Inhalt

OLG Nürnberg, Endurteil v. 24.08.2022 – 12 U 1260/18
Titel:

Schuldanerkenntnis, Widerklageforderung, Versäumnisurteil, Parteiwechsel, Unterfrachtführer, Wegfall der Haftungsbeschränkungen, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Weiterer Sachvortrag, Unabwendbares Ereignis, Vollstreckungsabwehr, Anerkenntnis, Abtretungsvereinbarung, Willenserklärungen, Schriftsätze, Schadensersatzpflicht, CMR-Haftung, Kosten des Berufungsverfahrens, Stellungnahmefrist, Haftungsbegrenzung, Haftung des Frachtführers

Leitsätze:
1. Ein durch den Beklagten erklärter Parteiwechsel ist grundsätzlich unzulässig ist, da es ausschließlich Sache des Klägers ist, wen er Anspruch nimmt und wie er auf nachträgliche Veränderungen auf der Beklagtenseite prozessual reagiert (redaktioneller Leitsatz)
2. Zu der Frage des Anerkenntnisses der unbeschränkten Haftung nach Teilverlust des Gutes. (redaktioneller Leitsatz)
3. Art. 41 CMR steht Vereinbarungen zur Haftung des Frachtführers nach Entstehung des Schadens nicht entgegen. (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein qualifiziertes Verschulden (Art. 29 CMR) liegt nicht vor, wenn der Fahrer zur Wahrung der vorgeschriebenen Ruhezeit das Fahrzeug auf einem Parkplatz in den Niederlanden abstellt und in diesem schläft. Dies gilt unabhängig davon, welchen konkreten Kenntnisstand der Frachtführer in Bezug auf die Art der Fracht und deren Wert hatte. Ein leichtfertiges Handeln kann nicht allein daraus hergeleitet werden, dass der Frachtführer weiß, dass es sich um grundsätzlich besonders diebstahlsgefährdetes Frachtgut handelt – hier: LCD-Monitore –, wenn nicht durch den Auftraggeber besondere Sicherungsvorkehrungen angeordnet wurden. (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach auch allein eine Handelsrechnung den hinreichenden Nachweis von Umfang und Wert der verloren gegangenen Sendung ermöglicht, gilt nicht in gleicher Weise bei einem Teilverlust, weil die Rechnung nur einen nach den gesamten Umständen zu würdigenden Beleg für den Umfang des Transportguts bei der Absendung darstellt, jedoch keine Aussagekraft dahin hat, in welchem Umfang es später zu einem Teilverlust kam. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Internationaler Straßengüterverkehr
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 26.06.2018 – 2 HK O 7992/17
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Berichtigungsbeschluss vom 12.10.2022 – 12 U 1260/18
Fundstellen:
BeckRS 2022, 52612
LSK 2022, 52612
RdTW 2024, 27

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.06.2018, Az. 2 HK O 7992/17, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 2 des Tenors dieses Urteils wie folgt neu gefasst wird:
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die A.V. AG, 23.484,83 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.02.2018 zu zahlen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn dieser nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 21.672,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen Warenverlusts bei einem grenzüberschreitenden Gütertransport.
2
Die Klägerin ist Spediteurin. Die ehemalige Beklagte W. GmbH war ebenfalls Spediteurin. Der neue Beklagte wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 26.09.2018, Az. IN XX/XX, zum Insolvenzverwalter über deren Vermögen bestellt.
3
Die ehemalige Beklagte wurde von der Klägerin am 20.12.2016 mit dem Transport von LED-Monitoren von Oosterhout in den Niederlanden nach dem etwa 160 km entfernten Ba... in Deutschland (Fahrzeit ca. 2 Stunden) beauftragt.
4
Die ehemalige Beklagte hat die Fracht über die – dem Rechtsstreit nicht beigetretene – Streitverkündete L.A. als Unterfrachtführerin am 20.12.2016 übernommen. In der Nacht vom 20.12.2016 auf den 21.12.2016 wurde der LKW mit dem Transportgut auf dem Gelände einer Tankstelle in der Nähe der Autobahn in Ma... in den Niederlanden von unbekannten Tätern aufgebrochen und ein Teil der Ladung gestohlen.
5
Nachfolgend kam es zu – per E-Mail und in englischer Sprache geführter – Korrespondenz zwischen der Klägerin und der ehemaligen Beklagten über den Warenverlust, die seitens der ehemaligen Beklagten durch deren Mitarbeiter A.L. geführt wurde.
6
Am 21.12.2016 (neue Anlage 1 zum Berufungsverfahren) teilte die ehemalige Beklagte der Klägerin mit, dass 4 – 5 Paletten gestohlen worden seien und wies am selben Tag (neue Anlage 2 zum Berufungsverfahren) auf die Haftungsbegrenzung gemäß ADSp 2016 hin. Die Klägerin erklärte daraufhin am 22.12.2016 (Anlage 7), dass sie die ehemalige Beklagte für den Verlust des Transportguts im Wert von 21.760,00 € haftbar mache. Diese solle innerhalb von 10 Tagen mitteilen, ob sie die Haftung für diesen Betrag akzeptiere. Die ehemalige Beklagte teilte der Klägerin am 05.01.2017 mit, dass sie noch auf den Polizeibericht warte und ihre Versicherung informiert habe, die die Streitverkündete und deren Versicherer sowie die Klägerin kontaktieren werde.
7
Am 13.01.2017 (neue Anlage 1 zum Berufungsverfahren) fragte die Klägerin bei der ehemaligen Beklagten an, ob diese die Haftung akzeptiere. Die ehemalige Beklagte antwortete am 16.01.2016 (Anlage 2), dass sie die Haftung akzeptiere („We accept liability“). Auf Nachfrage der Klägerin vom selben Tag (Anlage 3), ob die ehemalige Beklagte zustimme, dass ihr eine Schadensrechnung über 21.672,00 € übersandt werde („To be clear: it is agreed, that I send you a damage invoice for € 21.672 €?“) antwortete die ehemalige Beklagte am selben Tag (Anlage 4) mit Ja („Yes“).
