Inhalt

OLG München, Beschluss v. 08.03.2022 – OLG München 28 U 9184/21
Titel:

Vertragserfüllungssicherheit, Vertragserfüllungsbürgschaft, unangemessene Benachteiligung, Teilurteil, Gegenerklärung, Gewährleistungsansprüche, Klärungsbedürftigkeit, Kundenfeindlichste Auslegung, Mängelansprüche, Förmliche Abnahme, Berufungsbeklagter, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Auftragnehmer, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kosten des Berufungsverfahrens, Schlußzahlung, Schlußrechnung, Anderes Bauvorhaben, Sicherheitsleistung, Sicherungseinbehalt

Normenketten:
BGB § 307 Abs. 1
§ 12 Abs. 3 VOB B, § 12 Abs. 5 VOB B
Schlagworte:
unangemessene Benachteiligung, Vertragserfüllungsbürgschaft, Sicherungsklauseln, Rückgabe der Bürgschaft, Abnahme des Bauvorhabens, förmliche Abnahme, Abnahme, Mängelansprüche, Sicherheitsleistung, Vertragsgemäße Erfüllung, Unterlagen, Wesentlicher Teil der Leistung, Revision nicht zuzulassen, Teilurteil, AGB-Kontrolle, Gewährleistungssicherheit, Vertragsverhandlungen, Berufung, Aussichtslosigkeit
Vorinstanz:
LG München I, Teilurteil vom 17.12.2021 – 14 HKO 4100/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 05.10.2022 – VII ZR 83/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 52144

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des Landgerichts München I vom 17.12.2021, Aktenzeichen 14 HK O 4100/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieser Beschluss ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 265.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Das Landgericht hat mit Teilurteil die auf Herausgabe einer Vertragserfüllungsbürgschaft gerichtete Klage vollumfänglich abgewiesen.
2
Die zulässige Klage sei unbegründet. Zwar erscheine angesichts der Rechtsprechung des BGH die Kombination von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheitsbürgschaft problematisch, jedoch sei vorliegend eine Prüfung der hier maßgeblichen Klauseln anhand der Maßstäbe der §§ 307 ff BGB nicht möglich. Bei den Klauseln handele es sich um konkret ausgehandelte Bauträgerverträge, die in vielen Teilen, nicht jedoch hinsichtlich der Sicherheitsstellung, zwischen den Parteien verhandelt und abgeändert worden seien. Aus den von der Beklagtenseite vorgelegten Generalunternehmervertragsentwürfen ergebe sich, dass umfassende handschriftliche Anmerkungen der Klägerseite sowie Markierungen durch Highlighter enthalten seien. Diese Entwürfe hätten zwar zunächst nur das Bauvorhaben K. 20 in M. und gerade nicht das streitgegenständliche Bauvorhaben in G. betroffen. Dem weiteren Vortrag der Beklagten, dass man jedoch alle drei Bauvorhaben, insbesondere die K. 20 und T.16 in G. gemeinsam verhandelt habe, sei die Klägerin aber nicht mehr entgegengetreten. Der Vortrag der Beklagten sei auch durch die handschriftlichen Vermerke auf dem Beginn der Anlagen zum Schriftsatz vom 08.09.2020 der Beklagten gestützt worden, die auf der Zuleitungsmail, die von der Klägerin an die Beklagtenseite übersandt wurde, handschriftliche Vermerke bezüglich eines Bauvorhabens G. getragen habe. Insbesondere bezüglich der Gewährleistung und der Gewährleistungsfristen unter § 11 sowie auch bei § 13 seien handschriftliche Vermerke vorhanden.
3
Vor diesem Hintergrund müsse das Gericht davon ausgehen, dass die gesamten Verträge bezüglich des Bauvorhabens K. 20 und des streitgegenständlichen Bauvorhabens zwischen den Parteien ausgehandelt worden seien. Die Vielzahl der handschriftlichen Änderungen, die sich dann auch im abgeschlossenen Vertrag wieder gefunden hätten, zeigten, dass sämtliche Vertragspassagen zur Verhandlung gestellt worden seien. Der Vergleich zwischen dem von der Beklagtenseite vorgelegten Vertragsverhandlungsexemplar mit der von der Klägerseite vorgelegten Ausfertigung des Generalunternehmervertrages zeige auch, dass Verhandlungen und Änderungswünsche der Klägerseite weitgehend berücksichtigt worden seien. Diese aufgeführten und eine große Anzahl weiterer berücksichtigter Änderungswünsche der Klägerseite zeigten, dass die Verträge zwischen den Parteien zur vollständigen Verhandlungsdisposition gestanden hätten und daher einer AGB-Kontrolle gemäß § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht mehr zugänglich seien.
