Titel:
Unionsrechtskonformität der Klagefrist nach § 61b ArbGG
Normenketten:
AGG § 15 Abs. 4
ArbGG § 61b
Gleichbehandlungs-Rahmen-RL Art. 8 Abs. 2, Art. 9 Abs. 3
AEUV Art. 267
Leitsätze:
Erfolglose Berufung eines Klägers gegen das Endurteil, mit dem seine Klage auf Entschädi-gung wegen Diskriminierung wegen Verfristung zurückgewiesen worden ist, in der er sich auf die Europarechtswidrigkeit der deutschen Ausschlussfristen sowie darauf beruft, diese seien durch eine parallele Entfristungsklage eingehalten. (Rn. 31 – 46)
1. Die Frist des § 61b ArbGG für eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG wird nicht durch die Erhebung einer Klage gegen die Befristung des Arbeitsverhältnisses gewahrt. (Rn. 31 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Festsetzung von Ausschlussfristen ist als Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar. Demgemäß bestehen gegen die Unionsrechtskonformität der Klagefrist des § 61 Abs. 1 ArbGG keine Bedenken. (Rn. 36 – 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diskriminierung, Klagefrist, Ausschlussfrist, RL 2000/78/EG
Vorinstanz:
ArbG München, Endurteil vom 25.06.2021 – 6 Ca 14377/20
Rechtsmittelinstanz:
BAG Erfurt vom -- – 8 AZN 176/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 5428
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 25.06.2021, Az: 6 Ca 14377/20, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung wegen Diskriminierung.
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Der 54jährige griechische Kläger war bei der Beklagten, deren Zielsetzung die Integration und Unterstützung von Menschen mit Migrationshintergrund ist und die vornehmlich Mitarbeiter mit Migrationshintergrund beschäftigt, aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrags vom 02.05.2019 (in Anlage K1 zur Klage vom 01.12.2020, Bl. 4 ff.d.A.) befristet bis 30.04.2020 als Seminarleiter zu einer Bruttomonatsvergütung von € 3.100,00 tätig.
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Das Arbeitsverhältnis wurde über den Zeitpunkt der Befristung hinaus nicht fortgesetzt. Die Klage des Klägers gegen die Befristung, in der er sich unter anderem auf die Zusage der Weiterbeschäftigung berief, wurde vom Arbeitswie vom Landesarbeitsgericht abgewiesen (Az: 25 Ca 6071/20 und 2 Sa 16/21). Der Kläger betreibt diesbezüglich ein Wiederaufnahmeverfahren, weil ein Zeuge falsch ausgesagt habe.
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Mit Schreiben vom 04.06.2020, das der Beklagten am 06.06.2020 zuging, machte der Kläger wegen Verstoßes gegen das AGG „Schadensersatzansprüche“ geltend (in Anlage zur Klage vom 01.12.2020, Bl. 12 f.d.A.), die er mit Schriftsatz vom 01.12.2020, beim Arbeitsgericht München am gleichen Tag eingegangen, zum Gegenstand der hiesigen Klage gemacht hat.
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Erstinstanzlich hat der Kläger dazu geltend gemacht, er sei wegen seiner ethnischen Herkunft und seines Alters diskriminiert worden, indem er - anders als Kolleginnen und Kollegen aus Ägypten, Polen, Nordmazedonien und Albanien, aber wie ein kroatischer Kollege - nicht über den 30.04.2020 hinaus weiter beschäftigt worden sei, obwohl er die Probezeit bestanden und seine Kurse erfolgreich geleitet habe. Ein Kollege habe zudem eine höhere Vergütung als er - Ausgleich zum Kurzarbeitergeld und Coronazulagen - erhalten.
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Die Frist des § 15 Abs. 4 AGG sei gewahrt, da er in dem Moment, in dem er Kenntnis vom Sachverhalt erlangt gehabt habe, mit Schreiben vom 04.06.2020 seine Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend gemacht habe.
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Außerdem habe er die relevanten Fristen - auch § 61b ArbGG - mit der Erhebung der Entfristungsklage eingehalten.
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Im Übrigen könne sich die Beklagte nach der Rechtsprechung des EuGH nicht auf die Ausschlussfristen berufen. Diese seien ihrerseits europarechtswidrig und der Rechtsstreit dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen.
9
Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger daher folgendermaßen beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 9.300,00 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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Sie hat sich darauf berufen, dass weder die Frist des § 15 Abs. 4 AGG noch die des § 61 b Abs. 1 ArbGG eingehalten seien.
