Titel:
Mietwagenkosten, Rechtsanwaltsgebühren, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Prozeßbevollmächtigter, Elektronischer Rechtsverkehr, Klageschrift, Teilkaskoversicherung, Kostenentscheidung, Basiszinssatz, Sicherheitsleistung, Sachverständigengutachten, Mietzinsansprüche, Teilbetrag, Rechtsverfolgungskosten, Außergerichtliche Rechtsverfolgung, Gebührenberechnung, Unfallbedingtheit, Erforderlicher Geldbetrag, Bemessungsfaktoren
Schlagworte:
Zuständigkeit des Gerichts, Zahlungsanspruch Mietwagenkosten, Aktivlegitimation der Klägerin, Erforderlichkeit der Mietwagenkosten, Schätzung der Kosten anhand von Listen, Pauschaler Aufschlag auf die Kosten, Erstattungsfähigkeit von Nebenkosten
Fundstelle:
BeckRS 2022, 52879
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 680,05 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.09.2018 sowie weitere 124,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.02.2022 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin, ein Autovermietungsunternehmen, welches als Inkassodienstleister registriert ist, macht gegenüber der Beklagten weitere Mietzinsansprüche aus einem Fahrzeugmietvertrag geltend.
2
Am 06.08.2018 ereignete sich im Gerichtsbezirk des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen ein Verkehrsunfall. Der Kläger fuhr einen VW Multivan der Gruppe 9 mit 8 Sitzen.
3
Das Fahrzeug des Unfallgegners des Kunden der Klägerin war zum Zeitpunkt des Unfalls bei der Beklagten haftpflichtversichert. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist dahingehend unstreitig, dass die Versicherungsnehmer der Beklagten zu 100 % haften.
4
Zur Überbrückung der unfallbedingten Ausfallzeit des unfallbeschädigten Fahrzeugs benötigte der Kunde der Klägerin ein Mietfahrzeug. Mit Mietvertrag vom 07.08.2018 mietete der Kunde der Klägerin bei dieser ein VW mit Navi und vereinbarte als Mietende wörtlich „Rep. Dauer/Ersatzbeschaffung“. Der Kunde schloss zudem eine Vollkasko- und eine Teilkaskoversicherung mit jeweils 0,- € Selbstbeteiligung im Schadensfall ab und vereinbarte mit der Klägerin Zustellung und Abholung in Bornheim. Am 14.08.2018 gab der Kunde das Fahrzeug an die Klägerin zurück. Auf die Anlage zur Klageschrift wird ergänzend verwiesen und Bezug genommen.
5
Der Kunde der Klägerin trat die Forderung auf Erstattung der Mietwagenkosten in voller Höhe gegen die Beklagte an die Klägerin ab und die Klägerin nahm die Abtretung am 07.08.2018 an. Auf die Anlage zur Klageschrift wird ergänzend verwiesen und Bezug genommen.
6
Mit Schreiben vom 15.08.2018 berechnete die Klägerin für ein Fahrzeug der Gruppe 8 insgesamt 1.564,12 €, wobei ein Teilbetrag in Höhe von 1.086,21 € auf die 8 Tage inklusive aller Kilometer, ein Teilbetrag in Höhe von 182,80 € auf die Haftungsreduzierung und jeweils ein Teilbetrag in Höhe von 22,69 € auf die Zustellung bzw. Abholung entfiel. Auf die Anlage zur Klageschrift wird ergänzend verwiesen und Bezug genommen.
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Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 04.09.2018 erfolglos unter Fristsetzung zum 11.09.2018 auf, Mietwagenkosten zu bezahlen. Eine weitere Zahlungsaufforderung durch die Prozessbevollmächtigten bleib zunächst ebenfalls erfolglos. Hierdurch entstanden der Klägerin Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung.
8
Die Beklagte zahlte am 19.10.2018 auf die Mietwagenkosten 884,07 €. Weitere Zahlungen diesbezüglich erfolgten nicht.
9
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 680,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus seit dem 12.09.2018 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 124,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Klageschrift ist der Beklagten am 02.02.2022 zugestellt worden.
12
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten nebst Anlagen verwiesen und Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
13
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen sachlich und örtlich zuständig gemäß §§ 23, 71 GVG sowie § 32 ZPO, denn der Unfall ereignete sich im Gerichtsbezirk des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen und der geltend gemachte Anspruch übersteigt den Betrag von 5.000,- € nicht.
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Die Klage ist auch begründet.
