Titel:
Hilfsantrag, einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, Anschlußberufung, Klageerweiterung, Unterlassungspflicht, Gerichtsvollzieher, Unbezifferter Leistungsantrag, Prozeßbevollmächtigter, Stufenklage, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Verfügungsverfahren, Hauptantrag, Berufungserwiderung, Auskunftsanspruch, Ordnungshaft, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Klageantrag, negative Feststellungsklage, Klageänderung, Feststellungsantrag
Schlagworte:
Urteil, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Patentverletzungsverfahren, Vollstreckung, Unterlassungsanspruch, Anschlussberufung, Klageänderung, Bestimmtheitsmängel, Auskunftsanspruch, Nutzungsbegriff, Feststellungsantrag, Herausgabeantrag, Klageerweiterung, Bestimmtheit von Klageanträgen, Stufenklage, Unzulässigkeit der Klage, Kostenentscheidung, Revision, Herausgabe von Informationen, Unterlassungspflicht, Zulässigkeit der Berufung, Bestimmtheitserfordernis, Herausgabeanspruch, Geschäftsgeheimnis, Loschungsanspruch, Identifizierungspflicht, Rechtsschutz
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 21.12.2023 – IX ZR 238/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 51631
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 01.12.2021, Az.: 21 O 4641/21, abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Anschlussberufung der Klägerinnen wird zurückgewiesen bzw in Bezug auf Hilfsantrag I als unzulässig verworfen.
III. Die Klägerinnen haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das vorliegende Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klagerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Hohe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerinnen verlangen von der Beklagten die Herausgabe und Loschung von Informationen, welche die Beklagte im Rahmen der Vollstreckung einer Verurteilung der Klägerinnen zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung erlangt hat Zudem machen die Klägerinnen verschiedene Unterlassungsansprüche in Bezug auf die Informationen geltend.
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In einem Patentverletzungsverfahren umgekehrten Rubrums waren die hiesigen Klagerinnen mit Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 11.07.2019, Az 4c O 39/16, vorlaufig vollstreckbar zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verurteilt worden.
3
Im Rahmen der von der Beklagten seit August 2019 betriebenen Vollstreckung aus dem Urteil erteilten die Klägerinnen Auskunft und legten Rechnung mit Schreiben vom 4./5. Mai 2020, 5. Juni 2020 und 27. Juli 2020 nebst diversen Anlagen (im vorliegenden Verfahren geschwärzt vorgelegt als Anlagenkonvolut AR 12-Schwarz; im beigezogenen Verfügungsverfahren 21 O 17815/20 als Anlagenkonvolut AR 12-Grau sowie Anlage AR 08 bis AR 17a, vgl. Bl. 13 d.A.). Die Schreiben wurden an die Beklagte (bzw. deren Prozessbevollmächtigte) elektronisch per beA sowie teilweise zusätzlich per Kurier übersandt.
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Nachdem das Klagepatent durch die Technische Beschwerdekammer des EPA mit Entscheidung vom 29.10.2020 widerrufen worden war, hob das Oberlandesgericht Düsseldorf in der Berufungsinstanz das oben genannte Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 11.07.2019 mit rechtskräftig gewordenem Schlussverzichtsurteil vom 05.11.2020 (Az. I-2 U 35/19) auf.
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Die Klägerinnen sind der Auffassung, ihnen stehe ein Anspruch auf Herausgabe und Löschung der an die Beklagte übermittelten Informationen sowie Unterlassungsanspruche zu In einem vorangegangenen Verfahren der einstweiligen Verfügung (Az. 21 O 17815/20) hat das Landgericht München I mit Beschluss vom 26.01.2021, bestätigt mit Urteil vom 12.03.2021 (Anlage AR 24), der Beklagten entsprechende Verpflichtungen auferlegt. Im Rahmen der eingelegten Berufung hat der Senat (in früherer Besetzung) mit Beschluss vom 29.04.2021 (Az. 6 U 1391/21) die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung angeordnet. Die Klägerinnen haben den Verfügungsantrag in der Folge zurückgenommen. Mit ihrer vorliegenden Klage verfolgen die Klägerinnen ihr Ziel im Wege des Hauptsacheverfahrens weiter.
6
Die Beklagte hat sich mit verschiedenen rechtlichen Argumenten, auch durch Vorlage eines privaten Rechtsgutachtens von … (Anlage BB 04), gegen die Klage verteidigt.
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Das Landgericht hat der Klage mit Endurteil vom 01.12.2021, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, weitgehend stattgegeben.
8
Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr Ziel einer vollumfänglichen Klageabweisung weiter.
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Die Beklagte beantragt:
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Das Urteil des Landgerichts München I vom 1. Dezember 2021, Az 21 O 4641/21, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
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Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.
12
Die Klagerinnen haben sich mit Schriftsatz vom 27.05.2022 der Berufung angeschlossen und verschiedene Hilfsanträge angekündigt In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 13.10.2022 haben sie diese Hilfsanträge sowie einen weiteren – zuvor nicht angekündigten – Hilfsantrag gestellt.
