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LG München I, Endurteil v. 25.04.2022 – 10 HK O 17905/20
Titel:

Eigenhaftung eines Vertreters wegen Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens

Normenkette:
BGB § 141 Abs. 2, § 311 Abs. 3
Leitsätze:
1. Es ist für die Eigenhaftung eines Vertreters nach § 311 Abs. 3 BGB unter dem Gesichtspunkt der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens nicht ausreichend, dass der Vertragspartner dem Verhandelnden lediglich besonderes Vertrauen entgegenbringt; der Vertreter muss vielmehr durch sein Verhalten Einfluss auf die Entscheidung des anderen Teils nehmen, indem er eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende "Gewähr" für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäfts "bietet". Für die ausnahmsweise Annahme der Eigenhaftung des Vertreters ist zudem erforderlich, dass dieser ein eigenes unmittelbares, wirtschaftliches Interesse an dem Vertragsabschluss hat, das so stark ist, dass der Vertreter "wirtschaftlich gesehen", gleichsam die eigentliche Partei bilden, für die nur formal bei dem Abschluss des Vertrages ein anderer als Partei fungiert. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Eigenhaftung Dritter wegen eines eigenen wirtschaftlichen Interesses kann dann angenommen werden, wenn der Dritte bei den Verhandlungen im Grunde in eigener Sache tätig wird, insbesondere, weil er von vornherein die Absicht hat, die Gegenleistung des anderen Teils nicht ordnungsgemäß an den Vertretenen weiterzuleiten, sondern für eigene Zwecke zu verwenden. Ein mittelbares wirtschaftliches Interesse an dem Geschäft, etwa in Gestalt von Provisionen oder Gewinnen der vertretenen Gesellschaft, reicht hingegen nicht aus. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens durch einen Dritten kann nur angenommen werden, wenn dieser "im Vorfeld einer Garantiezusage" ein zusätzliches, von ihr persönlich ausgehendes Vertrauen auf die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer Erklärungen hervorgerufen hat; dafür genügt die Verletzung vorvertragliche Aufklärungspflichten allein nicht. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
vorvertragliche Informationspflichten, Vertreter, Eigenhaftung, besonderes persönliches Vertrauen, Sanierung
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 24.01.2024 – 7 U 3096/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 53823

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 9.093.529,15 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Ersatz des Vertrauensschadens wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten geltend.
2
Die Klägerin gehört einem Konzern an, der … anbietet. Die Beklagte gehört der … an die vornehmlich sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindliche Unternehmen erwirbt.
3
Die Klägerin war seit 2005 die 100 %ige Muttergesellschaft der … (im Folgenden: Zielgesellschaft). Ende 2017 beschloss die Klägerin die Zielgesellschaft zu veräußern. Die Zielgesellschaft erwirtschaftete im Jahr 2016 einen Verlust in Höhe von ca. 9 Mio. €, der sich im Jahr 2017 auf ca.12,4 Mio. € steigerte. Hinzu kamen Pensionsverbindlichkeiten in beträchtlicher Höhe. Zwischen der Klägerin und der Zielgesellschaft bestand ein Ergebnisabführungsvertrag.
4
Im Schreiben vom 08.01.2018 teilte die Beklagte u.a. mit, dass die … als Industrie – Holding – Gesellschaft die Entwicklung ihrer Portfoliogesellschaften aktiv mit einem langfristigen Horizont unterstütze und sich eines Erwerbsvehikels bedienen werde (Vergleiche Anlage K 1). In dem vorläufigen Kaufangebot vom 29.03.2018 (Anl. K 2) ist u.a. von einer langfristigen Strategie die Rede.
5
Am 30.03.2018 trafen sich Vertreter der Klägerin mit … und … für die … die Erweberseite bestand auf einer Zahlung von 10 Mio. € durch die Klägerin in das Vermögen der Zielgesellschaft. Unter dem 18.084.2018 unterbreitete die Beklagte der Klägerin eine Exklusivitätsvereinbarung (vergleiche Anlage K 3). Im April 2018 wurde der Klägerin bekannt gegeben, dass die … als Erwerbsvehikel dienen sollte.
