültig vermerkt worden, darunter seien neue Stützunterschriften in der erforderlichen Anzahl gewesen. Im Einklang damit hat die Zeugin Frau He. angegeben, dass sie ihre eigene Stützunterschrift vom 27.07.2021 auf der „Liste 1“ mit einem Datum versehen habe. Auch der im Wege der informatorischen Beteiligtenanhörung angehörte Betriebsratsvorsitzende Herr Ha., vormals Mitglied des Wahlvorstands, hat ausgeführt, dass auf der „Liste 1“ zwei unterscheidbare Sorten von Stützunterschriften vorhanden gewesen seien: zum einen „frische Stützunterschriften“, zum anderen offensichtlich gestrichene Unterschriften. Von Unklarheiten oder Fragen, welche Stützunterschriften zu werten gewesen seien und welche nicht, haben die Zeugen – mit Ausnahme der von ihnen genannten Doppelunterschriften – gerade nicht berichtet.
71
(c) Die wiedergegebenen Aussagen der genannten Zeugen bzw. die Äußerungen des Betriebsratsvorsitzenden waren nach Wertung der Kammer glaubhaft: Zum einen waren sie in sich stimmig, standen zum anderen aber auch miteinander im Einklang und nicht im Widerspruch. Sie ergaben in ihrer Gesamtheit für die Kammer ein abgerundetes Bild vom Ablauf der Prüfung der Vorschlagslisten durch den Wahlvorstand am 27.07.2021 und damit im Ergebnis auch vom Inhalt der Listen. Dass die Beteiligten zu 1), zu 2) und der Mitarbeiter Herr Kn3. als frühere Unterstützer nicht über eine spätere Korrektur der „Liste 1“ informiert worden waren, mag aus Sicht der Antragsteller nicht nachvollziehbar sein, spricht aber nicht gegen die Plausibilität bzw. die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen. Zum einen ist es nicht Aufgabe des Wahlvorstands, dessen Mitglieder die vernommenen Zeugen waren, eine Wahlvorschlagsliste verantwortlich zu führen; dies macht der Listenführer gemäß § 6 Abs. 4 WO. Zum anderen stellt ein Wahlvorschlag nichts anderes als die schriftliche Benennung von Personen gegenüber dem Wahlvorstand dar, die von den Unterstützern für die Wahl zum Betriebsrat vorgeschlagen werden. Die Zustimmungserklärung nach § 6 Abs. 3 Satz 3 WO beinhaltet nur das Einverständnis der Bewerber zur Aufnahme in den Wahlvorschlag, nicht jedoch ein Einverständnis mit konkreten Unterstützern; eines solchen Einverständnisses mit den Unterstützern bedarf es nicht (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.01.2017 – 3 TaBVGa 3/16, BeckRS 2017, 104669). Erst recht bedarf es dann keines Einverständnisses von Unterstützern mit anderen Unterstützern, die ihre Unterschrift für dieselben Kandidaten leisten. Dass es aus Sicht der Antragsteller ebenfalls nicht nachvollziehbar sei, dass noch am 27.07.2021 – trotz Urlaubszeit und „coronabedingter“ Arbeit im „Home Office“ – ausreichend Stützunterschriften nach der Eintragung des letzten Kandidaten gesammelt worden seien, spricht ebenfalls nicht gegen die Glaubhaftigkeit der Aussagen. Die Zeugin Frau St. hat ausgesagt, dass am 27.07.2021 viel Parteiverkehr gewesen sei; im Einklang damit haben die Zeuginnen Frau He. und Frau Y. darauf hingewiesen, dass im Büro des Wahlvorstands, in dem die „Liste 1“ auslag, am 27.07.2021 viele Menschen bzw. viele Leute gewesen seien. Der Zeuge Herr J. hat nachvollziehbar erläutert, dass die Wahl Aufmerksamkeit auf sich gezogen habe und im Übrigen trotz „Corona“ auch durchaus Mitarbeiter im Büro und damit im Betrieb gearbeitet hätten; es habe viele Mitarbeiter gegeben, die nicht zu Hause, jedoch aufgrund der räumlichen Trennung in den Räumlichkeiten der Arbeitgeberinnen gerade vor Ort im Betrieb hätten arbeiten können. Warum die erforderlichen Stützunterschriften nicht an einem (halben) Arbeitstag von 19 der immerhin 383 wahlberechtigten Mitarbeiter geleistet werden könnten, wenn keine Betriebsschließung vorliegt, ließ sich aus Sicht der Kammer aufgrund der genannten Aussagen der Zeugen nicht nachvollziehen und wurde von den Antragstellern im Rahmen der Würdigung der Beweisaufnahme auch nicht weiter erläutert.