8
Die Klägerin hat insbesondere behauptet, dass 172 (von insgesamt 708) LCD-Monitoren der Firma L.E. abhandengekommen seien, wodurch ein von der ehemaligen Beklagten zu ersetzender Schaden in Höhe von 21.672,00 € gemäß der Schadensrechnung vom 17.01.2017 (Anlage [K] 7) entstanden sei. Die ehemalige Beklagte habe ihre Ersatzpflicht mit E-Mail vom 16.01.2017 ausdrücklich und auch formwirksam anerkannt.
9
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 21.672,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.6.2017 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 984,60 € zu zahlen.
10
Das Landgericht hat die ehemalige Beklagte auf Antrag der Klägerin durch Versäumnisurteil vom 01.02.2018 (Bl. 15 – 17 d. A.) entsprechend dem Klageantrag zur Zahlung von 21.672,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem „Basiszins der EZB“ seit dem 28.06.2017 sowie vorgerichtlichen Kosten von 984,60 € verurteilt.
11
Die Klägerin ließ die ehemalige Beklagte durch ihre Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 06.02.2018 unter unbedingter Androhung der sonstigen Zwangsvollstreckung aus dem am 05.02.2018 zugestellten Versäumnisurteil unter Fristsetzung von einer Woche zur Zahlung von 23.484,83 € auffordern. Daraufhin zahlte die ehemalige Beklagte diesen Betrag mit dem ausdrücklichen Zusatz an die Klägerin, dass die Zahlung nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolge und unter ausdrücklichem Vorbehalt der Rückforderung stehe.
12
Die ehemalige Beklagte hat gegen das Versäumnisurteil form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.
13
Die Klägerin hat sodann beantragt,
das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
14
Die ehemalige Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
15
Im Wege der Widerklage hat die ehemalige Beklagte ferner beantragt,
die Klägerin zu verurteilen, an die [ehemalige] Beklagte 23.484,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.02.2018 zu zahlen.
16
Die ehemalige Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass kein wirksames Schuldanerkenntnis vorliege. Sie habe ihre eigene Inanspruchnahme ersichtlich im Hinblick auf die grundsätzlich ebenfalls bestehende Obhutshaftung des Frachtführers im Sinne der CMR bestätigt und nicht den Anspruch nach Grund und Höhe anerkannt. Aus den von der Klägerin vorgelegten E-Mails könne im Übrigen ungeachtet dessen, dass sie nicht den Erklärungsgehalt hätten, wie ihn die Klägerin gerne haben möchte, schon aufgrund von Formnichtigkeit nichts hergeleitet werden. Zudem handle es sich bei dem Mitarbeiter A.L. um einen „einfachen“ Disponenten, der lediglich den Transportauftrag entgegengenommen und die Abwicklung organisiert habe. Er sei kein Mitglied der Geschäftsleitung gewesen und habe weder zur Begründung einer eigenständigen Schuld noch zur Bestätigung einer behaupteten Schuld Vertretungsmacht besessen. Dies sei auch der Klägerin bekannt gewesen.
17
Auch dann, wenn von einer Vertretungsmacht ihres Mitarbeiters ausgegangen würde, sei die von der Klägerin behauptete Vereinbarung gemäß Art. 41 CMR nichtig gewesen, weil der verlangte Betrag deutlich über der Haftungsgrenze liege und damit von den Bestimmungen der CMR abweiche.
18
Für einen Anspruch wegen des behaupteten Verlusts von Transportgut im Sinne der Art. 17 ff. CMR trage die Klägerin nicht hinreichend vor. Jedenfalls liege ein unabwendbares Ereignis im Sinne von Art. 18 Abs. 2 CMR vor, wodurch der Frachtführer und demgemäß auch die ehemalige Beklagte von der Haftung befreit seien. Zudem sei ein etwaiger Anspruch der Höhe nach gemäß Art. 23 Abs. 3 CMR begrenzt, so dass – nachdem das Gewicht der abhandengekommenen Ware nach Behauptung der Klägerin 1.152,40 kg betragen habe – ihre Höchsthaftung den Betrag von 9.599,49 € nicht übersteigen würde.
19
Für eine ausnahmsweise vorliegende Haftungsdurchbrechung im Sinne von Art. 29 CMR werde nichts vorgetragen, obwohl die Klägerin insoweit darlegungs- und beweisbelastet sei.
20
Es werde bestritten, dass 172 Monitore abhandengekommen seien und dass der in der vorgelegten Handelsrechnung angegebene Wert eines Monitors von 126,00 € den Wiederherstellungskosten eines solchen Monitors entspreche. Die Klägerin könne sich nicht auf Art. 23 Abs. 2 CMR berufen, wenn sie vollen Schadensersatz verlange; in diesem Fall seien etwaige Gewinne, die typischerweise in Handelskäufen zu Gunsten des Verkäufers enthalten seien, nicht zu berücksichtigen.
21
Ferner müsse sich die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden entgegenhalten lassen, da sie es unterlassen habe, bei der Auftragserteilung auf den außergewöhnlich hohen Wert des Sendungsgutes hinzuweisen.
22
Die Klägerin sei ihr daher zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der ihr durch die Vollstreckung des Urteils bzw. die zur Vollstreckungsabwehr erfolgte Leistung entstanden sei.
23
Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf ihren Vortrag im Übrigen beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
24
Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
25
Das Landgericht hat mit Endurteil vom 26.06.2018 (Bl. 83 – 89 d. A.) sein Versäumnisurteil vom 01.02.2018 aufgehoben, die Klage vollumfänglich abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage hin verurteilt, an die [ehemalige] Beklagte 21.672,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom 28.06.2017 bis zum 09.02.2018 und vorgerichtliche Kosten von 984,60 € zu zahlen.
26
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht insbesondere ausgeführt, dass die Klägerin gegen die ehemalige Beklagte nicht aus einem Anerkenntnis vorgehen könne und die haftungsbegründenden Tatsachen gemäß Art. 17 CMR nicht dargetan habe. Die ehemalige Beklagte habe sich zudem unwidersprochen mit einem unabwendbaren Ereignis verteidigt, wobei die entsprechenden Anknüpfungstatsachen nicht bestritten worden seien.
