Inhalt

OLG München, Beschluss v. 05.12.2022 – 24 U 4414/22
Titel:

Städtebaulicher Vertrag, Bauverpflichtung, Nichtzulassungsbeschwerde, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Hinweisbeschluss, Gegenerklärung, Öffentlich-rechtlicher Vertrag, Kostenentscheidung, Sicherheitsleistung, Revisionszulassung, Streitwert, Kosten des Berufungsverfahrens, Zurückweisung der Berufung, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Eintragung im Grundbuch, Rückauflassung, Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten, Rechtshängigkeit, Einheimischenmodell, Berufungszurückweisung

Normenkette:
BauGB § 11 Abs. 2 S. 1
Leitsatz:
Die Vereinbarung einer Bauverpflichtung in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag über den Erwerb von Grundeigentum im Rahmen eines sogenannten Einheimischenmodells verstößt auch dann nicht per se gegen das Gebot der Angemessenheit (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB), wenn das Grundeigentum unverbilligt zum Marktwert veräußert wurde.
Schlagworte:
Berufung, Rückweisung, Urteil, Rechtsmittel, Rechtsprechung, Bauverpflichtung, Grundstückskauf
Vorinstanz:
LG Memmingen, Endurteil vom 07.07.2022 – 34 O 509/22
Weiterführende Hinweise:
Die zum Bundesgerichtshof eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (V ZR 243/22) wurde vor ihrer Begründung zurückgenommen.
Fundstelle:
BeckRS 2022, 53927

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 07.07.2022, Az. 34 O 509/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Nr. 1 genannte Urteil des Landgerichts Memmingen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 80.799,00 € festgesetzt.

Gründe

1
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 07.07.2022, Az. 34 O 509/22, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung auch aus sonstigen Gründen nicht geboten ist.
I.
2
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Memmingen vom 07.07.2022 (Bl. 27/37 d. A.) Bezug genommen, durch das die auf die Kondizierung einer nach Auffassung der Klägerin rechtsgrundlos erfolgten Rückauflassung eines Grundstücks gerichtete Klage abgewiesen wurde. Bezug genommen wird insoweit ferner auf die Ausführungen zu Nr. I im Hinweisbeschluss des Senats vom 19.10.2022 (Bl. 69/76 d. A.).
3
Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin:
Unter Abänderung des am 07.07.2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Memmingen, Aktenzeichen 34 O 509/22, die Beklagte zu verurteilen, das Grundstück Flurnummer …6/14 der Gemarkung N. (Auf dem Grund …1, … N.) an die Klägerin aufzulassen und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2438,67 € nebst 5%-Punkten Zinsen über dem Basis-Zinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
4
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
5
Zur Begründung der Zurückweisung der Berufung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 27/37 d. A.) sowie auf die Ausführungen zu Nr. II im vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 19.10.2022 (Bl. 69/76 d. A.) Bezug genommen.
6
Die Gegenerklärung der Klägerin vom 30.11.2022 (Bl. 81/84 d. A.) rechtfertigt keine andere Beurteilung als im Hinweis dargelegt und veranlasst folgende Ausführungen:
7
1. Zunächst macht die Klägerin mit der Gegenerklärung geltend, es sei die Revision zuzulassen, da die zu beurteilende Rechtsfrage – Wirksamkeit einer Bauverpflichtung in einem städtebaulichen Vertrag gemäß § 11 BauGB bei unsubventioniertem Verkauf von Bauland durch die Gemeinde – grundsätzliche Bedeutung habe, ohne dass es einschlägige Urteile gäbe.
8
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Die Klägerin selbst macht (Seite 3 der Gegenerklärung, Bl. 83 d. A.) geltend, „dass sämtliche zitierten Entscheidungen (auch wenn sie die gegenständliche Frage nicht exakt betreffen) richtungsweisend sind“. Dies gilt dann aber auch für das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.06.2015 (V ZR 271/14 – juris), dessen Ausführungen in Randnummer 19 der Senat (wie auf den Seiten 5 f. des Hinweisbeschlusses zu Buchst. a, Bl. 73 f. d. A., dargelegt) entnimmt, dass der Bundesgerichtshof eine Bauverpflichtung auch dann grundsätzlich nicht als problematisch erachtet, wenn der Verkaufspreis marktgerecht und nicht subventioniert war. Auch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.04.2018 (V ZR 169/17 – juris Rn. 9) versteht der Senat, wie im Hinweisbeschluss (Seiten 6 f. zu Buchst. c, Bl. 74 f. d. A.) ausgeführt, in diesem Sinne.
9
2. Des Weiteren wendet sich die Gegenerklärung gegen die Ausführungen des Senats zur Unterschiedlichkeit der Situation des jeweils Betroffenen bei einem Baugebot gemäß § 176 BauGB einerseits und bei einer Bauverpflichtung in einem städtebaulichen Vertrag gemäß § 11 BauGB andererseits (Seiten 4 f. des Hinweisbeschlusses zu Nr. 1, Bl. 72 f. d. A.); insbesondere stehe der Hinweis des Senats darauf, dass es der von einer Bauverpflichtung in einem städtebaulichen Vertrag betroffenen Partei freigestanden hätte, diesen nicht abzuschließen, mit der Vorgabe des § 11 Abs. 2 BauGB nicht in Einklang.
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Auch dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
11
a) Der Senat hält an den im Hinweisbeschluss dargelegten Unterschieden fest, auch wenn er nicht verkennt (und nicht verkannt hat), dass die Bedingungen eines städtebaulichen Vertrages im Sinne des § 11 Abs. 2 BauGB angemessen sein müssen.
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b) Wie (auch unter Verweis auf die oben genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs) dargelegt, kann der Senat jedoch ‒ gerade mit Blick auf die gesetzliche Bestimmung des § 176 BauGB ‒ auch beim (unterstellt) unsubventionierten Verkauf von Bauland durch die Gemeinde nicht erkennen, dass die in einem städtebaulichen Vertrag vereinbarte Verpflichtung, auf dem (erst zu erwerbenden) Grundstück binnen einer fünfjährigen Frist ein „Wohnhaus in Übereinstimmung mit dem öffentlichen Baurecht bezugsfertig zu errichten“ (Nr. XVIII des als Anlage K 1 vorgelegten notariellen Vertrags), im Sinne des § 11 Abs. 2 BauGB unangemessen wäre.
13
c) Eben deshalb bleibt der Senat entgegen der Gegenerklärung auch dabei, dass es einer Beweiserhebung über die Frage, ob das streitgegenständliche Grundstück von der Beklagten zum Marktpreis oder zu einem subventionierten Preis veräußert wurde, nicht bedurfte.
III.
14
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
15
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
16
3. Der Streitwert wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.