15
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen weiteren Zahlungsanspruch hinsichtlich der entstandenen Mietwagenkosten gemäß § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG.
16
Die Klägerin ist aktivlegitimiert, denn sie ist unstreitig als Inkassodienstleistende gemäß §§ 10 ff. RDG registriert. Insoweit ist die Klägerin im Hinblick auf § 79 Abs. 1 S. 2 ZPO auch zu der gerichtlichen Geltendmachung der abgetretenen Forderung befugt.
17
Gemäß § 249 Abs. 2 BGB kann die Klägerin aus abgetretenem Recht den erforderlichen Geldbetrag verlangen. Dies umfasst auch die erforderlichen Mietwagenkosten. Für die Erforderlichkeit kommt es auf die konkrete Situation und Kalkulation des einzelnen Vermieters an.
18
Dabei kann der erforderliche Geldbetrag anhand bestimmter Bemessungsfaktoren entsprechend § 287 ZPO geschätzt werden, denn unter den Parteien ist die Höhe einer Forderung streitig und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände ist mit Schwierigkeiten verbunden, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. Die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens würde vorliegend den geltend gemachten Schadensbetrag um ein Vielfaches übersteigen.
19
Nach zutreffender ständiger Rechtsprechung können die erforderlichen Mietwagenkosten anhand entsprechender Listen geschätzt werden. Vorliegend kann der Fraunhofer Mietpreisspiegel als Schätzgrundlage nicht herangezogen werden, da Fraunhofer für die hier einschlägige Fahrzeugkategorie Mietwagenklasse 8-Bus keine Preise erhoben hat. Daher kann vorliegend nur allein auf die SchwackeListe zurückgegriffen werden, die eine solche Fahrzeugkategorie enthält.
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Nach der SchwackeListe 2018 beträgt der Normaltarif für 8 Tage im Postleitzahlengebiet 533… in der Gruppe 8-Bus 1.007,12 €.
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Der von der Klägerin vorgetragene pauschale Aufschlag in Höhe von 20 % ist gemäß § 287 ZPO nicht zu beanstanden. Ein solcher Aufschlag erscheint unabhängig davon, in welchem Umfang im konkreten Fall unfallbedingte Zusatzleistungen des Autovermieters in Anspruch genommen wurden, auch allein praktikabel und notwendig, um die Schadensabwicklung zu vereinheitlichen und zu erleichtern. Insofern werden die Besonderheiten der Kosten und Risiken des Unfallgeschäfts im Vergleich zur „normalen“ Anmietung angemessen berücksichtigt. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin den Mietzins und die Umsatzsteuer vorfinanziert. Das Fahrzeug wurde dem Geschädigten ohne Sicherheitsleistungen zur Verfügung gestellt. Eine Vollkasko- und eine Teilkaskoversicherung wurde mit jeweils 0,00 € Selbstbeteiligung vereinbart. Zum Zeitpunkt der Anmietung war die Haftung nicht geklärt. Die Anmietung erfolgte am Tag nach dem Unfallereignis und damit eilbedürftig. Die Nutzung des Mietfahrzeugs war nicht eingeschränkt (Kilometer, weitere und Alter der Fahrer etc.). Die Dauer der Anmietung war bei Vertragsabschluss noch nicht bekannt.
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Zu Gunsten der Klägerin sind auch die sogenannten Nebenkosten zu berücksichtigen. Diese Kosten sind nach der Nebenkostentabelle der SchwackeListe grundsätzlich erstattungsfähig. Hierzu gehören die Kaskoversicherung in Höhe von 8 × 26,03 €, mithin 208,24 €, sowie Zustellen/Abholen mit je 28,70 €. Diese Nebenkosten wurden auch vereinbart.
23
Nach der SchwackeListe ergibt sich somit ein arithmetischer Mittelwert in Höhe von insgesamt 1.474,18 €. Der von der Klägerin berechnete Betrag in Höhe von 1.564,12 € weicht von diesem arithmetischen Mittelwert 6 % ab und bewegt sich folglich noch im Rahmen des Üblichen.
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Der Anspruch auf Zahlung der Mietwagenkosten in Höhe von 1.564,12 € ist gemäß § 362 BGB in Höhe von 884,07 € durch Zahlung der Beklagten erloschen.
25
Gemäß § 249 BGB hat die Beklagte auch die erforderlichen Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen, die sich aufgrund einer 1,3-Gebühr berechnen.
26
Der Anspruch auf die Nebenforderungen folgt aus §§ 286, 288, 291 BGB.
27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
28
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.