6
Es wurde vereinbart, dass die Klägerin sicherstellt, dass der Zielgesellschaft am 01.06.2018 ein Nettoumlaufvermögen in Höhe von mindestens 5.100.000,00 € zur Verfügung steht. Ferner verpflichtete sich die Klägerin der Zielgesellschaft 10.000.000,00 € als „E. C.“ zur Verfügung zu stellen. Die Klägerin veranlasste sodann die Zahlung von 14.000.000,00 € in die Kapitalrücklage der Zielgesellschaft.
7
Im notariellen Kaufvertrag vom 30./31.05.2018 zwischen der Klägerin und der … heißt es unter Ziffer 13.7:
„Use of the T. C.
Purchaser shall, and shall procure that the Target Company will, use T. C. exclusively for the developement of the Target Company.“
8
Nebenabreden bestehen gern. Ziffer 20.6 des notariellen Kaufvertrags nicht.
9
Der Kaufvertrag wurde vollzogen und die Geschäftsanteile der Zielgesellschaft auf die Käufergesellschaft … übertragen. Der vorgesehene Kaufpreis von 100.000.00 € wurde auf Grund der vereinbarten Kaufpreisanpassung auf 2.488.702,65 € erhöht und bezahlt. Die Mittel für den angepassten Kaufpreis sollten aus der Zielgesellschaft entnommen werden.
10
Die … fasste am 17.07.20218 als Gesellschafterin der Zielgesellschaft einen Beschluss über eine vorläufige Ergebnisverwendung. Auf Grund dieses Beschlusses nahm sie die Auszahlung einer Vorabdividende in Höhe von 7.500.000,00 € an sich selbst vor.
11
Im Juni 2019 wurden sämtliche Anteile an der Zielgesellschaft an die … übertragen, welche die Geschäftsanteile im August 2019 an die … veräußerte.
12
Mit Schreiben vom 27.11.2019 teilte die Zielgesellschaft der Klägerin mit, sie habe Eigeninsolvenzantrag sowie Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung beim Amtsgericht … gestellt. Zur Begründung verwies die Zielgesellschaft auf die Pensionslast. Das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung wurde erfolgreich abgeschlossen. Die Zielgesellschaft ist weiterhin operativ tätig, die Anzahl der Mitarbeiter blieb stabil.
13
Die Klägerin behauptet, sie hätte ein erhebliches Interesse daran gehabt, dass ein Erwerber der Tochtergesellschaft dieses lebendige Unternehmen fortführt und sicherstellt, dass auch die bestehenden Pensionsverpflichtungen gegenüber den Mitarbeitern künftig erfüllt werden. Die Zielgesellschaft habe als funktionsfähiges Unternehmen erhalten werden und insbesondere die Pensionsverpflichtungen sichergestellt werden sollen; notwendige Investitionen in der Zukunft sollten getätigt werden können.
14
Die Klägerin behauptet, die Beklagte sei, vertreten durch ihre Mitarbeiter, bei sämtlichen Verhandlungen als Vertreterin der … aufgetreten und habe für diese gehandelt. Dabei habe die Beklagte erhebliches Vertrauen der Klägerin erweckt, obwohl die Beklagte nicht selbst Vertragspartnern der Klägerin war. Die Mitarbeiter der Beklagten seien gerade nicht unmittelbar für aufgetreten. Die Beklagte habe als Vertreterin der … in besonderem Maße Vertrauen in Bezug auf die langfristige Fortführung und Weiterentwicklung der Zielgesellschaft und ihre besondere Expertise, Seriosität und für die ordnungsgemäße Abwicklung der Transaktion erweckt. Die Beklagte habe auch die Gewähr für die Seriosität und ordnungsgemäße Abwicklung übernommen. Ohne die Beklagte wäre der Vertrag nicht zustande gekommen, die Beklagte sei die wahre Käuferin des Zielunternehmens gewesen; sie sei als Quasi-Käuferin aufgetreten. An der Seriosität der Beklagten im Hinblick auf einen Artikel im …Tagblatt vom 09.05.2018 (Anl. K 13, K 14) aufkommende Zweifel habe die Beklagte zerstreut. Die Beklagte sei nicht nur als Vertreterin der vermögenslosen … aufgetreten, sondern sei darüber hinaus der eigentliche Vertragsinteressent gewesen. Letzteres ergebe sich sowohl aus dem L. of I. als auch aus der Pr. B. O..