72
(d) Die Zeugen waren nach Auffassung der Kammer auch glaubwürdig.
73
Zwar waren die Zeugen bzw. der spätere Betriebsratsvorsitzende Herr Ha., Frau St., Herr J., Frau He. und Frau Y. auf der Vorschlagsliste „Ge2. A2.“ aufgeführt unter den Nr. 2, Nr. 3, Nr. 5, Nr. 7 und Nr. 11, ihre Kandidatur für den Betriebsrat und die Wirksamkeit der späteren Wahl damit von der Gültigkeit der „Liste 1“ abhängig. Damit haben sie auch eine besondere Nähe zum Gegenstand dieses Verfahrens. Gleichwohl war ihr Vortrag jeweils ruhig und sachlich; es waren keine Be- bzw. Entlastungstendenzen, Übertreibungen oder ein besonderes Betonen einzelner, herausgegriffener Umstände erkennbar. Sie haben jeweils recht umfassend zum Ablauf des Tages, an dem die Listen eingereicht wurden, berichtet und auf individuelle Besonderheiten, z. B. Entgegennahme einer der beiden Listen, die Notwendigkeit für sie, zwischendurch in den Büros zu arbeiten, Bezug genommen. Außerdem haben sie beispielsweise auf den Rückgriff auf „Checklisten“ bzw. Trainingsunterlagen hingewiesen, also darauf, dass die Prüfung der Listen im Rahmen der Durchführung der Wahl auch für sie nicht selbstverständliches, quasi im Schlaf beherrschtes Tagesgeschäft, sondern eine – ernst genommene – Herausforderung bzw. Aufgabe war. Zudem haben sie klargestellt, dass sie sich nicht mehr an jede Einzelheit erinnern könnten. Dass die Zeugen bzw. der Betriebsratsvorsitzende insbesondere nicht mehr im Detail aus ihrer Erinnerung wiedergeben konnten, wie die Streichung der „verfrühten“ Unterschriften auf der Liste genau aussah, relativiert ihre Aussagen bzw. Äußerungen nicht, sondern macht sie vielmehr nachvollziehbar und spricht für die Glaubwürdigkeit der Zeugen. Zum Zeitpunkt der Beweisaufnahme war schließlich bereits ein Jahr nach Einreichung der Listen vergangen. Da sie allesamt aussagten, dass die Listen im Ergebnis hinsichtlich der Anzahl der Stützunterschriften als ordnungsgemäß – nach den Checklisten – „abgehakt“, für gültig befunden und zugelassen wurden, ist es plausibel, dass Details zu den Listen, soweit sie keine größeren Probleme, außergewöhnlichen Prüfungsaufwand oder eine Nachfristsetzung wie bei den Doppelstützerunterschriften auslösten, ebenfalls schnell in der Wahrnehmung bzw. im Gedächtnis „abgehakt“ wurden.
74
e) Auch der Umstand, dass die „Liste 1“ nicht mit ihrem Stand vor Streichung der vor dem 27.07.2021 geleisteten Stützunterschriften eingereicht wurde, führt nicht zu einem Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften. Zwar hatten die früheren jeweiligen Unterstützer mit ihren Unterschriften ihre Erklärungen jeweils (nur) hinsichtlich ganz bestimmter Vorschläge bzw. Kandidaten abgegeben. Auch ist der Listenvertreter ab dem Zeitpunkt der Einreichung einer Liste beim Wahlvorstand nicht mehr „verfügungsbefugt“ und darf die Liste nicht einseitig wieder „zurücknehmen“ (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.06. 1975 – VII P 15/73, BVerwGE 78, 317; Fitting, § 6 WO Rn. 11). Allerdings ist er – spiegelbildlich – vor dem Einreichungszeitpunkt auch nicht verpflichtet, eine Liste mit Mängeln, die (unstreitig) zur Ungültigkeit der Liste führen würden, beim Wahlvorstand einzureichen. Vielmehr ist er gerade nach §§ 7 Abs. 2 Satz 3, 8 Abs. 2 WO Ansprechpartner für den Wahlvorstand zur Mängelbeseitigung; dann muss es erst recht im Vorfeld der Einreichung des Vorschlags zulässig sein, noch nicht eingereichte Vorschläge durch rechtzeitige Korrekturen des bisherigen fehlerhaften Listenstands den gesetzlichen Wahlvorschriften entsprechend nachzubessern und aufzustellen.
