Titel:
Abrechnungsstreit von Fachstudiumskosten
Normenketten:
BayFHVRErstV § 3 Abs. 2, § 2 Abs. 2 S. 3, § 3 Abs. 2 S. 2
HföDG Art. 3 Abs. 2, Abs. 5
BGB § 388 S. 2
BGB § 133, § 158 Abs. 2
Leitsätze:
1. Ein Abschlag auf die Ausbildungskosten nach § 2 Abs. 2 S. 3 BayFHVRErstV setzt eine fristgerechte, wirksame und eindeutige Verzichtserklärung auf die Unterkunft voraus. Ein bedingter, verspäteter oder nur konkludenter Verzicht ist rechtlich unbeachtlich. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die in § 2 Abs. 2 S. 3 BayFHVRErstV vorgesehene Mitteilungsfrist von einem Monat vor Beginn des Studienabschnitts schützt die Planungssicherheit der HfÖD. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine analoge oder erweiternde Auslegung des § 2 Abs. 2 . 3 BayFHVRErstV ist unzulässig. Die Vorschrift stellt eine enge Ausnahme zum Grundsatz des pauschalierten Kostenersatzes dar und dient der Planungssicherheit der Hochschule. (Rn. 60) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
verfristete Verzichtserklärung der Klägerin, fehlender Verzicht des Beklagten auf Kostenerhebung, keine erweiterte Auslegung von § 2 Abs. 2 Satz 3 BayFHVRErstV, keine flexible Anpassung an Veränderungen, Frist, kein konkludenter Verzicht, Willenserklärung, konkludente Willenserklärung, Verzicht, Hochschule, Planungssicherheit der Hochschule
Fundstelle:
BeckRS 2022, 52659
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3.Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen den Bescheid der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern – Fachbereich Sozialverwaltung (im Folgenden: HföD) (früher: Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern – FHVR), mit dem Kosten für das Fachstudium für Nachwuchskräfte der Klägerin in der 3. Qualifikationsebene (im Folgenden: Studierende) abgerechnet wurden.
2
Die Klägerin ist Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 29 Abs. 1 SGB IV) und als Regionalträger der gesetzlichen Rentenversicherung zuständig für die Regierungsbezirke … Die Studierenden der Klägerin werden abwechselnd bei der Klägerin und an der HfÖD ausgebildet. Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern (HföD-Gesetz – HföDG) i.d.F. der Bek. vom 09.10.2003 (GVBl. S. 818) tragen nichtstaatliche öffentliche Dienstherren die Kosten für die Ausbildung der Studierenden, was nach Art. 3 Abs. 5 HföDG durch Rechtsverordnung des Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat, nämlich durch die Verordnung über die Erstattung der Kosten für die Ausbildung und Fortbildung an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern (amtliche Abkürzung: Erstattungsverordnung BayFHVR, im Folgenden: BayFHVRErstV) vom 24.10.2005 (GVBl. 2005, S. 544), zuletzt geändert durch Verordnung vom 05.08.2010 (GVBl. 2010, 687), näher bestimmt wird.
3
Mit Bescheid vom 10.12.2021 setzte die HfÖD die Kosten der Ausbildung für abgeschlossene und begonnene Teilabschnitte des Fachstudiums im Haushaltsjahr 2021 auf 702.746,00 EUR fest. Gegenstand dieser Abrechnung sind der Studienabschnitt III des Jahrgangs 2018/2021, der Studienabschnitt II2 des Jahrgangs 2019/2022, die Studienabschnitte I2 und II1 des Jahrgangs 2020/2023 und der Studienabschnitt I1 des Jahrgangs 2021/2024. Im Zuge der Covid-19-Pandemie kam es jeweils zu einer (zeitweisen) Einstellung des Präsenzunterrichts an der HfÖD.
4
Der Studienabschnitt III des Jahrgangs 2018/2021 dauerte vom 02.01. bis 02.07.2021. Der Präsenzunterricht fand vom 02.01. bis 24.05.2021 nicht statt. Mit Schreiben vom 08.12.2020, versandt per Telefax am 09.12.2020, erklärte die Klägerin den Verzicht auf die Unterkunft für diesen Jahrgang für die Zeit vom 12.01. bis 05.02.2021. Dies erfolgte mit Einverständnis der Studierenden, deren Erklärungen mit Unterschrift dem Schreiben beigefügt waren.
5
Der Studienabschnitt II2 des Jahrgangs 2019/2022 dauerte vom 05.04. bis 16.07.2021. Der Präsenzunterricht fand im gesamten Zeitraum nicht statt. Mit Schreiben vom 01.03.2021 und 02.03.2021, jeweils versandt per Telefax am gleichen Tag, leitete die Klägerin der HfÖD auf den 01.03.2021 datierte und von den Studierenden unterschriebene Erklärungen des Verzichts auf die Unterkunft für die Zeit ab 05.04.2021 mit dem Zusatz „solange ich diese aufgrund des Onlinestudiums nicht nutzen kann“ weiter.
6
Der Studienabschnitt I2 des Jahrgangs 2020/2023 dauerte vom 04.01. bis 02.04.2021. Der Präsenzunterricht fand im gesamten Zeitraum nicht statt. Mit Schreiben vom 08.12.2020 übersandte die Klägerin den Verzicht auf die Unterkunft für diesen Jahrgang für die Zeit vom 08.02. bis 02.04.2021. Mit E-Mail vom 09.12.2021 reichte die Klägerin die Unterschriftenliste der Studierenden nach. Der Studienabschnitt II1 desselben Jahrgangs dauerte vom 20.09. bis 31.12.2021. Der Präsenzunterricht fand vom 25.11. bis 31.12.2021 nicht statt. Für diesen Jahrgang erklärte die Klägerin mit E-Mail vom 26.11.2021 für die Zeit ab 25.11.2021 den Verzicht auf die Unterkunft.
