Inhalt

VGH München, Beschluss v. 01.08.2022 – 12 ZB 21.419
Titel:

Verwaltungsgerichte, SGB VIII, Verwaltungsgerichtsurteile, Aufgaben des Jugendamts, Widerspruchsverfahren, Kostenerstattungsanspruch, Verwaltungsgerichtsentscheidungen, Eintritt der Volljährigkeit, Selbstbeschaffte Hilfe, Geeignetheit, Hilfe zur Erziehung, Volljährigkeitsalter, Ablehnungsbescheid, Mitwirkungspflicht, Kinder- und Jugendhilfe, Jugendhilfeträger, Träger der öffentlichen Jugendhilfe, Jugendhilfeleistungen, Jugendhilferechtliche Maßnahme, Verwaltungsgerichtsverfahren

Schlagworte:
Kostenerstattungsanspruch, Selbstbeschaffte Maßnahmen, Hilfebedarf, Antragstellung, Mitwirkungsbereitschaft, Systemversagen, Rechtsmissbrauch, Hilfe zur Erziehung, Selbstbeschaffte Hilfe, Jugendhilfebedarf, Hilfe für junge Volljährige, Mitwirkungspflicht, Kostenübernahme, Ablehnungsbescheid, Volljährigkeit, Anspruchsinhaberschaft, Hilfeplanverfahren, Entscheidungsprärogative, sozialpädagogische Fachlichkeit, Kosten des Zulassungsverfahrens, Jugendhilfe, Ablehnung von Hilfeleistungen, Verweigerung von Gesprächen, Berufungszulassung, Richtigkeitszweifel, sachgerechte Ablehnung, Prüfungs- und Entscheidungszeitraum, kooperativer Entscheidungsprozess, Fachkräfte
Vorinstanzen:
VG München, Urteil vom 14.10.2020 – M 18 K 19.4953
VGH München, Beschluss vom 05.04.2019 – 12 ZB 18.534
VG München, Beschluss vom 06.12.2017 – M 18 K 16.3069
Fundstelle:
BeckRS 2022, 52313

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1
Der Kläger verfolgt mit seinem Berufungszulassungsantrag die Gewährung von Hilfe für junge Volljährige in Form der Übernahme der Kosten „traumapädagogischer Maßnahmen“ durch Frau Dr. B. für den Zeitraum vom 1. Juni 2019 bis 24. April 2022 weiter.
I.
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1. Den Adoptiveltern des 2001 in Kolumbien geborenen Klägers gewährte das Jugendamt des Beklagten in der Vergangenheit bereits mehrfach Jugendhilfe. Ein am 20. Januar 2015 gestellten Antrag auf Übernahme der Kosten einer „traumapädagogischen Begleitung“ des Klägers und seines jüngeren, ebenfalls aus Kolumbien stammenden Adoptivbruders durch Frau Dr. B. in Bonn wurde hingegen am 8. Februar 2016 abgelehnt, nachdem ein vorangegangener Ablehnungsbescheid zuvor im Widerspruchsverfahren aufgehoben worden war. Nach nochmals durchgeführtem, nunmehr erfolglosen Widerspruchsverfahren verpflichtete das Verwaltungsgericht München den Beklagten mit Urteil vom 6. Dezember 2017 (Az. M 18 K 16.3069), den Eltern des Klägers Hilfe zur Erziehung nach § 27 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) in Form der Übernahme der Kosten für „traumapädagogische Maßnahmen“ bei Frau Dr. B im Umfang von höchstens 30 Stunden pro Monat für den Zeitraum Mai 2015 bis März 2018 zu gewähren. Rechtsgrundlage des Anspruchs bilde § 36a Abs. 3 SGB VIII in Verbindung mit § 27 Abs. 1 SGB VIII. Die Inanspruchnahme von Frau Dr. B stelle sich als rechtmäßige selbstbeschaffte Hilfe dar. Der Beklagte habe kein ordnungsgemäßes Hilfeplanverfahren für den Kläger durchgeführt. Die Geeignetheit und Notwendigkeit der Maßnahmen bei Frau Dr. B seien aus der ex-ante-Sicht der Eltern des Klägers, denen der Sachverstand des Jugendamtes fehle, gerade noch fachlich vertretbar. Die Gewährung des Kostenerstattungsanspruchs über den Entscheidungszeitpunkt hinaus bis März 2018 eröffne dem Jugendamt die Möglichkeit, ein ordnungsgemäßes Hilfeplanverfahren für den Kläger und seinen Adoptivbruder durchzuführen und über die beantragten Hilfen neu zu entscheiden. Den Antrag des beklagten Landkreises auf Zulassung der Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil hat der Senat mit Beschluss vom 5. April 2019 (Az. 12 ZB 18.534) abgelehnt. Auf die Gründe dieses Beschlusses wird verwiesen.
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2. Mit Schreiben vom 11. Februar 2019 beantragte der Bevollmächtigte der Adoptiveltern des Klägers in deren Namen für den Kläger Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 1 SGB VIII in Form der fortgesetzten Kostenübernahme für „traumapädagogische Maßnahmen“ bei Frau Dr. B als Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII ab Eintritt der Volljährigkeit am 25. April 2019. § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII sehe die Leistung von Hilfe für junge Volljährige bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs als Regelfall vor. Die Beweislast dafür, dass ein entsprechender Anspruch nicht bestehe, trage die Behörde. Der Kläger könne altersentsprechende Angelegenheiten nicht selbständig organisieren. Er zeige keine Einsicht und Verständnis für Regeln und Ordnung; auch erkenne er Gefahren nicht. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfen für junge Volljährige (in Form von „Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII“?) lägen daher vor. Im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht sei der Kläger als Leistungsberechtigter im Rahmen von § 41 SGB VIII lediglich verpflichtet, alle leistungserheblichen Tatsachen anzugeben. Hingegen treffe ihn keine Mitwirkungspflicht im pädagogischen Prozess. Voraussetzung für die Leistungsgewährung bilde weder eine positive Entwicklungsprognose noch ein Mindestmaß an Mitwirkungsbereitschaft. Letztere zu wecken sei Aufgabe des Jugendamts. Ferner sei das Jugendamt auch verpflichtet, vorläufige Leistungen zu erbringen.
