Inhalt

FG München, Urteil v. 27.10.2022 – 10 K 3292/18
Titel:

Einkommensteuerrechtliche Anerkennung einer Mieterhöhung infolge behindertengerechter (Um-)Baumaßnahmen als außergewöhnliche Belastungen

Normenketten:
EStG § 3c Abs. 2, § 12 Nr. ,1§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, § 33
AO § 15, § 164 Abs. 3, § 173 Abs. 1 S. 1
FGO § 100 Abs. 2 S. 2 u. 3, § 115 Abs. 2, § 136 Abs. 1 S. 3
Leitsatz:
Bei Krankheitskosten und Aufwendungen infolge einer Körperbehinderung ist aufgrund tatsächlicher Gründe stets von einer Zwangsläufigkeit auszugehen (vgl. BFH-Urteile vom 22. Oktober 2009, VI R 7/09, BStBl II 2010, 280, BeckRS 2009, 24003866; vom 18. Juni 2015, VI R 31/14, BStBl II 2016, 40, BeckRS 2015, 96075).  (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
außergewöhnliche Belastung, verdeckte Gewinnausschüttung, Außergewöhnliche Belastung
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – VI R 15/23
Fundstellen:
EFG 2024, 15
BeckRS 2022, 51933
LSK 2022, 51933

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid 2013 vom 26. Februar 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2018 wird dahingehend abgeändert, dass der Steuerfestsetzung im Rahmen der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb eine verdeckte Gewinnausschüttung nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens i.H.v. 6.884 € anstatt i.H.v. 7.000 € zugrunde gelegt wird und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.
Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 26. Februar 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2018 wird dahingehend abgeändert, dass der Steuerfestsetzung im Rahmen der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb eine verdeckte Gewinnausschüttung nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens i.H.v. 6.945 € anstatt i.H.v. 7.000 € zugrunde gelegt wird und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.
Die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer 2013 und 2014 wird dem Beklagten übertragen. Der Beklagte teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung sind die Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Beteiligten streiten über die einkommensteuerrechtliche Anerkennung einer Mieterhöhung infolge behindertengerechter (Um-)Baumaßnahmen als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie über das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
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Die Kläger sind verheiratet und wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Ihr gemeinsamer Sohn M, geboren am ... 2003, leidet seit seiner Geburt an einer spinalen Muskelatrophie und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Ausweislich eines Bescheids des Versorgungsamts der Region … om 22. Februar 2008 erfüllt er die Merkzeichen G, aG, B und H. Der Grad der Behinderung beträgt 100. Die Kläger haben mit dem Sohn S, geboren am ... 2012, und mit der Tochter Me., geboren am ... 2013, zwei weitere Kinder. Der Kläger ist Geschäftsführer der t-GmbH mit Sitz in … im Folgenden: t-GmbH) und zu 94% am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt. Der Kläger unterhält zudem einen Gewerbebetrieb, in dessen Betriebsvermögen er seine Beteiligung an der t-GmbH hält.
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Die Kläger wohnen seit dem Jahr 1998 in der L-Straße 4 in …. Das Grundstück steht im Eigentum der t-GmbH und war ursprünglich mit zwei freistehenden Häusern bebaut: einem Wohnhaus mit sechs Zimmern, Küche und Bad zu 151,39 qm (L-Straße 4; sog. „Haus E“) und einem als Büro mit einer Einliegerwohnung von zwei Zimmern, Küche und Bad nutzbaren Haus zu 161,11 qm (L-Straße 4 ½; sog. „Haus R“). Mit Mietvertrag vom 1. Oktober 1998 vermietete die t-GmbH das Wohnhaus in der L-Straße 4 (Haus E) als in § 1 der Vereinbarung (Mieträume) geregelten Mietgegenstand an den Kläger. Nach § 4 Abs. 1 der Vereinbarung (Miete und Nebenkosten) betrug die Miete für die vermieteten Räume 2.000 DM inklusive Nebenkosten wie Grundsteuer, Müllabfuhr, Strom, Wasser und Abwasser. Nach § 15 Abs. 2 der Vereinbarung bedürfen Änderungen oder Ergänzungen des Mietvertrags der Schriftform.
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Im Jahr 2009 ließ die t-GmbH auf eigene Kosten einen barrierefreien Verbindungsbau mit ca. 70 qm zwischen den beiden Häusern (Haus E und Haus R) erstellen, in dem – abgestimmt auf die Behinderung von M – ein behindertengerechtes Pflegebad mit Dusche, Badewanne, Waschbecken und Toilette zu 34,92 qm eingebaut ist. In dem Pflegebad befindet sich auch eine Sauna zu 6 qm. Der Verbindungsbau ist nicht unterkellert, hat ein Flachdach und besteht nur aus einem Erdgeschoss. Die Baukosten betrugen insgesamt 297.511,17 € und entfielen auf die Errichtung des Verbindungsbaus, die dafür erforderlichen Veränderungen an den beiden bereits bestehenden Wohnhäusern (Haus E und Haus R) und den Carport. Die Kläger trugen lediglich die Kosten für das Waschbecken in dem Pflegebad, für das sie im Jahr 2009 einen Zuschuss von der Pflegekasse i.H.v. 2.600 € erhalten hatten.
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Im September 2009 änderten der Kläger und die t-GmbH mit einer schriftlichen Vereinbarung den Mietvertrag vom 1. Oktober 1998 – so wörtlich – „aufgrund des behindertengerechten Umbaus“ mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2009 dahingehend ab, dass die in § 4 des Mietvertrags (Miete und Nebenkosten) geregelte monatliche Miete inklusive Nebenkosten auf 2.250 € erhöht wird, worin eine anteilige Büromiete i.H.v. 101,63 € zuzüglich 19% Umsatzsteuer i.H.v. 19,31 € enthalten ist. Die übrigen Bestimmungen des Mietvertrags vom 1. Oktober 1998 sollten unverändert bestehen bleiben.
Einkommensteuer 2011
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In ihrer Einkommensteuererklärung 2011 erklärten die Kläger unter anderem im Zusammenhang mit der Behinderung ihres Sohnes M außergewöhnliche Belastungen in Form einer „Mehrmiete“ infolge des behindertengerechten Umbaus des Anwesens L-Straße i.H.v. insgesamt 14.498 € (= 1.208,16 € x 12).
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Am 4. April 2013 erließ der Beklagte (das Finanzamt – FA –) einen nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid 2011, mit dem die Einkommensteuer i.H.v. 18.683 € festgesetzt wurde. Im Rahmen dieser Steuerfestsetzung setzte das FA unter anderem Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb i.H.v. 101.292 € an, der erklärte Mehraufwand an Miete infolge des behindertengerechten Umbaus wurde nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt.
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Mit Schreiben vom 8. April 2013 legten die Kläger hiergegen Einspruch ein und beantragten den Ansatz der Aufwendungen für die erhöhte Miete als außergewöhnliche Belastungen und verwiesen auf die beim Finanzgericht München anhängige Klage unter dem Aktenzeichen 10 K …/13 in Sachen … gegen das Finanzamt … wegen Einkommensteuer 2010.
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Mit Bescheid vom 24. Mai 2013 hob das FA nach § 164 Abs. 3 AO den Vorbehalt der Nachprüfung im Einkommensteuerbescheid 2011 vom 4. April 2013 auf.
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Am 2. Mai 2017 erließ das FA einen nach § 173 Abs. 1 Satz 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 2011, mit dem die Einkommensteuer auf 70.851 € heraufgesetzt wurde. Dieser geänderten Steuerfestsetzung legte das FA nunmehr gemäß den Feststellungen der Betriebsnahen Veranlagung im Bericht vom 31. Januar 2017 auf 271.452 € erhöhte Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb zugrunde.
Einkommensteuer 2012
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In ihrer Einkommensteuererklärung 2012 erklärten die Kläger unter anderem wiederum im Zusammenhang mit der Behinderung ihres Sohnes M außergewöhnliche Belastungen in Form einer „Mehrmiete“ infolge des behindertengerechten Umbaus des Anwesens L-Straße i.H.v. insgesamt 14.498 € (= 1.208,16 € x 12).
12
Am 19. September 2013 erließ das FA einen Einkommensteuerbescheid 2012, mit dem die Einkommensteuer i.H.v. 22.219 € festgesetzt wurde. Im Rahmen dieser Steuerfestsetzung setzte das FA unter anderem Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb i.H.v. 127.847 € an, der erklärte Mehraufwand an Miete infolge des behindertengerechten Umbaus wurde wiederum nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt.
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Mit Schreiben vom 25. September 2013 legten die Kläger hiergegen wegen des unterbliebenen Ansatzes der erhöhten Miete als außergewöhnliche Belastungen Einspruch ein und verwiesen wiederum auf die beim Finanzgericht München anhängige Klage unter dem Aktenzeichen 10 K …/13 in Sachen … gegen das Finanzamt … wegen Einkommensteuer 2010.