15
Auf Grund der 100 %igen Beherrschung der … durch die Beklagte sei in Person der Beklagten auch ein maximales wirtschaftliches Eigeninteresse im Sinne von § 311 Abs. 3 BGB gegeben.
16
Hätte die Beklagte die Klägerin darüber aufgeklärt, dass keine langfristige Weiterführung (durch Entnahme des hierfür notwendigen Kapitals) erfolgen würde, wäre es nicht zum Vertragsschluss mit der … und insbesondere nicht zur Zuführung des Kapitals gekommen.
17
Die Beklagte habe die Klägerin dazu veranlasst einen Betrag in Höhe von 14.000.000,00 € zur Verfügung zu stellen, wovon 10.000.000,00 € hätten ausweislich Ziffer 13.7. des Kaufvertrags zweckgebunden verwendet werden müssen. Gleichwohl habe die Beklagte nur 7 Wochen nach Vertragsschluss abrede widrig eine Vorabdividende in Höhe von 7.500.000,00 € ausgekehrt, was mittelfristig zur Insolvenz der Zielgesellschaft habe führen müssen. Die Beklagte habe in der Zeit als sie über die …. die Zielgesellschaft beherrscht habe das von der Klägerin zur Verfügung gestellte frische Kapital gerade nicht für Investitionen und zur Sicherstellung der Pensionsverpflichtungen verwendet und gerade keine langfristige Investition in die Zielgesellschaft verfolgt. Den Plan das Unternehmen nicht fortzuführen, sondern das in ihm befindliche Vermögen an sich selbst auszuzahlen, habe die Beklagte bereits zur Zeit der Beurkundung des Kaufvertrags verfolgt ohne die Klägerin insoweit aufzuklären. Dass mit der Dividende der der Klägerin zustehende Kaufpreisanspruch befriedigt werden sollte, sei mit der Klägerin nicht abgesprochen worden. Im Übrigen sei zum Zeitpunkt des Beschlusses über die Ausschüttung der Dividende noch nicht einmal festgestanden, wie hoch der Kaufpreisanspruch der Klägerin sein würde. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung habe auch kein valider und zu erwartender Vermögenszufluss aus einem Factoringvertrag existiert. All dies zeige auf, dass von Anfang an die Intention bestanden habe sich das von der Klägerin zusätzlich eingelegte Kapital zu eigen zu machen und dem Verbund der … Gruppe zuzuführen. Die Begünstigung der Beklagten zeige sich darin, dass die Zielgesellschaft frühzeitig in das C.-P.System der neuen Gesellschafter einbezogen worden sei. Die Beklagte habe zudem dafür Sorge getragen, dass etwaige Ansprüche gegenüber dem Erwerbsvehikel wertlos seien.
18
Die Klägerin habe erst nachträglich davon Kenntnis erlangt, dass die Beklagte entgegen ihren Zusicherungen keine langfristige Anlagestrategie verfolgt habe und der Gesellschaft die hierfür erforderlichen Mittel entzogen und somit die Ursache für die spätere Entwicklung gesetzt habe. Diese Entwicklung sei für die Klägerin bei Vertragsschluss nicht erkennbar gewesen und aufgeklärt habe die Beklagte hierüber nicht.