75
f) Die unstreitig geleisteten Doppelunterschriften auf den beiden eingereichten Listen führen (erst recht) nicht zur Nichtigkeit der Wahl. Auf der „Liste 1“ wurden die nach § 6 Abs. 5 Satz 1 WO unzulässigen Doppelunterschriften gestrichen.
76
Nach Durchführung der Beweisaufnahme und Würdigung des gesamten Inhalts der Anhörung war die Kammer i.S.v. § 286 Abs. 1 ZPO davon überzeugt, dass die am 27.07.2021 nach Ablauf der Einreichungsfrist als unzulässig erkannten Doppelunterschriften ordnungsgemäß unter Beachtung des Verfahrens nach § 6 Abs. 5 WO auf der „Liste 1“ durch den Wahlvorstand gestrichen wurden.
77
aa) Die Zeugen haben übereinstimmend – mit Ausnahme der Zeugin Frau He., die hierzu unter Hinweis auf den langen Zeitablauf keine Aussage mehr machen konnte – ausgeführt, dass nach Abgabe der beiden Listen am 27.07.2021 durch die Mitglieder des Wahlvorstands festgestellt worden sei, dass drei Stützunterschriften doppelt vorgelegen hätten. Die „Doppelstützer“ seien sofort per E-Mail angeschrieben worden; deren Rückmeldung auch binnen (weniger als) drei Tagen eingegangen. Die Doppelunterstützer hätten alle für die „Liste 2“, die Liste von Frau Sc., optiert. Die doppelten Stützunterschriften seien entsprechend den Rückmeldungen der Mitarbeiter auf der „Liste 1“ gestrichen worden, die dann (nur) noch 23 Stützunterschriften aufgewiesen habe. Auch der im Wege der Anhörung gehörte Betriebsratsvorsitzende hat sich inhaltlich entsprechend geäußert.
78
bb) Auch insoweit waren die Aussagen der genannten Zeugen bzw. die Äußerungen des Betriebsratsvorsitzenden nach Wertung der Kammer glaubhaft: Zum einen waren sie in sich stimmig, zum anderen standen sie aber auch miteinander im Einklang und nicht im Widerspruch. Inhaltlich haben sich die Aussagen und Äußerungen bestätigt, in sprachlicher Hinsicht wiesen die Aussagen jeweils individuelle Besonderheiten auf und waren nicht „standardisiert“ wortgleich und erweckten daher keinesfalls den Eindruck einer vorherigen Abstimmung der Zeugen. Dass die Zeugen sich nicht alle an den genauen Zeitpunkt des Rücklaufs der Antworten erinnern konnten, relativiert nicht den Wert bzw. die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen. Nach dem Gesetz ist der genaue Zeitpunkt einer Klarstellung durch Doppelunterstützer unerheblich, solange im Ergebnis jedenfalls eine Festlegung innerhalb des drei-Tages-Zeitraums nach § 6 Abs. 5 Satz 2 WO erfolgt.
79
g) Ein Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Nr. 1 WO in Bezug auf die „Liste 2“ liegt nicht vor. Die Liste von Frau Sc. hat – nach Streichung der Doppelunterschriften auf der Liste „Ge2. A2.“ – 21 Stützunterschriften und damit eine ausreichende Anzahl an Stützunterschriften erhalten. Dies haben die Zeugen bestätigt. Ihre Aussagen werden auch nicht dadurch unglaubhaft, dass die Antragsteller vortragen, dass die Beteiligte zu 4) gegen Ende der Einreichungsfrist am 27.07.2021, um ca. 17:45 Uhr, festgestellt habe, dass die „Liste 2“ lediglich etwa 13 Stützunterschriften aufgewiesen habe und das Ableisten von ca. acht weiteren Unterschriften innerhalb weniger Minuten nicht realistisch sei. Selbst wenn diese (streitige) subjektive „Feststellung“ hier als zutreffend unterstellt wird beschränkt sich der Vortrag der Antragsteller sowohl hinsichtlich der Zeitangabe als auch hinsichtlich der genannten Anzahl an Stützunterschriften auf „Ca.-Angaben“ und war damit wenig konkret. Zudem war für die Kammer nicht nachvollziehbar, warum (nur) acht von 383 Mitarbeitern der beiden Arbeitgeberinnen binnen eines Zeitraums von 15 Minuten, insbesondere zu einem Zeitpunkt (erst) gegen Ende eines Arbeitstages, nicht ihre Unterschrift hätten leisten könnten.