14
Am 2. Mai 2017 erließ das FA einen nach § 173 Abs. 1 Satz 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 2012, mit dem die Einkommensteuer auf 104.434 € heraufgesetzt wurde. Dieser geänderten Steuerfestsetzung legte das FA nunmehr gemäß den Feststellungen der Betriebsnahen Veranlagung im Bericht vom 31. Januar 2017 auf 388.947 € erhöhte Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb zugrunde.
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Am 26. Februar 2018 erließ das FA einen nach § 32a Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) geänderten Einkommensteuerbescheid 2012, mit dem die Einkommensteuer auf 107.095 € heraufgesetzt wurde. Dieser geänderten Steuerfestsetzung legte das FA eine Kontrollmitteilung über eine verdeckte Gewinnausschüttung der t-GmbH an den Kläger zugrunde und setzte demgemäß Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen i.H.v. 5.398 € (= 7.000 € Einkünfte ./. 1.602 € Sparer-Pauschbetrag) an.
Einkommensteuer 2013
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In ihrer Einkommensteuererklärung 2013 erklärten die Kläger unter anderem wiederum im Zusammenhang mit der Behinderung ihres Sohnes M außergewöhnliche Belastungen in Form einer „Mehrmiete“ infolge des behindertengerechten Umbaus des Anwesens L-Straße i.H.v. insgesamt 14.498 € (= 1.208,16 € x 12).
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Am 11. Juni 2015 erließ das FA einen nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid 2013, mit dem die Einkommensteuer i.H.v. 102.873 € festgesetzt wurde. Im Rahmen dieser Steuerfestsetzung setzte das FA unter anderem Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb i.H.v. 397.186 € an, der erklärte Mehraufwand an Miete infolge des behindertengerechten Umbaus wurde wiederum nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt.
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Mit Schreiben vom 16. Juni 2015 legten die Kläger hiergegen wegen des unterbliebenen Ansatzes der erhöhten Miete als außergewöhnliche Belastungen Einspruch ein und verwiesen wiederum auf die beim Finanzgericht München anhängige Klage unter dem Aktenzeichen 10 K …/13 in Sachen … gegen das Finanzamt … wegen Einkommensteuer 2010.
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Am 26. Februar 2018 erließ das FA einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 2013, mit dem die Einkommensteuer auf 109.705 € heraufgesetzt wurde. Dieser geänderten Steuerfestsetzung legte das FA eine Kontrollmitteilung über eine verdeckte Gewinnausschüttung der t-GmbH an den Kläger zugrunde und setzte demgemäß Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen i.H.v. 5.398 € (= 7.000 € Einkünfte ./. 1.602 € Sparer-Pauschbetrag) an.
Einkommensteuer 2014
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In ihrer Einkommensteuererklärung 2014 erklärten die Kläger unter anderem wiederum im Zusammenhang mit der Behinderung ihres Sohnes M außergewöhnliche Belastungen in Form einer „Mehrmiete“ infolge des behindertengerechten Umbaus des Anwesens L-Straße i.H.v. insgesamt 14.498 € (= 1.208,16 € x 12).
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Am 2. Juni 2016 erließ das FA einen nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid 2014, mit dem die Einkommensteuer i.H.v. 92.497 € festgesetzt wurde. Im Rahmen dieser Steuerfestsetzung setzte das FA unter anderem Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb i.H.v. 374.490 € an und berücksichtigte den erklärten Mehraufwand an Miete infolge des behindertengerechten Umbaus i.H.v. 14.498 € als außergewöhnliche Belastungen.
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Am 26. Februar 2018 erließ das FA einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 2014, mit dem die Einkommensteuer auf 95.031 € herabgesetzt wurde. Dieser geänderten Steuerfestsetzung legte das FA eine Kontrollmitteilung über eine verdeckte Gewinnausschüttung der t-GmbH an den Kläger zugrunde und setzte demgemäß Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen i.H.v. 5.570 € (= 7.000 € Einkünfte ./. 1.430 € Sparer-Pauschbetrag) an.
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Mit Schreiben vom 28. März 2018 legten die Kläger hiergegen Einspruch ein und führten zur Begründung aus, dass sich die Anteile des Klägers an der t-GmbH im Betriebsvermögen des Klägers befänden, womit es sich bei der verdeckten Gewinnausschüttung um betriebliche Erträge handle, für die das Teileinkünfteverfahren gelte. Diese Erträge seien zudem als außergewöhnliche Belastungen im Rahmen einer Fiktionstheorie in voller Höhe berücksichtigungsfähig, da sich die verdeckte Gewinnausschüttung im Wesentlichen auf die vom Sohn M mit dem Rollstuhl genutzten Räume beziehe.
Einspruchsverfahren
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Im Rahmen des Einspruchsverfahrens legten die Kläger zum weiteren Nachweis die von Dipl.-Ing. Architektin, Dipl.-Wirtschaftsingenieur S im Rahmen des beim Finanzgericht München unter dem Aktenzeichen 10 K …/13 geführten Klageverfahrens gefertigten Sachverständigengutachten vom 7. Juni 2016, vom 29. September 2016 und vom 17. Januar 2017 vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Sachverständigengutachten verwiesen.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2018 setzte das FA die Einkommensteuer 2011 auf 70.463 €, die Einkommensteuer 2012 auf 106.121 € und die Einkommensteuer 2013 auf 108.436 € herab und wies die Einsprüche der Kläger im Übrigen als unbegründet zurück. Mit weiterer Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2018 setzte das FA die Einkommensteuer 2014 auf 97.131 € herauf. Die Herabsetzung der Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2013 sei dadurch veranlasst, dass für die Streitjahre 2011 bis 2013 jeweils der Pflege-Pauschbetrag i.H.v. 924 € anzusetzen und für die Streitjahre 2012 und 2013 jeweils der als verdeckte Gewinnausschüttung bisher im Rahmen der Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen angesetzte Betrag i.H.v. 7.000 € nunmehr bei den Einkünften des Klägers aus Gewebebetrieb zu berücksichtigen sei. Die Einkommensteuer 2014 sei hingegen heraufzusetzen, da zwar der Pflege-Pauschbetrag i.H.v. 924 € anzusetzen und der als verdeckte Gewinnausschüttung bisher im Rahmen der Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen angesetzte Betrag i.H.v. 7.000 € nunmehr ebenfalls bei den Einkünften des Klägers aus Gewebebetrieb zu berücksichtigen sei. In allen Streitjahren sei nach dem Urteil des Finanzgerichts München in dem Klageverfahren 10 K …/13 (… gegen Finanzamt … wegen Einkommensteuer 2010) die behinderungsbedingte Mehrmiete als außergewöhnliche Belastungen lediglich mit einem Betrag i.H.v. 7.128 € berücksichtigen.
Klageverfahren
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Mit Schriftsätzen vom 18. Dezember 2018 – bei Gericht eingegangen am selben Tag – erhoben die Kläger hiergegen Klagen, die betreffend die betreffend die Einkommensteuer 2011 bis 2013 unter dem Aktenzeichen 10 K 3292/18 und betreffend die Einkommensteuer 2014 unter dem Aktenzeichen 10 K …/18 geführt wurden. Mit Beschluss vom 14. Mai 2019 sind beide Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen 10 K 3292/18 fortgeführt worden. Ihre Klage begründen die Kläger im Wesentlichen wie folgt:
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Entgegen der Ansicht des Finanzgerichts München im Urteil vom 11. Mai 2017 in dem Verfahren 10 K …/13 zum Vorjahr 2010 sei die gesamte Mehrmiete infolge des behindertengerechten Umbaus in Form des Pflegebads (Zwischenbau zwischen dem Haus E und dem Haus R) i.H.v. jährlich 14.498 € als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Wie die Sachverständige S in ihren Sachverständigengutachten in dem Verfahren 10 K …/13 festgestellt habe, könne ein der Behinderung angepasstes Umfeld die individuelle Situation und Eigenständigkeit verbessern oder die Pflege erleichtern. Allein aus diesem Grund sei die Prüfung der Angemessenheit erst gar nicht eröffnet. Es sei nicht geboten, bei derartigen Krankheitskosten den Maßstab an eine Kostenschätzung nach Indices an eine billigere Variante anzulehnen. Der Verbindungsbau samt Pflegebad des Kindes M sei notwendig gewesen, um dem Kind M die Krankheit erträglich zu machen. Hierzu müssten im Streitfall die individuellen und örtlichen Gegebenheiten berücksichtigt werden. Eine schwerwiegende Behinderung des Steuerpflichtigen oder eines Angehörigen begründe eine tatsächliche Zwangslage. Der Mehraufwand bzw. die Mehrmiete sei, wie auch in dem vorstehend bezeichneten Sachverständigengutachten vom 7. Juni 2016 festgestellt, in vollem Umfang auf die beschriebene Krankheit des Kindes M zurückzuführen, da die durchgeführten baulichen Maßnahmen alle der rollstuhlgerechten Nutzung durch das Kind M dienten, und die gesamte behindertengerechte Ausgestaltung sinnvoll sei. Sowohl ein Umbau in ein Pflegebad im Haus E als auch die Platzierung von Schlafräumen im Erdgeschoss des Hauses E sei laut zweitem Sachverständigengutachten vom 29. September 2016 und laut drittem Sachverständigengutachten vom 17. Januar 2017 nicht möglich gewesen. Der Erweiterungsbau sei konstruktiv und gestalterisch an die beiden bestehenden Häuser angepasst. Nur so könne das Kind M zu seinem behindertengerecht ausgestatteten Schlafzimmer im Haus R gelangen. Insoweit verweisen die Kläger auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 1. Februar 1957 (VI 30/55, juris) und vom 17. Juli 1981 (VI R 77/78, BStBl II 1981, 711).