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In der Folge kam ein vom Jugendamt zur Bedarfsermittlung für erforderlich erachteter Hausbesuch nicht zustande. Nach Auffassung des Bevollmächtigten der Eltern des Klägers sei dessen Jugendhilfebedarf jedoch unstrittig, wie das Verwaltungsgericht bereits festgestellt habe; er habe sich in der Zwischenzeit auch nicht verändert. Zu einer Kontaktaufnahme bestehe daher keine Veranlassung. Im weiteren Verlauf beendete der Beklagte die Kostenübernahme für „traumapädagogische Maßnahmen“ bei Frau Dr. B. für den Kläger und seinen Adoptivbruder im Mai 2019. Insgesamt erstattete er einschließlich Zinsen den Eltern des Klägers für die selbstbeschaffte Hilfe bei Frau Dr. B. einen Betrag von 447.047,91 €.
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Mit Bescheid vom 27. August 2019 wurde in der Folge der Antrag der Eltern des Klägers auf Gewährung von Hilfen zur Erziehung in Form der Übernahme der Kosten „traumapädagogischer Maßnahmen“ bei Frau Dr. B. nach vorheriger Anhörung des Klägers und weiterem Schriftwechsel zwischen seinem und dem Bevollmächtigten des Beklagten abgelehnt. Mit Eintritt der Volljährigkeit des Klägers seien die Eltern nicht mehr Inhaber der elterlichen Sorge. Der Kläger selbst habe sich weder persönlich noch durch seinen Bevollmächtigten um Hilfen bemüht. Es fehle an seiner Mitwirkung im Hilfeprozess.
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Daraufhin stellte der Bevollmächtigte des Klägers am 5. September 2019 nunmehr für den Kläger selbst einen (neuen) Antrag auf Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII in Verbindung mit § 31 SGB VIII, gerichtet auf „pädagogische Unterstützung“ durch Frau Dr. B., die zuvor unter dem 1. September 2019 einen Entwicklungsbericht über den Kläger abgegeben hatte. Bei einem Hausbesuch am 19. September 2019 konnten die Mitarbeiter des Jugendamts den Kläger selbst erneut nicht sprechen. Die Eltern berichteten, dass der Kläger die Waldorfschule besuche, sich dort schwertue, nur über eine geringe Frustrationstoleranz verfüge und öfter weglaufe. Ein vereinbartes Gespräch mit dem Kläger soll am 10. Oktober 2019 stattgefunden haben; hierüber findet sich in der Behördenakte keine Dokumentation.
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3. Am 30. September 2019 ließ der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München erheben und die Aufhebung des Bescheids vom 27. August 2019 und die Verpflichtung des Beklagten zur Gewähr von Hilfe für junge Volljährige in Form der Fortsetzung der „traumapädagogischen Begleitung“ durch Frau Dr. B. ab dem 26. April 2019 für die Dauer des Hilfebedarfs beantragen.
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Während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erstellte die zuständige Sozialpädagogin des Beklagten am 24. März 2020 eine „soziale Diagnose“ über den Kläger und schlug als Hilfemaßnahmen die Durchführung einer psychiatrischen Differentialdiagnostik in einem stationären Setting, eine systematische Familientherapie, eine ISE-Maßnahme sowie die Unterbringung des Klägers in einer therapeutischen Wohngruppe vor. In der nachfolgenden Fallkonferenz wurde für den Kläger die Gewährung von Hilfe für junge Volljährige in Form der Heimerziehung vorgeschlagen. Diese Empfehlungen erachtete der Bevollmächtigte des Klägers hingegen für ungeeignet. Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 25. Mai 2020 den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für therapeutische Maßnahmen bei Frau Dr. B. erneut ab.
Diese seien ungeeignet. Der Kläger benötige andere Hilfen.
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Nunmehr ließ der Kläger am 16. Juli 2020 eine weitere Klage erheben, mit der er die Aufhebung des Bescheids vom 25. Mai 2020, die Verpflichtung des Beklagten zur Leistung von Hilfe für junge Volljährige nach §§ 27, 31, 41 SGB VIII in Form der Fortsetzung der „traumapädagogischen Begleitung“ durch Frau Dr. B. ab 1. Juni 2019 bis 24. April 2022 sowie die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der bereits entstandenen Kosten von Frau Dr. B. ab dem 1. Juni 2019 bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nach § 36a SGB VIII beantragen ließ. Diese Klage nahm der Bevollmächtigte des Klägers infolge eines Hinweises auf das Vorliegen doppelter Rechtshängigkeit mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2020 wieder zurück. In der mündlichen Verhandlung am gleichen Tag ließ der Kläger beim Verwaltungsgericht zuletzt beantragen, den Beklagten zu verpflichten, Hilfe für junge Volljährige gem. §§ 27, 31, 41 SGB VIII in Form der Fortsetzung der „traumapädagogischen Begleitung“ durch Frau Dr. B. vom 1. Juni 2019 bis 24. April 2022 zu gewähren.