7
Der Studienabschnitt I1 des Jahrgangs 2021/2024 dauerte vom 15.09. bis 31.12.2021. Der Präsenzunterricht fand vom 15.09. bis 08.10. und vom 25.11. bis 31.12.2021 nicht statt. Für diesen Jahrgang erklärte die Klägerin mit E-Mail vom 26.11.2021 für die Zeit ab 25.11.2021 und zusätzlich auch nachträglich für die Zeit vom 15.09 bis 08.10.2021 den Verzicht auf die Unterkunft.
8
Gegenüber der Klägerin rechnete die HfÖD ungeachtet dessen mit dem streitgegenständlichen Bescheid den vollen Betrag des Kostenersatzes ab. Zur Begründung führte sie aus, Art. 3 Abs. 2 Satz 4 HfÖD regele die Kostentragungspflicht der nichtstaatlichen Dienstherren als Gesamtpaket. Situationsbedingte Besonderheiten im Ablauf und in der Ausgestaltung der Studienabschnitte seien nicht einzeln zu bewerten. Dies gelte auch für die Corona-Lage. Die Abschlagsregelung in § 2 Abs. 2 Satz 3 BayFHVRErstV könne nur für etwaige, individuelle Einzelfälle zum Tragen kommen. Hierfür sei eine vorherige Abstimmung mit dem Fachbereich auf den individuellen Einzelfall bezogen erforderlich. Eine unerlässliche Voraussetzung hierfür sei, dass die HfÖD ihrerseits keinen Unterkunftsplatz bereitstellen bzw. kostenpflichtig anmieten müsse.
9
Mit E-Mail vom 25.11.2021, überschrieben mit „Vollzug der Erstattungsverordnung BayFHVR“, erinnerte die HfÖD die Klägerin daran, dass für den Zeitraum ab 25.11.2021 keine (auch vorsorglichen) Verzichtserklärungen vorlägen. Diese könnten gerne auch per Mail nachgereicht werden. Gleiches gelte für den Zeitraum vom 15.09.2021 bis 08.10.2021.
10
Mit E-Mail vom 09.12.2021, überschrieben mit „Info für den PJ 2023 zu den Klausuren und weiteres Vorgehen“, teilte die HfÖD den Studierenden mit, dass bis zum Ende des Studienabschnittes am 22.12.2021 der Unterricht online stattfinden werde. Für diejenigen, die ihre Zimmer noch nicht geräumt hätten, bestünden Möglichkeiten am 20.12. und 21.12.2021, ihre Zimmer auszuräumen und ihre Schlüssel abzugeben. Sie bat die Studierenden um verbindliche Anmeldung, wenn diese noch einmal an die Hochschule zum Zimmerräumen kämen.
11
Mit Schriftsatz vom 12.01.2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag, hat die Klägerin gegen den Bescheid Klage erhoben.
Der Bescheid der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern, Fachbereich Sozialverwaltung, vom 10.12.2021 wird insoweit aufgehoben, als der Klägerin im Jahr 2021 für die Unterkünfte ihrer Studierenden insgesamt 114.268,00 EUR zu viel in Rechnung gestellt wurden.
13
Die Klägerin führt aus, den Studierenden sei es während des Zeitraums der Einstellung des Präsenzunterrichts verwehrt gewesen, ihre Unterkünfte zu nutzen – wenn ihnen überhaupt eine Unterkunft angeboten worden sei. Die Beteiligten seien sich einig darüber gewesen, dass für die Zeit des Online-Studiums keine Übernachtungen in Anspruch genommen würden.
14
Es habe Einverständnis zwischen den Beteiligten bestanden, dass für die Zeit des Online-Studiums keine Kosten für die Übernachtung verlangt werden sollen. Eine Anforderung der Verzichtserklärung auch für zurückliegende Zeiten mit E-Mail vom 25.11.2021 würde sonst keinen Sinn ergeben.
15
Ein Verzicht nach § 2 Abs. 2 Satz 3 BayFHVRErstV sei für die Klägerin eigentlich nicht in Betracht gekommen, da man nur auf etwas verzichten könne, was einem auch angeboten worden sei. Die Vorschrift sei nicht dazu gedacht, der HfÖD eine Vergütung für Unterkünfte zu sichern, wenn sie überhaupt keine Unterkünfte anbieten könne und dürfe. Vielmehr regele sie den Fall, dass die Hochschule Unterkünfte zur Verfügung stelle und die Klägerin dieses Angebot aus Gründen nicht annehme, die im Verantwortungsbereich dieses Benutzers lägen, z.B. weil die Studierenden keinen Bedarf aufgrund einer eigenen Wohnung hätten.
16
Sie habe zudem mit Schreiben vom 08.12.2020, 09.12.2020, 01.03.2021, 02.03.2021 und 26.11.2021 Verzichtserklärungen abgegeben. Diese abzugeben, habe sich aber als schwierig gestaltet, da nicht im vornherein klar gewesen sei, wann kein Präsenzunterricht mehr stattfinden würde. Deswegen eigne sich der Verzicht zur Lösung des Problems nur bedingt.
17
Die Argumentation des Beklagten, dass § 2 Abs. 2 Satz 3 BayFHVRErstV nur für etwaige, individuelle Einzelfälle zum Tragen kommen könne, fände ihre Stütze weder im Gesetz noch im Sinn und Zweck der Norm.
18
Der Kostenansatz des Beklagten sei insofern um wie folgt zu berechnende Beträge zu korrigieren:
Jahrgang 2018/2021: 31 Studierende x 4,5 Monate x 308,00 EUR = 42.966,00 EUR
Jahrgang 2019/2022: 27 Studierende x 3,5 Monate x 308,00 EUR = 29.106,00 EUR
Jahrgang 2020/2023: 24 Studierende x 3 Monate x 308,00 EUR = 22.176,00 EUR
21 Studierende x 1 Monat x 308,00 EUR = 6.468,00 EUR
Jahrgang 2021/2024: 30 Studierende x 1,5 Monate x 308,00 EUR = 13.860,00 EUR
19
Der Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
20
Er trägt vor, den Studierenden sei es freigestellt worden, ihre Zimmerschlüssel zu behalten und ggf. Hausrat in den Zimmern zu belassen. Eine Räumung der Unterkünfte bzw. ein Entzug des Wohnrechts seien nicht erfolgt.