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Zudem habe das FA in den Streitjahren 2012 bis 2014 die verdeckte Gewinnausschüttung wegen der unentgeltlichen Überlassung des Hauses R durch die t-GmbH an die Familie … zu hoch angesetzt. Da für das Haus R bislang keine Miete erhoben worden sei, sei dieser Betrag ausschließlich der behindertengerechten Nutzung zuzuordnen. Bei der Ermittlung der Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung seien die tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen, wobei eine Rolle spiele, dass das Haus R schon viele Jahre vorher leer gestanden habe. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde versuchen, überhaupt eine Nutzung für das Haus R zu erreichen und deshalb auch hinnehmen, dass nur Teile des Hauses R vermietet würden, zumal eine Vermietung des Wohnhauses R im Gewerbegebiet seitens der Stadt wenn überhaupt bzw. nicht ohne weiteres möglich wäre. Daher sei die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung nicht auf der Vergleichsgrundlage der für das um 10 qm kleinere Haus E vereinbarten Miete zu ermitteln (12.270 € = 1.022,50 € x 12), sondern der Ansatz von jährlich 7.000 € aus Sicht der Kläger mehr als ausreichend, da auch nur ca. 60% des Hauses R tatsächlich behinderungsbedingt genutzt würden. Da sich die Beteiligung des Klägers an der t-GmbH im Betriebsvermögen des Klägers befinde, sei die verdeckte Gewinnausschüttung in den Streitjahren 2012 bis 2014 im Rahmen der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens lediglich i.H.v. 4.200 € anzusetzen (= 7.000 € x 60%).
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Entgegen der Ansicht des Finanzgerichts München in seinem Urteil vom 11. Mai 2017 in dem Verfahren 10 K …/13 zum Vorjahr 2010 sowie entgegen der Ansicht des FA stehe der verdeckten Gewinnausschüttung wegen der unentgeltlichen Überlassung des Hauses R i.H.v. 7.000 € eine außergewöhnliche Belastung in Form einer fiktiven Miete i.H.v. 7.000 € gegenüber, wobei eine Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG im Streitfall nicht geboten sei, da die fiktive Miete als Aufwendungen wirtschaftlich nicht mit der Beteiligung als solcher zusammenhingen, sondern mit der Nutzung des Hauses R, das insgesamt der behindertengerechten Ausgestaltung des Umfelds des Kindes M diene. Nach Aussage der Ärzte sei davon auszugehen, dass sich in Zukunft die Atmungsfähigkeit des Kindes M verschlechtere und seine Lungen externe Atmungsunterstützung bräuchten. Ebenfalls habe das Kind ein erhöhtes Wärmebedürfnis. Das Kind M lebe zusammen mit seinen Eltern und zwei jüngeren Geschwistern in einem Wohnhaus in … und seine Pflege werde von seinen Eltern erbracht. Innerhalb des Wohnhauses und des Grundstücks bewege sich das Kind M mit einem elektrischen Rollstuhl, den es selbst steuere. Hierfür benötige es spezielle Rollstühle, die so konstruiert seien, dass es im Rippenbereich zusätzlich gestützt und gehalten werde. Aufgrund seiner Behinderung benötige das Kind M ein Pflegebad und einen barrierefreien Zugang zu den Wohnräumen und zu seinem Schlafzimmer. Im Jahr 2009 sei ein Erweiterungsbau bzw. Verbindungsbau errichtet worden, der sich an das Wohnhaus der Familie … (Haus E) anschließe. In diesem Erweiterungsbau sei das Pflegebad untergebracht und er verbinde den Wohnbereich mit dem Schlafbereich des Kindes M, der sich im Erdgeschoss des baugleichen Hauses R befinde. Diese Maßnahme sei notwendig, da der Kläger das Kind M aufgrund des Gewichts und des fortschreitenden Alters nicht mehr in das Bad und die Schlafräume bringen könne, die sich zuvor im Haus E befunden hätten. Das Obergeschoss des Hauses R werde ausschließlich durch den Kläger zu Schlafzwecken genutzt, da das Kind M in der Nacht drei- bis viermal umgelagert werden müsse. Im Erdgeschoss des Hauses R benötige das Kind M Platz, um seine medizinisch notwendigen Geräte zu lagern und um barrierefrei an sein behindertengerecht ausgestattetes Bett zu gelangen. Das Kind M müsse auch mit der Therapieliege vom Pflegebad ins Schlafzimmer und umgekehrt geschoben werden können. Es müssten auch stets eine oder zwei Begleitpersonen dabei sein, um die Therapieliege zu schieben und barrierefrei bewegen zu können. Das Haus R werde damit ausschließlich aufgrund der Behinderungen des Kindes M genutzt. In diesem Zusammenhang verweisen die Kläger auf die Entscheidungen des BFH vom 15. November 1960 (I 189/59 S, BStBl III 1961, 80), vom 25. September 1970 (VI R 122/67, BStBl II 1971, 53), vom 19. März 1975 (I R 137/73, BStBl II 1975, 722), vom 14. August 1975 (IV R 30/71, BStBl II 1976, 88), vom 26. Oktober 1987 (GrS 2/86, BStBl II 1988, 348) und vom 28. September 2010 (IX R 42/09, BStBl II 2011, 271).
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Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 2. Mai 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2018 dahingehend abzuändern, dass der Festsetzung der Einkommensteuer zusätzliche außergewöhnliche Belastungen i.H.v. 7.370 € zugrunde gelegt werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird,
den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 26. Februar 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2018 dahingehend abzuändern, dass der Festsetzung der Einkommensteuer im Rahmen der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb eine verdeckte Gewinnausschüttung nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens i.H.v. lediglich 4.200 € sowie zusätzliche außergewöhnliche Belastungen i.H.v. 14.370 € zugrunde gelegt werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird,
den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 26. Februar 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2018 dahingehend abzuändern, dass der Festsetzung der Einkommensteuer im Rahmen der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb eine verdeckte Gewinnausschüttung nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens i.H.v. lediglich 4.200 € sowie zusätzliche außergewöhnliche Belastungen i.H.v. 14.370 € zugrunde gelegt werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird,
und den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 26. Februar 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2018 dahingehend abzuändern, dass der Festsetzung der Einkommensteuer im Rahmen der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb eine verdeckte Gewinnausschüttung nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens i.H.v. lediglich 4.200 € sowie zusätzliche außergewöhnliche Belastungen i.H.v. 14.370 € zugrunde gelegt werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird,
sowie hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist das FA auf das Urteil des Finanzgerichts München vom 11. Mai 2017 in dem Verfahren 10 K …/13 sowie auf die Ausführungen in den Einspruchsentscheidungen vom 4. Dezember 2018 und führt ergänzend Folgendes aus: Die behinderungsbedingte Mehrmiete, die unstreitig außergewöhnliche Belastungen darstelle, habe des Finanzgericht München im seinem Urteil vom 11. Mai 2017 ausgehend von den Baukosten für den Verbindungsbau mit 7.128 € pro Jahr berechnet. Die Änderung des Mietvertrags vom September 2009 habe sich nach Ansicht des Gerichts nur auf den „behinderungsbedingten Umbau“, d.h. den Zwischenbau mit Pflegebad bezogen. Die tatsächlich notwendigen Baukosten hierfür seien laut Gutachten vom 17. Januar 2017 mit 143.000 € bis 154.000 € beziffert worden, wobei das Gericht einen Mittelwert i.H.v. 148.500 € zugrunde gelegt habe. Die von den Klägern darüber hinaus aufgewendeten Baukosten von insgesamt ca. 298.000 € seien in dieser Höhe nicht zwangsläufig und daher nicht notwendig i.S.d. § 33 EStG gewesen.