27
Die Klägerin verfolgt mit der Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres Sachvortrags ihr erstinstanzliches Klagebegehren unter Berücksichtigung der aufgrund des Versäumnisurteils erfolgten Zahlung der ehemaligen Beklagten weiter.
28
Die Klägerin beantragt im Berufungsrechtszug,
das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.06.2018 abzuändern,
festzustellen, dass die [ehemalige] Beklagte verpflichtet war, an die Klägerin 21.672,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins vom 28.06.2017 bis zum 09.02.2018 und vorgerichtliche Kosten von 984,60 € zu zahlen und die Widerklage abzuweisen.
29
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
30
Der Beklagte verteidigt das Ersturteil als zutreffend.
31
Mit Schriftsatz vom 19.07.2022 hat der Beklagte einen subjektiven Parteiwechsel dahin beantragt, dass an seiner Stelle neue Beklagte die A.V. AG, sein solle. Diese sei aufgrund Abtretungsvereinbarung vom 13.07.2022 Inhaberin der Widerklageforderung geworden sei. Die Klägerin hat beantragt, „den Schriftsatz vom 19.07.2022 … zurückzuweisen“, da die Wochenfrist nach § 132 Abs. 1 ZPO nicht gewahrt sei.
32
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in beiden Instanzen wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
II.
33
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
34
Die ehemalige Beklagte haftet der Klägerin – wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat – nicht für den streitgegenständlichen Verlustschaden.
35
Ein wirksames Anerkenntnis der (unbeschränkten) Haftung in Höhe der Klageforderung durch die ehemalige Beklagte ist nach den gesamten Umständen nicht erfolgt (hierzu unter II. 2.)
36
Die Klägerin hat auch nicht hinreichend nachgewiesen, dass die ehemalige Beklagte für den durch den teilweisen Verlust der Fracht entstandenen Schaden nach Art. 17 ff. CMR haftet. Der Senat geht zwar davon aus, dass die ehemalige Beklagte für den Verlust des Frachtguts jedenfalls bis zum Haftungshöchstbetrag nach Art. 23 Abs. 3 CMR grundsätzlich einzustehen hat (hierzu unter II. 3.). Die Klägerin hat die Höhe des entstandenen Schadens jedoch nicht hinreichend nachgewiesen. Erstinstanzlich hat die Klägerin den von der ehemaligen Beklagten zulässigerweise bestrittenen Umfang des Verlustes von Frachtgut (und damit auch dessen Wert) nicht belegt. Mit dem hierzu im zweiten Rechtszug gehaltenen Vortrag und den hierzu angebotenen Beweismitteln ist die Klägerin nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen; insbesondere ist der diesbezügliche Vortrag weder infolge eines Verstoßes des Erstgerichts gegen seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO unterblieben noch kann angenommen werden, dass die fehlende Geltendmachung nicht auf Nachlässigkeit der Klägerin beruht (hierzu unter II. 4.).
37
Die zuletzt auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der ehemaligen Beklagten gerichtete Klage ist daher unbegründet. Die Widerklage, mit der der Beklagte die Rückzahlung des zur Vollstreckungsabwehr geleisteten Betrags begehrt, ist hingegen begründet, da das Erstgericht sein Versäumnisurteil vom 01.02.2018, durch das die ehemalige Beklagte antragsgemäß zu einer Zahlung in Höhe der Klageforderung verurteilt worden war, zu Recht aufgehoben hat. Der zur Vollstreckungsabwehr geleistete Betrag ist daher von der Klägerin zurückzuerstatten (§ 717 Abs. 3 Satz 2, Satz 3 ZPO, §§ 812 ff. BGB).
38
Damit erweist sich das angefochtene Urteil im Ergebnis, mit der sich aus dem Tenor ergebenden Maßgabe in Bezug auf den Empfänger der mit der Widerklage geforderten Rückzahlung (hierzu unter II. 5.), als zutreffend. Nicht zulässig ist hingegen der vom Beklagten beantragte Parteiwechsel (hierzu unter II. 1.)
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1. Der mit Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 19.07.2022 beantragte (gewillkürte) Parteiwechsel dahin, dass die A.V. AG aufgrund Abtretung der Widerklageforderung als Rechtsnachfolgerin den Prozess als Hauptpartei an Stelle des Beklagten übernimmt (wobei der Senat davon ausgeht, dass der Beklagtenvertreter diesen Antrag zugleich für den Beklagten und die A.V. AG gestellt hat), ist unzulässig.
40
Ein Parteiwechsel vom Rechtsvorgänger auf den Rechtsnachfolger wegen der Abtretung einer streitbefangenen Forderung bedarf nach § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO der Zustimmung des Prozessgegners. Vorliegend hat die Klägerin dem beantragten Parteiwechsel nicht zugestimmt. Unter Berücksichtigung auch der Erörterungen im Termin vor dem Senat am 20.07.2022 ist die Stellungnahme der Klägerin im Schriftsatz vom 20.07.2022 als Verweigerung der Zustimmung zu einem Parteiwechsel auszulegen, zumal sie beantragt, das Vorbringen in diesem Schriftsatz insgesamt zurückzuweisen. Der Senat vermag in der Verweigerung der Zustimmung auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin erkennen; trotz der Unzulässigkeit des Parteiwechsels hinsichtlich der Widerklageforderung tritt subjektive Rechtskraftwirkung zugunsten der A.V. AG ein (§ 325 Abs. 1, § 265 ZPO).
41
Der Entscheidung des Senats ist allerdings zugrundezulegen, dass die im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 19.07.2020 neu vorgetragene Abtretungsvereinbarung vom 13.07.2022 zustandegekommen ist. Dass dieser Sachvortrag unter Verstoß gegen Bestimmungen des § 132 Abs. 1 ZPO erfolgt ist, steht dem nicht entgegen. Denn die Klägerin hat sich zwar gegen die Zulassung dieses Vorbringens gewandt, jedoch das Zustandekommen der Abtretungsvereinbarung als solcher nicht bestritten. Damit liegen die Voraussetzungen für eine Zurückweisung als verspätet nicht vor, da keine Verzögerung des Rechtsstreits zu befürchten ist (§§ 296 Abs. 2, 525 Satz 1 ZPO).