21
Bei der Unterbringung sei vielmehr von höherer Qualität der Ausbildung durch Unterbringung in Einzelzimmern auszugehen. Den etwaigen marginalen Kostenersparnissen stünde zusätzlicher Verwaltungsaufwand durch abwechselnden Online- und Präsenzunterricht gegenüber. Die Unterkünfte hätten auch vertragsbedingt und vor dem Hintergrund einer möglichen Rückkehr zum Präsenzunterricht weiterhin vorgehalten werden müssen, sodass sich hieraus keine Kostenersparnis ergeben hätte. Mehrausgaben hätten sich auch aus dem Infektionsschutz, Maßnahmen für virtuelle Lehrangebote und der Unterstützung der Lehrpersonen ergeben.
22
Die HfÖD habe ungeachtet der Pandemie die Hausbewirtschaftungskosten der Akademie der Sozialverwaltung (ASoV) des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales, die die grundbesitzverwaltende Dienststelle sei, nach einem Schlüssel, der die Belegungstage zur Grundlage habe, zu ersetzen, sodass ihr keine geringeren Unterkunftskosten durch die Pandemiesituation entstanden seien.
23
Verhandlungen oder Zusagen von Seiten der HfÖD bezüglich eines möglichen Verzichts habe es nicht gegeben. In der Vergangenheit habe es wenige, individuelle Einzelfälle mit beiderseitigen Einvernehmen gegeben. Einigkeit darüber, dass für die Zeiten des Onlinestudiums keine Kosten für die Übernachtung verlangt werden sollen, ließe sich der E-Mail vom 25.11.2021 nicht entnehmen.
24
Der Beklagte ist der Auffassung, der Bescheid sei rechtmäßig ergangen. Die Kosten würden nach Art. 3 Abs. 2 HfÖDG pauschal abgerechnet, was durch Rechtsverordnung näher geregelt werde (Art. 3 Abs. 4, 5 HfÖDG). Nach den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Gesamtdeckung (Art. 8 BayHO), der Wirtschaftlichkeit (Art. 7 BayHO) und dem Gebot der vollständigen Einnahmeerhebung (Art. 34 BayHO) könne ohne Rechtsgrundlage nicht auf Einnahmen verzichtet werden. Eine Rechtsgrundlage für einen solchen Verzicht liege jedoch nicht vor.
25
Die BayFHVRErstV regele einen solchen Abschlag nur für den Fall des aktiven Verzichts auf die Unterkunft, weitere Abschlagsregelungen seien nicht vorgesehen. Weil von Seiten der Dienstherren und deren Studierenden nicht aktiv auf eine Unterkunft verzichtet worden sei, sondern die Unterkunft während des Präsenzunterrichts tatsächlich in Anspruch genommen worden sei, liege keine Möglichkeit zur Reduzierung von Erstattungsforderungen vor. Die Abschlagsregelung sei beim pandemiebedingten Wechsel von Online- und Präsenzunterricht und dadurch reduzierter Nutzung von Unterkünften nicht anwendbar. Vielmehr sei das angebotene Studium und die dadurch bedingte Kostenerstattung nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 Satz 2 BayFHVRErstV als Gesamtpaket anzusehen. Die teilweise Belegung einer Unterkunft sei dort nicht vorgesehen.
26
Damit diene die Vorschrift der Planungssicherheit der Hochschule insbesondere für den Fall kostenträchtig anzumietender Unterkünfte. Bei steigenden Studierendenzahlen müssten beispielsweise Lehrsäle angemietet werden. Zudem müssten die Unterkünfte weiterhin vorgehalten werden, da das Pandemiegeschehen für die HfÖD nicht vorhersehbar sei.
27
Für die Pauschalität der Kostenerstattung spreche auch § 3 Abs. 2 BayFHVRErstV, der regele, dass für jeden begonnenen Teilabschnitt die vollen darauf entfallenden Kosten zu begleichen seien, unabhängig davon, ob der Abschnitt vom Studierenden abgeschlossen worden sei. Nur im Falle eines Abbruchs innerhalb der ersten vier Wochen des ersten Teilabschnitts des Fachstudiums würde nach Satz 2 lediglich eine Pauschale von 1000 EUR anfallen.
28
Zudem sei die Anpassung der Kostensätze und demnach die Reaktion bei Veränderungen in § 8 BayFHVRErstV abschließend geregelt, nach dem bei einer Kostenreduzierung von mehr als 10% im Turnus von drei Jahren eine Kostenanpassung erfolge. Die Anpassung bei Kostenänderungen erfolge deswegen nach der Konzeption der Vorschrift nicht über einen Verzicht, sondern über die regelmäßig vorgesehene Neuberechnung.
29
Die Argumentation hinsichtlich einer teleologischen Extension der Vorschriften über die Erstattung bezüglich der Unterkunft würden ebenfalls fehlgehen. Es fehle an der Planwidrigkeit hinsichtlich der engen Fassung des Wortlauts, da der Verordnungsgeber mit dem Fall des Verzichts nur die Fälle regeln habe wollen, in denen für einzelne Studierende aufgrund der räumlichen Nähe kein Bedarf an einer Unterkunft bestehe.
30
Der Beklagte verweist auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 11.10.2021 (Az. RN 5 K 20.3131), in dem festgestellt worden sei, dass die zu erbringende Leistung der Hochschule die Ausbildungszeit sei, die auch ohne Präsenzunterricht erbracht worden sei. Im Gegenzug seien pauschaliert alle entstehenden Kosten zu erstatten – unabhängig davon, ob die Unterkünfte tatsächlich genutzt worden seien oder nicht. Die Möglichkeit eines generellen Verzichts habe die erkennende Kammer mit überzeugender Begründung für mehr als fraglich gehalten, denn dies würde dazu führen, dass die Kostendeckung im Wege der pauschalierten Abrechnung nicht mehr erreicht werde.
