Titel:
Rechtsmissbräuchlichkeit des Widerspruchs gegen einen Lebensversicherungsvertrag
Normenketten:
VVG aF § 5a
BGB § 242
Leitsätze:
1. Ist eine Widerspruchsbelehrung bei einem im Policenmodell abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag fehlerhaft, kann der Versicherer grundsätzlich nicht darauf vertrauen, das Widerspruchsrecht werde nicht ausgeübt. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die an das Umstandsmoment einer Verwirkung des Widerspruchsrechts zu stellenden Anforderungen wiegen umso geringer, je länger der Zeitraum zwischen dem Vertragsabschluss und dem Widerspruch ist. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Übt ein Versicherungsnehmer sein Widerspruchsrecht nach fehlerhafter Belehrung 21 Jahre nach Vertragsabschluss aus, und hat er zwischenzeitlich mehrfach aktiv auf die Vertragsabwicklung durch Abschluss einer Zusatzversicherung, Sicherungsabtretung und Rückabtretung der Ansprüche, Fondswechsel und zahlreiche vertragsbezogene Anfragen Einfluss genommen, verhält er sich rechtsmissbräuchlich. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Lebensversicherung, Policenmodell, Widerspruchsrecht, fehlerhafte Belehrung, Zeitablauf, Gesamtumstände, Fondswechsel, Sicherungsabtretung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Endurteil vom 30.01.2023 – 21 U 2917/22
BGH Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 29.11.2023 – IV ZR 61/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 53623
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 15.439,36 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach nachträglich erklärtem Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F.
2
Der Kläger schloss bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich: „die Beklagte“), mit Versicherungsbeginn zum 01.04.2000 die streitgegenständliche fondsgebundene Lebensversicherung … im Wege des Policenmodells ab. Der Kläger ist als Versicherungsvermittler tätig und vermittelte sich den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag selbst. Hinsichtlich des Inhalts des Vertragsverhältnisses wird Bezug genommen auf den als Anlage K1 in Kopie vorgelegten Versicherungsschein. Das Policenbegleitschreiben vom 07.04.2000 enthielt folgende Belehrung:
„Sie können dem Versicherungsvertrag ab Stellung des Antrags bis zum Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins einschließlich der Versicherungsbedingungen und der übrigen Verbraucherinformationen widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“
3
Hinsichtlich der drucktechnischen Gestaltung der Belehrung wird Bezug genommen auf die Anlage K1 (dort Seite 3).
4
Im Juni 2000 beantragte der Klägerin außerdem den Einschluss einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) in den Vertrag (vgl. Anlage … 2). Dies wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 10.8. 2000 bestätigt (vgl. Anlagen … 3 und … 4).
5
Mit Übersendung des Versicherungsscheins sind dem Kläger auch die Versicherungsbedingungen der Beklagten sowie die Verbraucherinformationen zugegangen, wobei der Kläger insoweit moniert, dass die Verbraucherinformationen inhaltlich unvollständig gewesen seien.
6
Der Kläger nahm mit Vertragsbeginn die Prämienzahlung auf.
7
Im September 2001 begehrte der Kläger von der Beklagten die Erhöhung der BUZ, woraufhin diese ihm unter dem 12.09.2001 ein entsprechendes Angebot übermittelte (vgl. Anlage … 5).
8
Mit E-Mail vom 27.11.2003 (Anlage … 6) erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten nach dem Guthaben der Versicherung und nach einer möglichen Beleihung des Vertrages. Die Beklagte erteilte mit E-Mail bzw. Schreiben vom 28.11.2003 (Anlage … 7) die gewünschte Auskunft.
9
Der Kläger trat sodann unter dem 18.12.2003 die Ansprüche aus der streitgegenständlichen Versicherung an die … zur Sicherung von Ansprüchen der … gegen ihn auf Rückzahlung nicht verdient erbrachter Provisionsvorschüsse aus einem Mitarbeitervertrag ab (vgl. Anlage … 8). Die Beklagte bestätigte die Abtretung mit Schreiben vom 19.01.2004 (Anlage … 9).