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Darüber hinaus sei eine Diskriminierung des Klägers durch die Beklagte weder vom Kläger substantiiert vorgetragen noch ersichtlich.
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Mit Endurteil vom 25.06.2021, auf das hinsichtlich der Tatbestandsdarstellung und Entscheidungsgründe ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht München unter dem Aktenzeichen 6 Ca 14377/20 die Klage abgewiesen. Der geltend gemachte Anspruch sei jedenfalls verfristet. Der Kläger habe die Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht eingehalten: insofern fehle es an einem Vortrag, wann er Kenntnis davon erlangt habe, dass sein Vertrag nicht verlängert werde. Auch die Dreimonatsfrist des § 61b ArbGG habe er angesichts des Geltendmachungsschreibens vom 04.06.2020 mit der Klage vom 01.12.2020 nicht gewahrt. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des BAG, wonach mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage die tariflichen Verfallfristen hinsichtlich der von deren Ausgang abhängigen Vergütungsansprüche eingehalten seien, könne auf die hiesige Konstellation nicht übertragen werden, weil kein derart abhängiger Anspruch vorliege. Ebenso wenig hat das Arbeitsgericht eine Vorlagenotwendigkeit gesehen; dabei sei auch die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des EuGH nicht einschlägig.
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Gegen diese ihm am 16.07.2021 zugestellte Entscheidung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10.08.2021, der am selben Tag beim Landesarbeitsgericht München eingegangen ist, Berufung eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 14.10.2021, am selben Tag eingegangen, innerhalb der bis 18.10.2021 verlängerten Frist begründet hat.
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Er rügt das Ersturteil als fehlerhaft. Die Einhaltung der Frist des § 15 Abs. 4 AGG habe es zu Unrecht verneint: Erst mit Ablauf des Arbeitsvertrags zum 01.05.2020 habe der Kläger wissen können, dass er tatsächlich nicht weiter beschäftigt werde; tatsächlich habe er es erst im Juni gesehen, als er nicht mehr am Onlineunterricht der Beklagten beteiligt worden sei. Der Hinweis des Gerichts darauf, dass dazu weiterer Vortrag notwendig sei, sei zu allgemein gewesen. Im Übrigen habe noch im März 2020 der Personalleiter der Beklagten eine Weiterbeschäftigung des Klägers zugesagt. Schließlich sei es Sache der Beklagten, die Nichteinhaltung der Frist zu beweisen.
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Die Frist des § 61b ArbGG sei nicht eingehalten. Fehlerhaft habe das Gericht jedoch verneint, dass die Kündigungsschutzklage (in Form der Entfristungsklage) diese beeinflusse: Der Entschädigungsanspruch könne sehr wohl vom Ausgang der Entfristungsklage abhängig sein. Hätte der Kläger mit seiner Entfristungsklage Erfolg gehabt, so hätte das Arbeitsverhältnis über den 30.04.2020 fortbestanden und eine Benachteiligung des Klägers liege nicht vor. Die Benachteiligung nämlich, aufgrund derer Entschädigung gefordert werde, liege in der Nichtweiterbeschäftigung, nicht in sonstigen früheren Benachteiligungen während des Arbeitsverhältnisses.
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Außerdem sei zu berücksichtigen, dass im Juli 2020 ein Telefonat zwischen der Geschäftsleitung der Beklagten und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers über die Möglichkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab 01.09.2021 stattgefunden habe und der Kläger daher keinen Grund zu weiterem Tätigwerden gesehen habe. Eine Rückmeldung der Beklagten in der Folge sei nicht erfolgt.
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Schließlich habe das Erstgericht fehlerhaft von einer Vorlage an den EuGH abgesehen. Eine solche aber sei nötig, weil Entscheidungen dieses Gerichts - konkret die Entscheidung im Fall REWE (C-347/04) und Foto Forst (C-314/85) nicht angewendet worden seien, nach denen eine Ausschlussfrist nicht dazu führen dürfe, dass Ansprüche verunmöglicht würden. Dabei sei außerdem die parallele Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu beachten.
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Der Kläger beantragt daher zu erkennen:
I. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 25.06.2021, AZ: 6 Ca 14377/20 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 9.300,00 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt
Zurückweisung der Berufung.
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Sie hält die Berufung bereits für unzulässig, weil in ihr keine Auseinandersetzung mit dem Ersturteil erfolge, sie sich vielmehr in der bloßen Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags erschöpfe.