4
Hinsichtlich der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 17.12.2021 Bezug genommen.
5
Gegen dieses Teilurteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung im vollen Umfang der Klageabweisung. Erstrebt wird weiterhin eine Verurteilung der Beklagten gemäß den Anträgen 1. Instanz.
6
Gerügt wird insbesondere:
7
- Das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, angebliche Verhandlungen über einen früheren Vertrag zu einem anderen Bauvorhaben der Schwestergesellschaft der Beklagten führten dazu, dass auch die streitgegenständliche Sicherheitsabrede einer AGB-Kontrolle entzogen sei.
8
Das Landgericht habe selbst festgestellt, dass über die konkrete Klausel zur Sicherheitsabrede gerade keine Verhandlungen geführt worden seien.
9
- Da sich die Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit inhaltlich und zeitlich überschnitten, liege eine unangemessene Benachteiligung zweifelsfrei vor.
10
Nach dem Klauselwerk stünden für den Zeitraum von der Abnahme bis zur vertragsgemäßen Erfüllung und Übergabe der in § 10 genannten Unterlagen beide Sicherheiten nebeneinander. Die Vertragserfüllungssicherheit in Höhe von 10% und die Gewährleistungssicherheit in Höhe von 5% kumulierten sich folglich zumindest für eine gewisse Zeit zu einer Summe von 15% und überschritten damit das nach der Rechtsbrechung zulässige Höchstmaß.
11
Auf die weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird im Übrigen Bezug genommen.
12
Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin,
13
unter Aufhebung des erstinstanzlichen Teilurteils des Landgerichts München I vom 17.12.2021 mit dem Aktenzeichen 14 HK O 4100/20 die Beklagte, Widerklägerin und Berufungsbeklagte zu verurteilen, die Vertragserfüllungsbürgschaft der R. A. V. AG Nr. …003 PB über 265.000 € an die Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsklägerin herauszugeben,
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hilfsweise:
15
unter Aufhebung des erstinstanzlichen Teilurteils des Landgerichts München I vom 17.12.2021 mit dem Aktenzeichen 14 HK O 4100/20 die Beklagte, Widerklägerin und Berufungsbeklagte zu verurteilen, zu erklären, aus der Vertragserfüllungsbürgschaft der R. A. V. AG Nr. … 003 PB über 265.000 € keinerlei Rechte mehr herzuleiten,
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sowie unter Aufhebung des erstinstanzlichen Teilurteils des Landgerichts München I vom 17.12.2021 mit dem Aktenzeichen 14 HK O 4100/20 die Beklagte, Widerklägerin und Berufungsbeklagte zu verurteilen, an die Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsklägerin 3.104,90 € netto vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
19
Der Senat hat mit Verfügung vom 01.02.2022 darauf hingewiesen, dass und aus welchen Gründen beabsichtigt sei, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Zu dem Hinweis gingen inhaltliche Stellungnahmen der Klägerin vom 21.02.2022 sowie der R. A. V. AG vom 21.02.2022 ein, die dem Rechtsstreit in eben diesen Schriftsatz auf Seiten der Klägerin beitrat und sich deren Antrag und Vorbringen im Berufungsverfahren anschloss.
20
Auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren wird im Übrigen Bezug genommen.
II.
21
Die Berufung gegen das Teilurteil des Landgerichts München I vom 17.12.2021, Aktenzeichen 14 HK O 4100/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 01.02.2022 Bezug genommen.
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Die Ausführungen in der Gegenerklärung sowie im Schriftsatz der Nebenintervenientin geben weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Anlass zu einer Änderung der Auffassung des Senats, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat.