33
Der verdeckten Gewinnausschüttung aufgrund der unentgeltlichen Überlassung des Hauses R sei nach dem oben genannten Urteil des Finanzgerichts München vom 11. Mai 2017 zugunsten der Kläger die für das Haus E vereinbarte niedrigere Marktmiete i.H.v. 12.270 € anstatt der regelmäßig höheren Kostenmiete zugrunde zu legen. Das Gericht sei in seinem Urteil auch davon ausgegangen, dass auf die verdeckte Gewinnausschüttung das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG Anwendung finde, womit ein Betrag i.H.v. 7.362 € zu versteuern wäre, wobei das FA in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden 2012, 2013 und 2014 zugunsten der Kläger lediglich einen Betrag i.H.v. 7.000 € angesetzt habe. Zudem habe das Gericht in seinem Urteil die verdeckte Gewinnausschüttung auch nicht als außergewöhnliche Belastungen angesehen und die entsprechende Fiktionstheorie der Kläger ausdrücklich abgelehnt. Schließlich führten auch die von den Klägern genannten Urteile des BFH zu keinem anderen Ergebnis. Diese seien bereits im Rahmen der gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 11. Mai 2017 in dem Verfahren 10 K …/13 eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde ins Feld geführt worden, die der BFH in seinem Beschluss vom 9. November 2017 (VI B 59/17) als unzulässig verworfen habe.
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Mit Beschluss vom 27. April 2020 hat der Berichterstatter die Gerichtsakten des Finanzgerichts München zu dem Verfahren 10 K …/13 in Sachen … gegen das Finanzamt … wegen Einkommensteuer 2010 zum Verfahren beigezogen.
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In dem Verfahren 10 K …/13 hatte der Senat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 26. Februar 2016 Beweis erhoben zur Frage, welche konkreten baulichen Maßnahmen beim Erweiterungsbau zum Wohnhaus L-Straße 4 als behindertengerechte Ausgestaltung angesichts der Behinderung des Kindes M erfolgt sind, welche konkreten baulichen Maßnahmen beim Erweiterungsbau zum Wohnhaus L-Straße 4 infolge der Behinderung des Kindes M notwendig waren und welche Mehrkosten durch die notwendige behindertengerechte Ausgestaltung entstanden sind, durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens der Sachverständigen Dipl.-Ing. Architektin, Dipl.-Wirtschaftsingenieur S. In ihrem schriftlichen Gutachten vom 7. Juni 2016 hat die Gutachterin zusammenfassend Folgendes festgestellt: Die in Zusammenhang mit der Errichtung des Erweiterungsbaus durchgeführten baulichen Maßnahmen dienen alle – bis auf das Dach des Carports – der behindertengerechten Ausgestaltung für ein Pflegebad und für die rollstuhlgerechte Nutzung der Wohnräume durch M. Aufgrund der fortschreitenden schweren Erkrankung von M, für die es keine eindeutige Therapie gibt, ist zudem die gesamte behindertengerechte Ausgestaltung sinnvoll. Diese Feststellungen hat die Gutachterin in ihrer ergänzenden schriftlichen Stellungnahme vom 23. Juni 2016 weiter erläutert.
36
In dem Verfahren 10 K …/13 hatte der Senat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 18. Juli 2016 des Weiteren Beweis erhoben zur Frage, ob das bisher vorhandene Bad im Wohnhaus L-Straße 4 (Haus E) in ein behindertengerechtes Pflegebad hätte umgebaut werden können und, sofern dies möglich gewesen wäre, welche Kosten die Maßnahme verursacht hätte und ob eine kostengünstigere Alternative für die Errichtung eines behindertengerechten Pflegebads als Anbau an das Haus E bestanden hätte, als der im Gutachten vom 7. Juni 2016 analysierte Verbindungsbau, und welche Kosten bei dieser Alternative entstanden wären, durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens der Sachverständigen Dipl.-Ing. Architektin, Dipl.-Wirtschaftsingenieur S. In ihrem schriftlichen Gutachten vom 29. September 2016 hat die Gutachterin festgestellt, dass der Umbau des im Haus E vorhandenen Bads in ein behindertengerechtes Pflegebad nicht möglich gewesen wäre und dass mit der Errichtung eines behindertengerechten Pflegebads als Anbau an das Haus E eine kostengünstigere Alternative zu dem vorhandenen Verbindungsbau bestanden hätte, dessen geschätzte Kosten inklusive sämtlicher Nebenkosten für das Jahr 2009 zwischen 107.000 € bis 116.000 € inklusive Mehrwertsteuer betragen hätten.
37
In dem Verfahren 10 K …/13 hatte der Senat schließlich aufgrund des Beweisbeschlusses vom 28. November 2016 Beweis erhoben zur Frage, ob im Erdgeschoss des Wohnhauses L-Straße 4 (Haus E) durch bauliche Maßnahmen auf der vorhandenen Wohnfläche (Wohnzimmer- und Esszimmerbereich) ein behindertengerechtes Schlafzimmer für M hätte abgetrennt werden können und, sofern dies möglich gewesen wäre, welche Kosten diese Maßnahme verursacht hätte und ob eine kostengünstigere Alternative für die Errichtung eines behindertengerechten Pflegebads mit Anbindung sowohl an das Haus E als auch an das Haus R bestanden hätte, als der im Gutachten vom 7. Juni 2016 analysierte Verbindungsbau und welche Kosten bei dieser Alternative entstanden wären, durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens der Sachverständigen Dipl.-Ing. Architektin, Dipl.-Wirtschaftsingenieur S. In ihrem schriftlichen Gutachten vom 17. Januar 2017 hat die Gutachterin festgestellt, dass in das Erdgeschoss des Hauses E kein behindertengerechtes Schlafzimmer für M hätte eingebaut werden können und dass der behindertengerechte Verbindungsbau mit Pflegebad zwischen den Häusern E und R kostengünstiger mit geschätzten Kosten inklusive Nebenkosten für das Jahr 2009 zwischen 143.000 € bis 154.000 € inklusive Mehrwertsteuer hätte erstellt werden können.
38
In dem Verfahren 10 K …/13 hatte der Senat die Klage der Kläger betreffend die einkommensteuerrechtliche Anerkennung der Mieterhöhung infolge der behinderungsgerechten (Um-)Baumaßnahmen in Form des Verbindungsbaus mit Pflegebad als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG sowie über das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung wegen der unentgeltlichen Überlassung des Hauses R als verdeckte Gewinnausschüttung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG im Jahr 2010 mit Urteil vom 11. Mai 2017 als unbegründet abgewiesen. In seinem Urteil war der Senat der Ansicht, dass die durch die Errichtung des behindertengerechten Verbindungsbaus mit Pflegebad zwischen den Häusern E und R veranlasste Erhöhung der jährlichen Miete i.H.v. 7.128 € (= 594 € x 12) insoweit als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG anzuerkennen ist, als sie sich in gegenständlicher Hinsicht auf den Verbindungsbau erstreckt und der Höhe nach auf Baukosten i.H.v. 148.500 € inklusive Umsatzsteuer sowie eine Verzinsung i.H.v. 4,8% zurückzuführen ist. Des Weiteren war der Senat der Ansicht, dass die unentgeltliche Überlassung des Hauses R zu einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG führt, die nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens zusätzliche Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb i.H.v. 7.362 € zur Folge hat, da der Kläger seine Beteiligung an der t-GmbH im Betriebsvermögen gehalten hat. Schließlich hat sich der Senat ausdrücklich nicht der von den Klägern ins Feld geführten Fiktionstheorie angeschlossen, wonach die verdeckte Gewinnausschüttung in Form der unentgeltlichen Überlassung des Hauses R außergewöhnliche Belastungen in Form einer fiktiven Miete darstellt.
39
Mit Beschluss vom 10. Mai 2021 hat der Senat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Kostenmiete für das Einfamilienhaus L-Straße 4 ½ in … (sog. Haus R) in den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2014. Die Ermittlung der Kostenmiete beschränkt sich ausschließlich auf das Gebäude
- ohne den im Jahr 2009 errichteten Verbindungs- bzw. Erweiterungsbau zum Einfamilienhaus L-Straße 4 in … (sog. Haus E),
- unter Außerachtlassung der Kosten für die notwendigen Umbau- bzw. Anpassungsarbeiten an dem Einfamilienhaus L-Straße 4 ½ in … (sog. Haus R), die im Zusammenhang mit der Errichtung des vorstehend genannten Verbindungs- bzw. Erweiterungsbaus angefallen sind,
- und ohne einen eventuellen Anteil am Garten.
40
In dem Sachverständigengutachten vom 17. November 2021, dem 1. Ergänzungsgutachten vom 4. März 2022, dem 2. Ergänzungsgutachten vom 3. Juni 2022 und dem 3. Ergänzungsgutachten vom 7. Juli 2022 hat die Sachverständige Dipl.-Ing. Architektin G die monatliche Kostenmiete für das Einfamilienhaus L-Straße 4 ½ in … (sog. Haus R) in den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2014 wie folgt ermittelt:
- für die Jahre 2011 und 2012 ohne Übernahme von Schönheitsreparaturen durch die t-GmbH i.H.v. 1.122,38 € bzw. mit Übernahme von Schönheitsreparaturen i.H.v. 1.256,50 €,
- für das Jahr 2013 ohne Übernahme von Schönheitsreparaturen durch die t-GmbH i.H.v. 910,66 € bzw. mit Übernahme von Schönheitsreparaturen i.H.v. 1.044,78 €
- und für das Jahr 2014 ohne Übernahme von Schönheitsreparaturen durch die t-GmbH i.H.v. 918,75 € bzw. mit Übernahme von Schönheitsreparaturen i.H.v. 1.060,44 €.