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Im Wege der Anschlussberufung beantragen die Klägerinnen zuletzt:
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Das Urteil des Landgerichts München I vom 1 Dezember 2021, Az. 21 O 4641/21, wird wie folgt abgeändert:
die in den Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen vom 4./5. Mai 2020, 5 Juni 2020 und 27. Juli 2020 sowie den mit diesen jeweils überreichten Anlagen an die Rechtsanwaltskanzlei … enthaltenen Informationen innerhalb einer Frist von 1 Woche ab Vollstreckung dieses Urteils
- soweit die Informationen physisch verkörpert sind, an die Klägerinnen herauszugeben – einschließlich der vom Obergerichtsvollzieher … am 4. Februar 2021 gemäß Wegnahmeprotokoll unter dem Auftragszeichen 92 DR II 122/21 weggenommenen physischen Verkörperungen der Informationen, nämlich einen Papierordner;
- soweit die Informationen nicht-physisch verkörpert sind, diese vollständig zu löschen – einschließlich der vom Obergerichtsvollzieher … am 4. Februar 2021 gemäß Wegnahmeprotokoll unter dem Auftragszeichen 92 DR II 122/21 weggenommenen nicht-physischen Verkörperungen der Informationen, nämlich solche auf einem USB-Stick –, dies zu dokumentieren und die Löschung den Klägerinnen innerhalb weiterer drei Tage nachzuweisen,
wobei sich beides auch auf indirekt und/oder mittelbar im Besitz oder Zugriffsbereich der Beklagten befindliche Informationen bezieht, insbesondere aufgrund von Auftragsverhältnissen mit Anwälten oder IT-Dienstleistern,
ausgenommen sind Informationsträger (Schriftsätze und Anlagen sowohl in elektronischer als auch nicht-elektronischer Form), die Gegenstand dieses Rechtsstreits und/oder des Verfügungsverfahrens vor dem Landgericht München I (Az. 21 O 17815/20) sind;
2. bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen CEO zu vollziehen ist,
die unter Ziffer I. 1 bezeichneten Informationen – außer zum Zwecke der Umsetzung des Tenors zu Ziffer I. 1. -
- zu besitzen oder Zugriff darauf aufrechtzuerhalten;
- zu nutzen, offenzulegen, zu vervielfältigen oder weiterzugeben, insbesondere im Rahmen von Gerichtsverfahren;
- sich über Hilfspersonen oder anderweitig erneuten Zugriff darauf zu verschaffen, insbesondere über Anwalte, Gerichtsakten, IT-Dienstleister,
wobei zu der Unterlassungspflicht gehört, für die Einhaltung der Unterlassungspflicht auch durch alle Hilfspersonen, die Kontakt mit den Informationen hatten, zu sorgen
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Hilfsweise für den Fall, dass der Hauptantrag nicht erfolgreich ist, beantragen die Klägerinnen (Ziffer II. bis IV. entsprechen den ursprünglichen mit der Anschlussberufung angekündigten Anträgen, Ziffer I und übrige Unterstreichungen wurden erstmals in der Berufungsverhandlung gestellt)
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Das Urteil des Landgerichts München I vom 1 Dezember 2021, Az 21 O 4641/21, wird wie folgt abgeändert
Verkörperungen des Schreibens der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen vom 4./5. Mai 2020. 5. Juni 2020 und 27. Juli 2020 an die Rechtsanwaltskanzlei … sowie Verkörperungen der mit diesen jeweils überreichten Anlagen innerhalb einer Frist von 1 Woche ab Vollstreckung dieses Urteils
- soweit es sich um physische Verkörperungen handelt, an die Klägerinnen herauszugeben – einschließlich der am 4. Februar 2021 gemäß Wegnahmeprotokoll unter dem Auftragszeichen 92 DR II 122/21 weggenommenen physischen Verkörperungen, nämlich einen Papierordner;
- soweit es sich um nicht-physische Verkörperungen handelt (insbesondere elektronische Dateien), diese vollständig zu löschen – einschließlich der vom Obergerichtsvollzieher … am 4. Februar 2021 gemäß Wegnahmeprotokoll unter dem Auftragszeichen 92 DR II 122/21 weggenommenen nicht-physischen Verkörperungen, nämlich solche auf einem USB-Stick -. dies zu dokumentieren und die Löschung den Klägerinnen innerhalb weiterer drei Tage nachzuweisen;
wobei sich beides auch auf indirekt und/oder mittelbar im Besitz oder Zugriffsbereich der Beklagten befindliche Informationen bezieht insbesondere aufgrund von Auftragsverhältnissen mit Anwälten oder IT-Dienstleistern, ausgenommen sind Informationsträger (Schriftsätze und Anlagen sowohl in elektronischer als auch nicht-elektronischer Form), die Gegenstand dieses Rechtsstreits und/oder des Verfügungsverfahrens vor dem Landgericht München I (Az. 21 O 17815/20) sind:
2. bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen CEO zu vollziehen ist.
die unter Ziffer I 1 bezeichneten Verkörperungen – außer zum Zwecke der Umsetzung des Tenors zu Ziffer I 1 -
- zu besitzen oder Zugriff darauf aufrechtzuerhalten,
- zu nutzen, offenzulegen, zu vervielfältigen oder weiterzugeben, insbesondere im Rahmen von Gerichtsverfahren
- sich über Hilfspersonen oder anderweitig erneuten Zugriff darauf zu verschaffen, insbesondere über Anwälte, Gerichtsakten. IT-Dienstleister,
wobei zu der Unterlassungspflicht gehört, für die Einhaltung der Unterlassungspflicht auch durch alle Hilfspersonen, die Kontakt mit den Informationen hatten, zu sorgen
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II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte
- den Klägerinnen solche physischen Verkörperungen herauszugeben hat,
- solche nicht-physisch Verkörperungen zu löschen hat,
die Informationen aus den Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen vom 4./5. Mai 2020, 5. Juni 2020 und 27 Juli 2020 sowie den mit diesen jeweils überreichten Anlagen an die Rechtsanwaltskanzlei … enthalten,
wobei sich beides auch auf indirekt und/oder mittelbar im Besitz oder Zugriffsbereich der Beklagten befindliche Verkörperungen bezieht, insbesondere aufgrund von Auftragsverhältnissen mit IT-Dienstleistern oder Anwälten,
wobei ausgenommen sind Verkörperungen (Schriftsätze und Anlagen sowohl in elektronischer als auch nicht-elektronischer Form), die Gegenstand dieses Rechtsstreits und/oder des Verfügungsverfahrens vor dem Landgericht München I (Az. 21 O 17815/20) sind;
2. es zu unterlassen hat, die unter Ziffer II. 1. genannten physischen und nicht-physischen Verkörperungen
- zu besitzen oder Zugriff darauf aufrechtzuerhalten,
- zu nutzen, offenzulegen, zu vervielfältigen oder weiterzugeben, insbesondere im Rahmen von Gerichtsverfahren,
- sich über Hilfspersonen oder anderweitig erneuten Zugriff darauf zu verschaffen, insbesondere über Anwälte, Gerichtsakten, IT-Dienstleister,
wobei zu der Unterlassungspflicht gehört, für die Einhaltung der Unterlassungspflicht auch durch alle Hilfspersonen, die Kontakt mit den zuvor genannten Verkörperungen hatten, zu sorgen.