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Jedenfalls aber sei sie unbegründet: Zutreffend habe das Arbeitsgericht die Verfristung bejaht.
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Ergänzend wird zum Sachvortrag und den Rechtsausführungen der Parteien auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, namentlich die des Klägers vom 01.12.2020 (Bl. 1 ff.d.A.), 15.03.2021 (Bl. 39 ff.d.A.), 11.06.2021 (Bl. 50 ff.d.A.) und 14.06.2021 (Bl. 59 ff.d.A.) in erster und vom 10.08.2021 (Bl. 92 ff.d.A.), 14.10.2021 (Bl. 112 ff.d.A.), 03.02.2022 (Bl. 144 f.d.A.) und 22.02.2022 (Bl. 146 ff.d.A.) in zweiter Instanz, die der Beklagten vom 14.01.2021 (Bl. 25 ff.d.A.) und 28.03.2021 (Bl. 43 ff.d.A.) vor dem Arbeitsuind vom 10.11.2021 (Bl. 133 ff.d.A.) vor dem Landesarbeitsgericht, sowie auf die Protokolle der Sitzungen vom 25.01.2021 (Bl. 35 f.d.A.), 17.06.2021 (Bl. 68 f.d.A.) und 25.06.2021 (Bl. 72 ff.d.A.) am Arbeits- und vom 28.02.2022 am Landesarbeitsgericht Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
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Die Berufung ist zulässig.
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Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statthaft und mit den Schriftsätzen vom 10.08.2021 und 14.10.2021 innerhalb der Fristen des § 66 Abs. I S. 1 ArbGG eingelegt und begründet, die angesichts der Zustellung des Urteils am 16.07.2021 gem. §§ 64 Abs. VI ArbGG, 222 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am 16.08.2021 bzw. - verlängert - am 18.10.2021 abliefen.
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Die Begründung genügt gerade noch den Anforderungen des § 520 ZPO. Auch wenn sie sich über weite Strecken auf die Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags beschränkt und keine vertiefte Argumentation auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung hinbietet, ist jedoch zu erkennen, dass mit ihr eine andere rechtliche Wertung als die des Arbeitsgerichts erstrebt wird.II.
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Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend hat das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung einen Anspruch des Klägers aus § 15 Abs. 2 AGG verneint und die Klage abgewiesen: Der Kläger hat die Klagefrist gemäß § 61 b Abs. 1 ArbGG nicht eingehalten.
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Nach § 61 b Abs. 1 ArbGG muss eine Klage auf Entschädigung innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs erhoben werden, andernfalls ist der Anspruch verfallen.
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1. Der Kläger hat seinen Entschädigungsanspruch mit Schreiben vom 04.06.2020, der Beklagten zugegangen am 06.06.2020, geltend gemacht. Die Entschädigungsklage ist am 01.12.2020 und damit außerhalb der Dreimonatsfrist beim Arbeitsgericht eingegangen, die nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am 06.09.2020 abgelaufen war.
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2. Die Frist ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht durch die Erhebung der Klage gegen die Befristung des Arbeitsverhältnisses gewahrt.
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a. Das Bundesarbeitsgericht hat in der vom Kläger genannten Entscheidung vom 19.09.2012 (5 AZR 627/11) festgestellt, dass tarifvertragliche Ausschlussfristen verfassungskonform dahingehend auszulegen seien, dass mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage) die davon abhängigen Ansprüche wegen Annahmeverzugs im Sinne der tariflichen Ausschlussfrist gerichtlich geltend gemacht seien (Rn. 13 ff - zitiert nach juris): Mit einer Bestandsschutzklage wahre der Arbeitnehmer, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedürfe, die erste wie die zweite Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist für alle vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche. Mit einer solchen Klage erstrebe der Arbeitnehmer nämlich nicht nur die Erhaltung seines Arbeitsplatzes, sondern auch die Erhaltung der davon abhängigen Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs, die insofern ebenfalls „gerichtlich geltend“ gemacht würden (Rn. 15 - zitiert nach juris). Damit werde dem Gebot effektiven Rechtsschutzes genügt, wonach eine erhöhte Obliegenheit zur Geltendmachung der Ansprüche wegen Annahmeverzugs angesichts des Kostenrisikos nicht zulässig wäre (so BVerfG v. 01.12.2010, 1 BvR 1682/07 Rn. 26 - zitiert nach juris).
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b. Diese Entscheidung ist auf die hiesige Konstellation nicht übertragbar. Es fehlt an einer entsprechenden Vorgreiflichkeit der Entscheidung im Entfristungsverfahren.
