Titel:
Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Gesellschaftersicherheit, Elektronischer Rechtsverkehr, Kapitalersetzende Darlehen, Insolvenzforderung, Anderweitige Erledigung, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Insolvenzverwalter, Darlehensrückzahlungsanspruch, Streitwert, Streitgegenständliche Forderung, Qualifizierte elektronische Signatur, Klageabweisung, Formlose Mitteilung, Aufgabe zur Post, Rechtsbehelfsbelehrung, Insolvenztabelle, Insolvenzschuldner, Wert des Beschwerdegegenstandes
Schlagworte:
Kammer für Handelssachen, Kreditverpflichtungen, Insolvenzrecht, Vorrangregelung, Verwertung der Sicherheiten
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 11.07.2023 – 5 U 4147/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 52669
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerseite.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt vom Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der …, München die Feststellung einer unbedingten Insolvenzforderung. Der Beklagte wurde mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – Mühldorf vom 05.03.2020 zum Insolvenzverwalter der … - mittlerweile firmierend als … bestellt. Die Klägerin hat in diesem Insolvenzverfahren ausgefallene Forderungen gegen die Gesellschaft in Höhe von € 1.744.972,40 angemeldet.
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Der Klägerin waren für diese Forderungen diverse Grundschulden gestellt worden, die einerseits die hier streitgegenständliche Forderung betreffen, andererseits auch Kredite – an Herrn … persönlich ausgereicht – abdeckten. Hinzu kam eine Lebensversicherung des … bei der … in Höhe von € 50.000,00, mit der ebenso mit der Verwertung der oben genannten Sicherheiten Privatdarlehen von Herrn … bei der Klägerin getilgt wurden.
3
Mit Schreiben des Beklagten vom 13.07.2021 berief sich der Beklagte auf § 44 a InsO vor dem Hintergrund, dass es sich bei den gestellten Sicherheiten um Gesellschafter-Sicherheiten gehandelt habe.
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Aus diesem Grund beantragte die Klägerin zuletzt:
Es wird festgestellt, dass der Klägerin im Insolvenzverfahren über das Vermögen der …, Amtsgericht Mühldorf, Aktenzeichen: … und inzwischen firmierend als … unter der laufenden Nummer: xx im Rahmen des § 38 InsO eine unbedingte Insolvenzforderung in Höhe von € 1.744.972,40 zusteht.
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Der Beklagte beantragt Klageabweisung.
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Der Beklagte gesteht zu, dass der Klägerin gegen die Insolvenzschuldnerin grds. Darlehensrückzahlungsansprüche in Höhe von € 1.744.972,40 zustehen.
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Aus von dem Gesellschafter … gestellten Sicherheiten habe die Klägerin jedoch insgesamt € 2.444.450,00 erlöst, womit die Verwertungserlöse die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen der Klägerin gegen die Insolvenzschuldnerin vollständig befriedigt worden seien.
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Im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Die Kammer für Handelssachen ist funktionell zur Entscheidung dieses Rechtsstreits berufen; es handelte sich ursprünglich um ein Kreditgeschäft zwischen zwei Kaufleuten, der Klägerin … einerseits und der Gesellschaft … andererseits. Die nachfolgende Insolvenz führt nicht dazu, dass es sich nicht um Streitigkeit zwischen Kaufleuten ursprünglich handelte, weshalb einem Verweisungsantrag nicht stattzugeben war.
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2. Es ist auch deutsches Recht anwendbar, da es sich um Kreditverpflichtungen und Insolvenzrecht der im Bezirk des Amtsgerichts Mühldorf, ehemals ansässigen … handelte.
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Die Klage war jedoch gemäß § 44 a InsO abzuweisen. Im vorliegenden Fall liegt nach Ansicht des Gerichts durch die Verwertung der Sicherheiten für die privat von den Gesellschaftern gestellten Kredite ein Verzicht auf Gesellschafter-Sicherheiten vor.
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Dass die Klägerin hierbei nach eigenem Vortrag von einem ihr nach ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen zuständigen Wahlrecht Gebrauch gemacht habe, ändert an dieser Einordung nichts (vgl. auch Bitter im Münchener Kommentar zur InsO, Rd-Nr. 35 zu § 44 a InsO). Auch wirtschaftlich führt dies im vorliegenden Fall zu einem gerechten Ergebnis; die Klägerin hat schlicht und ergreifend zu wenig Sicherheiten für zu viel Kredit eingeholt. Der Gesetzgeber hat mit dem Erlass des § 44 a InsO, in Fortschreibung der früheren Rechtsprechung zu kapitalersetzenden Darlehen die Wertung getroffen, dass Gesellschafter-Sicherheit grundsätzlich zur Entlastung der Masse dienen und dementsprechend dort einzusetzen sind.
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Wenn, wie im vorliegenden Fall die Klägerin jedoch die Sicherheiten für Gesellschafter- und nicht Gesellschaftsschulden ansetzt, unterläuft sie diese gesetzgeberische Vorrangregelung. Gemäß eigenen Vortrag war die Klägerin hierzu auch nicht in Folge etwaiger ungünstigerer, für sie nicht beeinflussbarer Konstellationen benachteiligt, sondern tat dies in Ausübung ihres selbst vorgetragenen Wahlrechts bezüglich der Verwertung der Sicherheiten.
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3. Kosten, vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 91, 709 ZPO.