Inhalt

LG Landshut, Endurteil v. 25.05.2022 – 75 O 3167/21
Titel:

Beitragsanpassung, Unselbständiger Auskunftsanspruch, Stufenklage, Versicherungsnehmer, Rechtsmißbrauch, Versicherungsschein, Auskunftserteilung, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Rechtshängigkeit, Versicherungsleistungen, Streitwert, Elektronischer Rechtsverkehr, Versicherungsverhältnis, Kontounterlagen, Versicherungsnummer, Klagepartei, Feststellung der Unwirksamkeit, DS-GVO, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten

Schlagworte:
Stufenklage, Klagehäufung, Auskunftsanspruch, Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs, Unkenntnis, Verjährung, Rechtsmissbrauch
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 25.01.2024 – 25 U 3776/ 22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 53906

Tenor

1.Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über alle Beitragsanpassungen zu erteilen, die die Beklagte in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag in den Jahren 2012 bis 2017 zur Versicherungsnummer 12336749 vorgenommen hat und hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die folgenden Angaben enthalten sind:
• die betragsmäßige Höhe der Beitragsanpassungen unter Benennung der jeweiligen Tarife,
• die dem Kläger zu diesem Zwecke übermittelten Informationen in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein sowie den jeweiligen Begründungen,
• die jeweilige Höhe des auslösenden Faktors für die Neukalkulation der Prämien.
2.Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3.Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 750,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5.Der Streitwert wird auf 10.750,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klagepartei wendet sich gegen Prämienerhöhungen in der bei der beklagten Partei unterhaltenen privaten Krankenversicherung und begehrt insoweit im Wege der Stufenklage Auskunft und im weiteren die Feststellung der Unwirksamkeit, Rückzahlung und die Feststellung der Verpflichtung zur Herausgabe von Nutzungen.
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Die Klagepartei unterhält bei der beklagten Partei seit dem 01.01.1971 einen Vertrag über eine private Krankenversicherung. In der Vergangenheit erfolgten wiederholt Beitragsanpassungen durch die Beklagte. Die Beklagte informierte den Kläger hierüber jeweils mittels Zusendung eines Nachtragsversicherungsscheins und ein Begleitschreiben.
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Vorgerichtlich forderte der Kläger die Beklagte erfolglos zur Übermittlung der nunmehr im Wege der Auskunft begehrten Unterlagen und Information auf.
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Der Kläger behauptet, die angeforderten Unterlagen stünden ihm nicht mehr zur Verfügung.
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Die Klagepartei ist der Ansicht, die zurückliegenden Beitragsanpassungen seien nicht ausreichend begründet worden und daher nicht wirksam geworden, so dass ein Anspruch auf Rückforderung und Feststellung eines geringeren als des derzeitigen Beitrags bestehe. Zur Bezifferung sei der Kläger auf die begehrte Auskunft angewiesen, da sich aus der bloßen Höhe des Beitrags, wie er sich aus den Kontounterlagen ergibt, keine ausreichenden Informationen zu den einzelnen Tarifen ergeben. Die Stufenklage sei daher zulässig. Der Auskunftsanspruch folge aus Art. 15 DS-GVO, § 242 BGB und § 810 BGB. Die Beitragsanpassungen seien zudem materiell unwirksam, soweit die Änderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen den gesetzlichen Schwellenwert von mehr als 10% nicht erreiche und auch, soweit eine Beitragsanpassung trotz gesunkener Leistungsausgaben erfolgt sei. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien durch die Beklagte als materieller Schaden zu erstatten wegen der Pflichtverletzung in Gestalt der unwirksamen Beitragsanpassung.
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Die Klageschrift wurde der Beklagten am 13.12.2022 zugestellt. Die Klagepartei beantragt,
1) Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über alle Beitragsanpassungen zu erteilen, die die Beklagte in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag in den Jahren 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020, zur Versicherungsnummer 12336749 vorgenommen hat und hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die folgenden Angaben enthalten sind:
- die Höhe der Beitragsanpassungen für die Jahre 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020, unter Benennung der jeweiligen Tarife im Versicherungsverhältnis der Klägerseite,
- die der Klägerseite zu diesem Zwecke übermittelten Informationen in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein der Jahre 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020, sowie
- die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer 12336749 seit dem 01.01.2012.