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III. Die Beklagte wird verurteilt,
1. den Klägerinnen darüber Auskunft zu erteilen, in welchen unmittelbar oder mittelbar in ihrem Besitz oder Zugriffsbereich befindlichen physischen Verkörperungen (insbesondere Dokumenten) oder nicht-physischen Verkörperungen (insbesondere elektronischen Dateien) die Informationen aus den in Ziffer II. 1. bezeichneten Schreiben enthalten sind, insbesondere durch Vervielfältigung oder Verarbeitung der Informationen, wobei die Verkörperungen jeweils durch Erstellungsdatum und Bezeichnung eindeutig zu identifizieren sind;
2. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben durch ihren jeweils aktuellen CEO, derzeit …, an Eides Statt zu versichern;
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IV. Nach erteilter Auskunft gemäß Ziffer III. 1. und erforderlichenfalls Versicherung an Eides statt gemäß Ziffer III. 2. wird der Beklagten
1. aufgegeben, die gemäß der Auskunft gemäß Ziffer III. 1. spezifizierten Verkörperungen – soweit nicht bereits von Ziffer I. 1 erfasst – innerhalb einer Frist von 1 Woche ab Vollstreckung dieses Urteils
- im Falle von physischen Verkörperungen an die Klägerinnen herauszugeben;
- im Falle von nicht-physischen Verkörperungen diese vollständig zu löschen, dies zu dokumentieren und die Löschung den Klägerinnen innerhalb weiterer drei Tage nachzuweisen;
wobei sich beides auch auf indirekt und/oder mittelbar im Besitz oder Zugriffsbereich der Beklagten befindliche Verkörperungen bezieht, insbesondere aufgrund von Auftragsverhältnissen mit IT-Dienstleistern oder Anwälten,
wobei ausgenommen sind Verkörperungen (Schriftsätze und Anlagen sowohl in elektronischer als auch nicht-elektronischer Form), die Gegenstand dieses Rechtsstreits und/oder des Verfügungsverfahrens vor dem Landgericht München I (Az. 21 O 17815/20) sind;
2. bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen CEO zu vollziehen ist,
untersagt, – soweit nicht bereits von Ziffer I. 1 erfasst -
die unter Ziffer IV. 1. bezeichneten Verkörperungen – außer zum Zwecke der Umsetzung des Tenors zu Ziffer IV. 1. -
- zu besitzen oder Zugriff darauf aufrechtzuerhalten,
- zu nutzen, offenzulegen, zu vervielfältigen oder weiterzugeben, insbesondere im Rahmen von Gerichtsverfahren,
- sich über Hilfspersonen oder anderweitig erneuten Zugriff darauf zu verschaffen, insbesondere über Anwalte, Gerichtsakten, IT-Dienstleister,
wobei zu der Unterlassungspflicht gehört, für die Einhaltung der Unterlassungspflicht auch durch alle Hilfspersonen, die Kontakt mit den zuvor genannten Verkörperungen hatten, zu sorgen.
22
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
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Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.10.2022 Bezug genommen.
24
Die zulassige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klage ist hinsichtlich der Hauptantrage mangels Bestimmtheit unzulässig (dazu I.). Hinsichtlich der im Schriftsatz vom 27.05.2022 angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Hilfsantrage ist die Klage ebenfalls unzulässig, da auch diese Anträge zu unbestimmt sind (dazu II.). Der erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellte Hilfsantrag I stellt eine unzulässige, da verfristete Klageerweiterung in zweiter Instanz dar (dazu III.). Auf die Berufung der Beklagten war das erstinstanzliche Urteil daher abzuändern und die Klage insgesamt als unzulässig abzuweisen. Die zulassige Anschlussberufung der Klägerinnen ist folglich unbegründet bzw. in Bezug auf Hilfsantrag I. unzulässig.
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I. In Bezug auf die Hauptanträge ist die Klage unzulässig, da die Klageantrage nicht bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind.
1. Hauptantrag I. 1 Spiegelstrich 1 (Herausgabe von Informationen)
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Der Antrag I. 1 Spiegelstrich 1 ist unbestimmt.
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a) Der Antrag ist darauf gerichtet, „die in den Schreiben […] enthaltenen Informationen […], soweit die Informationen physisch verkörpert sind, an die Klagerinnen herauszugeben“
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Insoweit ist bereits nicht klar, was unter „verkörperte Informationen“ zu verstehen ist Vor allem aber bleibt unklar, wie die Informationen als solche – und nicht etwa die Verkörperungen der Informationen – „herausgegeben“ werden sollen Informationen können weder den „Besitzer“ wechseln, noch können diese bei einer Person endgültig „abfließen“ und einer anderen Person „zufließen“ Sie können daher nicht „herausgegeben“, sondern lediglich „geteilt“ werden.
