Inhalt

LG München I, Schlussurteil v. 03.06.2022 – 40 O 13628/18
Titel:

Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens, Zwischenfeststellungsklage, Prospekthaftung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Betragsverfahren, Elektronisches Dokument, Grundurteil, Aufklärungspflichtverletzung, Vorgreiflichkeit, Teilurteil, Kostenentscheidung, Umfang der Rechtskraft, Zug-um-Zug, Klagepartei, Gründungsgesellschafter, Zahlungsantrag, Elektronischer Rechtsverkehr, Kosten des Berufungsverfahrens, Rechtshängigkeit, Annahmeverzug

Schlagworte:
Zahlungsanspruch, Prospekthaftung, Aufklärungspflichtverletzung, Schadensersatzanspruch, Zwischenfeststellungsklage, Verjährungseinrede, Kostenentscheidung
Rechtsmittelinstanzen:
LG München I, Schlussurteil vom 03.06.2022 – 40 O 4308/22
OLG München, Endurteil vom 03.05.2023 – 7 U 4308/22
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 12.12.2023 – II ZR 87/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 54577

Tenor

1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 26.015,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 24.883,12 € seit 30.10.2018 und aus einem weiteren Betrag in Höhe von 1.131,94 € seit 22.07.2021 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, die Klägerin von etwaigen Ansprüchen in Zusammenhang mit der Beteiligung der Klagepartei an der … freizustellen.
3. Die Verurteilung gemäß Ziffern 1. und 2. erfolgt Zug-um-Zug gegen Übertragung der Rechte und Pflichten an und aus der Beteiligung der Klagepartei an der ….
4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Annahme der Gegenleistung gemäß Ziffer 3. in Annahmeverzug befindet.
5. Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit im Übrigen erledigt hat.
6. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens, zu tragen.
7. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 84.800,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung einer Gesellschaftsbeteiligung.
2
Hinsichtlich der Einzelheiten der Beteiligung wird auf den Tatbestand des Teilurteils vom 25.06.2020 des Landgerichts München I nebst Beschluss vom 06.08.2020 verwiesen.
3
Die Klagepartei erhob eine Stufen- und Zwischenfeststellungsklage, über deren Auskunftsstufe und Zwischenfeststellungsklage das Landgericht München I mit rechtskräftigem Teilurteil vom 25.06.2020, welches durch Beschluss vom 06.08.2020 berichtigt wurde, wie folgt entschied:
„1. Es wird festgestellt, dass die Klägerin durch die Beklagte zu 1) anlässlich der Zeichnung der Beteiligung an der … über eine Beteiligungssumme in Höhe von € 80.000,00 nebst A... in Höhe von € 4.800,00, Beteiligungsnummer …, vom 17.3.2009 fehlerhaft aufgeklärt wurde und diese Aufklärungspflichtverletzung kausal für die Zeichnung der Klagepartei war.
2. Es wird festgestellt, dass die Beteiligung der Klägerin an der Beklagten zu 2) (Beteiligungsnummer ...) durch die außerordentliche Kündigung der Klägerin vom 5.6.2018 zum 6.6.2018 beendet wurde.
3. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, das auf die Beteiligung der Klägerin an der Beklagten zu 2) (Beteiligungsnummer ...) entfallende Auseinandersetzungsguthaben auf den 6.6.2018 zu ermitteln.
4. Das Urteil ist gegen die Beklagte zu 2) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500,00 € vorläufig vollstreckbar.
5. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.“
4
Die Parteien streiten nunmehr im Wesentlichen noch um Zahlungsanträge der Stufenklage.
5
Mit Schreiben vom 20.01.2021 übersandte die Beklagte zu 2) an die Klägerin die ihre Beteiligung an der Beklagten zu 2) betreffende Auseinandersetzungsbilanz zum Bewertungsstichtag 06.06.2018 (A. AG 1).
6
Die Beklagte zu 2) ermittelte zu Gunsten der Klägerin ein Auseinandersetzungsguthaben in Höhe von 31.266,88 €. Dieses hat die Beklagte zu 2) an die Klägerin ausbezahlt.
7
Mit Bescheid vom 21.06.2021 erließ das Finanzamt … an die Klägerin einen Bescheid, in dem dieses im Zusammenhang mit der Beteiligung der Klägerin an der Beklagten zu 2) eine Steuerschuld in Höhe von 1.131,94 € festsetzte und die Klägerin zur Zahlung aufforderte (Anlage K 1a). Die Klägerin leistete am 21.07.2021 den Betrag an das Finanzamt ….
8
Nachdem die Klägerin u.a. zunächst beantragte,
1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 56.150,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
2. […]
3. Die Verurteilung gemäß Ziffer 1) und 2) erfolgt Zug-um-Zug gegen Übertragung der Rechte und Pflichten an und aus der Beteiligung der Klagepartei an der … unter Einschluss eines sich nach Ziffer 6. zu ermittelnden Auseinandersetzungsguthabens.
4. […]
5. […]
6. […]
7. Die Beklagte wird verurteilt, dass gemäß vorstehender Ziffer 6. ermittelte Auseinandersetzungsguthaben an die Klägerin zu bezahlen.
erklärte die Klägerin nach Ermittlung und Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens und Zahlung des festgesetzten Steuerbetrages den Klageantrag 1. in Höhe von 30.134,94 € für erledigt und den Klageantrag unter Ziffer 7. für vollständig erledigt. Zudem änderte die Klägerin den Antrag unter Ziffer 3. Die Beklagten haben sich der Erledigterklärung nicht angeschlossen.
9
Die Klägerin beantragt zuletzt:
1.
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 26.015,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 24.883,12 € seit Rechtshängigkeit und aus einem weiteren Betrag in Höhe von 1.131,94 € seit 22.07.2021 zu bezahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, die Klägerin von etwaigen Ansprüchen in Zusammenhang mit der Beteiligung der Klagepartei an der …) freizustellen.
3.
Die Verurteilung gemäß Ziffern 1. und 2. erfolgt Zug-um-Zug gegen Übertragung der Rechte und Pflichten an und aus der Beteiligung der Klagepartei an der ….
4.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Annahme der Gegenleistung gemäß Ziffer 3. in Annahmeverzug befindet.
5.
Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit im Übrigen erledigt hat.
10
Die Beklagten beantragen:
Klageabweisung.
11
Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung.
12
Die Beklagten meinen, dass auf die Beteiligung der Klägerin an der Beklagten zu 2) die Regelungen über die spezialgesetzliche Prospekthaftung anwendbar seien und diese Regelungen eine allgemeine Prospekthaftung verdrängen würden.
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Das Gericht hat mit den Parteien mündlich verhandelt. Zur Ergänzung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.05.2022 (Bl. 318/319 d.A.) sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