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h) Genauso wenig liegt ein von den Antragstellern angenommener Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 WO vor. Ob die durch den Wahlvorstand erfolgte Information an die Listenverantwortliche Frau Sc. erst am Folgetag mündlich und zwei Tage nach Einreichung der Liste schriftlich zu den Doppelstützern noch als unverzüglich i.S.v. § 7 Abs. 2 Satz 2 WO zu werten ist, kann dahinstehen. Eine Konstellation, die zur Ungültigkeit der Liste gemäß § 8 WO geführt hätte, lag gerade nicht vor. Insbesondere wies die Liste von Frau Sc. – wie oben ausgeführt – unter Berücksichtigung der Klarstellungen der ursprünglichen „Doppelunterstützer“ die erforderliche Anzahl von Unterschriften auf. Für den Fall der doppelt geleisteten Unterschriften sieht § 6 Abs. 5 Satz 2 WO ausdrücklich eine Information und Nachfristsetzung des Wahlvorstands nur unmittelbar gegenüber den wahlberechtigten Mitarbeitern vor und gerade nicht gegenüber dem Listenführer. Dass hier ggf. parallel eine – wie der Betriebsrat ausführt – vorsorgliche Information von Frau Sc. im Hinblick auf eine etwaig zukünftig erforderlich werdende Mängelbeseitigung nach § 8 Abs. 2 Ziffer 3 Halbsatz 2 WO bereits erfolgte, ist unschädlich. Eine entsprechende Mängelbeseitigung hing vom Ausgang des vorrangigen Verfahrens nach § 6 Abs. 5 Satz 2 WO ab; eine Nachfrist i.S.v. § 8 Abs. 2 WO konnte daher noch gar nicht gesetzt werden.
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i) Die Betriebsratswahl vom 25.08.2021 ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl oder gegen eine „Neutralitätspflicht“ des Wahlvorstands nichtig. In diesem Zusammenhang tragen die Antragsteller vor, dass der Wahlvorstand suggeriert habe, dass es im Rahmen der Betriebsratswahl eine Personenwahl mit nur einer einzigen Liste geben werde und eine Kandidatur interessierter Bewerber durch Eintragung auf einer (einzigen) Liste gesichert sei. Aufgrund des vom Wahlvorstand hervorgerufenen falschen Verständnisses hätten zumindest der Beteiligte zu 1), die Beteiligte zu 2) sowie Herr Kn3. auf der „Liste 1“ kandidiert und nicht an die Aufstellung eines eigenen Wahlvorschlags gedacht. Der Wahlvorstand habe bewirkt, dass keine Wahlen zum Betriebsrat stattgefunden hätten, sondern eine faktische vorweggenommene Besetzung erfolgt sei. Aus den Indizien könne geschlossen werden, dass bereits von vornherein ein kollusiver Plan vorgelegen haben könne, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen.
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aa) Nach Auffassung der Kammer stellt der (ungeschriebene) Grundsatz der Chancengleichheit der Wahlbewerber einen wesentlichen Grundsatz des Wahlrechts auch im Rahmen von Betriebsratswahlen dar. Die Grundsätze der freien Wahl und der Chancengleichheit der Wahlbewerber dienen der Integrität einer demokratischen Wahl (BAG, Beschluss vom 06.12.2000 – 7 ABR 34/99, AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 48). Entsprechend verbietet § 20 Abs. 1 Satz 1 BetrVG jede Behinderung der Wahl, gleichgültig in welcher Weise sie geschieht, also auch jede Beeinträchtigung oder Beschränkung eines Wahlkandidaten in der Ausübung seiner Rechte, Befugnisse oder Aufgaben (vgl. Fitting, § 20 BetrVG Rn. 9). Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Wahlbewerber wird regelmäßig einen besonders gravierenden Verstoß darstellen, der die Rechtsfolge der Nichtigkeit der Wahl auslösen kann.