10
Mit Schreiben vom 13.06.2005 (Anlage … 10) wurde die Beklagte darüber informiert, dass die Abtretung wieder freigegeben wurde.
11
Im Mai 2011 erkundigte sich der Kläger telefonisch bei der Beklagten nach der Herabsetzung der BUZ. Die Beklagte unterbreitete ihm daraufhin mit Schreiben vom 26.05.2011 ein entsprechendes Angebot (Anlage … 11).
12
Zudem erkundigte sich der Kläger im Mai 2011 nach einem Fondswechsel, woraufhin ihm die Beklagte mit Schreiben vom 30.05.2011 ein entsprechendes Formular zusandten (Anlage … 12), das der Kläger unter dem 31.05.2011 ausfüllte (Anlage … 13). Der Fondswechsel wurde sodann mit Schreiben vom 16.06.2011 bzw. 06.07.2011 (Anlage … 14) durch die Beklagte bestätigt.
13
Im September 2019 erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten nach Erhöhungsoptionen. Die Beklagte teilte ihm mit Schreiben vom 23.09.2011 (Anlage … 15) mit, dass eine Erhöhungsoption nicht vereinbart sei.
14
Im Oktober 2019 erkundigte sich der Kläger erneut nach einem Fondswechsel bei der Beklagten, welche ihm unter dem 23.10.2019 erneut ein entsprechendes Formular zusandte (Anlage B 16). Mit E-Mail vom 29.10.2019 (Anlage B 17) erfolgte eine weitere Anfrage des Klägers zum Fondswechsel, welche die Beklagte ihm mit Schreiben vom 03.12.2019 (Anlage B 18) beantwortete.
15
Im Mai 2020 erkundigte sich der Kläger außerdem nach den BU-Kosten (vgl. Anlage … 19). Die Beklagte übermittelte dem Kläger daraufhin die Zerlegungsaufstellung zu den Fonds und ein Fondswechselformular im Juni 2020 (Anlage … 20). Daraufhin stellte der Kläger der Beklagten erneut telefonisch diverse Rückfragen.
16
Mit Schreiben vom 28.01.2021 kündigte der Kläger sodann den Vertrag (Anlage … 21). Der Vertrag wurde infolgedessen zum 01.03.2021 von der Beklagten abgerechnet und beendet. Gemäß Abrechnungsschreiben der Beklagten vom 08.03.2021 (Anlage B 22) zahlte die Beklagte dem Kläger einen Rückkaufswert in Höhe von 27.901,30 € aus.
17
Mit Schreiben vom 11.03.2021 (Anlage K2) erklärte der Kläger sodann den Widerspruch nach § 5a VVG a.F. gegen das Zustandekommen des Vertrages. Die Beklagte wies diesen mit Schreiben vom 02.08.2041 (Anlage … 23) zurück.
18
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe ihn nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt. Die vorliegend von der Beklagten erteilte Belehrungen sei jedenfalls deshalb fehlerhaft, weil sie nicht darauf hinweise, dass der Widerspruch in Textform zu erfolgen habe. Der Kläger ist zudem der Ansicht, dass der Beklagten der Nachweis obliege, dass der Kläger sämtliche erforderlichen Verbraucherinformationen gemäß § 10a VAG erhalten habe.
19
Das Widerspruchsrecht des Klägers sei zum Zeitpunkt seiner Ausübung auch nicht verwirkt gewesen.
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Hinsichtlich der Berechnung des Klägers zu Höhe des geltend gemachten Rückabwicklungsanspruchs wird Bezug genommen auf die Ausführungen des Klägers in der Klageschrift auf S. 7 ff. (Bl. 7 ff. d.A.).
- 1.
-
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 15.439,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 2.