2) Es wird festgestellt, dass die nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch genauer zu bezeichnenden Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer 12336749 unwirksam sind und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet, sowie, dass der monatlich fällige Gesamtbetrag für die Zukunft auf einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch zu beziffernden Betrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen zu reduzieren ist.
3) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch zu beziffernden Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
4) Die Beklagte wird verurteilt,
a) der Klägerseite die Nutzungen in der nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch zu beziffernden Höhe herauszugeben, die die Beklagte bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 2) noch aufzuführenden Beitragsanpassungen gezahlt hat,
b) die Zinsen aus den herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit an die Klägerseite zu zahlen.
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Die beklagte Partei beantragt Klageabweisung.
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Die Beklagte hat die wirksame Bevollmächtigung gerügt. Sie ist im übrigen der Ansicht, die Stufenklage sei unzulässig. Zudem bestehe auch kein Auskunftsanspruch. Soweit ein solcher auf Art. 15 DS-GVO gestützt wird, sei dies jedenfalls rechtsmissbräuchlich, da es dem Kläger nicht um die Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Datenverarbeitung, sondern um die erleichterte Beschaffung der für die weitergehenden Ansprüche erforderlichen Unterlagen gehe. Die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 242 BGB seien nicht gegeben, da der Kläger die Beitragserhöhungen auch aus den Kontounterlagen ersehen könne. § 810 BGB (analog) sei schon nicht geeignet, einen Anspruch auf die begehrte Auskunft zu verschaffen. Im übrigen seien alle Beitragsanpassungen rechtmäßig wegen Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen erfolgt, worauf jeweils auch ausreichend hingewiesen worden sei. Im übrigen hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
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Der Kläger wurde angehört. Eine Beweisaufnahme wurde nicht durchgeführt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2022 wird Bezug genommen.
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Wegen des Parteivortrags im übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist teilweise unzulässig, im übrigen nur teilweise begründet.
I.
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Das Landgericht Landshut ist nach §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG, 215 Abs. 1 VVG sachlich und örtlich zuständig.
II.
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Die Klage ist teilweise unzulässig und insoweit abzuweisen. Dies betrifft die Klageanträge Ziffern 2) bis 4), die nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind.
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1. Eine Stufenklage ist vorliegend nicht zulässig, da der Zweck der begehrten Auskunft nach Ziffer 1) nicht lediglich in der Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs liegt. Die im Rahmen der Stufenklage begehrte Auskunft soll vielmehr der Klagepartei darüber hinaus – in unzulässiger Weise (vgl. Zöller/Greger ZPO, 33. Auflage 2020, § 254 Rn. 2) – mit der Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs nicht im Zusammenhang stehende Informationen verschaffen, mittels derer die Klagepartei überhaupt erst in die Lage versetzt werden soll, zu entscheiden, ob und wenn ja, welche Beitragserhöhungen aus welchem Grund (formell oder materiell) beanstandet werden.
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2. Die unzulässige Stufenklage stellt indes eine zulässige objektive Klagehäufung dar (vgl. BGH, Urteil vom 02.03.2000 – III ZR 65/99), mit der Folge, dass eine Sachentscheidung über den Auskunftsanspruch und die weiteren, im Wege der unzulässigen Stufenklage erhobenen Ansprüche zu treffen ist (vgl. Zöller/Greger ZPO, a.a.O. § 254 Rn. 2, 260 Rn. 6). Insoweit sind der Feststellungs- und die Leistungsanträge nach Ziffer 2) bis 4) nicht hinreichend bestimmt nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, mithin unzulässig.
III.
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Die im übrigen zulässige Klage ist hinsichtlich des Auskunftsantrags gemäß Ziffer 1) nur teilweise begründet, soweit dieser die Jahre 2012 bis 2017 betrifft.