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Der Antrag kann auch nicht dahin ausgelegt werden, dass dieser (allein) auf die Herausgabe von Verkörperungen der Informationen gerichtet ist Dafür konnte zwar sprechen, dass vom Antrag auch die „physischen Verkörperungen der Informationen“ erfasst sein sollen, die der Gerichtsvollzieher im Rahmen der Vollstreckung der vorangegangenen einstweiligen Verfugung weggenommen hat. Nachdem der Senat im Beschluss über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung auf Bestimmtheitsbedenken hingewiesen hat, haben die Klägerinnen den Hauptantrag jedoch nicht dahingehend präzisiert bzw. klargestellt, dass dieser – abweichend von seinem Wortlaut – auf die Herausgabe der Verkörperungen der Informationen gerichtet sein soll Vielmehr wurden lediglich die mit der Anschlussberufung gestellten Hilfsantrage entsprechend gefasst. Zudem wird in der Berufungserwiderungs- und Anschlussberufungsschrift unter Rn. 45 zwar von den „vom Tenor erfassten Verkörperungen“ gesprochen In Rn 46 führen die Klägerinnen jedoch ausdrücklich aus, dass es „bei der gebotenen Rückabwicklung der Auskunft und Rechnungslegung nicht um die Ruckholung bestimmter Verkörperung [geht], sondern der erteilten Informationen an sich Objekt der Rückabwicklung sind damit die Informationen.“
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Im Hinblick darauf kann der Herausgabeantrag nur gemäß seinem Wortlaut verstanden werden und ist daher, wie dargelegt, bereits deshalb nicht bestimmt, weil unklar bleibt, wie die Informationen als solche herausgegeben werden können.
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b) Der Antrag ist zudem – unabhängig davon, ob dieser auf Herausgabe der Informationen als solcher oder deren Verkörperungen gerichtet ist – auch deshalb unbestimmt, weil in diesem lediglich pauschal auf die Schreiben vom 4./5. Mai 2020, 5. Juni 2020 und 27 Juli 2020 sowie die mit diesen jeweils überreichten Anlagen Bezug genommen wird, ohne die darin enthaltenen – zahlreichen und verschiedenen – Informationen naher zu bezeichnen Es wird daher nicht klar, welche konkreten Informationen gemeint sind Folglich lasst sich auch nicht bestimmen, wann eine Information im Fall der Verarbeitung in einem bestimmten Dokument enthalten ist.
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c) Selbst wenn in einem (eigenen) Dokument (der Beklagten) enthaltene Informationen als vom Antrag umfasste Information identifizierbar sein sollten, bleibt die Reichweite der Herausgabeverpflichtung unklar. Denn der Hauptantrag bezieht sich nicht auf die Herausgabe des (kompletten) Dokuments, das die Information enthalt (dann wäre die Reichweite der Herausgabeverpflichtung klar, der Antrag aber unter Umständen zu weit gefasst, was jedoch eine Frage der Begrundetheit wäre) Vielmehr soll – nur – die betreffende Information herausgeben werden Unabhängig davon, wie Informationen als solche überhaupt herausgegeben werden können (vgl oben), bleibt unklar, wie die isolierte Herausgabe einer in einem Dokument, das daneben weitere, nicht vom Antrag umfasste Informationen enthält, enthaltenen Information vonstattengehen soll.
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d) Über die genannten Bestimmtheitsmängel hilft auch die Argumentation des Landgerichts, die Beklagte wisse aufgrund der ihr im Rahmen der Vollstreckung übergebenen Schreiben sehr genau, welche Anlagen diesen jeweils beigegeben waren, nicht hinweg.
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Zunächst konnte man insoweit bereits die Frage aufwerfen, ob es im Falle einer begehrten Vollstreckbarkeit eines Titels nach § 883 ZPO genügt, im Tenor lediglich auf bestimmte sich in den Akten befindliche Schreiben und Anlagen Bezug zu nehmen, ohne diese Bezugsdokumente mit dem Urteil als Anlagen fest zu verbinden. Denn nicht nur die Beklagte muss Kenntnis vom Inhalt der Schreiben bzw. Anlagen haben, sondern auch das Vollstreckungsorgan So benötigt im vorliegenden Fall der Gerichtsvollzieher bei der Vollstreckung die im Antrag bezeichneten Schreiben nebst Anlagen als Vergleichsdokumente, um feststellen zu können, ob die in den potentiell herausgabepflichtigen Dokumenten enthaltenen Informationen mit den dann enthaltenen Informationen übereinstimmen. Dem Gerichtsvollzieher durften dabei – anders als etwa dem Prozessgericht bei der Vollstreckung von Unterlassungsansprüchen nach § 890 ZPO – die Akten in der Regel nicht vorliegen. Die aufgeworfene Frage bedarf hier indes keiner Entscheidung.
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Denn es mag zwar zutreffen, dass die Bezugsdokumente, wie im landgerichtlichen Urteil ausgeführt, im Antrag hinreichend bestimmt bezeichnet sind und jedenfalls die Beklagte weiß, um welche Dokumente es sich handelt. Wie unter b) ausgeführt, scheitert die Bestimmtheit allerdings daran, dass die in den Schreiben vom 4./5. Mai 2020, 5 Juni 2020 und 27 Juli 2020 und deren Anlagen enthaltenen Informationen, die Gegenstand der Herausgabe sein sollen, nicht naher umrissen sind.