24
Ergänzend ist zu den Einwänden der Berufungsführerin sowie der Nebenintervenientin in den Schriftsätzen vom 21.02.2022 noch Folgendes auszuführen:
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1.Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob in der konkret zu beurteilenden Vertragsgestaltung die Vertragserfüllungsbürgschaft ihrem Wortlaut nach auch die nach Abnahme entstehenden Gewährleistungsansprüche besichern soll, da durch die konkreten vertraglichen Bestimmungen vorliegend jedenfalls hinreichend gewährleistet ist, dass diese im Zeitpunkt der Abnahme oder unmittelbar danach zurückgegeben werden muss, es also nicht zu einer zeitlichen Überschneidung der geschuldeten Sicherheit für die Vertragserfüllung und der geschuldeten Sicherheit für die Mängelansprüche kommt.
26
2.Auszugehen ist, wie bereits im Hinweis dargelegt, im Rahmen der gebotenen Auslegung von dem konkreten Vertragswortlaut der gesamten Klausel Nr. 13 des streitgegenständlichen GU-Vertrages.
27
a) Eine zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer getroffene Sicherungsabrede, nach der letzterer eine Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen hat, benachteiligt den Auftragnehmer gemäß § 307 Abs. 1 BGB unangemessen und ist unwirksam, wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Vertragspartners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH, Urteil vom 16.06.2016 – VII ZR 29/13 –, juris m.w.N.).
28
Die von der Berufung aufgeworfenen Rechtsfragen sind hinsichtlich der Grundsätze für die Bewertung von Sicherungsklauseln der hier in Frage stehenden Art hinreichend geklärt. Es entspricht einhelliger Auffassung, dass eine Vereinbarung zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von deutlich oberhalb 5% der Nettoauftragssumme wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers unwirksam ist, falls die Umschreibung des Umfangs der verbürgten Forderung mit der Formel „sämtliche Ansprüche aus dem Vertrag“ bei verwenderfeindlichster Auslegung auch nach Abnahme entstandene Gewährleistungsansprüche erfasst, und sofern nicht auch bei verwenderfeindlichster Auslegung der in dem konkreten Vertragswerk enthaltenen Regelungen zur Rückgabe der Bürgschaft hinreichend gewährleistet ist, dass diese im Zeitpunkt der Abnahme oder unmittelbar danach zurückgegeben werden muss oder der Umfang der von ihr verbürgten und nach Abnahme entstandenen Mängelansprüche des Auftraggebers in anderer Weise auf eine Höhe von 5% der Nettoauftragssumme beschränkt wird (OLG Frankfurt a. M. vom 28.10.2019 – 21 U 47/19, juris m.w.N.).
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b) Unter Beachtung dieser Grundsätze ist vorliegend die Verpflichtung des Auftragnehmers zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 10% der Auftragssumme nicht als missbräuchliche Durchsetzung der Interessen des Verwenders anzusehen.
30
aa) § 13 (1) des Vertrages führt nicht im Zusammenwirken mit § 13 (2) des Vertrages zu einer Übersicherung der Mängelrechte der Auftraggeberin.
31
Denn beide Sicherheiten können nicht zeitgleich nebeneinander beansprucht werden. Entgegen der Auffassung der Berufungsführerin und der Nebenintervenientin ist die Vertragserfüllungsbürgschaft nicht zeitlich unbegrenzt zu stellen, sondern mit Abnahme und Stellung der Sicherheit für die Mängelansprüche zurückzugeben, § 13 (1) des Vertrages.
32
Selbst wenn also vorliegend die Vertragserfüllungsbürgschaft wegen der Formel „sämtliche Ansprüche aus dem Vertrag“ bei kundenfeindlichster Auslegung auch nach Abnahme entstandene Gewährleistungsansprüche erfassen sollte, ist durch die im konkreten Vertrag enthaltenen Regelungen zur Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit gerade sichergestellt, dass diese im Zeitpunkt der Abnahme oder unmittelbar danach zurückgegeben werden muss.
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bb) § 13 (1) sieht vor, dass die Vertragserfüllungssicherheit zurückgegeben wird, wenn der Auftragnehmer die Leistung vertragsgemäß erfüllt hat, die Schlussabnahme des Bauvorhabens erklärt wurde, der Auftragnehmer dem Auftraggeber die Unterlagen gemäß § 10 Abs. 2 des Vertrages vollständig übergeben hat und eine vereinbarte Sicherheit für Mängelansprüche geleistet wurde.