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1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Auskunftsanspruch in vorgenanntem Umfang zu. Die abweichende Tenorierung gegenüber dem Antrag Ziffer 1. beinhaltet keine inhaltliche, sondern lediglich eine sprachliche Modifikation, so dass § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht entgegen steht.
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Dem Kläger steht ein Auskunftsanspruch aus dem Versicherungsvertragsverhältnis nach § 242 BGB zu, ohne dass es insoweit darauf ankäme, ob sich ein solcher Anspruch auch auf Art. 15 DS-GVO oder § 810 BGB stützen lässt. Dieser Auskunftsanspruch erstreckt sich auf die Mitteilung, welche Beitragsanpassungen in den Jahren 2012 bis 2017 erfolgt sind, also in welcher Höhe und in welchem Tarif, ferner auf die Mitteilung, welche Informationen dem Kläger im Zuge dessen jeweils übermittelt wurden sowie die entsprechenden Nachtragsversicherungsscheine und schließlich die Bekanntgabe der Höhe des jeweils auslösenden Faktors (Versicherungsleistungen).
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a) Ein (allgemeiner) Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben als Nebenpflicht eines Schuldverhältnis besteht, wenn der Auskunftsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und sich die erforderliche Information nicht selbst auf zumutbare Weise beschaffen kann. Im vertraglichen Schuldverhältnis reicht insoweit aus, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen über die Auskunft hinausgehenden Leistungsanspruch besteht. Zudem darf die Auskunftserteilung dem Auskunftsverpflichteten nicht unbillig belasten (Palandt/Grüneberg BGB, 80. Auflage 2021, § 260 Rn. 4 ff. m.w.N.).
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Nach der Anhörung der Tochter des dementen Klägers, von deren Bevollmächtigung das Gericht durch Vorlage einer Vorsorgevollmacht überzeugt hat, hierzu hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass dem Kläger die begehrten Informationen nicht mehr vorliegen, da er die entsprechenden Unterlagen, welche ihm von der Beklagten unstreitig übermittelt worden waren, in der Vergangenheit entsorgt hat, ungeachtet dessen, ob dies krankheitsbedingt war oder nicht. Die Tochter des Klägers ha glaubhaft dargelegt, dass sie die noch vorhandenen Vertragsunterlagen wiederholt und gründlich durchgesehen hat, ohne die benötigten Unterlagen aufzufinden. Diese habe sie sich lediglich für den Zeitraum ab 2018 über die App beschaffen können. Das Verhalten des Klägers steht der Annahme einer entschuldbaren Unkenntnis nicht entgegen. Insbesondere bestand zum Zeitpunkt des Aussortierens noch kein Anhaltspunkt dafür, dass etwaige Ansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht werden würden/könnten. Auch besteht für den Kläger keine Möglichkeit sich diese Informationen anderweitig zu beschaffen. Ein zugriff auf die Unterlagen in der App ist nach den glaubhaften Angaben der Tochter des Klägers für den Zeitraum vor 2018 nicht möglich. Soweit die beklagte Partei auf die Möglichkeit verweist, die Höhe der monatlichen Beitragszahlungen den Kontoauszügen zu entnehmen, würde hieraus jedenfalls nicht hervorgehen, in welcher Höhe Beiträge für welchen Tarif/Tarifbestandteile gezahlt wurden und wann in welchem Tarif eine Beitragsanpassungen stattgefunden hat.
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Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Auskunftserteilung für die Beklagte einen unzumutbaren Aufwand bedeuten würde. Es ist offenkundig davon auszugehen, dass die Informationen und Unterlagen betreffend das streitgegenständliche Versicherungsverhältnis in der EDV der Beklagten gespeichert/archiviert sind und mit vergleichsweise geringem Personal- und Zeitaufwand zusammengestellt werden können.