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Auch das weitere Argument des Landgerichts, der Gerichtsvollzieher habe im Rahmen der Vollstreckung der vorangegangenen einstweiligen Verfugung offenbar keinerlei Schwierigkeiten gehabt, die betroffenen Informationen auf Grundlage der erlassenen Verfugung (deren Tenor gleich lautete) zu identifizieren, vermag nicht zu überzeugen Zum einen kann – wie der Senat bereits im Beschluss über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ausgeführt hat – nicht davon ausgegangen werden, dass der Gerichtsvollzieher die betreffenden Unterlagen vollstandig weggenommen hat. Zum anderen hat die Beklagte unbestritten vorgetragen, dass ihr Prozessbevollmächtigter die betreffenden Unterlagen bzw. Datenträger dem Gerichtsvollzieher übergeben hat. Der Gerichtsvollzieher hat mithin selbst keine Identifizierung der Dokumente vorgenommen.
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e) Auch das Vorbringen der Klagerinnen in der Berufungserwiderungs- und Anschlussberufungsschrift vermag an der fehlenden Bestimmtheit des Antrags nichts zu ändern.
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aa) Soweit die Klagerinnen geltend machen, dass § 7 Nr. 1 GeschGehG einen Herausgabe- und Loschungsanspruch vorsehe, der sich auch auf Dokumente und Dateien beziehe, die die Informationen in abgewandelter Form enthalten, mag dies in materiell-rechtlicher Hinsicht zutreffend sein Damit ist allerdings noch keine Aussage darüber verbunden, wie in einem solchen Fall der Klageantrag gefasst sein muss, um dem Bestimmtheitserfordernis nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen.
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Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass auch § 7 Nr. 1 GeschGehG einen Herausgabeanspruch der die Geschäftsgeheimnisse enthaltenden Dokumente – also der Verkörperungen und nicht der Informationen als solcher – vorsieht
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bb) Ebenso ist es grundsätzlich zutreffend, wenn die Klagerinnen unter Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH, GRUR 2016, 109 Rn 9 – Kanzler Kohls Tonbänder) ausführen, dass nicht jede mögliche Unsicherheit bei der Zwangsvollstreckung zur Unbestimmtheit des Klageantrags fuhrt und die Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags anhand der Umstände des Einzelfalls in Abwägung des zu schutzenden Interesses des Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu können, sowie seines Interesses an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwurdigen Interesse des Klagers an einem wirksamen Rechtsschutz festzulegen sind Danach reicht es für die Bestimmtheit eines Herausgabeanspruchs grundsätzlich aus, dass die herauszugebenden Gegenstande hinreichend identifizierbar sind (vgl. BGH a.a.O. Rn. 10), wobei bei der Herausgabe einer Unterlage oder eines Dokuments der Umstand, dass der Gerichtsvollzieher dabei das jeweilige Schriftstück durchlesen muss, die hinreichende Bestimmtheit nicht hindert (vgl. OLG München, Endurt. v. 2.10.2019 – 7 U 13/18, NJOZ 2020, 1014 Rn. 49).
41
Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Hauptantrag I. 1 Spiegelstrich 1 jedoch entgegen der Auffassung der Klägerinnen nicht ausreichend bestimmt Ungeachtet dessen, dass der Antrag bereits nicht auf die Herausgabe von gegenständlichen Dokumenten, sondern der Informationen als solcher gerichtet ist (vgl. oben a)), scheitert die Bestimmtheit vor allem daran, dass die Klagerinnen die betreffenden Informationen im Antrag nicht naher bezeichnet haben, sondern lediglich pauschal auf die in bestimmten Schreiben bzw Anlagen enthaltenen Informationen Bezug genommen haben (vgl. oben b)) Anders als die Klägerinnen meinen, wäre ihnen eine konkretere Beschreibung der Informationen (und damit ggf der Verkörperungen, die die Informationen enthalten) ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen, etwa indem sie im Antrag auf die in den Schreiben vom 4./5. Mai 2020, 5 Juni 2020 und 27 Juli 2020 von ihnen geschwärzten bzw. gegrauten Informationen (und nicht nur pauschal auf die Schreiben im Ganzen) Bezug genommen hatten und/oder die Informationen im Antrag näher bezeichnet hatten.
42
cc) Auch aus der von den Klägerinnen zitierten Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. (GRUR-RR 2021, 229 – Vliesstoffe) folgt nichts anderes. Vielmehr stutzt diese allenfalls das vom Senat gefundene Ergebnis.
43
So ist auch das OLG Frankfurt a.M. (a.a.O. Rn. 17) davon ausgegangen, dass, wenn die Antragstellerin selbst nicht den gesamten Inhalt einer Anlage als Geschäftsgeheimnis ansieht, die pauschale Bezugnahme auf diese Anlage, ohne insoweit im Antrag zu differenzieren, auf welchen Teil der Inhalte sich ein beantragtes Verbot erstrecken solle, den Bestimmtheitsanforderungen nicht genügt.