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4. Mit Urteil vom 14. Oktober 2020 wies das Verwaltungsgericht die Klage auf Übernahme der Kosten der „traumapädagogischen Begleitung“ durch Frau Dr. B. als unbegründet ab. Der Kläger habe weder einen Anspruch als selbstbeschaffte Hilfe für junge Volljährige nach § 36a Abs. 3 SGB VIII in Verbindung mit § 41 SGB VIII noch einen Anspruch auf die Gewährung ausschließlich dieser Hilfe bis zum 24. April 2022 nach § 41 SGB VIII. Die Bescheide vom 27. August 2019 und 25. Mai 2020 erwiesen sich daher als rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Den vom Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 2020 bedingt für den Fall der Klageabweisung gestellten Beweisanträgen sei nicht nachzukommen gewesen; sie hätten sich überwiegend als nicht entscheidungserheblich, im Übrigen als ungeeignet erwiesen.
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4.1 Der Kläger habe keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten der „traumapädagogischen Begleitung“ durch Frau Dr. B. als selbstbeschaffte Maßnahme für die Vergangenheit nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII in Verbindung mit § 41 SGB VIII.
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Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe sei zum Ersatz der Kosten für selbstbeschaffte Maßnahmen nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII nur dann verpflichtet, wenn der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt habe, die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorgelegen hätten und die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung des Jugendhilfeträgers über die Leistungsgewährung oder bis zur Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen Aufschub geduldet hätte. Mit diesen Tatbestandsvoraussetzungen sichere § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII die Steuerungsverantwortung des Jugendhilfeträgers. Dieser solle die Leistungsvoraussetzungen sowie mögliche Hilfemaßnahmen unter Zubilligung eines angemessenen Prüfungs- und Entscheidungszeitraums pflichtgemäß prüfen können und nicht nachträglich als bloße Zahlstelle für selbstbeschaffte Maßnahmen fungieren. Liege hingegen ein Systemversagen in dem Sinne vor, dass das Jugendamt gar nicht, nicht rechtzeitig oder nicht in einer den Anforderungen entsprechenden Weise über die begehrte Hilfeleistung entschieden habe, dürfe der Leistungsberechtigte im Rahmen der Selbstbeschaffung nach § 36a Abs. 3 SGB VIII an Stelle des Jugendamts den sonst diesem zustehenden und nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. In diesem Falle hätten sich die Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbstbeschafften Hilfe auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Perspektive des Leistungsberechtigten zu beschränken.
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4.1.1 Im vorliegenden Zusammenhang könne für den geltend gemachten Anspruch auf Kostenübernahme einer selbstbeschafften Maßnahme dem Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 6. Dezember 2017 (Az. M 18 K 16.3069) keine Aussagekraft und keine Bindungswirkung beigemessen werden, da es lediglich den Zeitraum bis März 2018 erfasst und insoweit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 SGB VIII festgestellt habe. Soweit die Tenorierung in diesem Verfahren über den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hinausreiche, sei dies erkennbar dem Umstand geschuldet, dass das Gericht dem Beklagten einen entsprechenden Zeitraum für die Durchführung eines sachgerechten Hilfeplanverfahrens zubilligen wollte, sodass sich die rechtmäßige Selbstbeschaffung bis zu diesem Zeitpunkt fortsetzen würde.
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Darüber hinaus gälte es zu berücksichtigen, dass die Gewährung von Jugendhilfeleistungen regelmäßig zeitabschnittweise und damit befristet erfolge. Denn die Frage, ob die Voraussetzungen für die Jugendhilfebewilligung noch vorliegen, sei nach dem jeweils aktuellen Hilfebedarf zu beurteilen, der für folgende Zeitabschnitte jeweils gesondert festzustellen sei. Selbst aus einer früheren Gewährung von Jugendhilfe könne kein Anspruch auf Fortführung der Maßnahme abgeleitet werden.
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4.1.2 Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII hätten für keinen der in der Vergangenheit liegenden Zeiträume vorgelegen. Ein Anspruch auf Kostenerstattung für den Zeitraum Juni 2019 bis zum Ergehen des Ablehnungsbescheids vom 27. August 2019 bestehe bereits mangels vorheriger Antragstellung durch den Kläger nicht. Nachdem dieser am 25. April 2019 volljährig geworden sei, habe ihm Jugendhilfe ausschließlich nach § 41 SGB VIII gewährt werden können. Die Hilfe nach § 41 SGB VIII setze einen formlosen Antrag bzw. mindestens die Information über einen bestehenden Hilfebedarf durch den Antragsberechtigten voraus. Letzterer selbst müsse den Hilfebedarf an das Jugendamt herantragen; eine Mitteilung durch Dritte reiche nicht aus. Dementsprechend sei der Antrag auf Hilfe für junge Volljährige ausschließlich von dem jungen Volljährigen selbst zu stellen. Er könne auch bereits vor Eintritt der Volljährigkeit gestellt werden; insoweit sei von einer uneingeschränkten Handlungsfähigkeit auszugehen. An einer Antragstellung bzw. einer irgendwie gearteten Äußerung des Klägers gegenüber dem Beklagten fehle es vor dem 27. August 2019 gänzlich. Lediglich die Antragstellung durch die Eltern, die ab der Volljährigkeit des Klägers bis zu Einreichung einer entsprechenden Vollmacht nicht mehr vertretungsbefugt waren, reiche nicht aus. Eine Kontaktaufnahme des Beklagten mit dem Kläger persönlich zur Klärung seines Hilfewunsches sei durch seinen Bevollmächtigten und seine Eltern jedoch bis zum Ergehen des Ablehnungsbescheids verhindert worden.
