Titel:
Streitwertfestsetzung, Verpflichtungsklage, Widerspruchsverfahren, Verwaltungsgerichte, Kein Verwaltungsakt, Begünstigender Verwaltungsakt, Billiges Ermessen, Untätigkeitsklage, Anfechtungsklage gegen, Beitragsschuldner, Rundfunkrecht, Kostenentscheidung, Feststellungsbescheid, Erledigungserklärung, Rechtsmittelbelehrung, Beitragspflicht, Kosten des Verfahrens, Vorverfahren, Betriebsstätte, Bisheriger Sach- und Streitstand
Schlagworte:
Erledigungserklärung, Kostenentscheidung, Verpflichtungsklage, Untätigkeitsklage, Rechtsschutzziel, Widerspruchsbescheid, Streitwertfestsetzung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 52409
Tenor
I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
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Die Klagepartei hat mit dem am 22. März 2022 bei Gericht eingegangenen Schreiben den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte hatte bereits in seinem Schreiben vom 14. März 2022 einer zu erwartenden Erledigungserklärung zugestimmt, sodass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
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Das Verfahren ist demnach einzustellen.
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Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Im Rahmen der Kostenentscheidung findet eine weitere Sachaufklärung ebenso wenig statt wie eine Klärung schwieriger Rechtsfragen (BayVGH, B.v. 6.12.2017 – 9 ZB 13.910 – juris; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 161 Rn. 15 f.; Just in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 161 VwGO, Rn. 30). In der Regel entspricht es billigem Ermessen, entsprechend dem Grundsatz des § 154 Abs. 1 VwGO dem Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung in dem Rechtsstreit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre, oder der das erledigende Ereignis aus eigenem Willensentschluss herbeigeführt hat (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 6.5.2021 – 20 NE 21.1046 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 24.3.1998 – 1 C 5.96 – beck-online).
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Nach diesen Grundsätzen entspricht es vorliegend billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen, da die erhobene Klage bereits als unzulässig abzuweisen gewesen wäre.
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Die Klage war darauf gerichtet, eine Entscheidung des Beklagten hinsichtlich des als „Widerspruch“ bezeichneten Schreibens der Klägerin vom 12. April 2021 herbeizuführen, mit dem die Klägerin sich gegen das Schreiben des Beklagten vom 6. April 2021 wendete, in dem dieser der Klägerin mitgeteilt hatte, dass unter der Beitragsnummer … zum 1. März 2021 eine Betriebsstätte angemeldet worden sei. § 88 VwGO erlegt den Verwaltungsgerichten die Aufgabe auf, das Rechtsschutzziel des Klägers zu ermitteln. Die Bestimmung stellt zugleich klar, dass es auf das wirkliche Begehren der Partei ankommt, nicht auf die Fassung der Anträge (vgl. BVerfG, B.v. 29.10.2015 – 2 BvR 1493/11 – NVwZ 2016, 238 Rn. 37 zitiert nach: beck-online), wobei der anwaltlich Vertretene sich in der Regel an seinen Anträgen festhalten lassen muss (so Rennert in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 88 Rn. 9). Eine Neufassung oder Ergänzung des gestellten Antrags oder etwa die Umdeutung der gewählten in die statthafte Rechtsschutzform oder Klageart (hierzu Rennert, a.a.O. Rn. 10 m.w.N.) kommt deshalb vorliegend nicht in Betracht. Sowohl das klägerische Begehr als auch die gestellten Hauptanträge sind darauf gerichtet, eine Entscheidung des Beklagten über den „Widerspruch“ vom 12. April 2021 mittels einer Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2, § 75 Satz 1 VwGO) zu erreichen.
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Dieses Ziel konnte mit der erhobenen Verpflichtungsklage jedoch nicht erreicht werden. Diese ist nur statthaft, wenn der Erlass eines (begünstigenden) Verwaltungsakts begehrt wird, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO. Bei einem Widerspruchsbescheid gegenüber dem Widerspruchsführer handelt es sich zwar grundsätzlich um einen Verwaltungsakt. Vorliegend war ein Widerspruch gegen die Anmeldung jedoch bereits nicht statthaft, § 68 f. VwGO, da der Widerspruch ein Vorverfahren in Fällen der Anfechtungsklage (oder der Versagungsgegenklage) eröffnet, die Anmeldung eines Beitragskontos aber bereits keinen Verwaltungsakt darstellt, der mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden könnte. Denn die Rundfunkbeitragspflicht beginnt allein kraft Gesetzes dann, wenn objektiv überprüfbar einer der Beitragstatbestände tatsächlich erfüllt wird und unabhängig von einem feststellenden Bescheid des Beklagten über das Bestehen der Beitragspflicht (vgl. Gall in: Binder/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, § 7 RBStV Rn. 7 f. m.w.N.). Eine Rechtsfolge durch den Beklagten wird nicht durch das streitgegenständliche Schreiben – auch nicht durch den Hinweis auf den offenen Betrag samt Bitte zur Zahlung –, sondern erst durch eine etwaige Festsetzung von Rundfunkbeiträgen gesetzt. Aus diesem Grund konnte der Erlass eines Widerspruchsbescheids bereits deshalb nicht erreicht werden. Unabhängig davon kann dieses Ziel jedoch auch in Fällen eines statthaften Widerspruchs mit der Untätigkeitsklage – bis auf wenige, hier nicht vorliegende Ausnahmefälle – gerade nicht erreicht werden. Eine solche Klage dient vielmehr dazu, trotz eines nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens, mithin unter „Überwindung des Vorverfahrens“ Anfechtungsklage gegen einen belastenden Bescheid der Ausgangsbehörde bzw. Verpflichtungsklage auf Erlass des ursprünglich begehrten Verwaltungsakts erheben zu können (vgl. Rennert in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 73 Rn. 18, § 75 Rn. 4 m.w.N.).
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Eine Auslegung der Klage dahingehend, dass mittels der Verpflichtungsklage die Abmeldung des Kontos begehrt war, kommt, auch aufgrund der ausdrücklichen Stellungnahme der Klagepartei im Schriftsatz vom 22. März 2022, nicht in Betracht. Zudem handelt es sich auch bei der Abmeldung nicht um einen Verwaltungsakt, denn gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 RBStV tritt das Ende der Beitragspflicht mit dem Ablauf des Monats ein, in dem das Innehaben der Wohnung, der Betriebsstätte oder des Kraftfahrzeugs durch den Beitragsschuldner endet, jedoch nicht vor Ablauf des Monats, in dem dies [durch den Beitragsschuldner] der zuständigen Landesrundfunkanstalt angezeigt worden ist (vgl. hierzu auch Gall in: Binder/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, § 7 RBStV Rn. 13). Auch das Ende ist somit nicht von einem Verwaltungsakt des Beklagten abhängig, sodass eine Verpflichtungsklage auch insofern nicht statthaft gewesen wäre. Dasselbe gilt aus den oben genannten Gründen hinsichtlich einer etwaigen Anfechtung der Anmeldung des Beitragskontos.
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Schließlich kommt eine weitergehende Auslegung des Klagebegehrens dahingehend, dass eine einfache Entscheidung über das Schreiben der Klägerin vom 6. April 2021 mittels allgemeiner Leistungsklage begehrt werden sollte, aufgrund des klägerischen Vorbringens ebenfalls nicht in Betracht. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die für eine solche Klage erforderliche Klagebefugnis gegeben gewesen wäre.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Da keine genügenden Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts bestehen, war der Auffangstreitwert festzusetzen.