14
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
A.
15
Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1) ein Zahlungsanspruch in Höhe von 26.015,06 € sowie Freistellung von etwaigen Einlageverpflichtungen im Zusammenhang mit der Beteiligung der Klagepartei an der Beklagten zu 2) jeweils Zug-um-Zug gegen Übertragung der Rechte und Pflichten an und aus der Beteiligung der Klagepartei an der Beklagten zu 2) aus den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB zu.
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Das Landgericht München I hat mit Teilurteil vom 25.06.2020 das Bestehen eines Schadensersatzanspruches der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) dem Grunde nach in Ziffer 1 des Tenors festgestellt:
„1. Es wird festgestellt, dass die Klägerin durch die Beklagte zu 1) anlässlich der Zeichnung der Beteiligung an der … über eine Beteiligungssumme in Höhe von € 80.000,00 nebst A... in Höhe von € 4.800,00, Beteiligungsnummer ..., vom 17.3.2009 fehlerhaft aufgeklärt wurde und diese Aufklärungspflichtverletzung kausal für die Zeichnung der Klagepartei war.“
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Es handelt sich insoweit um eine Zwischenfeststellungsklage. An diese Feststellungen ist das Gericht für die folgende Entscheidung gebunden gemäß § 318 ZPO.
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Das Gericht schließt sich im Übrigen den folgenden Ausführungen des Landgerichts München I im Urteil vom 25.06.2020 an:
„1. Die Beklagten zu 1) ist Gründungsgesellschafterin der Beklagten zu 2). Gründungsgesellschafter haben die Pflicht, einem Beitrittsinteressenten für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt zu vermitteln und ihn über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufzuklären (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil v. 14.05.2012, II ZR 69/12, Rz. 10 m.w.N., juris). Damit haften sie für Mängel des bei den Verhandlungen benutzen Prospektes …. Darüber hinaus haften sie, wenn sie sich zu den vertraglichen Verhandlungen über den Beitritt eines Anlegers zu einer Fondsgesellschaft eines Vertriebs bedienen und diesem oder von diesem eingeschalteten Untervermittlern die geschuldete Aufklärung überlassen, für deren unrichtige oder unzureichende Angaben (BGH, Urteil v. 14.05.2012, II ZR 69/12, Leitsatz und Rz. 11, juris). Dies gilt unabhängig davon, ob der Beitritt zur Gesellschaft unmittelbar oder nur mittelbar erfolgt (BGH, Urteil v. 04.07.2017, II ZR 358/16, Leitsatz und Rz. 10, juris).
2. Die Klagepartei wurde vor Zeichnung der streitgegenständlichen Beteiligung an der Beklagten zu 2) nicht über die Verflechtungen der Beklagten zu 1) und ihres Vorstands und Gesellschafters … mit der … aufgeklärt. Eine Aufklärung ist weder durch den – insoweit unvollständigen – Prospekt, noch durch mündliche Angaben des Vermittlers erfolgt. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen. Ob der Prospekt rechtzeitig übergeben wurde oder Grundlage der Beratung war, ist dabei auch hier nicht entscheidend da der Prospekt jedenfalls die erforderlichen Angaben nicht enthält und diese auch nicht im Vermittlungsgespräch gemacht worden sind.
Bei den genannten Verflechtungen handelt es sich um Umstände, die gerade wegen der damit einhergehenden Interessenkonflikte für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können und über die daher die Beklagte zu 1) die Klagepartei aufklären hätten müssen.
3. Das Verschulden der Beklagten zu 1) wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Die Beklagte hat sich nicht exkulpiert.
4. Der Aufklärungsmangel war für die Beitrittsentscheidung der Klagepartei kausal. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