41
Dieser Ermittlung der Kostenmiete legte die Sachverständige eine Abschreibung auf das Gebäude (das Haus R) i.H.v. 1% zugrunde. Bezüglich der Zinsen ist der beim Ortstermin übergebene Tilgungsplan zugrunde gelegt worden, der ab dem 1. Juni 2011 einen Zinssatz von 3,9% und ab dem 1. Januar 2013 einen Zinssatz von 2,85% ausweist. Die Herstellungskosten für das Haus R sind nach den Angaben der Kläger mit insgesamt 237.221,69 € angesetzt worden (= Büroräume 33.389,21 € + H-Haus 201.832,48 € + Hausanschlusskosten 2.000 €).
42
Gegen diese gutachterliche Ermittlung der Kostenmiete haben die Kläger zuletzt folgende Einwendungen erhoben: Zwar seien die Angaben zur Abschreibung und zum Zinssatz bei der Ortsbegehung auf Anfrage der Sachverständigen Dipl.-Ing. Architektin G gemacht worden, die Berechnungsmethodik nach der Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach der II. BVO sei den Klägern jedoch nicht mitgeteilt worden. Nach § 21 Abs. 2 II. BVO seien Zinsen für Fremdmittel mit dem Betrag anzusetzen, der sich aus den im Finanzierungsplan ausgewiesenen Fremdmitteln mit dem maßgebenden Zinssatz errechne. Laut den Finanzierungsplänen seien die Zinsen wesentlich niedriger, als im Gutachten dargestellt. Der Zinssatz sei dabei gleichbleibend. Die Darlehensrestschuld verringere sich um die laufenden Tilgungen, der Zinsbetrag werde bei gleichbleibendem Zinssatz deshalb immer niedriger. Zudem entfielen die in den Jahren 2011 bis 2014 gezahlten Zinsen nur zur Hälfte auf das Haus R. Die Herstellungskosten der beiden Häuser seien auf Seite 14 des Sachverständigengutachtens vom 17. November 2011 ersichtlich. Die beiden Häuser E und R seien seinerzeit gemeinsam finanziert worden. Nach Ansicht der Kläger seien die Zinsen nach den tatsächlichen im Finanzierungsplan ausgewiesenen Zinsen zugrunde zu legen und die jährliche Kostenmiete in folgender Höhe zu ermitteln, wobei die Kläger zum weiteren Nachweis Jahreskontoauszüge der Stadtsparkasse … zum Darlehen … für die Jahre 2011 bis 2014 vorlegen: für das Jahr 2011 i.H.v. 6.569,88 € (= 547,49 € monatlich), für das Jahr 2012 i.H.v. 5.932,86 € (= 494,40 € monatlich), für das Jahr 2013 i.H.v. 5.481,04 € (= 456,75 € monatlich) und für das Jahr 2014 i.H.v. 5.108,37 € (= 425,69 €).
43
Hierzu hat die Sachverständige Dipl.-Ing. Architektin G in ihrem 3. Ergänzungsgutachten vom 7. Juli 2022 ausgeführt, dass üblicherweise die Berechnung der Kostenmiete auf der Grundlage einer Wirtschaftlichkeitsrechnung erfolge. Dabei seien Zinsen und Verwaltungskosten für Fremdmittel mit dem jeweils geltenden Prozentsatz bezogen auf den ursprünglichen Darlehensbetrag zu berücksichtigen. Analog dieser Vorgehensweise seien die Kapitalkosten bezogen auf die angegebenen Herstellungskosten berechnet worden.
44
Mit Aufklärungsanordnung vom 20. Juni 2022 hat der Berichterstatter die Kläger unter Fristsetzung mit ausschließender Wirkung bis 13. Juli 2022 aufgefordert, dem Gericht mitzuteilen, ob die t-GmbH im Rahmen der unentgeltlichen Überlassung des „Hauses R“ (L-Straße 4 ½) an die Kläger in den Streitjahren 2011, 2012, 2013 und 2014 verpflichtet war, Schönheitsreparaturen auf ihre Kosten durchzuführen bzw. durchführen zu lassen, und ob die t-GmbH ohne eine solche Verpflichtung tatsächlich auf ihre Kosten Schönheitsreparaturen durchgeführt hat bzw. hat durchführen lassen und – sollte dies der Fall gewesen sein – um welche Reparaturen mit welchen Kosten in welchem Streitjahr es sich im Einzelnen gehandelt hat.
45
Daraufhin haben die Kläger mitgeteilt, dass der Kläger nach § 6 Satz 3 des ursprünglichen Mietvertrags für das Haus E vom 1. Oktober 1998 verpflichtet war, Schönheitsreparaturen auf seine Kosten durchzuführen und dies auf tatsächlich getan habe.
46
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegten Akten des FA, die beigezogenen Gerichtsakten zu dem Verfahren 10 K …/13 sowie die Gerichtsakte nebst Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27. Oktober 2022 sowie das zu Beweiszwecken eingeholte Sachverständigengutachten nebst den Ergänzungsgutachten Bezug genommen.
II.
47
1. Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht erhoben.
48
2. Die Klage ist jedoch nur zu einem geringen Teil begründet.
49
Das FA hat in sämtlichen Streitjahren zu Recht der Festsetzung der Einkommensteuer außergewöhnliche Belastungen der Kläger im Zusammenhang mit der Errichtung des behindertengerechten Verbindungsbaus mit Pflegebad auf dem Anwesen L-Straße 4 (Haus E) i.H.v. 7.128 € zugrunde gelegt (hierzu unter a)).
50
Das FA hat zu Unrecht in den Streitjahren 2012, 2013 und 2014 wegen der unentgeltlichen Überlassung des Anwesens L-Straße 4 ½ (Haus R) an den Kläger durch die t-GmbH im Rahmen seiner Einkünfte aus Gewerbebetrieb eine verdeckte Gewinnausschüttung nach Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens i.H.v. 7.000 € anstatt im Jahr 2012 i.H.v. 8.484 €, im Jahr 2013 i.H.v. 6.884 € und im Jahr 2014 i.H.v. 6.945 € angesetzt (hierzu unter b)). Wegen des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbots kann die Einkommensteuer 2012 nicht entsprechend heraufgesetzt werden. Durch die entsprechend zu hoch festgesetzte Einkommensteuer 2013 und 2014 hat das FA jedoch die Kläger i.S.d. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in ihren Rechten verletzt.
51
a) In sämtlichen Streitjahren sind den Klägern im Zusammenhang mit der Errichtung des behindertengerechten Verbindungsbaus mit Pflegebad auf dem Anwesen L-Straße 4 (Haus E) außergewöhnliche Belastungen i.H.v. 7.128 € entstanden.
52
aa) Nach § 12 Nr. 1 EStG dürfen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge abgezogen werden. Das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG erfasst grundsätzlich alle Aufwendungen, die die private Lebensführung, d.h. die gesamte Gestaltung des privaten Lebens des Steuerpflichtigen betreffen, soweit sie nicht ausdrücklich im Rahmen des steuerlichen Existenzminimums oder als Sonderausgaben bzw. als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden (Loschelder in Schmidt, EStG, 41. Auflage 2022, § 12 Rn. 8).
53
(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastungen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands, so wird nach § 33 Abs. 1 EStG auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung i.S.d. § 33 Abs. 3 EStG übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird. Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. § 33 Abs. 3 EStG bestimmt die zumutbare Belastung des Steuerpflichtigen in Abhängigkeit vom Gesamtbetrag der Einkünfte.
54
(2) Unter den Begriff der außergewöhnlichen Belastungen fallen nur bewusste und gewollte Vermögensverwendungen (BFH-Urteil vom 15. März 1991 III R 26/89, BFH/NV 1991, 669). Nach der sog. Gegenwerttheorie können Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige einen Gegenwert oder nicht nur vorübergehende Vorteile erlangt, sofern nicht die betroffenen Aufwendungen stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit stehen (BFH-Urteile vom 15. Dezember 2005 III R 10/04, BFH/NV 2006, 931; vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BStBl II 2010, 280) oder es sich um anzuerkennende medizinische Hilfsmittel handelt, die ausschließlich dem Kranken dienen (BFH-Urteil vom 9. August 1991 III 54/90, BStBl II 1991, 920).