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.134,55 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
22
Die Beklagte beantragt
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass unabhängig von der Wirksamkeit der Widerspruchsbelehrung und der Ordnungsgemäßheit der Verbraucherinformationen etwaige Ansprüche des Klägers verwirkt seien.
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Die Beklagte bestreitet zudem auch die vom Kläger vorgenommene Berechnung seines behaupteten Anspruchs vollumfänglich. Insbesondere beruhe diese auf reinen Schätzungen und Mutmaßungen; es erschließen sich daher auch nicht, wie beispielsweise die Abschlussund Verwaltungskosten sowie die Risikokosten vom Kläger berechnet worden seien. Im Übrigen verkenne der Kläger, dass es sich hier um ein fondsgebundenes Produkt handele.
26
Der Rechtsstreit ist durch Beschluss der Kammer vom 30.08.2021 (Bl. 44/45 d.A.) gemäß § 348a Abs. 1 ZPO auf den Einzelrichter übertragen worden.
27
Das Gericht hat mündlich verhandelt. Hinsichtlich des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 23.03.2022 (Bl. 84/85 d.A).
28
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf sämtliche gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie sonstige Aktenteile. Beweis wurde nicht erhoben.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
30
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages nach §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 1 BGB infolge seines im Jahr 2021 erklärten Widerspruchs nach § 5a VVG a.F., da sich vorliegend die Ausübung eines Widerspruchsrechts durch den Kläger jedenfalls als rechtsmissbräuchlich darstellt und hieraus abgeleitete Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte daher gemäß § 242 BGB verwirkt sind.
31
1. Der streitgegenständliche Vertrag wurde unstreitig im Policenmodell geschlossen. Der Kläger war daher gemäß § 5a Abs. 1, Abs. 2 VVG a.F. (in der vom 01.01.2000 bis 31.07.2001 gültigen Fassung) bei Vertragsschluss von der Beklagten über sein Widerspruchsrecht zu belehren.
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2. Dahinstehen kann vorliegend im Ergebnis die Frage, ob die Beklagte den Kläger ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht gemäß § 5a VVG a.F. belehrt hat, was das Gericht verneint. Sie ist inhaltlich nicht ordnungsgemäß, weil der Hinweis fehlt, dass der Widerspruch in Textform zu erfolgen hat. Sie ist ferner auch nicht hinreichend drucktechnisch hervorgehoben.
33
3. Der Kläger kann gleichwohl vorliegend keine Ansprüche mehr aus dem von ihm im Jahr 2021 erklärten Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages im Jahr 2000 herleiten. Vielmehr steht einem bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruch des Klägers infolge des im Jahr 2021 erklärten im vorliegenden konkreten Fall jedenfalls der Einwand der Verwirkung (§ 242 BGB) entgegen. Die Ausübung eines Widerspruchsrechts durch den Kläger und die hierauf gestützte Ableitung von Rückabwicklungsansprüchen stellt sich vorliegend als rechtsmissbräuchlich, da in höchstem Maße widersprüchlich dar.
34
3.1 Dabei verkennt das Gericht nicht, dass es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich bereits deshalb an dem – neben dem Zeitmoment – erforderlichen Umstandsmoment für die Annahme einer Verwirkung fehlt, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein ihm gesetzlich zustehendes Vertragslösungsrecht belehrt hat. Denn in einem solchen Fall ist es dem Versicherer grundsätzlich verwehrt, sich auf ein schutzwürdiges Vertrauen zu berufen (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2014 – IV ZR 76/11 Rn. 39 f., zit. nach juris). Aus dem gleichen Grund kann danach allein in der Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs grundsätzlich keine unzulässige Rechtsausübung im Sinne eines widersprüchlichen Verhaltens, das als solches grundsätzlich zulässig ist, gesehen werden. Vielmehr kann nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung ein widersprüchliches Verhalten nur dann als rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 242 BGB angesehen werden, wenn für den anderen Vertragspartner ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. auch BGH, Urteil vom 17.12.2014 – IV ZR 260/11).