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Weiter handele es sich vorliegend auch nicht um den Fall einer in unveränderter Form erfolgten Weitergewährung einer gleichbleibenden Jugendhilfemaßnahme über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus. Denn vor der Volljährigkeit des Klägers sei keine Hilfegewährung erfolgt, es habe lediglich ein Erstattungsanspruch für selbstbeschaffte Hilfen für die Eltern des Klägers bestanden.
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Ebenso fehle es bis zum Erlass des Ablehnungsbescheids am 27. August 2019 an der Mitwirkungsbereitschaft des Klägers, die eine generelle Voraussetzung für die Gewährung persönlicher Hilfen darstelle. Hiervon zu unterscheiden sei eine Situation der phasenweise schwankenden Mitwirkungsbereitschaft des jungen Menschen, in der sich seine Motivation als Aufgabe der Jugendhilfe darstelle. Insoweit reiche es ferner auch nicht aus, dass am Hilfeplanverfahren nur die Eltern des Volljährigen beteiligt werden. Schließlich erweise sich der Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 27. August 2019 nicht als rechtsmissbräuchlich.
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4.1.3 Auch für den Zeitraum zwischen dem 29. August 2019 und 25. Mai 2020 (Erlass des erneuten Ablehnungsbescheids) bestehe mangels Systemversagens kein Kostenerstattungsanspruch. Den erstmals vom Kläger am 29. August 2019 gestellten Antrag auf Hilfen nach § 41 SGB VIII habe der Beklagte zwar erst mit Bescheid vom 25. Mai 2020 abgelehnt. Die bis zur Verbescheidung eingetretene Verzögerung von neun Monaten habe jedoch primär der Kläger verursacht. Insoweit liege kein Systemversagen des Beklagten vor. Dessen Jugendamt müsse stets ein angemessener Prüfungs- und Entscheidungszeitraum nach dem Vorliegen der erforderlichen Informationen zugebilligt werden.
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4.1.4 Ebenso wenig bestehe ein Kostenerstattungsanspruch für den Zeitraum zwischen dem Erlass des Ablehnungsbescheids am 25. Mai 2020 und der der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 14. Oktober 2020. Der Beklagte habe die Bewilligung der beantragten Hilfe sachgerecht abgelehnt. Zwar könne gemäß § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 lit. b SGB VIII eine Erstattungspflicht auch dann bestehen, wenn eine Leistung zu Unrecht abgelehnt worden sei und die Entscheidung hierüber keinen Aufschub geduldet habe. Im vorliegenden Fall sei die beantragte Leistung jedoch nicht zu Unrecht abgelehnt worden.
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Der Kläger besitze aus § 41 SGB VIII keinen Anspruch ausschließlich auf Hilfen in Form „traumapädagogischer Maßnahmen“ bei Frau Dr. B. Nach ständiger Rechtsprechung handele es sich bei der Entscheidung des Jugendamts über die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe um das Ergebnis eines kooperativen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung der Kinder und betroffenen Jugendlichen und mehrerer Fachkräfte, das nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, sondern „lediglich“ eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten muss, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sei. Die verwaltungsgerichtliche Prüfung habe sich daher regelmäßig darauf zu beschränken, ob allgemeingültige fachliche Maßstäbe beachtet worden, keine sachfremden Erwägungen eingeflossen und ob die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden seien. Dementsprechend sei bei der Selbstbeschaffung einer vom Jugendamt abgelehnten Leistung im Hinblick auf § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zu prüfen, ob der von der Behörde erstellte Hilfeplan bzw. das von ihm verfolgte „Hilfekonzept“ verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, nicht von sachfremden Erwägungen beeinflusst und fachlich vertretbar sei. Habe das Jugendamt die begehrte Hilfe aus vertretbaren Erwägungen abgelehnt (im Rahmen der sog. „sozialpädagogischen Fachlichkeit“), bestehe weder ein Anspruch des Betroffenen auf die begehrte Hilfeleistung noch auf Ersatz von Aufwendungen für eine selbstbeschaffte Hilfe.
