Titel:
Kostenentscheidung, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Streitwertberechnung, Antragsgegner, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Sofortige Beschwerde, Entscheidungen der Vergabekammer, Notwendige Auslagen, Nachprüfungsantrag, Rechtsmittel, Richterlicher Hinweis, Beiladung, Rücknahme der sofortigen Beschwerde, Vergabeverfahren, Beschlüsse, Bisheriger Sach- und Streitstand, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Zweckentsprechende Rechtsverfolgung, Zweckentsprechende Rechtsverteidigung, De-facto-Vergabe
Schlagworte:
Beschwerdeverfahren, Kostenentscheidung, Streitwertfestsetzung, Europaweite Ausschreibung, Nachprüfungsantrag, Rücknahme des Rechtsmittels, Baumeisterarbeiten
Vorinstanz:
Vergabekammer Ansbach, Beschluss vom 24.05.2022 – RMF-SG21-3194-7-9
Fundstelle:
BeckRS 2022, 53291
Tenor
1. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin. Bei der Kostenentscheidung der Vergabekammer hat es sein Bewenden.
2. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 230.000,00 € festgesetzt.
Gründe
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Die Antragsgegnerin beabsichtigt die Vergabe von Baumeisterarbeiten für das Bauvorhaben „Büro- und Geschäftshaus …“ in …. Sie hat ohne europaweite Ausschreibung verschiedene Unternehmen, nicht jedoch die Antragstellerin zur Angebotsabgabe aufgefordert. Die Beigeladene und ein weiteres Unternehmen reichten jeweils Angebote ein. Vor der beabsichtigten Zuschlagserteilung hat die Antragstellerin die unterlassene Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens gerügt und sich mit einem Nachprüfungsantrag gegen eine drohende de-facto Vergabe gewandt. Die Vergabekammer hat dem Antrag mit Beschluss vom 24. Mai 2022, der Antragsgegnerin mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrungzugestellt am 9. Juni 2022, stattgegeben. Gegen den Vergabekammerbeschluss hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 23. Juni 2022 beim Oberlandesgericht München sofortige Beschwerde eingelegt. Der Antrag ist dort am gleichen Tag eingegangen und am 24. Juni 2022 an das Bayerische Oberste Landesgericht weitergeleitet worden. Nach einem richterlichen Hinweis auf eine mögliche Verfristung des Rechtsmittels ist die Beschwerde mit Schriftsatz vom 8. Juli 2022 zurückgenommen worden.
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Nach Rücknahme der sofortigen Beschwerde ist von Amts wegen über die Kosten und den Streitwert der Beschwerde zu entscheiden.
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 175 Abs. 2, § 71 GWB. Es entspricht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands der Billigkeit, der Antragsgegnerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, die ohne Rücknahme mangels Wahrung der Frist des § 172 Abs. 1 GWB aller Voraussicht nach unterlegen wäre (vgl. Hinweis vom 27. Juni 2022). Zudem hat sie sich durch die Rücknahme ihres Rechtsmittels in die Rolle der Unterlegenen begeben (vgl. zur Rücknahme eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung: BGH, Beschl v. 8. März 2021, KVR 96/20, juris Rn. 2; zur Rücknahme einer sofortigen Beschwerde: BayObLG, Beschluss vom 8. November 2021, Verg 10/21, juris Rn. 23; zur Rücknahme eines Nachprüfungsantrags: BayObLG, Beschluss vom 26. Oktober 2021, Verg 4/21, juris Rn. 3; OLG München, Beschluss vom 6. November 2020, Verg 9/20, juris Rn. 4; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Oktober 2020, Verg 13/20, juris Rn. 15). Es entspricht aus den dargelegten Gründen auch der Billigkeit, der Antragsgegnerin die durch das Rechtsmittel angefallenen, zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen. Die Beigeladene hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt, es besteht damit weder Anlass, ihr einen Teil der Kosten aufzuerlegen, noch ihr einen Anspruch auf Erstattung etwaiger Aufwendungen zuzuerkennen.
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Die Kostenentscheidung der Vergabekammer lässt (Ermessens-) Fehler nicht erkennen, § 182 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 GWB.
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2. Gemäß § 50 Abs. 2 GKG war der Streitwert auf bis zu 230.000,00 € festzusetzen.
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Der Streitwert im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer beträgt nach § 50 Abs. 2 GKG fünf Prozent der Bruttoauftragssumme. Anders als bei der Schwellenwertberechnung, bei der der geschätzte Gesamtwert der für die Ausführung der Bauleistungen erforderlichen Aufträge maßgeblich ist (vgl. § 3 Abs. 6 VgV), kommt es für die Streitwertberechnung nach § 50 Abs. 2 GKG auf den konkret im Streit stehenden Auftrag (hier: Baumeisterarbeiten) an. Dabei ist regelmäßig auf die Summe des Angebots abzustellen, das der Antragsteller eingereicht hat, da er mit dem Nachprüfungsantrag seine Chance auf diesen Auftrag wahren will (BGH, Beschluss vom 18. März 2014, X ZB 12/13, juris Rn. 7; OLG München, Beschluss vom 21. Oktober 2019, Verg 13/19, juris Rn. 75). Hat – wie vorliegend – der Antragsteller kein Angebot eingereicht und liegen auch keine individuellen Anhaltspunkte dafür vor, zu welchem Preis er seine Leistung angeboten hätte, ist auf den objektiven Wert der zu vergebenen Leistungen abzustellen; bei diesbezüglichen Schätzungen können sowohl die Kostenschätzung des Auftraggebers (OLG Celle, Beschluss vom 1. Juli 2014, 13 Verg 4/14, juris Rn. 16), als auch die von anderen Bietern erklärten Angebotspreise gewichtige Anhaltspunkte vermitteln (Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 13. Juni 2019, 54 Verg 2/19, juris Rn. 235; OLG Naumburg, Beschluss vom 17. März 2017, 7 Verg 8/16, juris Rn. 112; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Mai 2016, Verg 12/16, juris Rn. 3).
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Auf der Basis dieser Grundsätze war anhand der Dokumentation der Antragsgegnerin ein Streitwert von bis zu 230.000,00 € festzusetzen. Soweit die Antragstellerin einen Auftragswert von 12 Millionen Euro in den Raum stellt, stellt sie möglicherweise auf die Gesamtkosten der Baumaßnahme ab, auf die es – wie dargelegt – nicht ankommt.