35
Dass selbst im Falle eines Belehrungs- oder Informationsverstoßes per se und ausnahmslos dem Versicherer die Berufung auf den Verwirkungseinwand des § 242 BGB wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens verwehrt wäre, lässt sich aus dieser Rechtsprechung (gerade auch unter Berücksichtigung von BGH, Urteil vom 16.07.2014 – IV ZR 73/13) somit aber nicht ableiten. Vielmehr hat danach auch im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung in Bezug auf diese Rechtsinstitute eine konkrete Einzelfallprüfung zu erfolgen und sind diese nicht allein auf Grund eines Belehrungs- oder Informationsverstoßes generell ausgeschlossen (vgl. OLG München, Urteil vom 21.04.2015 – 25 U 3877/11). Entscheidend ist vielmehr, ob Umstände vorliegen, die der Versicherer dahin verstehen durfte, dass der Versicherungsnehmer unabhängig von einem etwaigen Lösungsrecht unbedingt den Vertrag fortsetzen wollte.
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3.2 Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment), der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte (Umstandsmoment) dass er es nicht mehr geltend machen werde. Dabei wird in Rechtsprechung eine Wechselwirkung zwischen den Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf insofern angenommen, als der Zeitablauf umso kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und dass umgekehrt an die Umstände desto geringere Anforderungen gestellt werden, je länger der abgelaufene Zeitraum angedauert hat (BGH, Urteil vom 19.12.2000 – X ZR 150/98). Die Annahme einer solchen Wechselwirkung ist im Hinblick auf den mit einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung verfolgten Zweck, nämlich dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit zu geben, seine Vertragsentscheidung noch einmal zu überdenken und ihm hierzu ein (grundsätzlich) zeitlich begrenztes Vertragslösungsrecht einzuräumen, auch sachgerecht, da dieser Zweck mit voranschreitendem Zeitablauf immer weiter in den Hintergrund tritt, wenn der Versicherungsnehmer den Vertrag über viele Jahre hinweg fortführt und somit zu erkennen gibt, dass er am Vertrag festhalten wird (vgl. OLG Köln, Urteil vom 19.09.2014 – 20 U 69/14).
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Aufgrund des im vorliegenden Fall ganz erheblichen Zeitablaufs von über 21 Jahren zwischen Vertragsschluss und Vertragslösungserklärung und unter Berücksichtigung der genannten Wechselwirkung sind hier also geringere Anforderungen an das Umstandsmoment zu stellen.
38
Des Weiteren ist auch zu berücksichtigen, dass nach der gesetzlichen Regelung, deren Wertung auch in die Beurteilung der Frage, ob treuwidriges Verhalten vorliegt, miteinzubeziehen ist, dass selbst bei arglistigem Verhalten eines Vertragspartners oder widerrechtliche Drohung nach Ablauf von 10 Jahren eine Anfechtung nicht mehr erfolgen kann, bei einer Täuschung auch dann, wenn der Getäuschte von den Umständen der Täuschung keine Kenntnis hatte, § 124 Abs. 3 BGB (vgl. OLG München, Beschluss vom 17.09.2019 – 25 U 3878/19). Liegt ein besonders langer Zeitablauf zwischen Vertragsschluss und Widerspruch vor – wie hier –, kommt aufgrund der bereits genannten Wechselwirkung zwischen Zeit- und Umstandsmoment die Annahme eines Rechtsmissbrauchs schon dann in Betracht, wenn an sich eher gering zu gewichtende Umstände für eine solche Annahme vorhanden sind.