5. Die Klagepartei kann diesen Schadenersatzanspruch allerdings derzeit (vgl. Ausführungen im Urteil des OLG München, Bl. 155 d.A.) nicht verfolgen, sondern wird darauf verwiesen, den Schaden konkret nach Bezifferung des Abfindungsguthabens durch die Beklagte zu 2) zu berechnen. Demgemäß darf es ihr aber zur Sicherung einer einheitlichen Entscheidung nicht verwehrt werden, ihr Begehren mit einer Zwischenfeststellungsklage zu verfolgen. Bei einer Zwischenfeststellungsklage i.S.v. § 256 Abs. 2 ZPO entfällt die Prüfung für das besondere rechtliche Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Das Feststellungsinteresse der Klägerin ergibt sich hier schon allein aus der Vorgreiflichkeit des Rechtsverhältnisses für die Entscheidung über den Hauptklageanspruch. Diese Vorgreiflichkeit ist gegeben, wenn die Entscheidung über den Hauptklageanspruch vom (Nicht-)Bestehen des Rechtsverhältnisses abhängig ist, d.h. wenn über dieses Rechtsverhältnis jedenfalls in den Entscheidungsgründen des Urteils über die Hauptklage zu befinden wäre. Dies ist vorliegend der Fall, s.o..
8. Die klägerischen Ansprüche sind auch nicht verjährt, vgl. Bl. 153 d.A..
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Die vom Landgericht München I in Ziffer 1. des Teilurteils vom 25.06.2020 getroffenen Feststellungen stellen in Bezug auf den Umfang der Rechtskraft ein Grundurteil im Sinne von § 304 Abs. 1 ZPO dar. Das Grundurteil erledigt den Prozessstoff hinsichtlich des Grundes vollständig. Kein Grundurteil ist über einzelne Elemente der Begründetheit des Klageanspruchs möglich (BGHZ 108, 256 = NJW 89, 2745). Es muss über alle Tatbestandsmerkmale entschieden werden, von deren Vorliegen der geltend gemachte Klageanspruch abhängt (BGH NJW 01, 224, 225). Die vom Beklagten dagegen vorgetragenen Einwendungen und Einreden müssen abgewiesen werden (BGH NJW 01, 224, 225). Aus prozessökonomischen Gründen werden Ausnahmen zugelassen und können zum Anspruchsgrund gehörende Fragen dem Betragsverfahren vorbehalten werden. Ein Grundurteil kann in diesem Fall ergehen, wenn feststeht, dass dem Kläger im Betragsverfahren jedenfalls etwas zugesprochen wird. Einwendungen und Einreden können dem Betragsverfahren überlassen werden, wenn sich nach summarischer Prüfung herausstellt, dass sie wenigstens einen Teil der Klageforderung unberührt lassen. Demgegenüber ist über alle den Anspruchsgrund in vollem Umfang leugnenden Einwendungen im Grundurteil zu entscheiden (BGH NZI 19, 333, 335).
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Die Beklagten haben bereits im Grundurteil die Einrede der Verjährung erhoben. Über diese Einrede hat das Gericht bereits entschieden und damit auch dem Grunde nach das Bestehen eines Anspruches für die im Betragsverfahren folgende Entscheidung bindend festgestellt.
21
Über die konkrete Höhe des Zahlungsanspruchs haben die Beklagten keine Einwendungen erhoben.
22
Aufgrund Auszahlung des von der Beklagten zu 2) ermittelten Auseinandersetzungsguthabens an die Klägerin sowie Zahlung der Steuerschuld in Höhe von 1.131,94 € nach Klageerhebung hat sich der Rechtsstreit hinsichtlich des unter Ziffer 1 gestellten Zahlungsantrages in Höhe von 30.134,94 € sowie der unter Ziffer 7 gestellte Antrag auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens erledigt. Bis zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses waren die Zahlungsanträge zulässig und begründet. Der Klägerin stand aus den Grundsätzen der allgemeinen Prospekthaftung gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 56.150,00 € sowie auf Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens zu.
23
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
B.
24
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Beklagten unterliegen zu gleichen Teilen. Soweit über die Kosten des Berufungsverfahrens durch das OLG München nicht entschieden wurde, d.h. für das Berufungsverfahren betreffend die gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 18.03.2019 durch die Beklagten eingelegte Berufung, tragen die Beklagten auch diese Kosten zu gleichen Teilen.
C.
25
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 2 ZPO.