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Im vorliegenden Fall gingen sowohl der Kläger als auch der Beklagte zutreffend davon aus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 41 SGB VIII erfüllt seien. Beim Kläger seien trotz Erreichen des Volljährigkeitsalters die damit regelmäßig einhergehende inhaltliche Autonomie, Selbständigkeit und Persönlichkeit noch nicht ausreichend entwickelt, was mit Unterstützung der Jugendhilfe erreicht werden solle. Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten sei in der Vergangenheit der jugendhilferechtliche Bedarf des Klägers weder durch das Jugendamt noch durch die Gerichte ermittelt worden. Derartige Feststellungen besäßen ferner keine Bindungs- oder Feststellungswirkung für die Zukunft. Zwar durften die Eltern des damals noch minderjährigen Klägers aufgrund des beim Beklagten vorliegenden Systemversagens in der Vergangenheit den jugendhilferechtlichen Bedarf aus ihrer Laiensphäre heraus selbst ermitteln und ihrer Ansicht nach bedarfsdeckende Maßnahmen auf Kosten des Beklagten ins Werk setzen. Eine Bindungswirkung für die Zukunft könne sich hieraus jedoch nicht ableiten. Vielmehr habe es dem Beklagten nunmehr oblegen, seine eigene Aufgabe sachgerecht mit dem bei ihm vorhandenen Fachwissen zu erfüllen. Im Übrigen ergebe sich bereits aus § 36 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. SGB VIII, dass der jeweilige jugendhilferechtliche Bedarf und die daraus folgende geeignete und notwendige Hilfe regelmäßig zu überprüfen seien. Darüber hinaus liege im vorliegenden Fall aufgrund der Volljährigkeit des Klägers der beantragten Hilfeleistung bereits ein anderer Sachverhalt zugrunde, der losgelöst von den bisherigen Hilfen eine Neubeurteilung erfordere. Während in der Vergangenheit die Gewährung von Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII an die Eltern des Klägers streitgegenständlich gewesen sei, stehe im vorliegenden Verfahren die Hilfegewährung an den Kläger selbst als Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII im Fokus. Insoweit habe die Beklagte den jugendhilferechtlichen Bedarf des Klägers sachgerecht ermittelt. Unter Ausschöpfung der vorhandenen Quellen (vgl. hierzu Entscheidungsabdruck Rn. 96-99) habe der Beklagte für den Kläger einen Bedarf hinsichtlich einer therapeutischen Anbindung, der Entwicklung eines kongruenten Selbst- und Fremdbilds, der Steigerung der Konzentrationsfähigkeit, dem Aufbau und dem Erhalt von Freundschaften, der Erarbeitung eigener Werte und Normen, der Erweiterung der Selbständigkeit, der Ermöglichung einer altersangemessenen Freizeitbeschäftigung sowie der Erarbeitung einer Zukunftsperspektive gesehen und hierzu als Hilfsmaßnahmen eine psychiatrische Differenzialdiagnostik im stationären Setting, eine systemische Familientherapie, ISE-Maßnahmen, die Aufnahme in eine therapeutische Wohngruppe sowie die Beantragung einer gesetzlichen Betreuung vorgeschlagen.
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Demgegenüber stelle die „sozialpädagogische Begleitung“ durch Frau Dr. B. – sofern man sie überhaupt als jugendhilferechtliche Maßnahme einordnen könne – eine Form der Familienhilfe dar, die sich primär an die Eltern minderjähriger Kinder richte. Soweit Frau Dr. B. auch unmittelbaren Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen habe, diene dies ihrem Konzept nach zum einen dazu, die Verhaltensweisen des Kindes kennenzulernen, um diese wiederum den Eltern vermitteln zu können, zum anderen offenbar dem Training von Lernmethoden. Aus der Perspektive des Klägers scheine die Tätigkeit von Frau Dr. B. vorrangig darin zu bestehen, ihm äußerst intensive Nachhilfestunden zu geben. Auch die Lehrerinnen des Klägers sähen in der bei Frau Dr. B. stattfindenden Maßnahme ein wenig erfolgreiches „Lerncamp“. Im Übrigen zeigten auch die vielfachen Aussagen der Eltern des Klägers sowie die Ausführungen seines Bevollmächtigten, dass primäres Ziel der gewünschten Hilfeleistung durch Frau Dr. B. die erfolgreiche Erlangung eines Schulabschlusses bilde. Hilfe zur Erziehung diene jedoch nicht dazu, Teilleistungsstörungen im schulischen Bereich auszugleichen. Jugendhilfe diene weder als Hilfs- noch als Ersatzschule. Nachhilfe stelle eine Leistung zur Bewältigung schulischer, nicht erzieherischer Probleme dar.
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Angesichts dessen erscheine die Auffassung des Beklagten, dass die beantragte Gewährung „traumapädagogischer Maßnahmen“ bei Frau Dr. B. nicht dem beim Kläger festgestellten jugendhilferechtlichen Bedarf entspreche und daher nicht zu bewilligen sei, fachgerecht und nachvollziehbar. Ferner habe der Beklagte im Rahmen der sozialpädagogischen Fachlichkeit als Maßnahmen zur Deckung des beim Kläger vorhandenen Hilfebedarfs alternativ zu den Maßnahmen bei Frau Dr. B. die Durchführung einer psychiatrischen Differentialdiagnostik im stationären Setting, systemische Familientherapie, intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung bzw. die Aufnahme in eine therapeutische Wohngruppe sowie die Beantragung einer gesetzlichen Betreuung vorgeschlagen., wobei sich lediglich die ISE-Maßnahme und die Aufnahme in eine Wohngruppe als Maßnahmen der Jugendhilfe darstellen würden. Die Auffassung des Beklagten zu der für den Kläger geeigneten Hilfe sei nicht zu beanstanden. Der Beklagte habe sich insoweit nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Seine Beurteilung, dass das vorliegende Familiengefüge für den volljährigen Kläger nicht altersangemessen sei und seine Persönlichkeitsentwicklung nicht fördern könne, erscheine sachgerecht. Zwar mögen hierzu seine Adoptiveltern und Frau Dr. B. andere pädagogische Positionen einnehmen, die jedoch hinter der Beurteilung durch die pädagogischen Fachkräfte des Beklagten zurückzustehen hätten. Schließlich habe der Beklagte auch sachgerecht unter Beteiligung weiterer Fachpersonen im Rahmen einer Fallkonferenz am 1. April 2020 über die zu gewährenden Maßnahmen beraten. Weiter sei das durchgeführte Hilfeplanverfahren auch im Übrigen unter Berücksichtigung der besonderen Verfahrenssituation noch als sachgerecht zu bewerten gewesen. Insbesondere habe der Beklagte den Kläger gerade noch hinreichend im Hilfeplanverfahren beteiligt. Habe das Jugendamt die begehrte Hilfe mit vertretbaren Erwägungen abgelehnt, bestehe weder ein Anspruch des Betroffenen auf die begehrte Jugendhilfeleistung noch auf den Ersatz von Aufwendungen für eine selbstbeschaffte Hilfe.