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3.3 Im vorliegenden konkreten Einzelfall sind sowohl das Zeitmoment als auch erhebliche Einzelumstände von einem solchen Gewicht gegeben, dass eine Verwirkung anzunehmen ist:
40
Der Kläger hat hier den Widerspruch gegen die von ihm seinerzeit im Jahr 2000 gegenüber der Beklagten abgegebene Willenserklärung auf Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages, erst über zwei Jahrzehnte (21 Jahre) nach Vertragsschluss erklärt. Zuvor hatte der Kläger den Vertrag über die gesamte Vertragslaufzeit bis zur Kündigung im März 2021, kurz vor Erklärung des Widerspruchs, immer wieder aktiv mitgestaltet, ihn sich wirtschaftlich zunutze gemacht, im Rechtsverkehr verwendet und die sich daraus für ihn ergebenden wirtschaftlichen Vorteile anstandslos in Anspruch genommen. Zunächst begehrt der Kläger, nach Aufnahme der vereinbarten Prämienzahlungen und kurz nach Abschluss Rentenversicherung auf seinen Wunsch hin erfolgtem Einschluss einer BUZ, im September 2001 die Erhöhung der BUZ, woraufhin diese ihm unter dem 12.09.2001 ein entsprechendes Angebot übermittelte (vgl. Anlage … 5). Mit E-Mail vom 27.11.2003 (Anlage … 6) erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten nach dem Guthaben der Versicherung und nach einer möglichen Beleihung des Vertrages. Die Beklagte erteilte mit EMail bzw. Schreiben vom 28.11.2003 (Anlage … 7) die gewünschte Auskunft. Der Kläger trat sodann unter dem 18.12.2003 die Ansprüche aus der streitgegenständlichen Versicherung an die … … zur Sicherung von Ansprüchen der … gegen ihn auf Rückzahlung nicht verdient erbrachter Provisionsvorschüsse aus einem Mitarbeitervertrag ab (vgl. Anlage … 8). Die Beklagte bestätigte die Abtretung mit Schreiben vom 19.01.2004 (Anlage … 9). Hiermit hat der Kläger unmissverständlich und deutlich gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht, dass er selbst weiterhin von der Wirksamkeit des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages ausgehe und an diesem festhalten wolle, andernfalls er sich diesen nicht in Gestalt der Abtretung für sich hätte wirtschaftlich nutzbar machen können. Mit Schreiben vom 13.06.2005 (Anlage … 10) wurde die Beklagte darüber informiert, dass die Abtretung wieder freigegeben wurde. Irgendeine Erklärung seitens des Klägers, wonach er an dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag sodann nicht mehr festhalten wolle, erfolgte nicht. Knapp sechs Jahre später, im Mai 2011 erkundigte sich der Kläger dann telefonisch bei der Beklagten nach der Herabsetzung der BUZ. Die Beklagte unterbreitete ihm daraufhin mit Schreiben vom 26.05.2011 ein entsprechendes Angebot (Anlage … 11). Zudem erkundigte sich der Kläger im Mai 2011 nach einem Fondswechsel, woraufhin ihm die Beklagte mit Schreiben vom 30.05.2011 ein entsprechendes Formular zusandten (Anlage … 12), das der Kläger unter dem 31.05.2011 ausfüllte (Anlage … 13). Der Fondswechsel wurde sodann mit Schreiben vom 16.06.2011 bzw. 06.07.2011 (Anlage … 14) durch die Beklagte bestätigt. Im September 2019 erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten nach Erhöhungsoptionen. Die Beklagte teilte ihm mit Schreiben vom 23.09.2011 (Anlage … 15) mit, dass eine Erhöhungsoption nicht vereinbart sei. Im Oktober 2019 erkundigte sich der Kläger erneut nach einem Fondswechsel bei der Beklagten, welche ihm unter dem 23.10.2019 erneut ein entsprechendes Formular zusandte (Anlage B 16). Mit E-Mail vom 29.10.2019 (Anlage B 17) erfolgte eine weitere Anfrage des Klägers zum Fondswechsel, welche die Beklagte ihm mit Schreiben vom 03.12.2019 (Anlage B 18) beantwortete. Im Mai 2020 erkundigte sich der Kläger außerdem nach den BU-Kosten (vgl. Anlage … 19). Die Beklagte übermittelte dem Kläger daraufhin die Zerlegungsaufstellung zu den Fonds und ein Fondswechselformular im Juni 2020 (Anlage … 20). Daraufhin stellte der Kläger der Beklagten erneut telefonisch diverse Rückfragen. Mit Schreiben vom 28.01.2021 kündigte der Kläger schließlich den Vertrag (Anlage … 21). Der Vertrag wurde infolgedessen zum 01.03.2021 von der Beklagten abgerechnet und beendet. Gemäß Abrechnungsschreiben der Beklagten vom 08.03.2021 (Anlage B 22) zahlte die Beklagte dem Kläger einen Rückkaufswert in Höhe von 27.901,30 € aus. Kurz darauf, mit Schreiben vom 11.03.2021 (Anlage K2) erklärte der Kläger sodann den Widerspruch nach § 5a VVG a.F. gegen das Zustandekommen des Vertrages.