31
Mit Schriftsatz vom 28.04.2022 erwiderte die Klägerin hierauf, dass während des Ausfalls des Präsenzunterrichts den Studierenden entweder schon gar kein Zimmer zugeteilt oder sie durch die HfÖD dazu aufgefordert worden seien, die Zimmer zu räumen und die Schlüssel abzugeben. Dies belege die E-Mail der HfÖD vom 09.12.2021.
32
Mit Schriftsatz vom 01.06.2022 ergänzte der Beklagte, dass die E-Mail der HfÖD vom 09.12.2021 lediglich die Schlüsselabgabe zum Schutz vor dem Verlust der Schlüssel betroffen habe. Hausrat und persönliche Dinge hätten in den Zimmern verbleiben können.
33
Die HfÖD habe die externen Dienstherren der Vollständigkeit halber aufgefordert, ggf. Verzichtserklärungen abzugeben oder nachzureichen, da sie um ein gutes Verhältnis zu den Behörden bemüht gewesen sei. Eine Anerkennung dieser Verzichte sei damit nicht verbunden gewesen. Die Begründung zum Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 11.10.2021 (Az. RN 5 K 20.3131) hätte zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen.
34
Der berichterstattende Richter gab mit Schriftsatz vom 26.10.2022 den Beteiligten die Gelegenheit, binnen drei Wochen zur vorläufigen Rechtseinschätzung Stellung zu nehmen, dass die Klage hinsichtlich vier der fünf Studienabschnitte schon mangels Einhaltung der Monatsfrist und im Übrigen mangels inhaltlicher Bestimmtheit der Verzichtserklärung unbegründet sei. Mit Schriftsatz vom 10.11.2022 trug die Klägerin vor, dass sie von einem Einverständnis des Beklagten ausgehen habe können, da die Problematik der Kosten für die Unterkünfte besprochen worden und auch formal ein Verzicht erklärt worden sei. Dass dieses Vertrauen vorhanden gewesen sei, würden die zahlreichen weiteren Klagen gegen den Beklagten vor anderen Verwaltungsgerichten zeigen. Die Formulierung in der Verzichtserklärung vom 01.03.2021 („solange ich diese aufgrund des Onlinestudiums nicht nutzen kann“) solle keine bewusste Bedingung darstellen, sondern vielmehr beschreiben, warum der Verzicht erklärt worden sei. Auch aus dem Gesichtspunkt der Fairness könne es nicht sein, dass der Beklagte keine Unterkünfte anbiete und dennoch dafür Geld verlange.
35
Mit Schriftsatz vom 29.11.2022 forderte der berichterstattende Richter die Klägerin auf, darzulegen, auf welche Erklärungen, Besprechungen oder Vereinbarungen hinsichtlich der von ihr vorgetragenen Einigung über die Kostenerhebung sie sich berufen möchte, sowie ggf. vorhandene schriftliche oder elektronische Erklärungen vorzulegen. Die Klägerin erklärte mit Schriftsatz vom 02.12.2022, dass sie keine weiteren Unterlagen oder E-Mails bezüglich der Regelung für die Kosten habe finden können. Es sei für diese Zeit auch keine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten geschlossen worden, sondern es habe lediglich eine stillschweigende Übereinkunft bestanden, dass bei Abgabe einer Verzichtserklärung keine Kosten in Rechnung gestellt würden. Mit Schriftsatz vom 13.12.2022 nahm der Beklagte dahingehend Stellung, dass keine Anerkennung eines Verzichts kommuniziert worden sei und legte dazu eine schriftliche Aussage des Verwaltungsleiters der HfÖD vor.
36
Mit Schriftsätzen vom 23.09.2022 und 27.09.2022 haben die Klägerin bzw. der Beklagte ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) erklärt.
37
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Entscheidungsgründe
38
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
39
Die Festsetzung der Erstattung durch Verwaltungsakt richtet sich nach den zwingenden Regelungen der Ermächtigungsgrundlage. Entspricht sie dieser, sind die weiteren Umstände grundsätzlich nur insofern relevant, als sie zur Nichtigkeit der Ermächtigungsgrundlage führen. Der Bescheid zur Abrechnung der Kosten der Ausbildung beruht auf § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 BayFHVRErstV. Die BayFHVRErstV fußt auf Art. 3 Abs. 2, 5 HföDG.
40
Die Abrechnung der Kosten durch die HfÖD ist gegenüber der Klägerin nach diesen Maßstäben rechtsfehlerfrei erfolgt. Der Abschlag auf die zu erstattenden Kosten ergibt sich weder aus (1.1.) einem Verzicht der Klägerin auf die Unterkunft nach der direkten Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 3 BayFHVRErstV noch liegt (1.2.) ein Verzicht der Hochschule auf die Erhebung der Kosten vor. Zudem scheidet (1.3) eine erweiterte oder analoge Anwendung von § 2 Abs. 2 Satz 3 BayFHVRErstV aus und auch eine (1.4) flexible Anpassung an die veränderte Unterkunftssituation wie bei gleichgeordneten Austauschverhältnissen ist mit dem Regelungskonzept der Vorschriften nicht vereinbar.
41
Ein Abschlag auf die Ausbildungskosten kann nicht auf die direkte Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 3 BayFHVRErstV gestützt werden, der folgenden Wortlaut hat:
Soweit einen Monat vor Beginn eines Teilabschnitts des Fachstudiums in Abstimmung mit der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege auf die Unterkunft verzichtet wird, wird je Monat des Fachstudiums ein Abschlag von 308 € vorgenommen.
Es liegt weder eine wirksame ausdrückliche noch eine konkludente Verzichtserklärung vor. Der Verzicht war auch nicht entbehrlich.
42
Einen ausdrücklichen Verzicht durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung gegenüber der HfÖD hat die Klägerin nicht wirksam erklärt.
43
a) Für vier der fünf streitgegenständlichen Studienabschnitte ergibt sich dies schon aus dem Wortlaut der Norm. Dieser setzt ausdrücklich voraus, dass der Verzicht einen Monat vor Beginn eines Teilabschnitts erfolgt.