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Die Vertragserfüllungssicherheit ist also zurückzugeben bei oder unmittelbar nach der Abnahme im Austausch gegen die vereinbarte Sicherheit für Mängelansprüche. Letztlich entspricht die Regelung in § 13 des streitgegenständlichen Vertrages damit der des § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B.
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cc) Soweit in der Gegenerklärung vorgebracht wird, es sei gerade nicht geregelt, dass die Gewährleistungssicherheit erst dann zu leisten ist, wenn die Vertragserfüllungssicherheit zurückzugeben ist, so findet eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem Hinweis des Senats nicht statt.
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Der Senat vermag daher lediglich nur nochmals auszuführen, dass im Rahmen der Auslegung des konkreten Gesamtvertragswerks auf die Verständnismöglichkeiten eines verständigen und redlichen Vertragspartners unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise abzustellen ist. Ein verständiger redlicher, seine Interessen wahrender Auftragnehmer wird nicht ohne Not und ohne vertraglich dazu verpflichtet zu sein, die nach dem Vertrag zu leistende Sicherheit für Ansprüche wegen bei oder nach der Abnahme vorliegender Mängel zeitgleich mit der Sicherheit für die Vertragserfüllung übergeben. Dies hat als völlig fernliegende Auslegungsmöglichkeit außer Betracht zu bleiben. Letztlich hat auch die Klägerin selbst die maßgebliche Klausel des § 13 des GU-Vertrages in diesem Sinne verstanden, denn unstreitig hat sie die Sicherheit für Mängelansprüche noch nicht gestellt.
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Die Gewährleistungssicherheit kann somit zwar schon geleistet werden, bevor die Vertragserfüllungssicherheit zurückgegeben wurde, eine Verpflichtung hierzu ergibt sich aus der Gesamtschau der Regelungen des streitgegenständlichen GU-Vertrages gerade nicht. Dass ein Schuldner die geschuldete Leistung auch schon vor Fälligkeit bewirken kann, führt gerade nicht dazu, dass er sie vor der Fälligkeit bewirken muss.
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dd) Das Vorbringen in der Gegenerklärung, die Hingabe der Gewährleistungssicherheit sei Voraussetzung für die Auszahlung des Sicherungseinbehalts nach § 13 (2) des Vertrages (5% der Schlusszahlung) und führe so de facto zu einem Bedürfnis, die Gewährleistungssicherheit schon vor Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit zu stellen, verfängt nicht.
39
Denn gemäß § 12 (2) des streitgegenständlichen Vertrages erfolgt die Schlusszahlung nach Ablauf einer angemessenen Prüffrist, spätestens jedoch innerhalb von 2 Monaten nach Zugang der Schlussrechnung, welche wiederum innerhalb von 6 Wochen nach Abnahme des Bauvorhabens beim Auftraggeber einzureichen ist. Hier gilt wiederum, dass ein verständiger redlicher und seine Interessen wahrender Auftragnehmer nicht schon vor Stellung der Schlussrechnung, welche wiederum die Abnahme des Bauvorhabens voraussetzt, eine Gewährleistungssicherheit stellen wird, um einen möglichen Sicherungseinbehalt von der erst nach Stellung der Schlussrechnung zu leistenden Schlusszahlung zu vermeiden. Dies hat als völlig fernliegende Auslegungsmöglichkeit außer Betracht zu bleiben.
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ee) Soweit die Gegenerklärung vorbringt, die Voraussetzungen für die Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit in § 13 (1) gäben dem Auftraggeber die Möglichkeit, die Vertragserfüllungssicherheit noch für eine ganz lange Zeit nach der Abnahme zu behalten, bleibt dies ohne Erfolg.
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(1) Gemäß den vertraglichen Bestimmungen, insbesondere § 10, haben die Parteien eine förmliche Abnahme vereinbart und eine fiktive Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B sowie eine Abnahme durch Ingebrauchnahme ausdrücklich ausgeschlossen.
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Aus diesem Passus wird deutlich, dass die Parteien eine förmliche Abnahme im Sinne von § 12 Abs. 4 VOB/B vereinbaren und andere Formen der Abnahme ausschließen wollten. Mit der Vereinbarung einer förmlichen Abnahme ist jedenfalls die Abnahmefiktion oder die konkludente Abnahme ausgeschlossen, da aus dem Willen der Vertragsparteien eindeutig hervorgeht, dass eine förmliche und damit auch gut belegbare Abnahme vorgesehen sein soll. Schon aus diesem Grund geht das Argument in der Gegenerklärung, eine Benachteiligung des Auftragnehmers ergebe sich dadurch, dass eine Abnahmefiktion offensichtlich nicht reiche, ins Leere.