44
Auch vorliegend gehen die Klägerinnen offensichtlich selbst davon aus, dass nicht sämtliche in den Schreiben vom 4./5. Mai 2020, 5. Juni 2020 und 27 Juli 2020 enthaltenen Informationen geheimhaltungsbedürftige bzw. sensible Informationen darstellen, die der Herausgabepflicht unterfallen sollen, was sich insbesondere daran zeigt, dass die Klagerinnen die in den Schreiben enthaltenen Informationen nur teilweise geschwärzt bzw gegraut haben (vgl. Anlagenkonvolut AR 12 im vorliegenden Hauptsacheverfahren sowie die Anlagen AR 12-Grau und die Anlagen AR 08 bis AR 17a im vorangegangenen Verfügungsverfahren, Az 21 O 17815/20) Wie bereits ausgeführt, wäre es den Klägerinnen ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen, den Antrag auf die markierten Passagen in den Schreiben zu beschranken. Nachdem dies nicht geschehen ist, dürfte der vorliegende Antrag eher mit dem vom OLG Frankfurt a.M. ebenfalls als zu unbestimmt erachteten dortigen ersten Hilfsantrag vergleichbar sein, wobei die Vergleichbarkeit der jeweiligen Falle ohnehin nicht abschließend beurteilt werden kann, da der genaue Inhalt der Anlagen im dort entschiedenen Fall nicht bekannt ist.
45
dd) Nach alledem können sich die Klägerinnen nicht mit Erfolg darauf berufen, eine weitergehende Konkretisierung des Antrags sei ihnen nicht möglich, weshalb die bestehende Unsicherheit im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes hinzunehmen sei.
2. Hauptantrag I. 1 Spiegelstrich 2 (Löschung von Informationen)
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Auch der Antrag I. 1 Spiegelstrich 2 ist nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
47
Zwar durfte insoweit, anders als bezüglich der beantragten Herausgabe von Informationen (vgl. oben I. 1.a), klar sein, was unter einer Loschung von nicht-physisch verkörperten Informationen zu verstehen ist Auch die zu löschenden Informationen lassen sich jedoch nicht ausreichend identifizieren, da im Antrag lediglich pauschal auf in bestimmten Schreiben und Anlagen enthaltene Informationen Bezug genommen wird, ohne diese Informationen zu konkretisieren (vgl. oben I. 1 b). Ebenso gilt das unter I. 1 c Ausgeführte auch für die Loschungspflicht, da unklar bleibt, ob in einem elektronischen Dokument bzw einer Datei nur die (unterstellt identifizierbaren) betreffenden Informationen oder das gesamte elektronische Dokument bzw die komplette Datei zu loschen sind
3. Hauptantrag II. 2 (Unterlassung)
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Der auf Unterlassung gerichtete Hauptantrag II 2 ist ebenfalls nicht hinreichend bestimmt gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
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a) Nachdem der Antrag auf die im Antrag I. 1 bezeichneten Informationen Bezug nimmt, dieser jedoch mangels weiterer Konkretisierung der Informationen zu unbestimmt ist, schlagt der Bestimmtheitsmangel auch auf den Hauptantrag II. 2 durch.
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b) Darüber hinaus hatte der Senat (in anderer Besetzung) bereits im Beschluss vom 29.04.2021, Az. 6 U 1391/21, über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung im vorangegangenen Verfügungsverfahren darauf hingewiesen, dass näher herauszuarbeiten sein wird, was unter einer „Nutzung“ der Informationen – insbesondere im Rahmen von Gerichtsverfahren – im Sinne des Antrags II. 2 Spiegelstrich 2 zu verstehen ist. Dies ist aber bis zuletzt auch im vorliegenden Hauptsacheverfahren nicht mit der erforderlichen Klarheit geschehen.
51
Wie sich aus dem von der Beklagten als Anlage B 15 vorgelegten Schriftsatz der Klägerinnen vom 16.04.2021 im Verfügungsverfahren (dort S 11, Rn. 43 f) ergibt, sind die Klägerinnen der Auffassung, dass bereits der Vortrag der Beklagten im Rahmen einer vor dem Landgericht Dusseldorf von ihr erhobenen negativen Feststellungsklage, dass sie „unter Berücksichtigung des Inhalts der erteilten Auskunft und Rechnungslegung davon ausgehen muss, dass der [dortigen] Beklagten aufgrund der Vollstreckung des Urteilstenors kein bezifferbarer Schaden entstanden ist“, einen Verstoß gegen das Nutzungsverbot wie mit Antrag I. 2 Spiegelstrich 2 beantragt darstellen soll Damit kaum in Einklang zu bringen ist, wenn die Klagerinnen (in Reaktion auf die Ausführungen des Senats im Einstellungsbeschluss vom 13.01.2022) in der Berufungserwiderung ausführen, ein einfaches Bestreiten bzw ein Bestreiten mit „rechtlichem Nichtwissen“ müsse der Beklagten erlaubt sein, allerdings kein qualifiziertes Bestreiten Denn auch das zuvor zitierte Vorbringen in der negativen Feststellungsklage geht inhaltlich letztlich nicht über ein einfaches Bestreiten des Entstehens eines bezifferbaren Schadens hinaus Die Beklagte weist vielmehr zu Recht darauf hin, dass die Klägerinnen im Schriftsatz Anlage B 15 einen denkbar weiten Nutzungsbegriff zugrunde gelegt haben, unter den jedes prozessuale Verhalten fallt, das nur irgendwie auf den streitgegenständlichen Informationen basiert Damit wurde aber grundsatzlich auch bereits die Entscheidung darüber, dass eine Tatsache (einfach bzw. mit „rechtlichem Nichtwissen“) bestritten wird, eine Nutzung im von den Klagerinnen weit verstandenen Sinne darstellen, sofern die Entscheidung (auch) auf Erkenntnissen aus der Auskunftserteilung beruht, wovon regelmäßig auszugehen sein wird, da das auf Seiten der Beklagten erworbene Wissen faktisch nicht mehr ausgeblendet werden kann.