42
Die Abtretung hat jedoch keinen unmittelbaren Einfluss auf den Prozess (§ 265 Abs. 1 Satz 1 ZPO), da der Beklagte den Rechtsstreit hinsichtlich der Widerklageforderung in gesetzlicher Prozessstandschaft für die A.V. AG fortführt (zur Auslegung der Antragstellung des Beklagten vor diesem Hintergrund vgl. nachfolgend unter II. 5.).
43
Nachdem der erklärte Parteiwechsel nicht ausdrücklich auf die Widerklage beschränkt wurde, ist vorsorglich darauf hinzuweisen, dass in Bezug auf die Klage ein durch die Beklagtenseite erklärter Parteiwechsel schon grundsätzlich unzulässig ist, da es ausschließlich Sache des Klägers ist, wen er Anspruch nimmt und wie er auf nachträgliche Veränderungen auf der Beklagtenseite prozessual reagiert.
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2. Dem Schriftverkehr der Klägerin und der ehemaligen Beklagten nach dem Schadensereignis kann der Senat ein schuldrechtlich wirksames Anerkenntnis einer (unbeschränkten) Haftung in Höhe der Klageforderung durch die ehemalige Beklagte nicht entnehmen.
45
a) Zwar hat der Mitarbeiter A.L. der ehemaligen Beklagten die von der Klägerin am 13.01.2017 gestellte Frage, ob die ehemalige Beklagte die Haftung akzeptiere, am 16.01.2017 ebenso bejahend beantwortet wie die nachfolgend am selben Tag erfolgte Anfrage der Klägerin, ob sie eine Schadensrechnung über 21.672,00 € übersenden dürfe.
46
Bei der Auslegung eine Willenserklärung ist jedoch der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB). Neben dem Wortlaut der Erklärung sind auch die Begleitumstände und die Interessenlage der Beteiligten zu berücksichtigen (vgl. hierzu etwa Ellenberger in Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 133 Rn. 15 ff.).
47
Dies bedeutet vorliegend, dass die Erklärungen des Mitarbeiters der ehemaligen Beklagten vor dem Hintergrund der vorangegangenen Korrespondenz und der branchenüblichen Gepflogenheiten bei der Abwicklung von Transportschäden zu bewerten sind.
48
Danach kann ein Rechtsbindungswille auf Seiten der ehemaligen Beklagten dahin, dass sie eine über die Haftungsbeschränkung nach der CMR bzw. den Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen 2016 (ADSp 2016) hinausgehende umfassende Haftung sowie die Berechtigung des geforderten Betrags der Höhe nach anerkennt, nicht angenommen werden.
49
Als Reaktion auf die am 22.12.2016 übersandte Erklärung der Klägerin, dass sie die ehemalige Beklagte für den Verlust von Transportgut im Wert von 21.672,00 € haftbar machen wolle, hat diese zunächst auf die Haftungsbegrenzung nach den ADSp 2016 hingewiesen. Ferner gilt bei einem unter die CMR fallenden Transport auch ohne vertragliche Vereinbarung im Regelfall eine Haftungsbeschränkung auf den (gewichtsabhängigen) Höchstbetrag nach Art. 23 Abs. 2 CMR, auf die sich der Frachtführer nur unter besonderen Voraussetzungen nicht berufen kann, nämlich dann, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden (Leichtfertigkeit in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten würde) verursacht hat (Art. 29 CMR). Aus der vorgelegten Korrespondenz ergibt sich auch nichts dafür, dass die besonderen Voraussetzungen für einen Wegfall der Haftungsbeschränkung näher erörtert worden wären.
50
Die ehemalige Beklagte ging somit – auch für die Klägerin erkennbar – davon aus, nur im Rahmen der Haftungsbegrenzung für den Schaden einstehen zu müssen.
51
Mit der E-Mail vom 05.01.2017 – in der auf den noch ausstehenden Polizeibericht verwiesen wurde – teilte die ehemalige Beklagte ferner mit, dass sie ihren Versicherer informiert habe, der den für sie tätig gewordenen Unterfrachtführer und dessen Versicherer sowie die Klägerin kontaktieren werde. Diese Vorgehensweise ist im Transportgewerbe bei einem Schadensfall branchenüblich. Nachdem es sich bei der Klägerin um ein größeres Speditionsunternehmen handelt, kann vorausgesetzt werden, dass diese mit den entsprechenden Gepflogenheiten vertraut ist und häufiger Schadensfälle abzuwickeln hat. Aufgrund dieses Hinweises auf die Einbeziehung des Versicherers in die Schadensregulierung musste die Klägerin daher davon ausgehen, dass die ehemalige Beklagte aufgrund ihrer versicherungsvertraglichen Verpflichtungen zu eigenständigen Haftungsanerkenntnissen ohne Zustimmung ihres Versicherers nicht mehr befugt war und deren nachfolgende Erklärungen auch vor diesem Hintergrund bewerten. Allein der Umstand, dass der Mitarbeiter der ehemaligen Beklagten vor seinen E-Mails am 16.01.2017 mit E-Mail vom 09.01.2017 angekündigt hatte, dass er sich in der nächsten Woche („next week“) mit dem Versicherer der ehemaligen Beklagten in Verbindung setzen werde, gibt zu keiner anderen Bewertung Anlass, zumal dieser am 16.01.2017 auch nicht auf Rücksprachen mit dem Versicherer Bezug genommen hatte.