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bb) Hier ist allerdings – selbst auf Basis des Vortrags der Antragsteller – nicht ersichtlich, dass ein Verstoß durch etwaige, von den Antragstellern vorgetragene Fehlinformationen oder ein etwaiges Unterlassen von Informationen durch den Wahlvorstand auch „offensichtlich“ im Sinne eines „Stempels der Nichtigkeit auf der Stirn“ gewesen sein könnte. Für die Beurteilung der Offenkundigkeit eines Verstoßes gegen wesentliche Wahlvorschriften ist der Standpunkt eines „mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Dritten“ maßgeblich. So kann die Nichtigkeit der Betriebsratswahl daher beispielsweise nicht auf Umstände gestützt werden, die nur für die Mitglieder des Wahlausschusses erkennbar sind wie beispielsweise die vom Wahlvorstand genutzten Quellen für die von ihm vorgenommene Eintragungen in die Wählerliste (vgl. BAG, Beschluss vom 30.06.2021 – 7 ABR 24/20, NZA 2021, 1561 mwN).
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Das von den Antragstellern genannte, durch den Wahlvorstand hervorgerufene „Verständnis“ bei einzelnen Mitarbeitern davon, dass es bei einer einzigen Liste und bei einer Personenwahl mit gleichen Chancen für alle gelisteten Bewerber bleibe, nimmt lediglich interne, subjektive Gedanken in Bezug. Ein entsprechendes „Internum“ bei einzelnen Mitarbeitern kann jedoch der Wahl keinen – für Dritte evidenten – „Stempel der Nichtigkeit auf die Stirn“ drücken. Auch die von den Antragstellern angenommene „Suggestion“ bezieht sich auf ein gerade nicht offenkundiges, sondern – von den Antragstellern angenommenes – eher verdeckt steuerndes Verhalten. Dass die Antragsteller meinen, aus Indizien darauf schließen zu können, dass bereits von vornherein ein kollusiver Plan vorgelegen habe könne, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen, bleibt genauso im Vagen und kann keine nach außen für Dritte ersichtliche Evidenz von möglichen Wahlfehlern begründen.
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IV. Der auf Anfechtung gerichtete Hilfsantrag unter Ziffer 3, der für den Fall der Zurückweisung des Antrags unter Ziffer 2 auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl gestellt wurde, bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
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1. Zwar sind die formellen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung gemäß § 19 Abs. 2 BetrVG erfüllt. Die sechs Antragsteller sind als wahlberechtigte Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebs anfechtungsbefugt; sie haben die Betriebsratswahl auch fristgemäß innerhalb der Zweiwochenfrist nach § 19 Abs. 2 BetrVG angefochten: Das Ergebnis der Betriebsratswahl vom 25.08.2021 war am Montag, den 30.08.2021, bekannt gegeben worden, die Anfechtungsanträge waren am letzten Tag der Anfechtungsfrist, am 13.09.2021 (Montag), beim Arbeitsgericht München eingegangen.
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2. Jedoch liegen die materiellen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG nicht vor. Ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften i.S.v. § 19 Abs. 1 BetrVG ist nicht erkennbar.
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Der Wahlvorstand hat im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung der Betriebsratswahl vom 25.08.2021 nicht gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl oder gegen eine etwaige „Neutralitätspflicht“ verstoßen.
89
Ein von den Antragstellern angenommener Verstoß lässt sich – selbst unter Zugrundelegung des (teilweise streitigen) Vortrags der Antragsteller – nicht erkennen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Wahlvorstand einzelne Wähler, Bewerber oder an einer Kandidatur interessierte Mitarbeiter unterschiedlich behandelt hätte als andere wahlberechtigte Mitarbeiter, Bewerber bzw. an einer Kandidatur interessierte Arbeitnehmer und damit den Grundsatz der Gleichheit der Wahl bzw. Chancengleichheit verletzt hätte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass unterschiedliche Auskünfte erteilt worden sein sollten.