44
Der Verzicht auf die Unterkunft im Studienabschnitt III des Jahrgangs 2018/2021, der am 02.01.2021 begann, erfolgte mit Schreiben vom 08.12.2020, versandt per Telefax am 09.12.2020. Damit lag der Zugang der Erklärung nach Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 187 Abs. 2 Satz 1, § 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB analog nicht mehr innerhalb der einmonatigen Rückwärtsfrist des § 2 Abs. 2 Satz 3 BayFHVRErstV. Der Verzicht hinsichtlich des Studienabschnitts I2 des Jahrgangs 2020/2023, der am 04.01.2021 begann, wurde mit E-Mail vom 09.12.2020 ebenfalls nicht fristgemäß erklärt. Gleiches gilt hinsichtlich des Studienabschnitts II 1 desselben Jahrgangs, der am 20.09.2021 begann, da die E-Mail am 26.11.2021 zuging. Nichts Anderes gilt für den Studienabschnitt I des Jahrgangs 2021/2024, der am 15.09.2021 begann, und für den der Verzicht mit E-Mail vom 26.11.2021 erklärt wurde.
45
b) Doch auch hinsichtlich des verbleibenden Studienabschnitts II2 des Jahrgangs 2019/2022 ergibt sich kein anderes Ergebnis. Der Studienabschnitt begann am 05.04.2021. Mit Schreiben vom 02.03.2021, das am gleichen Tag per Telefax versandt wurde, wurde der Verzicht auf die Unterkunft erklärt, sodass dieser mit Blick auf den Beginn des Studienabschnitts noch fristgerecht erfolgt ist.
46
Die Erklärung entspricht indes nicht den inhaltlichen Anforderungen an den Verzicht auf die Unterkunft, die sich aus dem Wortlaut, allgemeinen Grundsätzen sowie dem Sinn und Zweck der Abschlagsvorschrift ergeben, sodass sie unwirksam ist.
47
Schon der Wortlaut, der einen einheitlichen Verzicht auf „die Unterkunft“ regelt, für die dann je Monat „des Fachstudiums“ (als Einheit und nicht nach der Dauer eines ggf. zeitlich beschränkten Verzichts) ein Abschlag vorgenommen wird, stellt an die Verzichtserklärung inhaltliche Anforderungen. Ein zeitweiser Verzicht – wie er im streitgegenständlichen Fall durch die Studierenden erklärt wurde, die ihren Verzicht durch den Zusatz „solange ich diese aufgrund des Onlinestudiums nicht nutzen kann“ einschränkten – steht damit in Konflikt.
48
Der Inhalt der empfangsbedürftigen öffentlich-rechtlichen Willenserklärung ist dabei nach den Maßstäben der §§ 133, 157 BGB analog zu ermitteln (vgl. Busche in MüKoBGB, 9. Aufl. 2021, § 133 BGB Rn. 50 m.w.N.), sodass auf den Horizont des objektiven Empfängers der Erklärung abzustellen ist. Dieser würde die Formulierung „für die Zeit ab […], solange ich diese […] nicht nutzen kann“ entgegen des Vortrages der Klägerin nicht als Beschreibung der Motivation für den Verzicht interpretieren, sondern gemäß dem eindeutigen Wortlaut als Bedingung für die Dauer (vgl. „ab“ – „solange“) der Wirksamkeit des Verzichts.
49
Es handelt sich nicht um eine Zeitbestimmung (vgl. § 163 BGB), sondern um eine auflösende Bedingung für den Verzicht (vgl. § 158 Abs. 2 BGB), die an das Eintreten eines aufgrund der unüberschaubaren Pandemiesituation ungewissen Ereignisses anknüpft, was den Konflikt um die inhaltliche Bestimmtheit weiter verschärft.
50
Die Erklärung des Verzichts, die als Rechtsfolge den Verlust des Anspruchs auf Unterkunft sowie den Abschlag auf die Kosten unmittelbar zur Folge hat, ist eine rechtsgestaltende einseitige Willenserklärung. Derartige Erklärungen sind im Zivilrecht in Verallgemeinerung des Grundsatzes aus § 388 Satz 2 BGB grundsätzlich bedingungsfeindlich, wenn sie in einen fremden Rechtskreis eingreifen (Rövekamp in Hau/Poseck, BeckOK BGB, 63. Ed. 1.8.2022, § 158 Rn. 18). Dieser Rechtsgedanke ist auf einseitige rechtsgestaltende öffentlich-rechtliche Willenserklärungen übertragbar (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.1988 – 9 C 18/88 – NVwZ 1989, 476 zur Rücknahme eines Antrags im Verwaltungsverfahren). Für diese (wie für die nicht von § 388 Satz 2 BGB erfassten privatrechtlichen Erklärungen) besteht keine Regelung und die Interessen sind parallel gelagert, denn es würde die Betroffenen unzumutbar belasten, wenn durch die bedingte Erklärung eine Ungewissheit über den neuen Rechtszustand geschaffen werden würde.
51
Zum selben Ergebnis führt die Auslegung der Vorschrift nach dem Sinn und Zweck. Die in der Norm vorgesehene Mitteilungsfrist von einem Monat vor Beginn des Studienabschnitts schützt erkennbar die Planungssicherheit der HfÖD. Diese müsste bei Erschöpfung der vorhandenen Kapazitäten Räume für die Unterbringung und weitere Räume wie Lehrsäle bei Dritten anmieten. Dritte werden sich bei vernünftiger Betrachtung auf dem freien Markt darauf nur einlassen, wenn für sie vorhersehbar feststeht, ob und zu welchem Zeitpunkt die Räumlichkeiten an die HfÖD entgeltlich vergeben sind. Der dafür erforderliche Vorlauf wird verfahrensmäßig durch die Frist abgesichert. Dazu stünde es im Widerspruch, einen solchen vom Umfang her unbestimmten Verzicht zuzulassen. Genauso wie vor Beginn des Studienabschnitts mit dem vorgesehenen Vorlauf für die Hochschule klar sein muss, mit welcher Belegung sie bei Beginn planen muss, ist es auch während des Studienabschnitts notwendig, dass sie Planungssicherheit darüber hat, welche Belegung während des Studienabschnitts fortdauert.