55
(3) § 33 EStG erfasst nur Aufwendungen, die außergewöhnlich sind, d.h. wenn es sich um größere Aufwendungen handelt, als sie der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands entstehen. Die Aufwendungen müssen zudem dem Grunde nach zwangsläufig sein. Dies ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, weil sie in einer Art und Weise auf die Entschließung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht ausweichen kann (BFH-Urteil vom 20. April 2006 III R 23/05, BStBl II 2007, 41). Bei Krankheitskosten und Aufwendungen infolge einer Körperbehinderung ist aufgrund tatsächlicher Gründe stets von einer Zwangsläufigkeit auszugehen (BFH-Urteile vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BStBl II 2010, 280; vom 18. Juni 2015 VI R 31/14, BStBl II 2016, 40). Schließlich müssen die Aufwendungen auch notwendig, d.h. ihrer Art und Höhe nach zwangsläufig sein (Loschelder in Schmidt, EStG, 41. Auflage 2022, § 33 Rn. 40), wobei bei Krankheitskosten kein strenger Maßstab anzusetzen ist (BFH-Urteil vom 14. November 2013 VI R 20/12, BStBl II 2014, 456).
56
(4) Mehraufwendungen für einen behindertengerechten Um- oder Neubau eines Hauses oder einer Wohnung sind grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, da es sich um größere Aufwendungen handelt, als sie der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstandes erwachsen. Diese Aufwendungen sind weder durch den Grund- oder Kinderfreibetrag noch durch den Behinderten- und Pflege-Pauschbetrag abgegolten. Grund- und Kinderfreibetrag decken den gewöhnlichen Wohnbedarf des gesunden und nicht behinderten Steuerpflichtigen und seiner Angehörigen ab (BFH-Urteile vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BStBl II 2010, 280; vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, BStBl II 2011, 1012).
57
Mehraufwendungen für die behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfelds sowie behinderungsbedingte Mehrkosten eines Um- oder Neubaus erwachsen insofern zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG, als eine schwerwiegende Behinderung des Steuerpflichtigen oder eines Angehörigen eine tatsächliche Zwangslage begründet, die eine behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfelds unausweichlich macht. Die Notwendigkeit einer behindertengerechten Ausgestaltung des Wohnumfelds und damit die Zwangsläufigkeit der darauf entfallenden Mehrkosten aus tatsächlichen Gründen beruht nicht auf der frei gewählten Wohnsituation des Steuerpflichtigen, sondern auf seiner Krankheit oder Behinderung (BFH-Urteile vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BStBl II 2010, 280; vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, BStBl II 2011, 1012). Dem Abzug derartiger Aufwendungen steht auch nicht ein möglicher Gegenwert entgegen, da der behinderungsbedingte Mehraufwand stets so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit steht, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände in den Hintergrund tritt (BFH-Urteil vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, BStBl II 2011, 1012). Abzugsfähig sind jedoch nur die Mehraufwendungen, die durch die Behinderung veranlasst und zur behindertengerechten Umgestaltung des individuellen Wohnumfelds erforderlich sind. Es spielt nach der Rechtsprechung des BFH dabei keine Rolle, ob die der Krankheit oder Behinderung geschuldeten Mehrkosten im Rahmen eines Neubaus, der Modernisierung eines Altbaus oder des Umbaus eines bereits selbstgenutzten Eigenheims oder einer Mietwohnung entstehen. In welchem Umfang die entsprechenden Aufwendungen durch die behindertengerechte Ausgestaltung eines Objekts veranlasst sind, muss durch ein Sachverständigengutachten geklärt werden, sofern die Frage nicht offenkundig ist (BFH-Urteil vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, BStBl II 2011, 1012).
58
bb) Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist die durch die Errichtung des behindertengerechten Verbindungsbaus mit Pflegebad zwischen den Häusern E und R veranlasste Erhöhung der jährlichen Miete i.H.v. 7.128 € (= 594,00 € x 12) insoweit als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG anzuerkennen, als sie sich in gegenständlicher Hinsicht auf den Verbindungsbau erstreckt und der Höhe nach auf Baukosten i.H.v. 148.500,00 € inklusive Umsatzsteuer sowie eine Verzinsung i.H.v. 4,8% („rund 5%“) zurückzuführen ist.
59
(1) Der Senat legt den ursprünglichen Mietvertrag vom 1. Oktober 1998 in Gestalt der schriftlichen Änderungsvereinbarung vom September 2009 dahingehend aus, das neben dem Haus E (L-Straße 4) zudem lediglich der behinderungsbedingte Verbindungsbau Gegenstand des Mietverhältnisses zwischen der t-GmbH und dem Kläger ist und die ab dem 1. Oktober 2009 auf 2.250 € erhöhte Miete auf den Verbindungsbau zwischen den beiden Häusern E und R entfällt, sich jedoch nicht auch auf das Erdgeschoss des Hauses R (L-Straße 4 ½) erstreckt.
60
(2) (a) Bei der umbaubedingten Mehrmiete handelt es sich – wie zwischen den Beteiligten unstreitig – dem Grunde nach um außergewöhnliche Aufwendungen i.S.d. § 33 EStG, da es sich insoweit um größere Aufwendungen handelt, als sie der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands entstehen. Da es sich um Aufwendungen handelt, die als Folge der Behinderung von M entstanden sind, sind die entsprechenden Aufwendungen – wie zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig – auch dem Grunde nach zwangsläufig, da die Kläger sich diesen Aufwendungen als Eltern von M aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnten bzw. können.
61
Der Berücksichtigung der Mieterhöhung als außergewöhnliche Belastungen steht im Streitfall auch nicht der Gegenwert in Form der Nutzungsmöglichkeit des behindertengerecht gestalteten Verbindungsbaus mit Pflegebad zwischen den beiden Häusern E und R entgegen, da die entsprechenden Aufwendungen stark unter dem Gebot der sich aus der Situation der Behinderung von M ergebenden Zwangsläufigkeit stehen. Die auf die Errichtung des behindertengerechten Verbindungsbaus mit Pflegebad zurückzuführende Mieterhöhung ist im Streitfall auch weder durch den Grund- oder Kinderfreibetrag, noch durch den Behinderten- und Pflege-Pauschbetrag abgegolten.
62
(b) Im Streitfall sind Mehraufwendungen in Form der Mieterhöhung durch die Behinderung von M der Höhe nach lediglich insoweit veranlasst, als zur behindertengerechten Umgestaltung des individuellen Wohnumfelds Baukosten i.H.v. 148.500 € notwendig gewesen sind. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den schriftlichen Gutachten der Sachverständigen S vom 29. September 2016 und vom 17. Januar 2017 sowie ihrer Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2017 in dem Verfahren 10 K …/13 (… gegen Finanzamt … wegen Einkommensteuer 2010).
63
In ihrem schriftlichen Gutachten vom 29. September 2016 hat die Sachverständige S festgestellt, dass das in dem Haus E vorhandene Bad aus bautechnischen Gründen nicht zu einem Pflegebad hätte umgebaut werden können, das der Behinderung von M Rechnung trägt. In ihrem schriftlichen Gutachten vom 17. Januar 2017 hat die Sachverständige S zudem festgestellt, dass im Erdgeschoss des Hauses E kein behindertengerechtes Schlafzimmer für M hätte eingebaut werden können. Der Senat ist aufgrund der vorstehend genannten gutachterlichen Feststellungen auch im Streitfall für die Streitjahre 2011 bis 2014 der Überzeugung, dass die Errichtung eines Verbindungsbaus mit Pflegebad zwischen den beiden Häusern E und R im Hinblick auf die Behinderung von M erforderlich war, um diesem einen rollstuhlgerechten ebenerdigen Zugang von seinem Schlafzimmer im Erdgeschoss des Hauses R zum Pflegebad im Verbindungsbau und zum Wohnbereich der Familie … im Erdgeschoss des Hauses E mit Wohnzimmer, Esszimmer und Küche zu ermöglichen.
64
Ausgehend von diesen behinderungsbedingten baulichen Anforderungen an den Verbindungsbau mit Pflegebad hat die Sachverständige S in ihrem schriftlichen Gutachten vom 17. Januar 2017 festgestellt, dass es zu dem tatsächlich errichteten Verbindungsbau mit Pflegebad eine kostengünstigere Alternative gegeben hätte, die der Behinderung von M in gleicher Weise Rechnung getragen hätte, jedoch im Jahr 2009 nur geschätzte Kosten inklusive Nebenkosten und Umsatzsteuer i.H.v. 143.000 € bis 154.000 € verursacht hätte.