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a) Zum einen hat der Wahlvorstand mit dem am 13.07.2021 per E-Mail versandten Wahlausschreiben alle wahlberechtigten und damit auch alle ggf. an einer Kandidatur interessierten Mitarbeiter schriftlich über die anstehende Wahl informiert, auf die gesetzlichen Bedingungen und die ausliegende Wahlordnung ausdrücklich hingewiesen. Zudem wurden als Anlage zur E-Mail vom 13.07.2021 noch „Kurzhinweise zur Einleitung und Durchführung einer Betriebsratswahl“ übermittelt. Das Wahlausschreiben selbst nahm hinsichtlich der Beschreibung des Ablaufs bereits in seinen Formulierungen ausdrücklich auf die Möglichkeit bzw. den Regelfall mehrerer Vorschlagslisten Bezug und beschrieb die Abläufe unter Verwendung der Pluralbezeichnung (z.B.: „Die Stimmabgabe ist an die Wahlvorschläge gebunden“, „Die Wahlvorschläge müssen schriftlich in Form von Vorschlagslisten … eingereicht werden“, „Der letzte Tag für die Einreichung von Vorschlagslisten ist der 27. Juli 2021 bis spätestens 18:00 Uhr“, „Bei der Aufstellung von Vorschlagslisten sollen das Geschlecht in der Minderheit, … berücksichtigt werden“, „Nicht fristgerecht eingereichte Wahlvorschläge können nicht berücksichtigt werden“, „Die Wahlvorschläge hängen am folgenden Ort … aus“). Noch deutlicher zum Ablauf werden die als Anlage zur E-Mail des Wahlvorstands vom 13.07.2021 von diesem ebenfalls übermittelten „Kurzhinweise zur Einleitung und Durchführung einer Betriebsratswahl“, die explizit den Fall beschreiben, dass mindestens zwei Vorschlagslisten für gültig befunden werden, mit der Folge, dass sich die Arbeitnehmer/innen bei der Wahl dann nur für eine der Listen entscheiden können (Listenwahl). Im Gegensatz dazu wiesen die Kurzhinweise auch auf die Konstellation hin, dass nur eine Vorschlagsliste eingereicht oder für gültig befunden werde und die Arbeitnehmer/innen dann einzelnen Kandidaten ihre Stimme geben könnten (Personenwahl).
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Die Ausführungen in der E-Mail vom 13.07.2021 zu den Vorschlagslisten und die Erläuterungen in den Kurzhinweisen entsprechen – unstreitig – den gesetzlichen Vorgaben; die Hinweise sind – soweit ersichtlich – an alle Mitarbeiter im Betrieb (zeit-)gleich versendet worden. Alle Informationen gingen – ohne Differenzierung – an die Mitarbeiter als Grundlage für die Ausübung ihres aktiven und ggf. passiven Wahlrechts. Sie sind klar und verständlich gefasst. Eine Verletzung des Grundsatzes der Wahlrechtsgleichheit, Chancengleichheit oder eines Neutralitätsgebotes ist hierin nicht im Ansatz erkennbar.
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b) Auch hinsichtlich der ggf. später noch mündlich erteilten (streitigen) Auskünfte durch Mitglieder des Wahlvorstands ist eine Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit nicht ersichtlich: Zunächst ist von den Antragstellern gar nicht vorgetragen, dass insoweit unterschiedliche Auskünfte an sie und ggf. an andere Mitarbeiter erteilt worden und damit eine Ungleichbehandlung und ggf. Benachteiligung erfolgt sein sollten. Soweit sich eine Verschlechterung von Wahlchancen dadurch ergeben könnte, dass auf einer Liste nicht die ersten Plätze, sondern nachreihige Plätze eingenommen werden und die Reihenfolge im Falle einer Listen-/Verhältniswahl ggf. relevant wird, beruht dies nicht auf einem Handeln des Wahlvorstands. Dies ist vielmehr die gesetzlich ausdrücklich normierte Folge im Fall einer Listen-/Verhältniswahl nach § 15 Abs. 4 WO. Normativ vorgegeben ist zudem, dass in jeder Vorschlagsliste die einzelnen Bewerberinnen oder Bewerber in erkennbarer Reihenfolge unter fortlaufender Nummer aufzuführen sind (§ 6 Abs. 3 Satz 1 WO). Sind die Bewerber auf der Vorschlagsliste nicht in erkennbarer Reihenfolge aufgeführt, so ist die Liste ungültig (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 WO). Die Reihung der Bewerber auf einer Liste ist – wie die gesetzeskonforme Erstellung insgesamt – keinesfalls Aufgabe des Wahlvorstands, der erst für die Prüfung der Gültigkeit der Liste zuständig ist. Der Wahlvorschlag ist ein Vorschlag aller, die ihn unterzeichnet haben (BAG, Beschluss vom 15.12.1972 – 1 ABR 8/72, AP BetrVG 1972 § 14 Nr. 1; Richardi BetrVG/Forst WO § 6 Rn. 10). Auch die Reihung ist damit der Vorschlag aller, die ihn unterzeichnen, sie ist den an der Liste Beteiligten vorbehalten.