52
Zudem würde es eine einseitige Bevorzugung bei der Risikoverteilung bedeuten, dem Dienstherren der externen Studierenden die Möglichkeit einzuräumen, nicht hinreichend bestimmt auf die Unterkunft zu verzichten, sodass weiterhin bei Besserung der Lage ein Anspruch auf Unterkunft bestünde, aber nach Ende der Studienabschnitte dennoch eine Anpassung der Kostensätze durchzuführen. Die Pandemie als unkontrollierbare Naturgewalt, der alle Akteure gleichermaßen unterworfen sind, kann nicht einseitig der Risikosphäre der Hochschule zugewiesen werden. Dies gilt zumindest solange diese aus nachvollziehbaren Gründen zeitlich begrenzte und insgesamt verhältnismäßige Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung trifft.
53
Auch ein konkludenter Verzicht auf die Unterkunft kann aus dem Verhalten der Klägerin nicht abgeleitet werden. Eine konkludente Willenserklärung setzt nach der sogenannten objektiven Theorie voraus, dass der rechtsgeschäftliche Wille unmittelbar aus der auf einen rechtlichen Erfolg gerichteten Handlung (z.B. Handheben in einer Versammlung) oder jedenfalls mittelbar aus anderen Indizien hervorgeht. Entscheidend ist nach allgemeinen Grundsätzen die Sicht des objektiven Erklärungsempfängers (vgl. Armbrüster in MüKoBGB, 9. Auflage 2021, vor § 116 BGB Rn. 6). Eine besondere Ausformung der konkludenten Willenserklärung ist das Schweigen, dem grundsätzlich ohne eine rechtsgeschäftliche Erklärung indizierende Begleitumstände kein Erklärungswert zukommt (vgl. Armbrüster in MüKoBGB, 9. Auflage 2021, vor § 116 BGB Rn. 8).
54
Angesichts der Tatsache, dass der Verordnungsgeber durch die Mitteilungsfrist von einem Monat vor Beginn des Studienabschnitts erkennbar dem Schutz der Planungssicherheit der HfÖD durch verfahrensmäßige Absicherung Rechnung tragen wollte, sind an einen konkludenten Verzicht hohe Anforderungen zu stellen, was noch mehr für den stillschweigenden Verzicht als mit Blick auf die Rechtssicherheit problematischste Form gilt.
55
Nach diesen Maßstäben sind im Verhalten der Klägerin keine Anhaltspunkte für eine konkludente – den ausdrücklichen Erklärungen vorhergehende und damit u.U. fristgerechte – Verzichtserklärung erkennbar.
56
Ein Verzicht auf die Unterkunft war auch nicht entbehrlich. Auch bei einer Leistung, die (zunächst) nicht angeboten wird, ist nach dem Regelungskonzept des § 2 Abs. 2 Satz 3 BayFHVRErstV dennoch mit Blick auf die geschützte Planungssicherheit eine Verzichtserklärung erforderlich. Es muss für die Hochschule klar erkennbar sein, ob z.B. bei einer Besserung der Pandemiesituation ein Anspruch der Dienstherren auf Unterkunft für ihre Studierenden besteht. Es würde eine einseitige Bevorzugung bedeuten, dem Dienstherren der externen Studierenden die Möglichkeit einzuräumen, nicht auf die Unterkunft zu verzichten zu müssen, sodass weiterhin ggf. bei Besserung der Lage ein Anspruch auf Unterkunft bestünde, aber nach Ende der Studienabschnitte dennoch eine Anpassung der Kostensätze durchzuführen.
57
Offenbleiben kann die Frage, ob der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Satz 3 BayFHVRErstV auch den generellen Verzicht für einen gesamten Jahrgang oder nur den konkreten Verzicht einzelner Studierende aufgrund der räumlichen Nähe zur HfÖD umfasst. Ob eine solche teleologische Reduktion des weiten Wortlauts der Vorschrift vorzunehmen ist, sodass der erklärte generelle Verzicht unwirksam wäre, ist mangels wirksamer Verzichtserklärung ohne Auswirkung.
58
Nach der Überzeugung der Kammer liegt auch kein Verzicht der HfÖD auf die Erhebung der Kosten für die Unterkunft gegenüber der Klägerin bzw. keine Einigung beider Beteiligten über einen Verzicht vor.
59
Für einen ausdrücklich erklärten Verzicht bzw. eine ausdrücklich geschlossene Einigung über den Verzicht werden von Seiten der Klägerin keine Anhaltspunkte in tatsächlicher Hinsicht vorgetragen und es sind auch keine dafür erkennbar. Die Klägerin verweist nur in aller Pauschalität darauf, dass sich beide Seiten darüber einig gewesen seien – ohne Bezug zu konkreten Willenserklärungen der Beteiligten. Insbesondere Schriftverkehr oder E-Mail-Verkehr, aus denen sich eine solche Erklärung der HfÖD ergeben könnte, wurde nicht durch die materiell beweisbelastete Klägerin vorgelegt und waren auch nicht ermittelbar.
60
Es liegt nach Überzeugung der erkennenden Kammer auch kein konkludenter Verzicht durch die HfÖD auf die Kostenerhebung vor. Auf einen solchen scheint die Klägerin Bezug zu nehmen, wenn sie davon spricht, dass sie von einem Einverständnis des Beklagten habe ausgehen können. Nach den oben dargestellten Maßstäben setzt eine konkludente Verzichtserklärung der Hochschule voraus, dass aus der Sicht des objektiven Empfängers aus dem Verhalten oder zumindest mittelbar aus anderen Indizien ein rechtsgeschäftlicher Wille hervorgeht. An einen solchen sind wegen § 2 Abs. 2 Satz 3 BayFHVRErstV hohe Anforderungen zu stellen, denn dieser gibt den externen Dienstherren zwar ein Recht, auf die Unterkunft zu verzichten, weist ihnen notwendigerweise aber auch die Pflicht zu, in dieser Hinsicht die Initiative zu ergreifen. Die vorschnelle Annahme eines konkludenten Verzichts auf die Kostenerhebung seitens der HfÖD würde den gesetzlich vorgesehenen Regelfall – Verzicht auf die Unterkunft durch die externen Dienstherren – in das Gegenteil verkehren. Zudem würden so die verfahrensmäßige Absicherung durch die Monatsfrist und damit deren Schutzzweck (Planungssicherheit für die Hochschule) unterlaufen.