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Im vorliegenden Fall sei weiter zu berücksichtigen, dass dem Beklagten die unmittelbare Kontaktaufnahme mit dem Kläger insbesondere durch seine Eltern und seinen Bevollmächtigten erheblich erschwert und zunächst gänzlich verweigert worden seien. Wie sich in der mündlichen Verhandlung gezeigt habe, vertrete die Mutter des Klägers die Auffassung, dass der Beklagte nicht in der Lage sei, sinnvoll mit dem Kläger zu kommunizieren und mit diesem sachgerecht den Hilfebedarf sowie Hilfemöglichkeiten abzuklären. Dementsprechend seien Kontaktaufnahme und Gespräche ausschließlich unter vorheriger Absprache mit den Eltern des Klägers oder deren Beteiligung zugelassen worden. Dieses Vorgehen widerspreche der rechtlichen Situation des Klägers, der ohne Bestellung einer Betreuung als eigenverantwortlicher und mündiger Volljähriger zu behandeln sei. Es müsse in diesem Kontext darauf hingewiesen werden, dass entsprechend dem kooperativen Prozess im Rahmen der Jugendhilfe die Teilnahme des Leistungsempfängers und Antragstellers an einem abschließenden Hilfeplangespräch von der Mitwirkungspflicht nach § 61 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) umfasst sei, sodass die Verweigerung eines solchen Gesprächs regelmäßig bereits zum Versagen der Jugendhilfe führen könne. Aus § 36 SGB VIII ergebe sich, dass die Gewährung von Jugendhilfe als kooperativer Prozess ausgestaltet sei, bei dem der Leistungsadressat zur Mitwirkung verpflichtet sei. Verletzungen der Mitwirkungspflicht gingen zu Lasten des Leistungsadressaten. Angesichts dessen sei die Information des Klägers über den festgestellten jugendhilferechtlichen Bedarf sowie die vorgeschlagenen Maßnahmen ausschließlich über das Anhörungsschreiben vom 2. April 2020 auf Grund der Verfahrenskonstellation noch vertretbar. Mangels Einverständnisses des Klägers mit den vom Beklagten im Rahmen der sozialpädagogischen Fachlichkeit vorgeschlagenen Maßnahmen habe der Beklagte nur zur Ablehnung des Antrags des Klägers auf Fortsetzung der „Maßnahmen“ bei Frau Dr. B. kommen können, sodass sich der ablehnende Bescheid vom 29. August 2019 als rechtmäßig darstelle. Mithin bestehe auch kein Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten für die selbstbeschaffte Hilfe bei Frau Dr. B. bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 2020.
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4.2 Dementsprechend stehe dem Kläger auch kein Anspruch auf die Gewährung der allein beantragten „traumapädagogischen Maßnahmen“ bei Frau Dr. B. bis zum 24. April 2022 nach § 41 SGB VIII zu. Die Bewertung dieser Maßnahme durch das Jugendamt als nicht fachgerecht sei unter Berücksichtigung der insoweit eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeiten durch das Verwaltungsgericht nicht zu beanstanden. Die Verpflichtung zur Gewährung einer einzigen bestimmten Maßnahme für die Zukunft sei nur dann möglich, wenn sich diese Maßnahme als die einzig erforderliche und geeignete zur Bedarfsdeckung darstelle. Im Übrigen würde eine Verpflichtung zu einer bestimmten Hilfeleistung nur für einen abschnittweise zu betrachtenden Zeitraum erfolgen, der die Persönlichkeitsentwicklung des Klägers berücksichtige. Dies übersehe die beantragte Verpflichtung des Beklagten bis zum 24. April 2022 gänzlich.
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5. Gegen das klageabweisende Urteil wendet sich der Kläger nunmehr im Rahmen seines Antrags auf Berufungszulassung, zu dessen Begründung er wohl der Sache nach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vortragen lässt. Demgegenüber verteidigt der Beklagte das angefochtene Urteil. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten, ergänzend auf den Beschluss vom 5. April 2019 (Az. 12 ZB 18.534) verwiesen.
II.
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Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München hat keinen Erfolg, da der – wohl – geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bereits nicht dem Erfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt wurde. Darüber hinaus liegen auch der Sache nach keine Richtigkeitszweifel am angefochtenen Urteil vor.
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1. Der Berufungszulassungsantrag sowie die hierzu abgegebene Begründung des Klägerbevollmächtigten genügen dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht.
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1.1 Der Klägerbevollmächtigte benennt zunächst in der Begründung seines Zulassungsantrags keinen der gesetzlich in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe. Auf die konkrete Bezeichnung des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrunds kann indes dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang des Vorbringens ein möglicher Zulassungsgrund ergibt. Im vorliegenden Fall ist angesichts der unstrukturierten Ausführungen in der Zulassungsbegründung zugunsten des Klägers wohl davon auszugehen, dass er ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend machen möchte.
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1.2 Gleichwohl genügt das Zulassungsvorbringen dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht. Dieses fordert von einem Verfahrensbeteiligten, der die Zulassung der Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil erstrebt, die Darlegung von Zulassungsgründen. Wird das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemacht, muss sich der Antragsteller in der Zulassungsbegründung mit dem angefochtenen Urteil substanziell auseinandersetzen. Dies erfordert zwar keine Detailkritik der Gründe der angefochtenen Entscheidung. Zwingend erforderlich ist jedoch deren inhaltliche Durchdringung und eine am Gewicht der Entscheidungsgründe orientierte Darlegung der ernstlichen Zweifel an deren Richtigkeit. Je ausführlicher und sorgfältiger das Verwaltungsgericht seine Entscheidung begründet hat, desto substantieller muss auch die abweichende Auffassung begründet werden. Als unzureichend erweisen sich insbesondere inhaltsleere Phrasen, die sich in der Wiederholung des gesetzlichen Tatbestands erschöpfen, oder die bloße Behauptung, das Verwaltungsgericht hätte die Sache rechtlich anders beurteilen müssen (vgl. hierzu statt Vieler Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 63 f.).