43
(2) Bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung des Ausdrucks „Schlussabnahme des Bauvorhabens“ ergibt sich vorliegend, dass damit ersichtlich die Gesamtabnahme des Bauvorhabens im Sinne einer Endabnahme in Abgrenzung zu Teilabnahmen gemeint ist.
44
Die von der Gegenerklärung vorgebrachte Auslegung, damit sei bei kundenfeindlichster Auslegung die Gesamtabnahme durch den Auftraggeber des Verwenders gemeint, hat als völlig fernliegende Auslegungsmöglichkeit außer Betracht zu bleiben.
45
(3) Ohne Erfolg bringt die Gegenerklärung vor, die Voraussetzung einer tatsächlichen Erklärung der Schlussabnahme durch den Auftraggeber weiche vom gesetzlichen Leitbild des § 640 BGB zum Nachteil des Auftragnehmers ab.
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Insoweit verkennt die Gegenerklärung, dass die Parteien im Vertrag ausdrücklich eine förmliche Abnahme sowie die Geltung der VOB/B vereinbart haben. Anders als bei der sogenannten Normalabnahme handelt es sich bei der förmlichen Abnahme um eine – vereinbarte – empfangsbedürftige Willenserklärung. Eine berechtigte Verweigerung der Abnahme durch den Auftraggeber kommt auch hier nur unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 VOB/B in Betracht. Eine Benachteiligung des Auftragnehmers ist für den Senat insoweit nicht erkennbar.
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(4) Soweit gerügt wird, die Unterlagen, deren Übergabe in § 13 gefordert werde, seien nicht hinreichend konkretisiert, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
48
§ 13 verweist insofern auf § 10 Abs. 2 des Vertrages, in dem die Unterlagen konkret aufgeführt sind.
49
Vorliegend ist die geschuldete Übergabe der Unterlagen auch als wesentlicher Teil der geschuldeten Leistung zu beurteilen. Geschuldet war die schlüsselfertige und funktionsgerechte Herstellung des Wohn- und Geschäftshauses „K. 20“ einschließlich Außenanlagen, Erschließungsanlagen, Ver- und Entsorgungsleitungen auf dem Grundstück bis in das Gebäude und Werkstatt- und Montageplanung. Die Unterlagen gemäß § 10 Abs. 2 des GU-Vertrages wie behördliche Genehmigungen, Prüfatteste und Abnahmebescheinigungen von staatlichen Stellen, vertraglich vereinbarte Nachweise über bestimmte Eigenschaften von Baustoffen, Bedienungs-, Wartungs- und Pflegeanleitungen, Handbücher und sonstige Unterlagen für die technischen Anlagen, gültige Bestands- und Revisionspläne der baulichen Anlagen einschließlich Kalt- und Warmwasserleitungen, Heizungs-, Lüftungs-, Klimaanlagen, Elektroanlagen, Abwasserleitungen, Beförderungsanleitungen, Feuerlöschanlagen soweit erforderlich sowie Werkstattzeichnungen der technischen Anlagen stellen sich unproblematisch als wesentlich im Rahmen der funktionsgerechten Herstellung des Anwesens dar. Erst durch die Übergabe dieser vertraglich geschuldeten Dokumentation wird letztlich Abnahmereife hergestellt. Ohne Übergabe dieser vertraglich geschuldeten Unterlagen ist für die Beklagte gerade nicht abschätzbar, inwieweit die erbrachten Leistungen vertragsgemäß bzw. mangelfrei sind. Dementsprechend hat nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien die Übergabe der genannten Unterlagen bereits mit dem Abnahmeverlangen zu erfolgen (§ 10 (2)). Das Vorbringen in der Gegenerklärung, für den Zeitraum von der Abnahme bis zur Übergabe der genannten Unterlagen stünden also beide Sicherheiten nebeneinander und überschnitten sich zeitlich, geht damit ersichtlich ins Leere.