93
aa) Die Argumentation der Antragsteller in diesem Zusammenhang, dass allen an einer Kandidatur interessierten Mitarbeitern erklärt worden sei, dass sie sich nur in die (einzig) ausliegende Liste eintragen müssten und dass ihre Kandidatur damit gesichert sei, führt insoweit nicht weiter. Selbst wenn dieser (streitige) Vortrag der Antragsteller zu ihren Gunsten unterstellt wird, ist auch hierin ein Verstoß gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit oder der Chancengleichheit nicht zu erkennen. Eine Kandidatur ist durch die Eintragung als Wahlkandidat auf einer Liste – wohl unstreitig – tatsächlich gesichert, soweit die Liste gültig ist. Nicht gesichert ist dann allerdings die Wahl eines Kandidaten, die in allererster Linie von der Wahlentscheidung der wahlberechtigten Mitarbeiter und der Stimmenanzahl abhängt, was sowohl für die Listen-/Verhältniswahl als auch für die Mehrheitswahl bei nur einer Liste gilt (§§ 15, 22 WO). Die Wahl hängt auch von der Einreichung weiterer Listen, von deren Gültigkeit, von der Annahme oder Ablehnung der Wahl durch die (nach der Reihung vorrangig) Gewählten (§ 17 WO), ggf. zwischenzeitlicher Beendigung/Veränderung ihrer Arbeitsverhältnisse etc. ab. Dass die Wahl als solche und die Mitgliedschaft im Betriebsrat allein durch Eintragung als Kandidat in eine Liste gesichert sei, hat der Wahlvorstand allerdings auch nach dem eigenen Vortrag der Antragsteller gerade nicht geäußert. Soweit der Vortrag der Antragsteller hier als wahr unterstellt wird, ist der Hinweis durch den Wahlvorstand, der sich auf eine Kandidatur bezog, daher gesetzeskonform und kann daher nicht zugleich einen unzulässigen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit darstellen.
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bb) Genauso wenig führen die Ammerkungen der Antragsteller weiter, dass ein Hinweis durch den Wahlvorstand darauf, dass bei Einreichung weiterer Listen die Reihenfolge der Eintragung auf der ausgelegten Liste ganz entscheidend für die Chance einer Wahl in den Betriebsrat sei, stets bewusst unterblieben sei. Auch wenn dieser Vortrag – zugunsten der Antragsteller – als zutreffend unterstellt wird, ist ein entsprechender unterlassener Hinweis durch die Mitglieder des Wahlvorstands gerade nicht als Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit bzw. eines etwaigen Neutralitätsgebots zu werten. Der Wahlvorstand war nicht verpflichtet, ggf. auch gar nicht berechtigt, einen entsprechenden Hinweis zu erteilen; die von den Antragstellern angeführten Äußerungen des Wahlvorstands sind insoweit nicht als lückenhaft und im Ergebnis daher auch nicht wegen „Unvollständigkeit“ als falsch zu qualifizieren.
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Der Wahlvorstand hat nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Wahl unverzüglich einzuleiten, sie durchzuführen und das Wahlergebnis festzustellen. Ihm obliegt nach § 1 Abs. 1 WO die „Leitung der Wahl“. Dies verdeutlicht, dass der Wahlvorstand im Wesentlichen organisatorische Aufgaben hat (vgl. BAG, Beschluss vom 15.05.2013 – 7 ABR 40/11, NZA 2013, 1095). So ist es beispielsweise auch nicht Aufgabe des Wahlvorstands zu prüfen, ob Wähler möglicherweise bei der Sammlung von Stützunterschriften beim Wahlvorschlag getäuscht wurden (vgl. BAG, Beschluss vom 15.05.2013 – 7 ABR 40/11, NZA 2013, 1095). Dass im Ergebnis möglicherweise einige der Antragsteller – wie sie vortragen – den Eindruck gewonnen hätten, die Eintragung in die beim Wahlvorstand ausliegende Liste sei der gesetzlich (allein) vorgegebene Weg einer Kandidatur und die Chancen auf eine Wahl in den Betriebsrat seien für alle Kandidaten auf der Liste genau gleich, liegt in der Sphäre der Eigenverantwortung der Antragsteller. Eine beratende Funktion kommt dem Wahlvorstand nach dem Gesetz gerade nicht zu, insbesondere ist er weder verpflichtet noch berechtigt dazu zu beraten, wie an einer Kandidatur interessierte Mitarbeiter wahltaktisch vorgehen könnten. Mit dem hier erfolgten Hinweis auf die gesetzlichen Vorschriften kommt der Wahlvorstand ausreichend und transparent seiner auf die Organisation begrenzten Aufgabe zur Einleitung der Wahl nach. Alles andere ist Aufgabe und Eigenverantwortung der wahlberechtigten und -mündigen Mitarbeiter.