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Vorliegend orientiert sich das Vorbringen des Klägerbevollmächtigte nicht ansatzweise an den sehr ausführlichen, klar strukturierten Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils. Weder berücksichtigt die Zulassungsbegründung die zeitliche Untergliederung der beanspruchten Hilfe für junge Volljährige, noch die Abfolge der Tatbestandsmerkmale der beanspruchten Hilfeleistung. Zum Teil kreisen die Ausführungen auch um Jugendhilfemaßnahmen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind – wie beispielsweise Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII. Ebenso wenig differenziert der Klägerbevollmächtigte zwischen dem Jugendhilfebedarf eine jungen Volljährigen einerseits und den an diesen Bedarf anknüpfenden Hilfen andererseits. Ein derart unstrukturiertes, unsubstantiiertes Vorbringen genügt dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht, sodass der Zulassungsantrag bereits aus diesem Grund abzulehnen ist.
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2. Mit dem Zulassungsvorbringen werden auch der Sache nach keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung aufgezeigt.
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2.1 Fehl geht die Annahme des Klägerbevollmächtigten, der Kläger sei trotz Vollendung des 18. Lebensjahrs jugendhilferechtliche nicht als Volljähriger zu behandeln, da er nach wie vor den Entwicklungsstand eines 13- bis 14-jährigen Jugendlichen aufweise und er deshalb jugendhilferechtlich wie ein Minderjähriger zu behandeln sei. Demgegenüber geht das Verwaltungsgericht zutreffend davon aus, dass der Kläger als rechtlich voll verantwortlicher Erwachsener behandelt werden muss, da jedenfalls bislang für ihn keine Betreuung angeordnet worden ist. Ob es sich beim Volljährigkeitsalter um einen „vom Gesetzgeber willkürlich gesetzten Zeitpunkt“ handelt, ist vorliegend ohne Belang.
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2.2 Der Klägerbevollmächtigte differenziert weiterhin nicht zwischen dem jugendhilferechtlichen Bedarf des Klägers auf der einen Seite und den zur Deckung dieses Bedarfs erforderlichen Hilfemaßnahmen auf der anderen Seite. Der Beklagte wie auch das Verwaltungsgericht gehen übereinstimmend davon aus, dass beim Kläger ein Hilfebedarf nach § 41 Abs. 1 SGB VIII gegeben ist, d.h. dass seine Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Das Vorliegen eines konkreten Hilfebedarfs indiziert jedoch nicht, dass eine bestimmte konkrete Hilfe, hier die „Betreuung“ des Klägers durch Frau Dr. B., automatisch vom Jugendhilfeträger als bedarfsdeckend anerkannt werden muss. Dem Jugendhilfeträger obliegt es vielmehr, ausgehend vom festgestellten Hilfebedarf im Rahmen des Hilfeplanprozesses unter Mitwirkung des Betroffenen, des Fachpersonals des Jugendamts sowie sonstiger externer Beteiligter (Eltern, Lehrer, Psychologen, etc.) nach den Kriterien sozialpädagogischer Fachlichkeit die zur Deckung des Hilfebedarfs erforderlichen Maßnahmen zu ermitteln. Dieser in die originäre Zuständigkeit des Jugendamts fallende Prozess ist, worauf das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend hingewiesen hat, gerichtlich nur eingeschränkt kontrollierbar. Dem Klägerbevollmächtigte unterliegt daher einem das System der Jugendhilfe ignorierenden Fehlschluss, wenn er allein aus der Feststellung des Hilfebedarfs nach § 41 Abs. 1 SGB VIII die Pflicht zur Gewährung einer bestimmten Maßnahme ableitet.
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2.3 Grundlegend verkennt der Klägerbevollmächtigte weiterhin die Anspruchsinhaberschaft der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Jugendhilfemaßnahmen. Inhaber des Anspruchs für Hilfen nach § 41 SGB VIII ist stets der junge Volljährige selbst. Demgegenüber werden Hilfen zur Erziehung nach § 27 SGB VIII den Personensorgeberechtigten des Kindes oder Jugendlichen gewährt. Soweit den Adoptiveltern des Klägers in der Vergangenheit Kostenerstattung für von ihnen selbst beschaffte „traumapädagogische Maßnahmen“ bei Frau Dr. B. geleistet wurde, wurden diese als Hilfen zur Erziehung nach § 27 Abs. 1 SGB VIII, ggf. in Verbindung mit § 31 SGB VIII qualifiziert. Wenn der Klägerbevollmächtigte nunmehr die Fortsetzung der „Maßnahmen“ bei Frau Dr. B im Rahmen von § 41 SGB VIII beansprucht, ignoriert er den Wechsel in der Anspruchsinhaberschaft, der durch die Volljährigkeit des Klägers eingetreten ist.