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Inhalt und Reichweite des beantragten Nutzungsverbots lassen sich damit auch nicht durch eine Auslegung des Antrags unter Berücksichtigung der klagerischen Ausführungen hinreichend klar bestimmen.
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Hinzu kommt, dass der Beklagten mit dem Antrag sowohl die „Nutzung“ als auch die „Offenlegung“ der betreffenden Informationen – insbesondere im Rahmen von Gerichtsverfahren – untersagt werden soll. Wenn allein ein positiver Vortrag der Informationen, also deren Offenlegung im Prozess eine Nutzung darstellen würde, bleibt allerdings unklar, worin letztlich der Unterschied zwischen den beiden kumulativ beantragten Verboten („nutzen“ und „offenzulegen“) bestehen soll.
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4. Nachdem die Hauptantrage somit insgesamt unbestimmt sind, war die Klage insoweit als unzulässig abzuweisen und es war über die Hilfsantrage zu entscheiden.
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II. In Bezug auf die mit Schriftsatz vom 27.05.2022 angekündigten Hilfsanträge (Hilfsantrage II bis IV gemäß neuer Nummerierung) liegt eine Klageänderung vor, wobei offenbleiben kann, ob diese sachdienlich und damit zulässig ist (dazu 1.) Jedenfalls sind die Hilfsanträge II bis IV ebenfalls zu unbestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und die Klage ist daher auch insoweit unzulässig (dazu 2).
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1. Bei den mit Schriftsatz vom 27.05.2022 angekündigten Hilfsantragen (gestellte Hilfsanträge II bis IV) handelt es sich um eine (eventuelle) Klageanderung im Sinne von § 263 (bzw § 533) ZPO.
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Dies folgt zum einen daraus, dass die Hauptantrage auf Herausgabe, Löschung und Unterlassung die Informationen als solche betrafen, während sich die Hilfsanträge auf die Verkörperungen der Informationen beziehen Wie unter I 1 a ausgeführt, konnten die Hauptantrage auch nicht in letzterem Sinne verstanden werden.
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Zum anderen ist eine Klageanderung gemäß § 263 ZPO in der mit den Hilfsantragen erfolgten Umstellung auf eine Stufenklage zu sehen Anders als im umgekehrten Fall, dass in der Berufungsinstanz vor Erledigung der Auskunftsstufe einer Stufenklage vom unbezifferten Leistungsantrag sogleich zu einem bezifferten Leistungsantrag übergegangen wird, liegt hier keine bloße Klageerweiterung im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO vor (vgl. dazu BGH, NJW 2015, 1093 Rn. 9). Vielmehr handelt es sich vorliegend um eine Klageanderung nach § 263 ZPO in Form einer nachträglichen Anspruchshäufung, da ein neuer Anspruch – nämlich der Auskunftsanspruch – in das Verfahren eingeführt wird (so auch zutreffend OLG Bamberg, BeckRS 2000, 2005, offengelassen von OLG Düsseldorf, BeckRS 2019, 47843 Rn. 88).
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Es handelt sich mithin um eine klageandernde Anschlussberufung, die innerhalb der Anschlussberufungsfrist nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO eingereicht werden muss (vgl. BGH, NJW 2008, 1953), was vorliegend geschehen ist.
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Ob die Klageänderung – nachdem die Gegenseite in diese nicht eingewilligt hat – als sachdienlich gemäß § 533 Nr. 1 ZPO angesehen werden kann, kann offenbleiben, da – wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt – die Hilfsantrage II. bis IV. letztlich an denselben Bestimmtheitsmängeln wie die Hauptanträge leiden, so dass die Klage auch insoweit als unzulässig abzuweisen ist.
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2. Die Hilfsanträge II und III sind ebenfalls nicht bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Infolgedessen war die Klage auch hinsichtlich Hilfsantrag IV. abzuweisen
a) Hilfsantrag II. 1 (Feststellung der Herausgabe- und Löschungspflicht)
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Die Bestimmtheit des Hilfsantrags II. 1 scheitert nicht bereits daran, dass Informationen als solche nicht herausgegeben werden können. Denn der Hilfsantrag ist – anders der Hauptantrag – nunmehr ausdrücklich darauf gerichtet, die „physischen Verkörperungen“, die die Informationen enthalten, herauszugeben.
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Auch dürfte insoweit die Reichweite des Herausgabeantrags hinreichend klar sein, da dieser auf die Herausgabe der kompletten physischen Verkörperungen, also etwa eines gesamten Dokuments, gerichtet ist, die betreffenden Informationen enthalten. Dass der Antrag dadurch unter Umständen zu weit gefasst ist, weil die Beklagte kaum verpflichtet sein kann, auch die in entsprechenden Dokumenten enthaltenen eigenen Informationen an die Klagerinnen herauszugeben, wäre erst im Rahmen der Begrundetheit zu prüfen.
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Der Hilfsantrag II. 1 ist jedoch deshalb zu unbestimmt, weil aufgrund der pauschalen Bezugnahme auf die Schreiben vom 4./5. Mai 2020, 5 Juni 2020 und 27. Juli 2020 sowie den mit diesen jeweils überreichten Anlagen nicht klar ist, welche darin enthaltenen Informationen konkret gemeint sind, so dass auch nicht bestimmt werden kann, welche physischen und nichtphysischen Verkörperungen die betreffenden Informationen enthalten.