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cc) Für die Kammer war auch der Hinweis der Antragsteller darauf, dass eine zweite Liste kurz vor Fristablauf sehr überraschend und unerwartet eingereicht worden sei, im Hinblick auf die von den Antragstellern in Zweifel gezogene Einhaltung der Wahlrechtsgrundsätze durch den Wahlvorstand nicht nachvollziehbar.
97
Die Vorschlagslisten sind von den Wahlberechtigten vor Ablauf von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand einzureichen, § 6 Abs. 1 Satz 2 WO. Ungültig sind nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 WO Vorschlagslisten, die nicht fristgerecht eingereicht worden sind.
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Das Gesetz eröffnet ausdrücklich die Möglichkeit, bis zum Ende der Einreichungsfrist Vorschlagslisten einzureichen; die Frist kann vollständig ausgeschöpft werden. Einer „Ankündigungsfrist“, einer „Sicherheitsfrist“ oder einer „Vorwarnung“ an Mitbewerber bedarf es nicht. Ein rechtmäßiges Vorgehen – wie hier das (noch) rechtzeitige Einreichen der Liste von Frau Sc. – kann daher gerade nicht als „kollusiv“ gewertet oder – z.B. mit der Folge der Anfechtbarkeit – „abgestraft“ werden, sondern gehört zum aktiven und passiven Wahlrecht dazu. Der gesetzliche Regelfall ist eine Wahl nach Listen gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 BetrVG und im Wege der Verhältniswahl; nach dem Gesetz stellt die Mehrheitswahl (bei einer einzigen Liste) gerade die Ausnahme dar, § 14 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Im Übrigen ist auch die „Liste 1“, auf der einige der Antragsteller als Bewerber bzw. Unterstützer geführt wurden, erst am Nachmittag oder Abend des 27.07.2021 und damit kurz vor Fristablauf eingereicht worden.
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dd) Der Hinweis der Antragsteller, dass die ersten zehn Kandidaten der „Liste 1“ nur eine Stimme gebraucht hätten, um in den Betriebsrat gewählt zu werden, und der Wahlvorstand so bewirkt habe, dass keine Wahl zum Betriebsrat stattgefunden hätte, sondern eine faktische vorweggenommene Besetzung, war aus Sicht der Kammer ebenfalls nicht nachvollziehbar. Ob sich nur ein einziger wahlberechtigter Mitarbeiter für einzelne der Kandidaten auf den Listenplätzen 1 bis 10 entschieden hätte oder entscheiden müsste, war nicht relevant. Die Bewerber auf der „Liste 1“ waren zunächst davon abhängig, dass die „Liste 1“ insgesamt für die Zulassung zur Wahl als gültig 19 Stützunterschriften erhielt – unabhängig von der Einreichung einer oder mehrerer weiterer Listen. Auch bei der eigentlichen Betriebsratswahl genügte den Bewerbern auf der „Liste 1“ nicht (fiktiv?) eine einzige Stimme für einen Sitz im Betriebsrat. Vielmehr werden die Betriebsratssitze gemäß § 15 WO in Relation der auf die verschiedenen Listen entfallenen Stimmen verteilt. Die Frage, wieviele und damit welche Bewerber auf der „Liste 1“ einen Sitz im Betriebsrat erhalten konnten, war davon abhängig, wieviele Wähler sich im Verhältnis der Liste von Frau Sc. und der „Liste 1“ „Ge2. A2.“ entscheiden würden.
C.
100
Für die Beteiligten zu 1) bis 6), die Antragsteller, ist das Rechtsmittel der Beschwerde nach Maßgabe der nachfolgenden Rechtsmittelbelehrungstatthaft.