52
Soweit daher der Mitarbeiter der ehemaligen Beklagten auf die vorstehend dargestellten Anfragen der Klägerin jeweils bejahend antwortete, konnte diese dem keinen weitergehenden Erklärungsinhalt entnehmen, als dass die ehemalige Beklagte grundsätzlich ihre Einstandspflicht im Rahmen der Haftungsbeschränkung, jedoch ohne Anerkenntnis einer konkreten Höhe des sich danach ergebenden Schadensersatzanspruchs der Klägerin bestätigte. Auch dass seitens der ehemaligen Beklagten der Übersendung einer Schadensrechnung über den von der Klägerin behaupteten Wert des Transportguts in Höhe von 21.672,00 € zugestimmt wurde, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Zustimmung zur Übersendung einer erst noch zu prüfenden Rechnung bedeutet schon grundsätzlich nicht, dass eine Zahlungsverpflichtung in der angekündigten Höhe anerkannt wird. Es handelt sich dabei zunächst lediglich um einen notwendigen Bestandteil der Abwicklung eines Transportschadens, so dass dem bei verständiger Würdigung kein Rechtsbindungswille im Sinne eines vorab – insbesondere vor Prüfung der Rechnung – abgegebenen Schuldanerkenntnisses in entsprechender Höhe entnommen werden kann.
53
Soweit die Klägerin die Ansicht vertritt ist, dass der Mitarbeiter der ehemaligen Beklagten (im Hinblick darauf, dass er „We accept liability“ und nicht „I accept liability“ geschrieben habe) „hilfsweise“ als Bote der Geschäftsleitung der ehemaligen Beklagten sowie von deren Versicherer aufgetreten sei, rechtfertigt dies keine andere Bewertung des Erklärungsinhalts
54
b) Auf die Frage, ob ein etwaiges Schuldanerkenntnis der ehemaligen Beklagten aus formalen oder sonstigen Gründen unwirksam gewesen wäre, kommt es daher im Ergebnis nicht an.
55
Entgegen der Ansicht des Beklagten könnte allerdings die Nichtigkeit eines Schuldanerkenntnisses nicht aus Art. 41 CMR wegen einer Abweichung von den Bestimmungen dieses Übereinkommens in Bezug auf die Haftungsbeschränkung hergeleitet werden, da Vereinbarungen nach Entstehung des Schadens unbeschränkt zulässig sind (vgl. etwa Koller, Transportrecht, Art. 41 CMR Rn. 2). Nach § 350 HGB ist ferner im kaufmännischen Rechtsverkehr ein Schuldanerkenntnis auch formlos, etwa auch mittels einer E-Mail, möglich.
56
Dahinstehen kann auch, inwieweit von einer Vertretungsbefugnis (insbesondere auch einer Handlungsvollmacht nach § 54 HGB) des Mitarbeiters A.L. nicht nur hinsichtlich Disposition über Transportaufträge, sondern auch hinsichtlich eines weitreichenden, üblicherweise in den Zuständigkeitsbereich der Geschäftsführung fallenden Haftungsanerkenntnisses ausgegangen werden könnte bzw. ob dieser als lediglich eine Willenserklärung übermittelnder Bote eines etwaigen Haftungsanerkenntnisses seitens der Geschäftsführung oder des Versicherers der ehemaligen Beklagten angesehen werden könnte.
57
3. Mangels wirksamen Schuldanerkenntnisses kann die Klägerin den von ihr geltend gemachten Schadensersatzanspruch daher (nur) auf Art. 17 ff. CMR stützen, da unstreitig in der Obhut der ehemaligen Beklagten ein teilweiser Verlust des Frachtguts eingetreten ist, für den diese grundsätzlich einzustehen hat. Dabei ist der ehemaligen Beklagten das Verhalten der von ihr als Unterfrachtführerin beauftragten Streitverkündeten zuzurechnen. Die Haftung der ehemaligen Beklagten ist auf den Höchstbetrag nach Art. 23 Abs. 3 CMR beschränkt.
58
Die Klägerin hat jedoch den nach dieser Maßgabe ersatzfähigen Schaden nicht hinreichend nachgewiesen (hierzu nachfolgend unter II. 4.).
59
a) Auf das streitgegenständliche Vertragsverhältnis finden, wie das Landgericht zutreffend berücksichtigt hat, gemäß Art. 1 CMR die Bestimmungen der CMR Anwendung, da streitgegenständlich Ansprüche aus einer entgeltlichen zwischenstaatlichen Beförderung im Straßenverkehr sind und sowohl Absendeort (Osterhout in den Niederlanden) als auch Ablieferungsort (Baesweiler in Deutschland) in Vertragsstaaten der CMR liegen.
60
b) Die Parteien gehen übereinstimmend von einem Diebstahl von Teilen der Fracht durch unbekannte Täter aus. Die Klägerin hat zwar selbst zum Schadensereignis nur sehr knapp vorgetragen. Unter Berücksichtigung des von der Klägerin nicht bestrittenen Sachvortrags der ehemaligen Beklagten ist allerdings hinreichend feststellbar, dass eine Haftung der ehemaligen Beklagten dem Grunde nach für den in ihrer Obhut eingetreten teilweisen Verlust der Fracht gegeben ist.
61
Der Schaden war insbesondere nach den gesamten Umständen für die ehemalige Beklagte nicht unabwendbar im Sinne von Art. 17 Abs. 2 CMR, so dass ein Haftungsausschluss aus diesem Grund nicht angenommen werden kann. Dies deshalb, weil die den grundsätzlich nach der zu bewältigenden Strecke in etwa 2 Stunden abzuwickelnden Transport unterbrechende Übernachtung auf einem T.platz an einer Autobahn erkennbar ein erhöhtes Diebstahlsrisiko mit sich brachte, das bei entsprechender Disposition seitens der ehemaligen Beklagten auch unter Berücksichtigung einzuhaltender Lenk- und Ruhezeiten grundsätzlich vermeidbar gewesen wäre. Die von der ehemaligen Beklagten vorgetragenen Umstände der Übernachtung (nicht an einem einsamen Ort, sondern in der Nähe zahlreicher weiterer Lkws) ändern an dieser Bewertung nichts.
62
c) Es liegt jedoch auch kein qualifiziertes, dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden der ehemaligen Beklagten im Sinne von Art. 29 CMR vor, weshalb diese nur beschränkt auf die Haftungshöchstsumme nach der CMR haftet.