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(5) Soweit ferner gerügt wird, der Umstand, dass die vertragsgemäße Erfüllung der Leistung vorausgesetzt werde, müsse nach kundenfeindlichster Auslegung als komplette Mangelfreiheit ausgelegt werden, was wiederum zu einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers führte, geht dies fehl. Die vertragsgemäße Erfüllung der Leistung ist Voraussetzung dafür, dass die Abnahme vom Auftraggeber zu erklären ist (Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., 3. Teil Rn. 5). Unter Berücksichtigung des gesamten Klauselinhalts, insbesondere auch § 13 (2) (“Diese dient der Sicherung der Mängelansprüche des Auftraggebers, insbesondere wegen bei und/oder nach der Abnahme vorliegender Mängel…“), ergibt sich vorliegend, dass damit gerade nicht die komplette Mangelfreiheit vorausgesetzt wird, sondern die im wesentlichen vertragsgerechte Erstellung des Werkes.
51
3.Der erstmals in der Gegenerklärung bzw. von der Nebenintervenientin vorgebrachte Einwand, auch der Ausschluss der Hinterlegungsmöglichkeit im streitgegenständlichen GUVertrag benachteilige den Auftragnehmer unangemessen durch Abweichung von der gesetzlichen Regelung in § 232 Abs. 1 BGB, führt – unabhängig von einer etwaigen Präklusion dieses Vorbringens gemäß § 531 ZPO – nicht zum Erfolg.
52
Die praktische Bedeutung des § 232 BGB ist gering. Wenn Sicherheit zu leisten ist, einigen sich die Parteien vielfach auf eine von den §§ 232 ff abweichende wirtschaftlichere Sicherstellung wie Bankbürgschaft, Hinterlegung beim Notar oder Zahlung auf ein Treuhandkonto (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl. § 232 Rn 2). §§ 232 ff bestimmen allein die Art und Weise der Sicherheitsleistung, soweit nicht durch Gesetz oder Vereinbarung etwas anderes bestimmt ist; abweichende Parteivereinbarungen sind möglich und in der Rechtspraxis verbreitet (BeckOK BGB/Dennhardt, 61. Ed., § 232 Rn 1 ff).
53
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
III.
54
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
55
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
56
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 3 ZPO, 47, 48 GKG bestimmt.
IV.
57
Eine Revision gegen diese Entscheidung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des Paragrafen 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen und im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO ohnehin aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommt.
58
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
59
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 22.09.2015 – II ZR V 310/14, ZIP 2016, 266, Rn. 3; Zöller-Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 543 Rn. 11). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen u.a. dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (BGH a.a.O. m.w.N.). Bezugspunkte sind einerseits die in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO als selbständiger Zulassungsgrund definierten Kriterien der Fortbildung des Rechts und der Wahrung der Rechtseinheit, andererseits die Praxis der Instanzgerichte oder nachhaltige Bedenken im Schrifttum gegen höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. Zöller/Heßler a.a.O.).
60
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich vielmehr – wie im Hinweisbeschluss ausgeführt – auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zweifelsfrei beantworten. Auch eine Divergenz ist nicht anzunehmen. Eine solche läge nur dann vor, wenn der Senat ein- und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts (vgl. Thomas/Putzo-Seiler, ZPO, 42. Aufl., § 543 Rn. 4b m.w.N.). Soweit sich die Berufungsführerin und die Nebenintervenientin auf angeblich divergierende Urteile anderer Oberlandesgerichte berufen, haben sie nicht dargelegt, dass der Senat mit der angekündigten Zurückweisung von einem Obersatz abweichen würde, den eines der anderen Obergerichte aufgestellt hat. Die unterschiedliche Subsumtion bzw. Beurteilung eines Sachverhalts durch zwei Gerichte begründet noch keine Divergenz (vgl. Thomas/Putzo/Seiler a.a.O.), zumal die Frage, ob es zu einer inhaltlichen Überschneidung der beiden Bürgschaften kommen kann, vorliegend offenbleiben kann (s.o.).
61
Vor diesem Hintergrund ist eine Zulassung für die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht geboten. Auch die Fortbildung des Rechts macht eine Zulassung der Revision nicht erforderlich, da das Vorliegen konkreter „offener Rechtsfragen“ gerade nicht ersichtlich ist.
62
Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO liegen ersichtlich nicht vor. Lägen sie vor, hätte der Senat von der Verfahrensweise nach § 522 Abs. 2 ZPO abgesehen.