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LG München I, Endurteil v. 24.03.2022 – 27 O 10597/21
Titel:

Darlehensverträge, Hilfswiderklage, Widerrufsbelehrung, Widerrufsinformation, Widerrufsfrist, Widerrufsrecht, Annahmeverzug, Leistungsverweigerungsrecht, Klagepartei, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Rechtsmißbrauch, Vorfälligkeitsentschädigung, Feststellungsinteresse, Verbundene Verträge, Rückabwicklungsanspruch, Vorgerichtliche Anwaltskosten, Kostenentscheidung, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Ansprüche auf Wertersatz, Rückzahlungsverpflichtung

Schlagworte:
Klage, Zulässigkeit, Unbegründetheit, Fälligkeit, Vorleistungspflicht, Annahmeverzug, Hilfsbedingung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 10.11.2022 – 17 U 2553/22
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 23.01.2024 – XI ZR 310/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 53851

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klagepartei macht gegen die Beklagte Ansprüche nach Widerruf eines Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Kraftfahrzeugs geltend.
2
Am 8.6.2017 schloss die Klagepartei mit der Beklagten (damals firmierend unter „C“) unter Vermittlung der Firma L GmbH einen Darlehensvertrag zur Finanzierung des Kraftfahrzeugs Mazda CX-5 KE/GH über einen Nettodarlehensbetrag von 23.950,00 Euro. Der Kaufpreis betrug 23.950,00 Euro. Die Klagepartei leistete keine Anzahlung. Der vertraglich vereinbarte Sollzinssatz betrug 3,92% gebunden für die gesamte Vertragslaufzeit. Das Darlehen sollte in 71 monatlichen Raten zu je 289,13 Euro und einer Schlussrate in Höhe von 7.150,00 Euro zurückgezahlt werden.
3
Parallel schloss die Klagepartei mit der Verkäuferin des Fahrzeugs, der Firma L GmbH, einen Kaufvertrag über das von der Beklagten zu finanzierende Fahrzeug.
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Die der Klagepartei ausgehändigten Darlehensvertragsunterlagen bestanden aus insgesamt 10 Seiten. Auf Seite 2 findet sich eine in separat umrandete, grau hinterlegte Widerrufsinformation. Auf Seite 4 des Darlehensvertrags findet sich unter der Überschrift „Ausbleibende Zahlungen/Verzugszinsen“ folgende Angabe:
„Ausbleibende Zahlungen können schwerwiegende Folgen für Sie haben und die Erlangung eines Kredits für Sie erschweren. Für ausbleibende Zahlungen kann Ihnen beim Ratenkredit während des Verzugs der gesetzliche Verzugszinssatz berechnet werden; dieser beträgt für das Jahr 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz (§ 247 BGB). Im Falle des als Kontokorrent geführten Kreditrahmens wird bei Verzug der vereinbarte Sollzins berechnet.“
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K2 verwiesen.
6
Eine Angabe, in welcher die derzeitige Höhe des Verzugszinssatzes genannt wird, findet sich in dem Vertrag nicht.
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Das Darlehen wurde ausgekehrt.
8
Anfang 2019 löste die Klagepartei den Darlehensvertrag durch Zahlung eines Ablösebetrags in Höhe von 20.763,06 Euro vollständig ab.
9
Mit Schreiben vom 7.10.2019 erklärte die Klagepartei den Widerruf des Darlehensvertrages (Anlage K3). Die Beklagte wies den Widerruf zurück. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.4.2021 (Anlage K 4) bot die Klagepartei die Rückgabe des Fahrzeugs an.
10
Die Klagepartei begehrt die Rückabwicklung des Vertrags und Rückzahlung der geleisteten Zahlungen.
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Die Klagepartei meint, dass ihr zum Zeitpunkt des Widerrufs noch ein Widerrufsrecht zugestanden habe, weil die Beklagte nicht korrekt über das Widerrufsrecht belehrt habe. In der Widerrufsbelehrung und den sonstigen Regelungen des Vertrags lägen folgende Fehler vor, die dazu führten, dass die Widerrufsfrist nicht angelaufen sei:
- Die Methode zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sei nicht klar angegeben.
- Die Angabe zur Art des Darlehens sei unzureichend.
- Die Angaben zur Kündigung seien unzureichend, da unter anderem keine Angaben zur Form der Kündigung, dass eine Kündigung erst mit Zugang wirksam ist und wann eine Kündigung des Darlehensgebers wirksam ist, enthalten seien.
- Es werde über eine nicht existierende Rückzahlungsverpflichtung belehrt.
- Die Angabe, dass zwischen Auszahlung und Rückzahlung Sollzinsen zu entrichten seien, sei unzutreffend.
- Die Angabe zweier Aufsichtsbehörden sei falsch, da nur eine Behörde zuständig sei.
- Es sei nicht ausreichend, dass Pflichtangaben in den allgemeinen Geschäftsbedingungen und nicht im Darlehensvertrag selbst enthalten seien.