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Insoweit geht das Verwaltungsgericht zutreffend davon aus, dass dieser Wechsel eine Neubewertung der Geeignetheit der beanspruchten Maßnahme – nämlich aus der Perspektive des Klägers selbst als Anspruchsinhaber – erforderlich macht. Darüber hinaus erfordert auch die grundsätzlich zeitabschnittweise Gewährung von Jugendhilfe unter dem Gesichtspunkt der Erfolgskontrolle eine regelmäßige Neubewertung der Geeignetheit der Maßnahme durch das Jugendamt. Schließlich prolongiert sich die im Falle des Systemversagens auf die Erziehungsberechtigten übergegangene Entscheidungsprärogative hinsichtlich der Geeignetheit jugendhilferechtlicher Maßnahmen nicht ad infinitum. Vielmehr kann der Jugendhilfeträger jederzeit durch Durchführung eines fachgerechten Hilfeplanverfahrens das festgestellte Systemversagen beenden und dadurch die Entscheidungshoheit über die Geeignetheit einer Jugendhilfemaßnahme zurückgewinnen.
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Angesichts dessen bestand im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten kein Anspruch auf Fortsetzung der „Hilfen“ von Frau Dr. B. ohne vorhergehende Neubewertung der Geeignetheit dieser Hilfen durch den Beklagten im Rahmen eines Hilfeplanverfahrens. Dass in der Praxis „bei Leistung von Hilfe zur Erziehung zu Zeiten der Minderjährigkeit bis zum Erreichen der Volljährigkeit deren Fortsetzung über das Volljährigkeitsdatum hinaus generell gewährt“ wird, trifft nicht zu.
Insoweit bleibt der Hinweis auf das angeblich „bekannte Rechtsgutachten“ von „Busch/Fieseler (2003)“ ohne Substanz (vgl. hierzu auch Busch, Manfred/ Fieseler, Gerhard: Rechtsanspruch volljähriger „Pflegekinder“ nach § 41 SGB VIII, zit. nach https://www.moses-online.de/gutachten-rechtsanspruch-volljähriger-„pflegekinder“nach-§-41-sgb-viii: Das vom Klägerbevollmächtigten ohne genaue Quellenangabe verwandte Zitat bezieht sich auf die im vorliegenden Fall nicht einschlägige Maßnahme nach § 33 SGB VIII und deren Fortsetzung nach Eintritt der Volljährigkeit!).
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2.4 Weiter differenziert der Klägerbevollmächtigte nicht hinreichend nach den einzelnen Jugendhilfemaßnahmen. Als falsch erweist es sich insoweit, wenn er behauptet, dass zwischen den Parteien Einigkeit darüber bestehe, „dass die Voraussetzungen des § 35a SGB VIII zu Zeiten der Minderjährigkeit vorgelegen haben“. Eingliederungshilfeleistungen nach § 35a SGB waren im vorliegenden Fall weder vom Kläger noch von seinen Adoptiveltern beantragt worden. Auch bei der selbst beschafften Hilfe bei Frau Dr. B. handelt es sich nicht um eine Eingliederungshilfemaßnahme nach § 35a SGB VIII. Insoweit gehen die Ausführungen in der Zulassungsbegründung am vorliegenden Sachverhalt vorbei.
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2.5 Nicht nachvollziehbar sind weiterhin die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten zum „zentralen Aspekt der Beweislast“. Wo sich in der „Kommentierung von Wiesner“ ergeben soll, dass es „eindeutig falsch“ ist, dass der Beklagte nicht die Beweislast trägt (Beweislast wofür?) bleibt unerfindlich und mithin völlig unsubstantiiert.
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2.6 Soweit der Klägerbevollmächtigte ferner die Eignung der vom Jugendamt des Beklagten vorgeschlagenen Hilfen bestreitet, zugleich aber den „Erfolg“ der „Maßnahmen“ von Frau Dr. B. behauptet, stellt er sich gegen die gesetzlich statuierte Einschätzungsprärogative des Jugendamts im Rahmen der sozialpädagogischen Fachlichkeit und kann damit ernstliche Richtigkeitszweifel an der angefochtenen Entscheidung nicht begründen.
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Nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung handelt es sich bei der Entscheidung des Jugendamts über die Notwendigkeit und Geeignetheit einer Hilfsmaßnahme um das Ergebnis eines kooperativen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung des betroffenen jungen Menschen und mehrerer Fachkräfte, das nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, sondern „lediglich“ eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten muss, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar ist. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat sich daher regelmäßig darauf zu beschränken, ob allgemeingültige fachliche Maßstäbe beachtet worden und keine sachfremden Erwägungen eingeflossen sind und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt wurden. Dass die genannten Voraussetzungen der sozialpädagogischen Fachlichkeit im Rahmen des Hilfeplanprozesses vorliegend nicht eingehalten worden wären, legt der Klägerbevollmächtigte entgegen der ausführlichen Würdigung durch das Verwaltungsgericht nicht im Ansatz dar. Er ignoriert insbesondere die erheblichen Zweifel, die von verschiedener Seite an der Eignung und am Erfolg der „Maßnahmen“ von Frau Dr. B. geäußert wurden wie auch die „soziale Diagnose“ der Fachkräfte des Beklagten, die die Ursachen für die Entwicklungssituation des Klägers gerade auch in dessen familiären Situation begründet sieht. Genügt die Beurteilung der Geeignetheit der Maßnahme durch das Jugendamt den Maßstäben sozialpädagogischer Fachlichkeit, setzt sich dessen Entscheidungsprärogative gegen eine ggf. abweichende Bewertung durch die Eltern des Betroffenen durch. Das verwaltungsgerichtliche Urteil ist daher auch in dieser Beziehung nicht zu beanstanden.
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3. Der Kläger trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten der Kinder- und Jugendhilfe nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht erhoben. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das verwaltungsgerichtliche Urteil nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.
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Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.