65
Gegen die vorgenannten Sachverständigengutachten haben die Beteiligten keine substantiierten Einwendungen erhoben. Der Senat ist aufgrund der vorstehend genannten gutachterlichen Feststellungen auch im Streitfall für die Streitjahre 2011 bis 2014 der Überzeugung, dass im Streitfall die Mehraufwendungen in Form der Mieterhöhung nur insoweit erforderlich waren, als sie aufgrund der behindertengerechten Umgestaltung der individuellen Wohnsituation durch die Errichtung eines Verbindungsbaus mit Pflegebad zwischen den Häusern E und R mit von der Sachverständigen S im Mittelwert geschätzten Kosten inklusive Nebenkosten und Umsatzsteuer i.H.v. 148.500 € (143.000 € bis 154.000 €) veranlasst sind.
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Bei der von den Klägern vorgetragenen Ermittlung der Mieterhöhung durch eine Verzinsung der Baukosten für den Verbindungsbau i.H.v. 4,8% („rund 5%“) ergeben sich im Streitfall in sämtlichen Streitjahren außergewöhnliche Belastungen in Form einer behinderungsbedingten jährlichen Mehrmiete i.H.v. 7.128 € (= 148.500 € x 4,8%). Eine abweichende Beurteilung folgt auch nicht aus den von den Klägern genannten Entscheidungen des BFH, insbesondere den beiden Entscheidungen vom 1. Februar 1957 (VI 30/55, juris) und vom 17. Juli 1981 (VI R 77/78, BStBl II 1981, 711), denen sich nicht entnehmen lässt, dass bei Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen die Kriterien der Notwendigkeit und der Erforderlichkeit überhaupt keine Rolle spielen und es lediglich auf die Kausalität zwischen der Krankheit und den Aufwendungen ankomme.
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b) Im Streitfall hat der Kläger durch die unentgeltliche Überlassung des Anwesens L-Straße 4 ½ (Haus R) an den Kläger durch die t-GmbH eine verdeckte Gewinnausschüttung verwirklicht, die nach Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens zu Einkünften aus Gewerbebetrieb im Jahr 2012 i.H.v. 8.484 €, im Jahr 2013 i.H.v. 6.884 € und im Jahr 2014 i.H.v. 6.945 € führt.
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aa) Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG insbesondere Gewinnanteile und sonstige Bezüge aus Anteilen an einer GmbH. Zu den sonstigen Bezügen gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auch verdeckte Gewinnausschüttungen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist die (bewusste) Zuwendung eines Vermögensvorteils durch eine Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung aus gesellschaftlicher Veranlassung (BFH-Urteile vom 21. Oktober 2014 VIII R 21/12, BStBl II 2015, 638; vom 14. April 2016 VI R 13/14, BStBl II 2016, 778). Das ist in der Regel der Fall, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte (BFH-Urteile vom 19. Juni 2007 VIII R 54/05, BStBl II 2007, 830; vom 27. März 2012 VIII R 27/09, BFH/NV 2012, 1127). Dies gilt, wenn die Zuwendung einem betrieblichen Fremdvergleich nicht standhält, d.h. überhöht oder sonst nicht gerechtfertigt ist (Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 41. Auflage 2022, § 20 Rn. 44). Eine verdeckte Gewinnausschüttung muss als solche in subjektiver Hinsicht nicht bewusst erfolgen (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1969 I R 107/69, BStBl II 1970, 229; BFH-Beschluss vom 18. Mai 1999 I B 140/98, BFH/NV 1999, 1516). Für das Vorliegen der Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung als steuerbegründenden bzw. steuererhöhenden Umstand trägt das Finanzamt die objektive Beweislast (BFH-Beschluss vom 4. April 2002 I B 140/01, BFH/NV 2002, 1179). Eine (mittelbare) verdeckte Gewinnausschüttung beim Gesellschafter ist anzunehmen, wenn die Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht dem Gesellschafter, sondern einer ihm nahe stehenden Person – insbesondere einem Angehörigen i.S.d. § 15 AO – zuwendet (BFH-Urteile vom 18. März 2009 I R 63/08, BFH/NV 2009, 1841; vom 21. Oktober 2014 VIII R 22/11, BStBl II 2015, 687). Die Besteuerung einer verdeckten Gewinnausschüttung auf Ebene des Gesellschafters, der seine Beteiligung in einem Betriebsvermögen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG hält, erfolgt ab dem Jahr 2009 nach dem sog. Teileinkünfteverfahren.
69
Der Fremdvergleich beurteilt sich nach den Kriterien der Angemessenheit und der Üblichkeit von Leistung und Gegenleistung (BFH-Urteil vom 8. Juli 1998 I R 134/97, BFH/NV 1999, 370; BFH-Beschluss vom 8. Oktober 2014 I B 96/13, BFH/NV 2015, 237). Nach Ansicht des BFH wird ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft nur dann bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung eines Einfamilienhauses zu (privaten) Wohnzwecken – also im privaten Interesse – eines Gesellschafters der Kapitalgesellschaft zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden und sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält, wobei der BFH einen Aufschlag von 5% nicht beanstandet (BFH-Urteil vom 27. Juli 2016 I R 12/15, BStBl II 2017, 217). Anzusetzen ist nicht die Marktmiete, sondern die sog. Kostenmiete, die auf der Grundlage der Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (II. BVO) i.d.F. vom 12. Oktober 1990 (BGBl I 1990, 2178) zu berechnen ist (BFH-Urteile vom 17. November 2004 I R 56/03, BFH/NV 2005, 793; vom 27. Juli 2016 I R 8/15, BStBl II 2017, 214). Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann (BFH-Urteile vom 27. Juli 2016 I R 12/15, BStBl II 2017, 217; vom 27. Juli 2016 I R 71/15, BFH/NV 2017, 60).
70
bb) Wegen der besonderen Nähe zwischen Gesellschaft und beherrschendem Gesellschafter gelten für diesen besondere Anforderungen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann die Zuwendung eines Vermögensvorteils ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben, wenn der Leistung an den Gesellschafter oder eine diesem nahe stehende Person keine klare und von vornherein abgeschlossene Vereinbarung zugrunde liegt (BFH-Urteile vom 24. Januar 1990 I R 157/86, BStBl II 1990, 645; vom 9. Juli 2003 I R 100/02, BFH/NV 2003, 1660; vom 5. Oktober 2004 VIII R 9/03, BFH/NV 2005, 526).
71
cc) Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall führt die unentgeltliche Überlassung des Hauses R (L-Straße 4 ½) durch die t-GmbH an den Kläger zu einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz EStG, die zusätzliche Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb im Streitjahr 2012 i.H.v. 8.484 €, im Streitjahr 2013 i.H.v. 6.884 € und im Streitjahr 2014 i.H.v. 6.945 € zur Folge hat, da der Kläger seine Beteiligung an der t-GmbH in einem Betriebsvermögen gehalten hat.
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(1) Der Senat legt den ursprünglichen Mietvertrag vom 1. Oktober 1998 in Gestalt der schriftlichen Vereinbarung vom September 2009 dahingehend aus, dass sich die Erweiterung des Mietgegenstands auf den Verbindungsbau mit Pflegebad erstreckt, das Haus R als L-Straße 4 ½ in gegenständlicher Hinsicht von diesen vertraglichen Vereinbarungen zwischen der t-GmbH und dem Kläger jedoch nicht erfasst ist. Mit der unentgeltlichen Überlassung des Hauses R an den Kläger und seine Familie zur Nutzung hat die t-GmbH dem Kläger als Anteilseigner einen Vermögensvorteil zugewendet. Die Zuwendung des Vermögensvorteils erfolgte auch außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung aus gesellschaftlicher Veranlassung, da im Streitfall keinerlei Umstände ersichtlich sind, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer den Vorteil der unentgeltlichen Nutzung des Hauses R auch einem Nichtgesellschafter zugewendet hätte.
73
(2) Der Ermittlung der Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung legt der Senat die Feststellung der Kostenmiete für das Haus R (L-Straße 4 ½) durch die Sachverständige Dipl.-Ing. Architektin G in dem Sachverständigengutachten vom 17. November 2021 sowie den Ergänzungsgutachten vom 4. März 2022, vom 3. Juni 2022 und vom 7. Juli 2022 zugrunde. Der Senat hält die Gutachten für nachvollziehbar und in sich schlüssig. Die von den Klägern erhobene Einwendung, wonach der Ermittlung der Kostenmiete nicht der Zinssatz nach dem ursprünglichen Finanzierungsplan, sondern die jeweils im Streitjahr tatsächlich gezahlten Zinsen und der jeweilige Darlehensstand unter Berücksichtigung geleisteter Tilgungen zugrunde zu legen seien, greifen nach Ansicht des Senats nicht durch.