19
Da die Beklagte das Vertrauen der Klägerin massiv missbraucht habe, schulde sie Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1 i.V.m. 311 Abs. 2, Abs. 3 BGB in Höhe der Zuzahlung in die Kapitalrücklage der Zielgesellschaft von 10.000.000,00 € abzüglich der an die Klägerin getätigten Zahlung des Kaufpreisanpassungsbetrags auf das am Stichtag überschüssige vorhandene „Cash“ in Höhe von 906.470,72 €, somit insgesamt 9.093.529,18 €. Die Beklagte sei bei der Aufnahme der Vertragsverhandlungen bzw. bei der Anbahnung des Vertrags über die Zielgesellschaft selbständig tätig geworden und habe eine eigenes wirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrags gehabt. Die Beklagte habe sich offen ihres Erwerbsvehikels bedient um eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Zudem habe die Beklagte auch das besondere Vertrauen der Klägerin in Anspruch genommen. Ansprechpartner der Beklagten hinsichtlich der Fragen zum Verkauf der Zielgesellschaft sei deren Geschäftsführer … gewesen. Die Beklagte habe die ihr gem. §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 3 BGB obliegenden Pflichten verletzt, da sie bei der Klägerin bewusst wahrheitswidrig den Eindruck erweckt habe, eine langfristige Weiterführung der Zielgesellschaft zu beabsichtigen, obwohl für die Beklagte das Interesse der Klägerin daran erkennbar gewesen sei. Die Beklagte hätte die Klägerin darüber aufklären müssen, dass die Zielgesellschaft von ihr gerade nicht langfristig weitergeführt werden würde und stattdessen schon sieben Wochen nach Abschluss des notariellen Vertrags die Ausschüttung der Vorabdividende beabsichtigt und in die Tat umgesetzt werden würde. Diese Aufklärungspflicht habe gerade die einzig agierende Beklagte getroffen, nicht die Erwerbsgesellschaft. Der Klägerin sei infolgedessen ein Vertrauensschaden in geltend gemachter Höhe entstanden. Die Klägerin habe nur im Vertrauen auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben der Beklagten zusätzliches Eigenkapital in die Zielgesellschaft eingebracht. Durch den Entzug des Eigenkapitals seien Investitionen und die Weiterentwicklung des Betriebs gerade nicht mehr möglich gewesen. Bei wahrer Kenntnis der Absichten der Beklagten, die die Klägerin zur Zahlung des T. C. veranlasst habe, hätte die Klägerin diese Zahlung nicht geleistet.
20
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 9.093.529,18 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
21
Die Beklagte beantragt:
Klageabweisung.
22
Die Beklagte verweist darauf, dass sie nicht Partei des Unternehmenskaufvertrags und somit nicht passivlegitimiert sei. Selbst wenn die Beklagte Vertreterin der Erwerberin gewesen wäre, habe für Erklärungen des Vertreters nach §§ 164, 278 BGB der Geschäftsherr einzustehen. Deshalb sei eine Eigenhaftung des Vertreters grundsätzlich ausgeschlossen. Für das gesetzliche Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 BGB gelte nichts anderes. Die Voraussetzungen des § 311 Abs. 3 BGB lägen nicht vor. Denn die Beklagte sei nicht als Vertreterin der Erwerberin tätig geworden, vielmehr hätten die für die … tätigen Verhandlungsführer unmittelbar im Namen der Erwerberin gehandelt. Aufgrund des Letter auf Intent vom 08.01.2018 sei für die Klägerin erkennbar gewesen, dass die Mitarbeiter der … im Namen und im Interesse des Erwerbsvehikels verhandelten. Die Interessensbekundung an der Zielgesellschaft sei nicht von der Beklagten, sondern allgemein im Namen der … erfolgt (vgl. Anlage K 1). Da klargestellt gewesen sei, dass ein eventueller Erwerb durch ein Akquisitionsvehikel erfolgen würde, habe sich um ein offenes Geschäft für den, den es angeht gehandelt. Die … Mitarbeiter hätten für die Klägerin von Anfang an offenkundig die Verhandlungen namens des Erwerbsvehikels getätigt. Es fehle auch an einem wirtschaftlichen Eigeninteresse