63
Die ehemalige Beklagte bzw. ihre Unterfrachtführerin haben sich nach den gesamten Umständen nicht leichtfertig verhalten in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Ein solcher gesteigerter Grad von Fahrlässigkeit kann bei einem durch eine Übernachtung unterbrochenen Transport, bei dem der Fahrer des Transportfahrzeugs dieses auf einem T.platz in den Niederlanden abstellt und zur Wahrung der vorgeschriebenen Ruhezeit in diesem schläft, nicht angenommen werden. Dies gilt unabhängig davon, welchen konkreten Kenntnisstand die ehemalige Beklagte in Bezug auf die Art der Fracht und deren Wert hatte. Denn ein leichtfertiges Handeln kann nicht allein daraus hergeleitet werden, dass der Transporteur weiß, dass es sich um grundsätzlich besonders diebstahlsgefährdetes Frachtgut handelt (was bei LCD-Monitoren grundsätzlich zu bejahen wäre), wenn nicht durch den Auftraggeber besondere Sicherungsvorkehrungen angeordnet wurden. Eine solche Anordnung ist vorliegend nicht erfolgt. Aus dem Sachvortrag der Klägerin ergeben sich auch sonst keine Umstände, die zu einer anderen Bewertung Anlass geben könnten.
64
d) Anderseits kann auch ein die Schadensersatzpflicht der ehemaligen Beklagten minderndes Mitverschulden der Klägerin (wegen eines fehlenden Hinweises auf eine besondere Diebstahlsgefährdung) nach den gesamten Umständen nicht angenommen werden.
65
e) Damit kann die Klägerin von der ehemaligen Beklagten Schadensersatz nur im Umfang der gewichtsabhängigen Regelhaftung nach Art. 23 CMR beanspruchen, die grundsätzlich nach dem Wert des Gutes am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Beförderung zu berechnen (Art. 23 Abs. 1 CMR), jedoch auf eine gewichtsabhängige Haftungshöchstsumme von 8,33 Rechnungseinheiten (Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds) beschränkt ist.
66
f) Vertiefte Ausführungen zur fehlenden Unabwendbarkeit des Schadensereignisses für die ehemalige Beklagte und zum bei dieser anzunehmenden Verschuldensgrad sowie zu einem etwaigen Mitverschulden der Klägerin sind entbehrlich, da die Klägerin den ersatzfähigen Schadensbetrag der Höhe nach weder in der von ihr geltend gemachten Höhe noch im Umfang der Haftungshöchstsumme nach CMR hinreichend konkret nachgewiesen hat.
67
4. Umfang und Wert des verloren gegangenen Teils des Transportguts hat die Klägerin nicht hinreichend belegt. Der Senat kann daher keinen konkreten Betrag ermitteln, der der Klägerin – im Rahmen der beschränkten Haftung – als Schadensersatz zugesprochen werden könnte. Auch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung (§ 287 ZPO) sind nicht vorhanden.
68
a) Die ehemalige Beklagte hat von Anfang an bestritten, dass – wie von der Klägerin behauptet – 172 LCD-Monitore in Verlust geraten seien. Sie hat auch bestritten, dass jeder der transportierten Monitore einen Wert von 136,00 € habe. Den entsprechenden Nachweis hat die hierfür darlegungs- und beweispflichtige Klägerin nicht geführt.
69
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegt die Würdigung der Umstände, die für Umfang und Wert einer verloren gegangenen Sache sprechen, der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.
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aa) Nicht ausreichend ist die von der Klägerin vorgelegte Rechnung der Versenderin L.E. GmbH vom 21.12.2016 (Anlage B1) an den Adressaten des Frachtguts. Bei einem vollständigen Verlust des Transportguts könnte zwar nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch allein eine solche Rechnung den hinreichenden Nachweis von Umfang und Wert der verloren gegangenen Sendung ermöglichen (BGH, Urteil vom 13.09.2002 – I ZR 14/11 m.w.N.). Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise bei einem Teilverlust, weil die Rechnung nur einen nach den gesamten Umständen zu würdigenden Beleg für den Umfang des Transportguts bei der Absendung darstellt, jedoch keine Aussagekraft dahin hat, in welchem Umfang es später zu einem Teilverlust kam.
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bb) Sonstige Beweisangebote zum Umfang des Warenverlustes sind seitens der Klägerin nicht erfolgt. Diese hat ihren Sachvortrag insoweit erstinstanzlich auch innerhalb der im Termin am 17.04.2018 eingeräumten Stellungnahmefrist nicht mehr ergänzt.
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Erstmals in der Berufungsbegründung vom 02.10.2018 (Bl. 111 ff. d. A) hat die Klägerin hierzu Zeugenbeweis (die Zeugin J.K.) angeboten.
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Dieses Angriffsmittel kann jedoch im Berufungsverfahren nicht mehr zugelassen werden. Es handelt sich dabei um neues Vorbringen im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO, das grundsätzlich bereits im ersten Rechtszug hätte vorgebracht werden können. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die nunmehr benannte Zeugin nicht bereits im ersten Rechtszug zum Beweis hätte angeboten werden können. Keine der sich aus § 531 Abs. 2 ZPO ergebenden Zulassungsvoraussetzungen für das neue Vorbringen der Klägerin ist gegeben.
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(1) Es handelt sich nicht um einen Gesichtspunkt, der vom Erstgericht erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Wie bereits ausgeführt teilt der Senat die Beurteilung des Erstgerichts, dass ein wirksames Schuldanerkenntnis nicht vorliegt und nur eine Haftung nach der CMR in Betracht kommt, so dass ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin auch von einem Nachweis des Umfangs der in Verlust geratenen Fracht abhängt.