- Über die Auszahlungsbedingungen sei nicht ausreichend informiert worden.
- Die Angaben zum Verzugszinssatz seien unzureichend. Es sei eine absolute Zahl anzugeben.
- Die Verweisung in den Widerrufsinformationen auf die Voraussetzungen des § 492 Abs. 2 BGB hinsichtlich des Fristbeginns sei eine unzulässige Kaskadenverweisung. Sie sei für den Verbraucher nicht verständlich.
- Die Angaben zum außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren seien unzureichend.
12
Die Beklagte könne sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen, da sie das gesetzliche Muster nicht vollständig verwendet hat.
13
Die Beklagte habe keinen Anspruch auf Wertersatz, da sie die Klagepartei hierüber nicht ordnungsgemäß belehrt habe.
14
Nachdem die Beklagte die Anerkennung der Wirksamkeit des Widerrufs ablehne, wäre es eine bloße Förmelei und völlig unverhältnismäßig, wenn der Kläger das Fahrzeug der Beklagten tatsächlich anbieten müsse. Im Schreiben vom 23.6.2021 (Anlage K 4a) sei eine Ablehnung der Rücknahme zu sehen.
15
Die Klagepartei beantragt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei € 25.967,40 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen, binnen 7 Tagen nach Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Mazda CX-5, Fahrzeug-Ident-Nr. ..., nebst Fahrzeugschlüsseln und Fahrzeugpapieren.
2.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klagepartei den Betrag von € 1.242,84 zu zahlen.
3.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziffer 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
16
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
17
Hilfsweise für den Fall, dass der Widerruf wirksam ist, erhebt die Beklagte Hilfswiderklage und beantragt,
Es wird festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten Wertersatz für den Wertverlust des mit dem Darlehensvertrag mit der Anfrage Nr. ... finanzierten PKW Mazda CX-5 (Fahrgestellnummer ...) zu leisten, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und Funktionsweise nicht notwendig war.
18
Die Klagepartei beantragt,
die Hilfswiderklage abzuweisen.
19
Die Beklagte meint, die Pflichtangaben seien ordnungsgemäß erteilt worden. Die Widerrufsfrist sei daher bereits abgelaufen, sodass der Widerruf unwirksam sei.
20
Die Beklagte könne sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen, da sie die Musterbelehrung verwendet habe. Die Geltendmachung von Rückabwicklungsansprüchen sei rechtsmissbräuchlich.
21
Sollte der Widerruf wirksam sein, schulde die Klagepartei Wertersatz.
22
Ein Annahmeverzug bestehe nicht, da das Angebot der Rückgabe des Fahrzeugs nur unter der Voraussetzung der Anerkennung des Widerrufs erklärt worden sei.
23
Die Klagepartei meint demgegenüber der Hilfswiderklageantrag sei unzulässig, da ein Feststellungsinteresse nicht bestehe.
24
Mit Beschluss vom 3.1.2022 (Bl. 150) hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
25
Zur Ergänzung wird auf die Schriftsätze der Klagepartei vom 5.8.2021, 16.12.2021 und 11.2.2022 die Schriftsätze der Beklagten vom 21.9.2021, 15.11.2021 und 4.2.2022 sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.2.2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage erweist sich als zulässig, jedoch unbegründet. Auf die Hilfswiderklage war nicht einzugehen, da die Hilfsbedingung nicht eingetreten ist.
A.
27
Die Klage erweist sich unter Ziffer 1. als derzeit unbegründet, im Übrigen als unbegründet.
28
Hinsichtlich des Antrags unter Ziffer 1. fehlt es an einer Fälligkeit des Anspruchs. Die Klagepartei ist bezüglich der Rückgabe des Fahrzeugs nach § 358 Abs. 4 S. 1 BGB i.V.m. § 357 Abs. 4 S. 1 BGB vorleistungspflichtig. Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 27. Oktober 2020 – XI ZR 498/19 folgendes ausgeführt.
„Nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB sind auf die Rückabwicklung des verbundenen Vertrags unabhängig von der Vertriebsform § 355 Abs. 3 BGB und, je nach Art des verbundenen Vertrags, die §§ 357 bis 357b BGB entsprechend anzuwenden. Danach gelten für alle Verträge („unabhängig von der Vertriebsform“) § 355 Abs. 3 BGB und ergänzend die Vorschriften entsprechend, die nach der „Art des verbundenen Vertrags“ hypothetisch anwendbar wären, wenn dieser selbst widerrufen worden wäre, ohne dass es darauf ankommt, ob insoweit ein Widerrufsrecht bestanden hat. Dies ist bei einem – wie hier – Vertrag über die Lieferung einer Ware die Vorschrift des § 357 BGB.