der Beklagten, denn diese habe nicht gleichsam in eigener Sache gehandelt. Allein die Zugehörigkeit der Beklagten zur …-Gruppe sei insoweit nicht ausreichend. Die Beklagte führt weiter aus, sie sei nicht Gesellschafterin der … und habe auch nicht die angeführte Dividende vereinnahmt. Es fehle auch an der erforderlichen garantieähnlichen Erklärung. Es habe keine konkreten Aussagen dazu gegeben, wie die Erwerberin mit der Zielgesellschaft umgehen würde. Längerfristige Einschränkungen habe sich die Zielgesellschaft nicht auferlegen lassen, was sich auch aus dem Kaufvertrag Ziffer 13.6. (Anl. K 7) ergebe. Die Beklagte habe auch kein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen, normales Verhandlungsvertrauen sei insoweit unzureichend; im Gegenteil habe die Klägerin ein besonderes Misstrauen entwickelt. Der Erwerber einer Kaufsache müsse mit dem Kaufobjekt nicht so verfahren, wie es sich der Veräußerer vorstelle. Mündliche Nebenabreden bestünden ausweislich Ziffer 20.6. des Kaufvertrags nicht. Im Übrigen sei weder im April 2018 noch zum Zeitpunkt des Kaufvertrags am 30./31.05.2018 ein Weiterverkauf beabsichtigt gewesen. Die Behauptung die Erwerberin habe die Übernahme der Pensionsverpflichtungen von der Leistung einer Einlage der Klägerin abhängig gemacht sei nachweislich falsch, außerdem habe die Klägerin keine entsprechende Erwartung gehabt; dies ergebe sich auch aus Ziffer 13.7. des Kaufvertrags. Zentrales Motiv der Klägerin für den Verkauf der Zielgesellschaft sei gewesen die hochdefizitäre Tochtergesellschaft abzustoßen. Die Dividende sei am 02.10.2018, somit Monate nach dem Closing ausgeschüttet worden. Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe sehr wohl gewusst, dass eine Dividende beschlossen werden würde. Ein Teil der Dividende sie nachweislich an die Klägerin geflossen, was bereits am 17.07.2018 angesichts der Kaufpreisanpassung geplant gewesen sei; der andere Teil sei nicht im Zusammenhang mit der geleisteten Einlage gestanden. Dass das T. C. nicht für die Ausschüttung der Dividende verwendet worden sei, ergebe sich daraus, dass in den Jahren 2018 und 2019 Investitionen in Millionenhöhe vorgenommen worden seien. Das von der Klägerin angesprochenen Insolvenzverfahren habe nichts mit der Eigentümerschaft der … zu tun.
23
Die Beklagte führt aus, es sei völlig unklar, worin der von der Klägerin geltend gemachte Schaden bestehen solle. Betrachte man die Summe der wirtschaftlichen Auswirkungen der Transaktion seinen der Klägerin Vorteile in Millionenhöhe entstanden. Eine isolierte Rückforderung der von der Klägerin geleisteten Einlage kommen nicht in Betracht.
24
Die Beklagte sei somit hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche aus c.i.c. nicht passivlegitimiert. Denn die Beklagte sei nicht Vertragspartnerin der Klägerin gewesen und hafte auch nicht ausnahmsweise als Dritter für vorvertragliche Pflichtverletzungen. Zudem scheide auch eine Haftung der Erwerberin und deren Rechtsnachfolger aus. Es fehle bereits an einer falschen, der Erwerberin falschen Tatsachenbehauptung, an einer Täuschung und an einem infolge der Täuschung erlittenen Vertrauensschaden Soweit die Klägerin auf die Verletzung vertraglicher Pflichten betreffend die Verwendung des T. C. abstelle entbehre eine Haftung der Beklagten jeglicher Grundlage.
25
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 29.11.2021 Bezug genommen.
26
Es wurde im schriftlichen Verfahren entschieden. Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gern. § 128 Abs. 2 ZPO einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

27
Die zulässige Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen.
28
Begründete Ansprüche gem. §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 3 BGB auf Schadensersatz wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten bestehen nicht.