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b) Inhaltlich richtet sich der Auskunftsanspruch nach Art und Umfang nach den Bedürfnissen des Auskunftsberechtigten, wobei auf die Belange des Auskunftsverpflichteten Rücksicht zu nehmen ist. Gemessen an den beiderseitigen Interessen ist dem Kläger Auskunft zu erteilen, welche betragsmäßigen Beitragsanpassungen in den Jahren 2013 bis 2020 in welchem Tarif erfolgt sind. Außerdem sind dem Kläger die dadurch seitens der Beklagten erstellten Nachtragsversicherungsscheine nochmals zur Verfügung zu stellen, ebenso die Mitteilungsschreiben nebst Begleitinformationen mit denen die Beitragsanpassungen erfolgt sind. Denn nur anhand der Gesamtschau dieser Unterlagen ist der Versicherungsnehmer in der Lage die Wirksamkeit der Mitteilung nach § 203 Abs. 5 VVG zu überprüfen.
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Weiterhin ist dem Kläger die Höhe des jeweils auslösenden Faktors mitzuteilen, soweit sich dieser nicht aus den Mitteilungsschreiben selbst ergibt. Zwar ist nach der nunmehr gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Voraussetzung der formellen Wirksamkeit einer Beitragsanpassung lediglich die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung veranlasst hat. Die Höhe des auslösenden Faktors muss im Rahmen des § 203 Abs. 5 VVG ebenso wenig mitgeteilt werden, wie die weiteren Berechnungsfaktoren. Die Mitteilung der Höhe der Veränderung des auslösenden Faktors kann der Versicherungsnehmer aber nach § 242 BGB verlangen. Die Kenntnis hiervon ist maßgeblich dafür, ob der Versicherungsnehmer unter Umständen auch die materielle Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassung rügt, etwa weil die Veränderung unterhalb des gesetzlichen Schwellenwerts von 10% nach § 155 Abs. 3 VAG liegt und eine vertragliche Absenkung des Schwellenwerts, wie sie beispielsweise in § 8b der Musterbedingungen enthalten ist, seitens des Versicherungsnehmers für unwirksam gehalten wird. Dem Versicherungsnehmer steht keine andere Möglichkeit offen, sich diese Auskunft selbst zu beschaffen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagten die Mitteilung der Höhe des auslösenden Faktors nicht zumutbar wäre, etwa weil dies mit einer unbilligen Härte verbunden wäre oder gegen Betriebs-/Geschäftsgeheimnisse verstoßen würde. Vielmehr ist aus zahlreichen Parallelverfahren bekannt, dass die beklagten Versicherer in aller Regel die Höhe des jeweils auslösenden Faktors vorgerichtlich auf Anforderung von sich aus mitteilen.
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c) Dem Auskunftsanspruch steht auch nicht die Einrede der Verjährung entgegen. Die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren ab Entstehung des Anspruchs könnte allenfalls einem vor Ablauf des Jahres 2018 entstandenen Anspruch entgegen stehen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der unselbständige Auskunftsanspruch nach § 242 nicht vor dem Hauptanspruch, dem er dient, verjähren kann (BGH, Urteil vom 25.07.2017 – VI ZR 222/16). Auskunft auch für die Zeit vor 2018 kann die Klagepartei aber schon deshalb mit Erfolg geltend machen, als bei einer etwaigen Unwirksamkeit von Beitragsanpassungen ab dem Jahr 2018 die Beitragshöhe auf den Stand der letzten wirksamen Beitragsanpassung zurückfallen würde. Welcher dies ist, kann der Kläger ohne die umfassende Auskunft nicht beurteilen.
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2. Demgegenüber besteht für die Jahre 2018 bis 2020 kein Anspruch, weder aus § 3 Abs. 3, 4 VVG, 810 BGB analog, Art. 15 DS-GVO noch aus § 242 BGB.
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a) Ein Anspruch aus § 3 Abs. 3, 4 VVG scheidet vorliegend aus.
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(1) § 3 Abs. 4 S. 1 VVG verschafft lediglich einen Anspruch auf Erteilung einer Abschrift der Erklärungen, die der Versicherungsnehmer mit Bezug auf den Vertrag abgegeben hat.
