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AG Kitzingen, Endurteil v. 18.10.2022 – 1 C 170/22
Titel:

Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Elektronischer Rechtsverkehr, Streitwert, Wert des Beschwerdegegenstandes, Anderweitige Erledigung, Erstattungsfähigkeit, Qualifizierte elektronische Signatur, Rechnungsposten, Formlose Mitteilung, Aufgabe zur Post, Ladungsfähige Anschrift, Unfallgeschädigte, Rechtsbehelfsbelehrung, Schutzvorrichtungen, Ständige Rechtsprechung, Kosten des Rechtsstreits, Berufungsschrift, Vorübergehende Unmöglichkeit, Elektronische Kommunikation

Schlagworte:
Desinfektionskosten erstattungsfähig, Beweislast für angefallene Kosten, Gemeinkosten nicht erstattungsfähig, Notwendigkeit der Wagenreinigung, angemessene Kosten für Außenreinigung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 52920

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 62,93 € festgesetzt.  

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, § 313a Abs. 1 ZPO.

Entscheidungsgründe

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1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Landgerichts Würzburg und dieses Gerichts sind Desinfektionskosten grundsätzlich ersatzfähig. Der geltend gemachte Betrag ist vorliegend auch nicht zu beanstanden. Die Reparatur erfolgte zu einer Zeit, zu der die regionalen Inzidenzen erheblichen Anlass gaben, eine Desinfektion durchzuführen.
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2. Soweit der Kläger zu beweisen hat, dass die geltend gemachten Kosten angefallen sind, genügt zum Beweis dieses Umstands zunächst die vorgelegte Rechnung. Soweit die Beklagte einwendet, das die Werkstatt (wiewohl berechnet) Corona-Schutzmaßnahmen überhaupt nicht durchgeführt hat, wäre der Einwand beachtlich. Hierzu wurde der Zeuge S benannt, dessen ladungsfähige Anschrift nicht zu ermitteln ist. Soweit nunmehr ersatzweise der Geschäftsführer R benannt ist, besteht – zumal im Rahmen des Verfahrens nach § 495a ZPO – keine Veranlassung, diesen zu vernehmen. Es wird nicht behauptet, dass der Zeuge dem Desinfizieren (oder der Reparatur ohne Desinfektion) beiwohnte. Was über die Reparatur bei der Werkstatt dokumentiert ist, ist von sehr eingeschränktem Beweiswert, zumal die Beweisführung der Beklagten darauf abzielt, dass die Werkstatt in betrügerischer Art und Weise Maßnahmen abgerechnet hat, die nicht durchgeführt wurden. Entscheidend ist also nicht, welche Arbeiten dokumentiert, sondern welche Arbeiten durchgeführt wurde. Es wird nicht einmal behauptet, dass der Zeuge L das weiß.
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3. Beachtlich ist jedoch die Einwendung, dass zusätzlich zu den Desinfektionsmaßnahmen Kosten für Schutzvorrichtungen, Sitz und Lenkradschoner sowie Fußmatten abgerechnet wurden. Bei diesen Kosten handelt es sich nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung dieses Gerichts um Gemeinkosten der Werkstatt, die nicht erstattungsfähig sind.
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4. Hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit für die Kosten einer Wagenreinigung gilt vergleichbares. Das Gericht die Notwendigkeit einer äußerlichen Endreinigung dem Grunde nach, nicht aber die Kosten solche der Innenreinigung (falls nicht z.B. Glassplitter aus dem Innenraum zu entfernen sind, wofür hier kein Anhaltspunkt besteht). Die Notwendigkeit einer Innenreinigung erscheint angesichts der Vielzahl von Schutzvorrichtungen und Desinfektionsmaßnahmen nicht gegeben. Hinsichtlich der Außenreinigung mag es angesichts aufgrund der gestiegenen Energiekosten mittlerweile anders sein, zum Reparaturzeitpunkt war diese Leistung in der Grundausführung in einer Waschanlage zu einem Betrag ab 6,00 Euro brutto zu erhalten. Die Diskrepanz zu den hier abgerechneten 45,83 Euro netto ist auch für den Unfallgeschädigten augenfällig. Unter Berücksichtigung von angesichts des Zeitaufwands geringer Arbeitskosten (für die Fahrt durch die Waschanlage bedarf es keiner ausgebildeten Fachkraft) erachtet das Gericht einen Nettobetrag von 10,00 Euro als angemessen.
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Zwar ist dem Gericht (auch) die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 26.04.2022, Az. VI ZR 147/21, bekannt, es entnimmt dieser jedoch keineswegs einen Freibrief für den Unfallgeschädigten, erhaltene Rechnungen ungeprüft bei der gegnerischen Versicherung geltend zu machen. Während bei Rechnungsposten, deren genauer Inhalt sich nur professionell mit der Abwicklung von Verkehrsunfällen befassten Personen ohne weitere Recherchen erschließt, keine hohen Anforderungen an Plausibilität gestellt werden dürfen, verhält es sich bei Rechnungsposten wie Fahrzeugwäsche oder auch Probefahrt grundsätzlich anders. Würde es sich bei dem Kläger um einen Selbstzahler handeln, würde er das Ansinnen, für eine Fahrzeugreinigung einen Betrag von 54 Euro brutto zu bezahlen, mit deutlichen Worten reklamieren.
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Das Gericht erachtet einen Bruttobetrag von 10,00 Euro für angemessen, § 287 Abs. 2 ZPO.
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5. Es ergibt sich daher folgende Berechnung:

netto

brutto

angemessen

Geltend gemacht

62,93 €

62,93 €

Reinigung

45,38 €

54,00 €

- 44,00 €

Schutzvorrichtungen

15,13 €

18,00 €

- 18,00 €

überzahlt

0,93 €

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6. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.