29
Nach § 311 Abs. 3 S. 1 BGB kann ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen „insbesondere“ dann entstehen, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsabschluss erheblich beeinflusst. § 311 Abs. 3 S. 1 BGB erfasst dabei die Fälle der Eigenhaftung von Vertretern oder Verhandlungsgehilfen, § 311 Abs. 3 S. 2 BGB vornehmlich die Fälle der Sachwalterhaftung. Dabei ist für die Eigenhaftung eines Vertreters unter dem Gesichtspunkt der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens nicht ausreichend, dass der Vertragspartner dem Verhandelnden lediglich besonderes Vertrauen entgegenbringt; der Vertreter muss vielmehr durch sein Verhalten Einfluss auf die Entscheidung des anderen Teils nehmen, indem er eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende „Gewähr“ für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäfts „bietet“. Für die ausnahmsweise Annahme der Eigenhaftung des Vertreters ist zudem erforderlich, dass dieser ein eigenes unmittelbares, wirtschaftliches Interesse an dem Vertragsabschluss hat, das so stark ist, dass der Vertreter „wirtschaftlich gesehen“, gleichsam die eigentliche Partei bilden, für die nur formal bei dem Abschluss des Vertrages ein anderer als Partei fungiert. Die Eigenhaftung Dritter wegen eines eigenen wirtschaftlichen Interesses kann dann angenommen werden, wenn der Dritte bei den Verhandlungen im Grunde in eigener Sache tätig wird, insbesondere, weil er von vornherein die Absicht hat, die Gegenleistung des anderen Teils nicht ordnungsgemäß an den Vertretenen weiterzuleiten, sondern für eigene Zwecke zu verwenden. Ein mittelbares wirtschaftliches Interesse an dem Geschäft, etwa in Gestalt von Provisionen oder Gewinnen der vertretenen Gesellschaft, reicht hingegen nicht aus.
30
Daran fehlt es hier. Tatsächlich erhielt die … die Gegenleistung der Klägerin, nämlich die Geschäftsanteile an der Zielgesellschaft mit den von der Klägerin in diese einbezahlten finanziellen Mittel erhalten. Selbst wenn die Beklagte selbst 100%ige Aktionärin wäre, würde lediglich ein nur mittelbares wirtschaftliches Interesse an dem Geschäft vorliegen, welches, wie oben ausgeführt, nicht ausreichend ist.
31
Die Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens kann nur angenommen werden, wenn die Beklagte „im Vorfeld einer Garantiezusage“ ein zusätzliches, von ihr persönlich ausgehendes Vertrauen auf die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer Erklärungen hervorgerufen hat; dafür genügt die Verletzung vorvertragliche Aufklärungspflichten allein nicht. Besonderes persönliches Verhandlungsvertrauen kann vorliegend nicht angenommen werden.
32
Die Klägerin hatte sich auf einen sogenannten „Sanierer“ eingelassen, um die Geschäftsanteile ihrer wirtschaftlich defizitären Tochtergesellschaft zu veräußern. In Anbetracht der unstreitig gebliebenen Zahlen veräußerte die Klägerin in der Tat kein gesundes Unternehmen. Andernfalls hätte sie sich mit ihrem Veräußerungsanliegen nicht an einen Sanierer wenden müssen und ihrer Tochtergesellschaft vor dem Verkauf der Geschäftsanteile nicht Mittel in Höhe von 14 Mio. € zuführen müssen. Die im LOI abgegebenen „Garantieerklärungen“ sind nichts weiter als werbende Aussagen und können keine besonders persönliches Vertrauen begründen. Im Übrigen erlangte die Klägerin auch über einen Artikel im … Kenntnis von möglichen Szenarien infolge der Übernahme durch einen „Sanierer“. Es kann nicht nachvollzogen werden, dass die Klägerin so blauäugig gewesen sein will, sich mit der simplen Erklärung in der E-Mail vom 10.05.2018 (Anl, K 14) beruhigen zu lassen und weiterhin besonderes Vertrauen gehabt haben will. Von gänzlich uneigennützigen Motiven eines Sanierers kann bei vernünftiger Betrachtungsweise im Fall des Verkaufs eines wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmens nicht ausgegangen werden. Die Klägerin mag Vertrauen in die allgemeine Abwicklung des Verkaufs ihrer Tochtergesellschaft durch Einschaltung der Beklagten bzw. der … gehabt haben. Insoweit wurde die Klägerin auch nicht enttäuscht. Die Klägerin konnte die Geschäftsanteile an der Zielgesellschaft wie vereinbart veräußern, hat den vereinbarten Kaufpreis erhalten und ist zudem in den Genuss der – unstreitig – sonstigen wirtschaftlichen, mit dem Verkauf der angeschlagenen Tochtergesellschaft verbundenen Vorteile gelangt. Im Übrigen wurde von der Klägerin nicht vorgetragen, dass seitens der Beklagten – über die werbenden, allgemein gehaltenen Aussagen hinaus – spezielle Erklärungen bzw. Zusicherungen betreffend das Schicksal der Zielgesellschaft abgegeben wurden, welche besonderes Vertrauen hätten begründen können. Allein das Schweigen auf den Hinweis der Klägerin, dass der Betrag der Zuzahlung in die Kapitalrücklage zweckgebunden für Investitionen in die Weiterentwicklung der Gesellschaft geleitet werde, ist zur Begründung eines besonderen, über das allgemeine Verhandlungsvertrauen hinausgehenden Vertrauens nicht geeignet.