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Dies gilt zum einen deshalb, weil die Entschädigung an eine diskriminierende Handlung, nicht an den Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpft. So könnte die Befristung (auch) aus anderem Grund als wegen Diskriminierung - etwa wegen Formmangels oder mangels Befristungsgrund - unwirksam sein. Die Tatsache, dass die Frage der Diskriminierung durch eine Befristung in dem Entfristungswie dem Entschädigungsprozess relevant sein kann, macht nicht einen der beiden Prozesse vorgreiflich.
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Im konkreten Fall fehlt es an der Vorgreiflichkeit der Entfristungsklage zudem deshalb, weil, worauf der Kläger in seiner Berufungsbegründung ausdrücklich rekurriert, die Entschädigungsforderung an die mangelnde Verlängerung des Arbeitsverhältnisses anknüpft, nicht an eine eventuelle frühere Diskriminierung. Gegenstand der Entfristungsklage aber ist die Zulässigkeit einer Befristung zu Beginn des Arbeitsverhältnisses.
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3. Die Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG ist nicht deshalb unbeachtlich, weil sie europarechtswidrig wäre.
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a. Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 08.07.2010 (C-246/09 - Bulicke) die - kürzere - Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG unter dem Gesichtspunkt des Effektivitätsgrundsatzes nicht für bedenklich gehalten. Vielmehr sei nicht ersichtlich, dass die Festlegung dieser Frist auf zwei Monate die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte unmöglich machen oder übermäßig erschweren könne, wenn zum einen diese Frist nicht weniger günstig sei als die für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe im Bereich Arbeitsrecht und zum anderen die Festlegung des Zeitpunkts des Fristbeginns die Ausübung der Rechte nicht unmöglich mache oder übermäßig erschwere. Letzteres sei von den nationalen Gerichten zu prüfen (Rn. 39 ff.- zitiert nach juris).
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b. Das Bundesarbeitsgericht hat wiederholt die Vereinbarkeit der Ausschlussfristen der §§ 15 Abs. 4 AGG, 61b Abs. 1 ArbGG mit den Vorgaben des Unionsrechts bejaht (BAG v. 18.05.2017, 8 AZR 74/16 Rn. 30 ff. - zitiert nach juris; BAG v. 24.09.2009, 8 AZR 705/08 Rn. 37 ff.- zitiert nach juris). Die Fristen wahrten sowohl den unionsrechtlichen Grundsatz der Äquivalenz als auch den der Effektivität und verstießen auch nicht gegen das in Art. 8 Abs. 2 der RL 2000/78/EG bestimmte Verbot der Absenkung des von den Mitgliedstaaten bereits garantierten allgemeinen Schutzniveaus.
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Dem schließt sich die zur Entscheidung berufene Kammer an. Zwar legt die Richtlinie selbst keine Fristen für die Geltendmachung von in ihr geregelten Ansprüchen fest; doch normiert ihr Art. 9 Abs. 3 (ebenso wie Art. 7 Abs. 3 der vom Kläger auch benannten RL 2000/43/EG) die Möglichkeit einzelstaatlicher Regelungen über Fristen für die Rechtsverfolgung betreffend den Gleichbehandlungsgrundsatz. Nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie ist es deshalb Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung von Verfahren, die den vollen Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, und eben auch Ausschlussfristen zu bestimmen (vgl. die o.g. Entscheidung EuGH v. 08.07.2010, C-246/09 - Bulicke Rn. 24 f. - zitiert nach juris). Die Festsetzung von Ausschlussfristen ist als Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar (st. Rspr. des EuGH, etwa v. 21.12.2016, C-154/15, C-307/15 und C-308/15 - Gutierrez Naranjo Rn. 69).
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Im Hinblick auf den Grundsatz der Effektivität ist mit dem EuGH die Dreimonatsfrist (erst recht) als zulässig anzusehen. Dies gilt insbesondere, weil das Verfahren des Entschädigungsanspruchs angesichts der Darlegungserleichterungen durch § 22 AGG keiner erheblichen Vorbereitungen und Prüfungen bedarf (so auch BAG v. 18.05.2017, 8 AZR 74/16 Rn. 59 f. - zitiert nach juris).