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(2) Das Vorbringen ist nicht infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug unterblieben (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
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Insbesondere hat das Erstgericht nicht gegen seine Hinweispflichten nach § 139 ZPO verstoßen, da es zwar nicht vor dem Termin am 17.04.2018, jedoch in diesem Termin und unter Gewährung einer ausreichend bemessenen Schriftsatzfrist darauf hingewiesen hat, dass es sich nicht dahin festgelegt hatte, dass die Klageforderung – entsprechend der Rechtsauffassung der Klägerin – bereits allein aufgrund eines Schuldanerkenntnisses der ehemaligen Beklagten begründet sei. Das Erstgericht hat vielmehr diesbezüglich im Sitzungsprotokoll vom 17.04.2018 aktenkundig gemachte Bedenken geäußert und zusätzlich mit den Parteien die Voraussetzungen einer – anstelle eines Schuldanerkenntnisses in Betracht kommenden – Haftung nach den Bestimmungen der CMR erörtert.
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Die Klägerin hatte ihren Schadensersatzanspruch gegen die ehemalige Beklagte erstinstanzlich (allein) auf ein Schuldanerkenntnis in Höhe von 21.672,00 € gestützt, das sie E-Mails der ehemaligen Beklagten vom 16.01.2017 entnahm. Die ehemalige Beklagte hatte demgegenüber seit ihrer Einspruchs- und Widerklagebegründung vom 19.02.2018 stets die Ansicht vertreten, dass kein wirksames Schuldanerkenntnis vorliege. Mit Schriftsatz vom 26.02.2018 (Bl. 45 ff. d. A.) erklärte die Klägerin gegenüber dem Gericht, dass sie davon ausgehe, dass das Gericht ihre Auffassung hinsichtlich des Schuldanerkenntnisses teile, falls es keinen gegenteiligen Hinweis erteilen sollte. Mit Schriftsätzen vom 08.03.2018 (Bl. 51 ff. d. A.) und vom 22.03.2018 (Bl. 62 ff. d. A.) hat die Klägerin dies nochmals wiederholt. Die ehemalige Beklagte hat mit Schriftsatz vom 06.04.2018 (Bl. 64 ff. d. A) erklärt, dass das Gericht nicht darauf hinweisen müsse, dass es die Auffassung der Klägerin nicht teile.
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Im erstinstanzlichen Termin am 17.04.2018 (Bl. 70 ff. d. A.) wurde sodann insbesondere die Frage des Schuldanerkenntnisses erörtert, wobei das Erstgericht darauf hinwies, dass die Frage, ob dem Grunde nach ein Schuldanerkenntnis vorliege, ein Auslegungsproblem sei, wobei alle „im Umfeld vorliegenden Gesichtspunkte“ maßgeblich sein. Es wies auf Bedenken hin, die sich insbesondere daraus ergeben, dass bei der Konstellation, dass ein Unterfrachtführer eingeschaltet sei, ein Anerkenntnis in dieser Höhe „jedenfalls in den Fachkreisen“ ungewöhnlich sei, weswegen sich der Ausgang des Rechtsstreits „insbesondere unter Beachtung des Instanzenzuges“ schwer prognostizieren lasse. Ferner hat es darauf hingewiesen, dass nach bisherigen Sachvortrag eine nicht gewichtslimitierte Haftung „eher fernliegend“ sei. Das Erstgericht schlug den Parteien sodann einen Vergleich „etwas über die Höhe der Regelhaftungssumme“ zwischen 12.000,00 € und 13.000,00 € vor. Für den Fall, dass kein Vergleich zustande komme, räumte es den Parteien die Gelegenheit ein, bis zum 29.05.2018 abschließend Stellung zu nehmen und bestimmte Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 26.06.2018. Nachfolgend trugen die ehemalige Beklagte mit Schriftsatz vom 29.05.2018 und die Klägerin mit Schriftsatz vom 01.06.2018 (Bl. 80 ff. d. A.) jeweils weiter zur Wirksamkeit des Schuldanerkenntnisses vor.
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Vor diesem Hintergrund kann es nicht als überraschend für die Klägerin angesehen werden, wenn nachfolgend das Erstgericht nicht nur im Ergebnis kein wirksames Schuldanerkenntnis annahm, sondern auch – nachdem seitens der Klägerin innerhalb der Stellungnahmefrist zur Haftung nach der CMR kein weiterer Vortrag erfolgt war – Schadensersatzansprüche nach der CMR mangels ausreichenden Sachvortrags nicht als gegeben ansah.
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Es würde die Anforderungen an die – der Verwirklichung ausreichenden rechtlichen Gehörs dienende – gerichtliche Hinweispflicht überspannen, wenn man hier fordern wollte, dass das Erstgericht noch deutlicher darauf hinweisen hätte müssen, dass es der Rechtsauffassung der Klägerin zur Wirksamkeit des Schuldanerkenntnisses nicht (sicher) folgen werde.
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Ebenso war es nicht geboten, dass das Erstgericht, nachdem es sich entschieden hatte, in Bezug auf die Bewertung des Schuldanerkenntnisses der Rechtsauffassung der Klägerin nicht zu folgen, und seitens der Klägerin kein weiterer Sachvortrag zu der alternativ in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage nach der CMR (insbesondere in Bezug auf den Schadensumfang) erfolgt war, vor Erlass seines Endurteils noch einen entsprechenden ausdrücklichen Hinweis zur Entscheidungserheblichkeit solchen Vortrags erteilte und der Klägerin eine nochmalige Gelegenheit zur Ergänzung der Sachvortrags einräumte. Es bestand kein Anlass für die Annahme, dass die Klägerin eine Ergänzung ihres Vortrags zu den Voraussetzungen nur übersehen oder für unerheblich gehalten hatte. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin bekannt war, dass die ehemalige Beklagte den Vortrag der Klägerin zum Umfang und Wert des gestohlenen Frachtguts stets als unzureichend gerügt und bestritten hatte.