Aufgrund dessen ist der Kläger nach § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB im Hinblick auf die Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs vorleistungspflichtig. Der Beklagten steht nach § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB – was sie mit der Klageerwiderung geltend gemacht hat – gegenüber dem Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat. Dass die Beklagte angeboten hätte, das Fahrzeug beim Kläger abzuholen (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 – XI ZR 498/19 –, BGHZ 227, 253-268, Rn. 22 – 23).“
29
Dem schließt sich das Gericht vollumfänglich an.
30
Eine Verurteilung gemäß § 322 Abs. 2 BGB auf Leistung nach Rückgabe des Fahrzeugs kommt vorliegend nicht in Betracht, da sich die Beklagte derzeit nicht in Annahmeverzug befindet. Der Gläubiger kommt in Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt, § 293 BGB. Nach § 294 BGB ist hierbei ein tatsächliches Angebot notwendig. Ein solches liegt nicht vor. Ein wörtliches Angebot ist nach § 295 BGB dann ausreichend, wenn der Gläubiger erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Erklärung, dass der Widerruf nicht anerkannt werde, ist dabei nicht gleichzusetzen mit der Erklärung, dass das Fahrzeug nicht angenommen werde. Die Beklagte hat vorliegend nicht ausdrücklich geäußert, dass sie das Fahrzeug nicht annehmen werde. Eine solche Äußerung findet sich auch nicht im Schreiben vom 23.06.2021 (Anlage K4a). Ein wörtliches Angebot war daher nach § 295 BGB nicht ausreichend. Soweit die Klagepartei meint, die Voraussetzungen des tatsächlichen Angebots wäre reine Förmelei und könne der Klagepartei nicht zugemutet werden, folgt das Gericht dem nicht. Die gesetzlichen Regelungen zum Widerruf sehen vor, dass der widerrufende Verbraucher vorleistungspflichtig ist. Insbesondere lässt sich den gesetzlichen Regelungen auch nicht entnehmen, dass der Unternehmer verpflichtet wäre, gegenüber dem Verbraucher die Wirksamkeit des Widerrufs vor Rücknahme des Fahrzeugs anzuerkennen. Mangels Annahmeverzug ist eine Klage nach § 322 Abs. 2 BGB auf Leistungen nach Rückgabe daher nicht möglich.
31
Mangels Annahmeverzugs erweist sich der diesbezügliche Feststellungsantrag ebenfalls als unbegründet.
32
Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten besteht nicht. Dies würde voraussetzen, dass bei Mandatierung die von dem Kläger selbst aus dem Rückgewährschuldverhältnis geschuldete Leistung der Beklagten in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten wurde (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 – XI ZR 498/19). Dies war vorliegend mit dem Widerrufsschreiben nicht der Fall.
B.
33
Die Hilfsbedingungen des Hilfswiderklageantrags ist nicht eingetreten. Die Hilfsbedingung ist insoweit auszulegen. Entscheidend bei der Auslegung von Anträgen kann nicht der bloße Wortlaut eines Antrages sein, sondern der durch ihn verkörperte Wille. Dementsprechend ist nicht nur darauf zu sehen, ob der Antrag für sich allein betrachtet einen eindeutigen Sinn ergibt, sondern es ist auch die dem Antrag beigegebene Begründung zu berücksichtigen (MüKoZPO/Musielak, 6. Aufl. 2020, ZPO § 308 Rn. 6). Bei einer vom Gericht vorgenommenen Auslegung ist von dem Grundsatz auszugehen, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (MüKoZPO/Musielak, 6. Aufl. 2020, ZPO § 308 Rn. 6).
34
Nach diesen Auslegungsgrundsätzen ist der Hilfswiderklageantrag so zu verstehen, dass die Hilfswiderklage für den Fall gestellt ist, dass die Klagepartei mit ihrer Klage aufgrund eines wirksamen Widerrufs obsiegt. Der Fall des Obsiegens der Klagepartei stellt eine innerprozessuale Bedingung dar. Eine Hilfswiderklage kann unter einer derartigen innerprozessuale Bedingung erhoben werden. Demgegenüber würde eine Bedingung für den abstrakten Fall, „dass der Widerruf wirksam ist“ – ohne Zusammenhang zum gestellten Klageantrag – kein innerprozessuales Ereignis darstellen. Die Hilfswiderklage wäre dann an eine Bedingung geknüpft, welche im vorliegenden Rechtsstreit nicht geprüft wird. Unzulässige Bedingungen führen zur Unzulässigkeit der Klage (MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 253 Rn. 21).
35
Nach den Maßstäben der Rechtsordnung ist es daher vernünftig und entspricht der wohlverstandenen Interessenlage, den Hilfsantrag nur für den Fall des Obsiegens der Klagepartei aufgrund eines wirksamen Widerrufs zu stellen. Die Hilfsbedingung ist daher in diesem Sinne auszulegen. Diese Bedingung ist vorliegend nicht eingetreten.
C.
36
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
D.
37
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
E.
38
Ein Wiedereintreten in die mündliche Verhandlung war aufgrund der Schriftsätze vom 28.2.2022 und 7.3.2022 nicht geboten.