33
Letztlich kann dahinstehen, ob die Beklagte „Quasi-Partei“ war.
34
Denn die Klägerin hat keinen begründeten Anspruch auf isolierten Ersatz der von ihr in die Kapitalrücklage der Zielgesellschaft geleisteten Mittel.
35
Im Falle eines Verstoßes gegen Aufklärungspflichten aus c.i.c. auf Grund von §§ 311 Abs. 2, Abs. 3, § 241 Abs. 2 BGB ergeben sich Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 i.V.m. §§ 249-253 BGB. Der Geschädigte kann somit grundsätzlich verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne die von dem anderen Teil zu vertretende Pflichtverletzung während der Vertragsverhandlungen stehen würde. Der Ersatzanspruch des Geschädigten ist in aller Regel auf das negative Interesse, den sog. Vertrauensschaden gerichtet, sofern bei pflichtgemäßem Verhalten des anderen Teils überhaupt nicht oder doch nicht zu diesem Abschluss gekommen wäre. Der Schaden besteht in diesem Fall in der Belastung mit einem überhaupt nicht oder doch nicht in der schließlich vereinbarten Form gewünschten Vertrag. Der Geschädigte kann dann im Wege der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 Befreiung von dem nicht gewünschten Vertrag durch dessen Aufhebung sowie Ersatz seiner zusätzlichen Aufwendungen und abzüglich etwa erhaltener Ausschüttungen verlangen.
36
Die Klägerin möchte jedoch ausdrücklich an dem Veräußerungsgeschäft festhalten und gerade nicht so gestellt werden als hätte sie die Geschäftsanteile an der Zielgesellschaft nicht an die Beklagte veräußert. Die Klägerin möchte so gestellt werden als hätte sie das T. C. in Höhe von 10 Millionen Euro nicht in die Zielgesellschaft einbezahlt, gleichwohl aber das streitgegenständliche Veräußerungsgeschäft mit der … geschlossen. Das heißt die Klägerin möchte so gestellt werden, als hätte sie den Veräußerungsvertrag mit der … zu anderen, nämlich eindeutig für sie günstigeren Bedingungen geschlossen. Das ist grundsätzlich möglich. Der Geschädigte kann sich nämlich auch auf den Standpunkt stellen, es wäre ihm bei ordnungsmäßiger Aufklärung gelungen, mit dem anderen Teil oder mit einem Dritten einen für ihn günstigeren Vertrag als tatsächlich geschehen abzuschließen, so dass sein Schaden in dem ihm entgangenen Gewinn aus dem hypothetischen anderen Vertrag bestehe. Voraussetzung ist jedoch, dass der Klägerin der Nachweis gelingt, dass es bei ordnungsmäßiger Aufklärung tatsächlich zu dem für sie günstigeren anderen Vertragsabschluss gekommen wäre, die … die Zielgesellschaft auch ohne das von der Klägerin zugeführte T. C. erworben hätte. Beweiserleichterungen kommen der Klägerin insoweit nicht zugute. Die Zahlung der 10 Mio. € jedoch Bedingung für den Erwerb der Zielgesellschaft durch die …. Den Beweis für einen möglichen Vertragsabschluss ohne diese Kapitalzuführung hat die Klägerin nicht angetreten.
37
Somit war die Klage abzuweisen.
Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
Streitwert: § 3 ZPO.