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Insgesamt hat das Erstgericht die anwaltlich vertretene Klägerin somit ausreichend darauf hingewiesen, dass es sich gerade nicht dahin festgelegt hatte, dass es deren Rechtsauffassung zum Vorliegen eines wirksamen Schuldanerkenntnisses teile und der Klage schon aufgrund dessen stattgeben werde. Damit wurde auch der bereits vor dem Termin von dieser erbetene Hinweis erteilt, wenngleich dies vom Erstgericht nicht ausdrücklich dahin formuliert wurde, dass es „nicht bestätigen“ könne, dass es die Rechtsauffassung der Klägerin teile. Nachdem zusammen mit der Bestimmung eines Verkündungstermins zugleich den Parteien (für den Fall, dass kein Vergleich zustande kommt) Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme eingeräumt wurde, durfte das Erstgericht davon ausgehen, dass für die Klägerin hinreichend ersichtlich war, dass sie innerhalb der eingeräumten Stellungnahmefrist ihren Sachvortrag und ihre Beweisangebote – jedenfalls vorsorglich – für den Fall zu ergänzen hatte, dass das Erstgericht kein wirksames Schuldanerkenntnis annehmen werde, und dass daher keine Notwendigkeit für weitere gerichtliche Hinweise bestand.
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(3) Die Klägerin hat das Vorbringen zum Umfang des Frachtguts erstinstanzlich auch nicht unterlassen, ohne dass dafür ein eigenes Verschulden ursächlich war (§ 531 Abs. 3 Nr. 3 ZPO). Nachdem sich das Erstgericht – wie vorstehend dargestellt – in Bezug auf das Vorliegen eines wirksamen Schuldanerkenntnisses der ehemaligen Beklagten gerade nicht abschließend festgelegt hatte, hätte es der gebotenen Sorgfalt entsprochen, dass die Klägerin innerhalb der im Termin eingeräumten Stellungnahmefrist mindestens vorsorglich zu denjenigen Anspruchsvoraussetzungen (hinsichtlich eines Anspruchs nach der CMR) ergänzend vorträgt und Beweis antritt, auf die es bei unterstellter Unwirksamkeit des Schuldanerkenntnisses ankam und die nicht unstreitig waren.
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Eine andere Bewertung ist auch nicht im Hinblick auf den gerichtlichen Vergleichsvorschlag im Termin am 17.04.2018 geboten. Nachdem das Erstgericht zuvor ausdrücklich seine Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit des Schuldanerkenntnisses geäußert hatte, kann nicht angenommen werden, dass eine anwaltlich vertretene Partei aus dem nachfolgenden Vergleichsvorschlag den unrichtigen Schluss zieht, das Gericht, das nach § 278 Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits bedacht sein soll, habe sich in der Rechtsfrage der Wirksamkeit des Schuldanerkenntnisses entgegen seinen soeben erfolgten und protokollierten Erklärungen doch bereits in ihrem Sinne festgelegt. Trotz des Vergleichsvorschlags wäre daher eine vorsorgliche Ergänzung des Sachvortrags geboten gewesen, zumal es sich nicht um eine unübersichtliche Rechtslage handelte, sondern vielmehr im Kern nur zwei im Verfahren auch ausführlich diskutierte Anspruchsgrundlagen Betracht kamen.
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(4) Mangels Vorliegens der Zulassungsvoraussetzungen nach § 531 Abs. 2 ZPO kann das Vorbringen der Klägerin im zweiten Rechtszug zwingend nicht zugelassen werden, ohne dass es darauf ankommt, ob hierdurch eine Verzögerung des Rechtsstreits eintreten würde.
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b) Die Klägerin hat somit die Höhe des ihr im Rahmen der beschränkten Haftung nach der CMR ggf. zustehenden Betrags nicht hinreichend nachgewiesen.
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Aber auch dann, wenn man von unbeschränkter Haftung der ehemaligen Beklagten ausgehen wollte, wäre aus den vorgenannten Gründen die Schadenshöhe nicht hinreichend nachgewiesen.
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5. Das Ersturteil ist daher mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass die mit der Widerklage geltend gemachte Rückzahlung an die A.V. AG zu erfolgen hat, da diese aufgrund der Forderungsabtretung neue Gläubigerin des Rückzahlungsanspruchs geworden ist.
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Zwar hat der Beklagte, der deswegen einen Parteiwechsel anstrebt, dem nicht auch dadurch Rechnung getragen, dass er ausdrücklich hilfsweise – für den Fall, dass ein Parteiwechsel als unzulässig angesehen wird – die Zahlung des mit der Widerklage geforderten Betrags an die aufgrund der Abtretungsvereinbarung vom 13.07.2022 nunmehr aktivlegitimierte A.V. AG beantragt hat. Die zur Begründung eines Parteiwechsels abgegebenen Erklärungen sind jedoch in diesem Sinne auszulegen. Der Beklagte hat hinreichend deutlich gemacht, dass er eine Zahlung an sich als Insolvenzverwalter nicht mehr begehrt, weil er sich selbst nicht mehr als aktivlegitimiert ansieht. Gleichzeitig muss davon ausgegangen werden, dass er seine diesbezüglichen Prozesserklärungen in einer Weise verstanden wissen will, dass seine Widerklage nicht lediglich wegen seiner nunmehr fehlenden Aktivlegitimation abgewiesen wird, obwohl der streitgegenständliche Rückzahlungsanspruch materiell besteht, sondern hilfsweise auf Zahlung an die A.V. AG erkannt werden soll.
III.
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgt nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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2. Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es handelt sich um die Anwendung bereits höchstrichterlich entwickelter Rechtsgrundsätze im Einzelfall.
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3. Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren richtet sich nach §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO.
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Da die Klage und die Widerklage auf das gleiche wirtschaftliche Interesse gerichtet sind, findet keine Wertaddition statt (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG). Der Streitwert bemisst sich gemäß § 43 GKG nach dem Wert der Hauptsachesumme in Höhe von 21.672,00 €. Auch hinsichtlich der auf § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO gestützten und auf Zahlung in Höhe von 23.484,83 € gerichteten Widerklage ist nach h. M. nur die einfache vollstreckte Hauptsachesumme – ohne die in dem letztgenannten Betrag enthaltenen Zinsen und Kosten – maßgeblich (vgl. BGH, Beschluss vom 15.11.1962 – VII ZR 95/62 = BGHZ 38, 237).
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Die Streitwertfestsetzung für den ersten Rechtszug erfolgt gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG in Abänderung des Streitwertbeschlusses des Erstgerichts vom 26.06.2017.