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Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 II. BVO sind Kapitalkosten die Kosten, die sich aus der Inanspruchnahme der im Finanzierungsplan ausgewiesenen Finanzierungsmittel ergeben, namentlich die Zinsen. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 II. BVO sind Fremdkapitalkosten die Kapitalkosten, die sich aus der Inanspruchnahme der Fremdmittel ergeben, namentlich Zinsen für Fremdmittel (Nr. 1), laufende Kosten, die aus Bürgschaften für Fremdmittel entstehen (Nr. 2), und sonstige wiederkehrende Leistungen aus Fremdmitteln, namentlich aus Rentenschulden (Nr. 3). Nach § 21 Abs. 2 II. BVO sind Zinsen für Fremdmittel, namentlich für Tilgungsdarlehen, mit dem Betrag anzusetzen, der sich aus dem im Finanzierungsplan ausgewiesenen Fremdmittel mit dem maßgebenden Zinssatz errechnet; eine jährliche Anpassung der Kapitalkosten mit Rücksicht auf die planmäßige Tilgung des Kapitals scheidet grundsätzlich aus (Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts – OLG – Hamm vom 28. Februar 1985 4 REMiet 5/84, DB 1985, 1992 m.w.N.). Nach § 21 Abs. 3 Satz 1 II. BVO ist, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der vereinbarte Zinssatz maßgebend oder, wenn die Zinsen tatsächlich nach einem niedrigeren Zinssatz zu entrichten sind, dieser, höchstens jedoch der für erste Hypotheken im Zeitpunkt nach § 4 II. BVO marktübliche Zinssatz. Nach § 21 Abs. 3 Satz 2 II. BVO bleibt der niedrigere Zinssatz maßgebend nach der planmäßigen Tilgung des Fremdmittels (Nr. 1) oder nach der Ersetzung des Fremdmittels durch andere Mittel, deren Kapitalkosten höher sind, wenn die Ersetzung auf Umständen beruht, die der Bauherr zu vertreten hat (Nr. 2). Vor diesem Hintergrund hat die Sachverständige der Ermittlung der Kostenmiete für das Haus R für die Jahre 2011 bis 2014 zutreffend die von den Klägern mitgeteilten Anschaffungskosten sowie den Zinssatz für das hierzu aufgenommene Darlehen als Fremdmittel gemäß dem Finanzierungsplan mit 3,9% ab dem 1. Juni 2011 sowie mit 2,85% ab dem 1. Januar 2013 zugrunde gelegt.
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Der Senat geht des Weiteren mit dem Vortrag der Kläger zu deren Gunsten davon aus, dass die t-GmbH betreffend das Haus R im Rahmen der unentgeltlichen Überlassung an die Kläger in den Streitjahren weder verpflichtet war, Schönheitsreparaturen auf ihre Kosten vorzunehmen, noch solche tatsächlich vorgenommen hat. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BFH nimmt das Gericht zudem ergänzend einen angemessenen Gewinnaufschlag von 5% auf die Kostenmiete an (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juli 2016 I R 12/15, BStBl II 2017, 217). Im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung an den Kläger ermittelt sich die anzusetzende jährliche Kostenmiete im Streitjahr 2012 i.H.v. 14.141,98 €, im Streitjahr 2013 i.H.v. 11.474,31 € und im Streitjahr 2014 i.H.v. 11.576,25 € wie folgt:
2012
Kostenmiete p.a. laut Gutachten 13.468,56 €
zzügl. Gewinnaufschlag 5% 673,42 €
Kostenmiete gesamt p.a. 14.141,98 €
2013
Kostenmiete p.a. laut Gutachten 10.927,92 €
zzügl. Gewinnaufschlag 5% 546,39 €
Kostenmiete gesamt p.a. 11.474,31 €
2014
Kostenmiete p.a. laut Gutachten 11.025,00 €
zzügl. Gewinnaufschlag 5% 551,25 €
Kostenmiete gesamt p.a. 11.576,25 €
76
(3) Da der Kläger seine Beteiligung an der t-GmbH in den Streitjahren im Betriebsvermögen gehalten hat, findet auf die verdeckte Gewinnausschüttung das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG Anwendung, womit nur 60% der verdeckten Gewinnausschüttung zu zusätzlichen Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb führen. In den Streitjahren hat der Kläger demnach eine verdeckte Gewinnausschüttung in folgender Höhe verwirklicht: im Jahr 2012 i.H.v. 8.484,60 € (= 14.141 € x 60%), im Jahr 2013 i.H.v. 6.884,40 € (= 11.474 € x 60%) und im Jahr 2014 i.H.v. 6.945,60 € (= 11.576 € x 60%).
77
dd) Das Gericht schließt sich ausdrücklich nicht der von den Klägern ins Feld geführten Fiktionstheorie an, wonach die verdeckte Gewinnausschüttung in Form der unentgeltlichen Überlassung des Hauses R (L-Straße 4 ½), soweit sie einen behinderungsbedingten Mehrbedarf für das behindertengerechte Schlafzimmer für M und das Schlafzimmer des Klägers abdeckt, außergewöhnliche Belastungen darstellt.
78
Zwar hat die Gutachterin in dem im Verfahren 10 K …/13 eingeholten Sachverständigengutachten vom 17. Januar 2017 festgestellt, dass in das Erdgeschoss des Hauses E (L-Straße 4) kein behindertengerechtes Schlafzimmer für das Kind M hätte eingebaut werden können. Im Streitfall fehlt es jedoch für eine Anerkennung eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs betreffend das behindertengerechte Schlafzimmer für M und das Schafzimmer des Klägers im Haus R als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG an von den Klägern getragenen „Aufwendungen“ i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG. Als entsprechende Aufwendungen kommen nur Ausgaben in Geld oder Geldeswert in Betracht, die aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen abfließen (BFH-Beschluss vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BStBl II 1990, 830; BFH-Urteil vom 15. März 1991 III R 26/89, BFH/NV 1991, 669). Ausgaben sind dabei nur bewusste und gewollte wertmäßige Vermögensverwendungen (BFH-Beschluss vom 19. Juni 2006 III B 37/05, BFH/NV 2006, 2057; hierzu auch Loschelder in Schmidt, EStG, 41. Auflage 2022, § 33 Rn. 8; Arndt in Kirchhof/Söhn/Mellingshoff, EStG, § 33 Rn. B 1). Im Streitfall haben die Kläger für die Benutzung des Hauses R im Allgemeinen und für die Benutzung des behindertengerechten Schlafzimmers für M und des Schlafzimmers des Klägers im Besonderen keine wertmäßige Vermögensaufwendung in Form einer Ausgabe in Geld oder Geldeswert erbracht. Den Klägern ist das Haus R vielmehr unstreitig unentgeltlich von der t-GmbH zur Verfügung gestellt worden, was auf Seiten der Kläger jedoch gerade nicht zu einer wertmäßigen Vermögensaufwendung geführt hat. Eine solche wertmäßige Vermögensaufwendung kann auch nicht – auch nicht zumindest fiktiv – in der ertragsteuerlichen Beurteilung der unentgeltlichen Überlassung des Hauses R durch die t-GmbH als verdeckte Gewinnausschüttung gesehen werden, da auch einer solche rein steuerliche Beurteilung wiederrum keine wertmäßige Vermögensaufwendung auf Seiten der Kläger zur Folge hat, sondern vielmehr lediglich die Zuwendung eines Vermögensvorteils der t-GmbH an die Kläger in Form einer verdeckten Gewinnausschüttung der Besteuerung unterworfen wird.
79
Eine abweichende Beurteilung folgt auch nicht aus der von den Klägern genannten Entscheidung des BFH vom 26. Oktober 1987 (GrS 2/86, BStBl II 1988, 348), die insoweit nicht auf den Streitfall anwendbar ist, als es in dieser um die Gewährung eines Nutzungsvorteils einer Tochtergesellschaft an ihre Schwestergesellschaft und das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung bei der Muttergesellschaft geht; zur Frage von außergewöhnlichen Belastungen i.S.d. § 33 EStG nimmt die Entscheidung hingegen keine Stellung.
80
3. Im Streitfall ermittelt sich die festzusetzende Einkommensteuer wie folgt:
81
Im Streitjahr 2012 ist nach diesem Urteil anstatt einer vom FA angesetzten verdeckten Gewinnausschüttung im Rahmen der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens i.H.v. 7.000 € eine solche i.H.v. 8.484 € anzusetzen. Angesichts des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbots verbleibt es im Streitfall bei der vom FA in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2012 festgesetzten Einkommensteuer.
82
Im Streitjahr 2013 ist nach diesem Urteil anstatt einer vom FA angesetzten verdeckten Gewinnausschüttung wegen der unentgeltlichen Überlassung des Hauses R an den Kläger durch die t-GmbH im Rahmen der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb i.H.v. 7.000 € nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens eine solche i.H.v. 6.884 € anzusetzen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
83
Im Streitjahr 2014 ist nach diesem Urteil anstatt einer vom FA angesetzten verdeckten Gewinnausschüttung wegen der unentgeltlichen Überlassung des Hauses R an den Kläger durch die t-GmbH im Rahmen der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens i.H.v. 7.000 € eine solche i.H.v. 6.945 € anzusetzen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
84
Die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer 2013 und 2014 wird nach § 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FGO dem Beklagten übertragen.
85
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.
86
5. Die Revision wird nicht zugelassen, da kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.