61
Demgemäß kann bei Würdigung der tatsächlichen Geschehnisse kein konkludenter Verzicht seitens der HfÖD angenommen werden. Allein aus der – hier unterstellten – Tatsache, dass die Problematik der Kosten für die Unterkünfte besprochen wurde und auch formal (verfristete bzw. unwirksame) Verzichtserklärungen eingingen, kann entgegen des Vortrags der Klägerin nicht auf einen konkludenten Verzicht seitens der HfÖD geschlossen werden. Auch die Tatsache, dass weitere Klagen gegen den Beklagten vor anderen Verwaltungsgerichten wegen der Unterkunftskosten für das Jahr 2021 anhängig sind, lässt nur einen Schluss auf die subjektive einseitige Erwartungshaltung der externen Dienstherren zu, nicht aber auf das hier relevante Verhalten der HfÖD und den in ihm objektiv zum Ausdruck kommenden Willen.
62
Zuletzt kann auch der E-Mail der HfÖD vom 25.11.2021 keine Erklärung des Verzichts auf die Kostenerhebung über den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Satz 3 BayFHVRErstV hinaus – sei es ohne Einhaltung der Frist für die Erklärung durch die externen Dienstherren oder gar ohne Notwendigkeit einer solchen Erklärung – entnommen werden. Die besonders auf Höflichkeit bedachte Formulierung („Ich erlaube mir den Hinweis, dass […]“, „Zudem bitte ich nochmals zu prüfen, ob […]“) lässt vor dem Hintergrund des den Verzicht ablehnenden Bescheids des Beklagten für das Vorjahr und den schon seit 17.12.2020 anhängigen Rechtsstreit über die Kostenfestsetzung für das Vorjahr lediglich darauf schließen, dass die HfÖD diese Hinweise erteilte, weil sie um ein gutes Verhältnis mit den externen Dienstherren bemüht war, mit denen sie für die Ausbildung der Studierenden auch nach Abklingen der Pandemielage noch kooperieren muss. Anhaltspunkte für eine darüberhinausgehende Auslegung als Verzicht über den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Satz 3 BayFHVRErstV hinaus sind demgegenüber nach den o.g. Maßstäben nicht erkennbar.
63
Hilfsweise stünden sowohl der zweiseitigen Einigung in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrags über die Kostenerhebung als auch dem einseitigen Verzicht der Hochschule auf die Kostenerhebung in Form einer Zusicherung die Erfordernisse der Art. 57, Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 125 Satz 1 BGB bzw. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG entgegen. Beide Vorschriften verlangen für die Wirksamkeit der Erklärungen die Schriftform bzw. die elektronische Form i.S.d. Art. 3a Abs. 2 BayVwVfG, vor allem um Rechtssicherheit und Rechtsklarheit durch Dokumentation zu erreichen. Die Bedeutung des Schutzzweckes zeigt sich beispielhaft im streitgegenständlichen Fall, ein Rechtsstreit über subjektive Interpretationen und Erwartungen der beiden Beteiligten soll durch Aufzeichnung des Inhalts der Erklärung verhindert werden.
64
Im Übrigen ist dieser Schutzzweck der Vorschrift des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG auch insofern zu berücksichtigten, als er es verbietet, eine zusicherungsähnliche Bindungswirkung aus anderen Gründen (z.B. Treu und Glauben, § 242 BGB analog) herzuleiten (BayVGH Beschluss vom 1.7.2008 – 22 ZB 07.1691, BeckRS 2008, 36955, beck-online; Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 38 Rn. 56).
65
Offenbleiben kann damit die Frage, ob die haushaltsrechtlichen Grundsätze aus Art. 8, 7 und 34 BayHO einem Verzicht der HfÖD auf Einnahmen entgegenstünden, da ein solcher nicht (wirksam) erfolgt ist.
66
Auch eine erweiterte Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen für den Abschlag auf die Kosten nach § 2 Abs. 2 Satz 3 BayFHVRErstV durch teleologische Extension oder Analogie dergestalt, dass die Pflicht zum Tragen der festgestellten anteiligen Kosten entfiele, wenn die tatsächliche Nutzung der Unterkünfte nicht erfolgt oder nicht möglich ist, ist nicht angebracht.
67
Bei der Vorschrift über den Abschlag handelt es sich um eine alleinstehende Ausnahme zum Grundsatz des pauschalen Kostenersatzes aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 HfÖDG, bei der noch zusätzlich enge Voraussetzungen festgelegt sind, um die Planungssicherheit der Hochschule nicht zu gefährden. Eine erweiterte Auslegung würde dazu führen, dass nicht mehr vom Anwendungsfall klar umrissene und verfahrensmäßig durch die Frist zur Erklärung des Verzichts abgesicherte Ausnahmefälle der Anwendungsfall der Ausnahmevorschrift wären. Stattdessen würde diese über einen Umweg in eine dem öffentlichen Recht im Rahmen der Verwaltungsaktsetzung im Subordinationsverhältnis fremde Anpassungsvorschrift für nachträglich veränderte Umstände umgedeutet werden.
68
Der Verordnungsgeber hat erkennen lassen, dass die Pauschalierung Vorrang hat und nicht nach Umfang der tatsächlichen Nutzung oder Nutzungsmöglichkeit abgerechnet wird. Die Abrechnung des Kostenersatzes erfolgt nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Satz 2 BayFHVRErstV „für die Belegung eines Studienplatzes“, also als Einheit statt nach den konkret erbrachten Leistungen. Auch in zeitlicher Hinsicht ist der Anpassung durch § 3 Abs. 2 Satz 2 BayFHVRErstV Grenzen gesetzt, sodass ein Abbruch des Teilabschnitts nur innerhalb der ersten vier Wochen Auswirkungen auf den Kostenersatz hat.