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(2) § 3 Abs. 3 S. 1 VVG statuiert darüber hinaus zwar einen Anspruch auf Ausstellung eines neuen Versicherungsscheins. Voraussetzung wäre indes, dass dem Versicherungsnehmer das ihm ausgestellte Original abhanden gekommen ist oder vernichtet wurde. Die hat der Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen. Dies ist dem Kläger vorliegend nicht zur Überzeugung des Gerichts gelungen. Schriftsätzlich wurden keine Umstände vorgetragen, dass und weshalb der Kläger nicht mehr im Besitz des Versicherungsscheins beziehungsweise der im Rahmen der Beitragsanpassungen unstreitig übersandten Nachträge wäre. In der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2022 hat der Kläger dies auch nicht plausibel darlegen können. Vielmehr hat der Kläger glaubhaft angegeben, dass er noch im Besitz von einigen Unterlagen sei, ohne diese konkreter bezeichnen zu können. Diese habe er auch den Prozessbevollmächtigten vollumfänglich zur Verfügung gestellt und sich darauf verlassen, dass es damit sein Bewenden haben könne, da er sich andernfalls selbst um die Beschaffung fehlender Unterlagen bemüht hätte.
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b) Auch ein Anspruch aus § 810 BGB analog kommt als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht, da sich hieraus ohnehin nur ein Einsichtsrecht ergeben würde.
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c) Letztlich scheidet auch Art. 15 DS-GVO als Anspruchsgrundlage aus. Ungeachtet dessen, ob hiernach der Kläger dem Grund nach einen Anspruch auf die begehrte Auskunft und Überlassung von Unterlagen hat, steht dem vorliegend der beklagtenseits zu Recht erhobene Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit nach § 242 BGB entgegen, der auch in Art. 12 Abs. 5 S. 2 lit b) DS-GVO eine Entsprechung findet (vgl. Hinweisbeschluss OLG Nürnberg vom 03.02.2022, 8 U 3577/21, B 21).
31
Das Auskunftsverlangen des Klägers insoweit ist rechtsmissbräuchlich, weil es dem Kläger ersichtlich nicht um die Auskunft über die bei der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten geht, sondern der Kläger sich sämtliche in der Vergangenheit liegende Unterlagen beschaffen möchte, die im Zusammenhang mit Beitragserhöhungen stehen, um deren behauptete Unwirksamkeit überprüfen und geltend machen zu können. Zudem hat die Tochter des Klägers angegeben, dass ihr für den Zeitraum ab 2018 alle Vertragsunterlagen zum Download in der App zur Verfügung stehen. Auf die geltend gemachte Auskunft ist die Klagepartei insoweit schlicht nicht angewiesen.
32
d) Aus vorgenannten Gründen ist korrespondierend ein Anspruch auf Auskunft auch nach §§ 241, 242 BGB abzulehnen.
IV.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO Das Gericht bewertet das Teilobsiegen/-unterliegen hinsichtlich des Auskunftsantrags und das Unterliegen der Klagepartei hinsichtlich der weiteren Anträge Ziffern 2) bis 4) als wirtschaftlich gleichwertig, so dass die Kosten gegeneinander aufzuheben sind. Der Streitwert wird dabei im Anschluss an die klägerische Schätzung insgesamt mit 10.750,00 € beziffert.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11 Alt. 1, 711 ZPO. Auch der Auskunftsanspruch ist als vermögensrechtlich in diesem Sinne zu qualifizieren, wenn die begehrte Auskunft einem Rechtsverhältnis entspringt, welches auf den Erhalt von Geld gerichtet ist (vgl. BeckOK ZPO/Ulrici, 42. Ed. 1.3.2021, ZPO § 708 Rn. 23.1). Die Abwendungsbefugnis der beklagten Partei folgt aus § 711 S. 1 ZPO. Die Höhe der Sicherheitsleistung bemisst sich nach dem voraussichtlichen Aufwand an Zeit und Kosten für die Auskunftserteilung (vgl. BGH I ZB 97/17). Es ist nicht ersichtlich, dass der Aufwand der beklagten Partei einen Personalaufwand von mehr als schätzungsweise 10 Stunden erfordert, um die Informationen und Unterlagen zusammenzustellen und dem Kläger durch ein individuell erstelltes Schreiben mitzuteilen.