41
Eine Absenkung des Schutzniveaus in Bezug auf Diskriminierungen in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen ist ebenfalls durch die Fristenregelung nicht bewirkt. Einen entsprechenden Schutz, wie ihn das AGG mit dem Entschädigungsanspruch bietet, war vor der Einführung dieses Gesetzes nicht vorhanden (BAG v. 18.05.2017, 8 AZR 74/16 Rn. 63 ff.- zitiert nach juris).
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Aus demselben Gesichtspunkt ist schließlich der Grundsatz der Äquivalenz erfüllt: es besteht keine günstigere innerstaatliche Regelung (ausführlich dazu BAG v. 18.05.2017 - 8 AZR 74/16 Rn. 39 ff.- zitiert nach juris).
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c. Die vom Kläger erstinstanzlich angeführte Entscheidung des EuGH vom 01.12.1998 (C 326/96) macht keine andere Qualifikation notwendig.
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Der EuGH hatte darin entschieden, dass das gemeinschaftsrechtliche Prinzip der Effektivität einer Einschränkung eines Anspruchs auf rückständiges Arbeitsentgelt wegen Verletzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts auf zwei Jahre entgegenstehe, wenn die verspätete Geltendmachung des Anspruchs darauf zurückzuführen sei, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Betroffenen die Höhe des Entgelts, das Arbeitnehmer des anderen Geschlechts für die gleiche Arbeit erhalten, bewusst falsch angegeben habe, weil diesem durch die Täuschung der Anspruch letztlich unmöglich gemacht werde.
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Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben. Es geht nicht um eine Verhinderung der Geltendmachung durch den Arbeitgeber. Wenn der Kläger sich in diesem Zusammenhang darauf beruft, im Juli 2020 habe ein Telefonat seines Rechtsanwalts mit der Beklagten über eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab September 2021 stattgefunden, so entspricht dies nicht der vom EuGH entschiedenen Situation: Das - im Übrigen bestrittene - Gespräch über Lösungsmöglichkeiten eines geltend gemachten Anspruchs ist nicht einer Täuschung über die Grundlagen eines Anspruchs gleichzustellen. Außerdem ist nicht einsichtig, warum eine Geltendmachung im September 2020 nicht möglich gewesen sei, wenn nach eigenem Vortrag des Klägers in Folge des Gesprächs vom Juli keine Reaktion der Beklagten mehr erfolgt sei.
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d. Die Relevanz der vom Kläger außerdem zitierten Entscheidungen des EuGH vom 29.03.2007 (C-347/04- REWE) und vom 22.10.1987 (C-314/85 - FotoFrost) erschließt sich nicht. In ersterer geht um die Niederlassungsfreiheit, die durch eine steuerrechtliche Vorschrift als verletzt erachtet wurde, die Verlustabzüge ausländischer Tochterfirmen nur einschränkt zuließ, in der zweitgenannten um die mangelnde Berechtigung nationaler Gerichte, die Unwirksamkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane festzustellen.
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4. Eine Vorlage an den EuGH ist entgegen der wiederholten Ansicht des Klägers nicht veranlasst.
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a. Es ist schon nicht zu erkennen, welche Frage dem EuGH gestellt werden könnte.
49
Nach Art. 267 Abs. 2 und 1 AEUV sind Vorabentscheidungen auf die Vorlage von Gerichten möglich, soweit sich Fragen über die Auslegung der Verträge oder die Gültigkeit und Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union stellen.
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Die vom Kläger genannten Fragestellungen sind nicht vorlagefähig: Die Beurteilung der Diskriminierung des Klägers ist ebenso Anwendung innerstaatlichen Rechts wie die Subsumtion unter die (nationalen) Fristtatbestände. Die Bewertung der Effektivität des Rechtsschutzes im Hinblick auf die Fristen hat der EuGH ausdrücklich den nationalen Gerichten überlassen (EuGH v. 08.07.2010, C-246/09 - Bulicke Rn. 42 - zitiert nach juris).
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b. Eine Pflicht zur Vorlage besteht schließlich nicht. Nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist eine solche nur dann gegeben, wenn sich eine zur Vorabentscheidung durch den EuGH berechtigte Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem nationalen Gericht stellt, dessen Entscheidung innerstaatlich nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln angefochten werden kann. Mangels vorlagefähiger Frage wie angesichts der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen des Berufungsgerichts liegt ein solcher Fall hier nicht vor.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO: Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
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Die Revision war nicht zuzulassen, insbesondere kommt dem Fall keine besondere über die Klärung der zwischen den Parteien streitigen Rechtsfragen hinausgehende Bedeutung i. S. d. § 72 Abs. II Nr. 1 ArbGG zu.
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Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.