41
Zusammenfassend ist also vorliegend festzustellen, dass der Kläger bis zu der von ihm im März 2021 und somit kurz vor Erklärung des Widerspruchs ausgesprochenen Kündigung des Vertrages, also über 21 Jahre hinweg seit Vertragsabschluss, stets, wiederholt und unmissverständlich gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht hat, an der Vertragsdurchführung nicht nur festhalten zu wollen, sondern daran auch ein vitales wirtschaftliches Interesse zu haben. Hierauf durfte die Beklagte berechtigterweise auch vertrauen.
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3.4 Bei einer Gesamtschau dieses Verhaltens des Klägers hat dieser vorliegend bei der Beklagten also wiederholt und fortlaufend den Eindruck erweckt, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen. Dieses aufgezeigte Verhalten des Klägers ist bei einer Gesamtbetrachtung als in hohem Maße widersprüchlich zu bezeichnen. Denn mit der Ausübung eines Vertragslösungsrechts nach § 5a VVG a.F. und Geltendmachung eines Rückabwicklungsanspruchs will der Kläger einerseits zum Ausdruck bringen, dass er sich von seiner über zwei Jahrzehnte zuvor gegenüber der Beklagten abgegebenen Willenserklärung auf Abschluss der streitgegenständlichen fondsgebundenen Lebensversicherung distanzieren möchte, andererseits dies aber erst, nachdem der Vertrag 21 Jahre lang sehr aktiv von ihm gelebt und wirtschaftlich genutzt wurde und auch erst, nachdem er sodann nach Ende der wirtschaftlichen Nutzung den Vertrag gekündigt und den von der Beklagten ausgezahlten Rückkaufswert anstandslos entgegengenommen hat.
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Ein solches Verhalten ist nach Überzeugung des erkennenden Gerichts ohne Zweifel als rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 242 BGB anzusehen. Bei einer Gesamtschau der genannten Umstände und unter Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen dem hier sehr ausgeprägt vorliegenden Zeitmoment und den aufgezeigten Umständen gelangt das Gericht daher vorliegend zu der Überzeugung, dass erkennbares Ziel, das der Kläger mit der Erklärung des Widerspruchs im Jahr 2021 und der Geltendmachung eines hierauf gestützten Rückabwicklungsanspruchs zu beabsichtigen verfolgt, nicht etwa ist, etwaige Nachteile seiner seinerzeit bei Vertragsschluss möglicherweise übereilt getroffenen Anlagenentscheidung zu kompensieren, sondern vielmehr, nunmehr seine Rendite – zumal nach bereits erfolgter Kündigung des Vertrages und Entgegennahme des Rückkaufswerts – zu Lasten der Versichertengemeinschaft im Nachhinein noch zu maximieren.
44
4. Da ein Anspruch des Klägers somit bereits dem Grunde nach nicht in Betracht kommt, waren Feststellungen zur Höhe des geltend gemachten Anspruchs nicht zu treffen.
45
5. Mangels Anspruchs des Klägers auf die Hauptforderungen war die Klage auch in Bezug auf die Nebenforderungen (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und Zinsbegehren) abzuweisen.
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II. 1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
48
Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO festgesetzt.