69
Auch lässt die gesetzliche Ausgestaltung der Kostenerstattung für Studierende externer Dienstherren keine sonstige flexible Anpassung an veränderte Umstände während der Pandemie zu. Auf eine solche scheint die Klägerin Bezug zu nehmen, wenn sie davon spricht, dass der Verzicht zur Lösung des Problems nur bedingt geeignet sei, und auf den „Gesichtspunkt der Fairness“ verweist.
70
Derartige Vorschriften sind vorrangig in gleichgeordneten Austauschverhältnissen vorgesehen (z.B. Art. 60 BayVwVfG oder § 313 BGB, §§ 275, 326 BGB), wo eine Reaktion auf Veränderungen jenseits der Bestimmungen des Vertrages bei einem gleichgeordneten Gegenseitigkeitsverhältnis eher geboten ist. Dagegen ist in Über-/Unterordnungsverhältnissen – wie im streitgegenständlichen Fall – nach dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) die Grenze der Rechtssicherheit verfassungsmäßig besonders bedeutsam, sodass diese Regelungen nicht analog angewandt werden können.
71
Das Fehlen einer flexiblen Anpassung an die konkret erbrachte Leistung der Hochschule wirkt dabei nicht nur zulasten der Klägerin, sondern auch zu ihren Gunsten z.B. bei starker vorübergehender Erhöhung der Energiepreise und damit der Heizkosten des Beklagten durch höhere Gewalt wie einem kriegerischen Konflikt. Genauso kann es zu ihren Gunsten offenbleiben, ob durch die teilweise gewährte Unterkunft in Einzelzimmern zeitweise eine höhere Qualität der Ausbildung erreicht wurde.
72
Im Gegensatz dazu stellt die Ermächtigungsgrundlage für die BayFHVRErstV in Art. 3 Abs. 2 Satz 4 HföDG allerdings ausdrücklich fest, dass die Kosten pauschal und nicht konkret nach tatsächlicher Nutzung oder tatsächlicher Nutzungsmöglichkeit abgerechnet werden. Die Regelung beruht auf einer bewussten Entscheidung des Verordnungsgebers, denn sie wurde mit Wirkung vom 01.01.2012 durch Gesetz vom 20.12.2011 (GVBl. S. 689) nachträglich zur Klarstellung eingefügt, was aufgrund eines Redaktionsversehen bisher unterblieben war (LT-Drs. 16/9083 S. 26).
73
Diese geregelte Pauschalierung entspricht auch am ehesten den Umständen im Verhältnis zwischen dem Beklagten als Träger der HfÖD und der Klägerin als Dienstherrin externer Studierender, sodass keine Abweichung im Einzelfall geboten ist. Der beklagte Freistaat Bayern ist Träger der HfÖD und stellt ihr im Staatshaushalt die notwendigen Mittel zur Verfügung (Art. 3 HföDG). Soweit nichtstaatliche öffentliche Dienstherren ihren Nachwuchs dort ausbilden, tragen sie einen Teil der Kosten, nämlich der aufgezählten laufenden Kosten, anteilig nach der Zahl der Studierenden (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 HföDG). Die Umverteilung der laufenden Kosten ohne Rücksicht auf die konkrete Nutzung oder Nutzungsmöglichkeit widerspricht im Ergebnis auch nicht den berechtigten Interessen der nichtstaatlichen Dienstherren. Gäbe es die Möglichkeit zur Ausbildung ihrer Nachwuchskräfte an der Hochschule des Beklagten nicht, müssten sie – wie der Beklagte – z.B. in Kooperation mit weiteren Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung eine Hochschule schaffen, um dort die spezialisierte Ausbildung für die Sozialversicherung zu ermöglichen. Auch in diesem Fall trügen sie anteilig die Kosten ohne Rücksicht auf die tatsächliche Nutzung oder Nutzungsmöglichkeit und würden genauso wie der Beklagte von den Folgen der Pandemiesituation betroffen werden.
74
Es kann deswegen im Ergebnis dahinstehen, welche Minder- und Mehrausgaben durch die Veränderung der Studiensituation im Zuge der Covid-19-Pandemie entstanden sind und wie diese im Verhältnis zueinanderstehen. Der Ausgleich von Kostenveränderungen ist in § 8 BayFHVRErstV abschließend geregelt. Bei einer Kostenveränderung von über 10% muss im 3-Jahres-Turnus eine Anpassung der Höhe der Kostensätze erfolgen. Dabei können Ausgabenveränderungen durch die Pandemiesituation – gleich ob Minder- oder Mehrausgaben – an die nichtstaatlichen öffentlichen Dienstherren weitergegeben werden. Auch eine zurückliegende einmalige Veränderung kann so kompensiert werden, da die Vorschrift ausdrücklich auf die „tatsächlichen Ausgaben“ abstellt, sodass die ggf. vorhandene Ausgabenminderung durch die Pandemiesituation bei der Modellbildung für die Zukunft nicht ausgeblendet werden kann.
75
Dabei ist es ohne Auswirkung, dass die HfÖD der Akademie der Sozialverwaltung (ASoV) des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales, die die grundbesitzverwaltende Dienststelle ist, die Hausbewirtschaftungskosten nach einem Schlüssel, der die Belegungstage zur Grundlage hat, zu ersetzen hat. Denn auch auf dieser zusätzlichen Ebene der Verteilung der Kosten wird einer Veränderung der tatsächlichen Ausgaben (vgl. § 8 BayFHVRErstV) Rechnung getragen und eine solche wird somit an die externen Dienstherren „durchgereicht“.
76
Im Ergebnis unerheblich ist wegen der pauschalen Abrechnung für die Belegung des Studienplatzes mit turnusmäßiger Anpassung nach § 8 BayFHVRErstV auch die Frage, ob es ein tatsächliches Übernachtungsverbot an der HfÖD gab oder ob noch eine Nutzungsmöglichkeit der Unterkunft für die Studierenden verblieb, da eine Einschränkung des Leistungsumfangs keine Auswirkung auf die streitgegenständliche Feststellung der Erstattungsbeträge hat.
77
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.