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Die Klägerinnen können sich insoweit auch nicht erfolgreich darauf berufen, in Bezug auf die Bestimmtheit seien die Anforderungen für Feststellungsanträge nicht so hoch wie bei Leistungsantragen, weil sie nicht unmittelbar vollstreckbar sind (vgl. S 20, Rn. 58 der Berufungserwiderung) Zwar ist Letzteres zutreffend Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwieweit ein Klager ein rechtliches Interesse an einer Feststellung nach § 256 Abs. 1 ZPO haben sollte, deren Inhalt und Reichweite nicht klar ist.
b) Hilfsantrag II 2 (Feststellung Unterlassungspflicht)
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Auch hinsichtlich Hilfsantrag II 2 schlägt die Unbestimmtheit von Hilfsantrag II. 1 (fehlende Konkretisierung der Informationen) auf diesen durch.
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Darüber hinaus ist bezüglich Spiegelstrich 2 des Antrags nicht klar, was mit dem Begriff „nutzen“ gemeint ist Insoweit resultiert die mangelnde Bestimmtheit daraus, dass der Antrag auch im Hinblick auf die „Nutzung“, die der Beklagten untersagt werden soll, auf die Nutzung der Verkörperungen umgestellt wurde In Bezug auf das beantragte Nutzungsverbot ergibt diese Umstellung des Antrags allerdings wenig Sinn Denn es ist nicht klar, wann etwa ein Papierdokument, das die Informationen enthält, „genutzt“ wird (eine denkbare Nutzung eines Papierkonvoluts konnte etwa darin bestehen, dass dieses unter ein Tischbein gelegt wird, um ein Wackeln des Tisches zu verhindern).
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Entsprechendes gilt, soweit der Beklagten untersagt werden soll, die „Verkörperungen […] offenzulegen“. Es bleibt unklar, ob davon (nur) die Offenlegung etwa eines konkreten Papierdokuments, das die Informationen enthält, oder (auch) die Offenlegung der in dem Dokument enthaltenen Informationen als solcher umfasst sein soll.
c) Hilfsantrag III. 1 (Auskunft)
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Auch hinsichtlich des auf Auskunft gerichteten Hilfsantrags III. 1 scheitert die Bestimmtheit an der pauschalen Bezugnahme auf die Schreiben vom 4./5. Mai 2020, 5 Juni 2020 und 27 Juli 2020 sowie den mit diesen jeweils überreichten Anlagen, wodurch nicht klar wird, welche Informationen konkret gemeint sind und wann diese in physischen und nicht-physischen Verkörperungen enthalten sind. Für die Beklagte wird daher nicht klar ersichtlich, über welche Dokumente, elektronische Dateien etc Auskunft zu erteilen ist.
d) Hilfsantrag IV. („unbezifferter“ Leistungsantrag)
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Von der Abweisung der Klage als unzulässig ist auch der Hilfsantrag IV umfasst.
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Zwar ist über den unbezifferten Leistungsantrag einer Stufenklage grundsatzlich erst nach Rechtskraft der Auskunftsstufe zu entscheiden Insbesondere kann der Leistungsantrag grundsätzlich nicht sogleich mit der Begründung abgewiesen werden, dieser sei zu unbestimmt. Denn es ist gerade Sinn und Zweck der Stufenklage, dass der Leistungsantrag auf der letzten Stufe erst nach erteilter Auskunft beziffert – oder wie hier – konkretisiert werden soll.
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Die Stufenklage ist allerdings sogleich insgesamt abzuweisen, wenn der Auskunftsanspruch aus Gründen verneint wird, die auch den weiteren Antragen, insbesondere dem Leistungsantrag auf der letzten Stufe, den Boden entziehen (Becker-Eberhard, in: MuKoZPO, 6 Aufl., § 254 Rn. 20), wenn also die Grunde für Unzulässigkeit oder Unbegründetheit auch den Hauptanspruch erfassen (Seiler, in. Thomas/Putzo, ZPO, 43 Aufl., § 254 Rn. 5). Dies ist insbesondere der Fall, wenn schon die Prüfung des Auskunftsanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiellrechtliche Grundlage fehlt oder wenn die Klage hinsichtlich aller Antrage unzulässig ist (Bacher, in BeckOK ZPO/Bacher, 46. Ed 1.9.2022, ZPO § 254 Rn 19; Greger in Zoller, ZPO, 34. Aufl., § 254 Rn. 9).
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Nichts anderes kann in der vorliegenden Konstellation gelten, in der die Klage im Auskunftsantrag als unzulässig abzuweisen ist. Denn hierdurch steht bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Auskunftsstufe fest, dass die Klägerinnen die begehrte Auskunft nicht erhalten werden und sie deshalb den Leistungsantrag auf letzter Stufe nicht – wie beabsichtigt – auf Grundlage der Auskunft konkretisieren werden können. Dem Leistungsantrag auf der letzten Stufe wird dadurch in gleicher Weise der Boden entzogen, wie wenn die Klage auf der Auskunftsstufe als unbegründet abgewiesen wird Es wäre wenig sachgerecht, die Entscheidung über den Leistungsantrag und insbesondere auch die Kostenentscheidung offenzulassen, wenn bereits feststeht, dass es im vorliegenden Verfahren nicht mehr zu dessen „Bezifferung“ bzw Konkretisierung kommen kann.
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III. In Bezug auf den (neuen) Hilfsantrag I., den die Klagerinnen erstmals in der Berufungsverhandlung gestellt haben, liegt eine Klageerweiterung vor, die unzulässig ist, da diese nicht innerhalb der Anschlussberufungsbegründungsfrist nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO erfolgt ist, so dass die Anschlussberufung insoweit als unzulässig zu verwerfen war.
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1. Der neue Hilfsantrag I stellt gegenüber dem Hauptantrag eine (hilfsweise) Klageanderung nach § 263 ZPO dar, da die Hauptantrage auf Herausgabe, Löschung und Unterlassung die Informationen als solche betrafen, während der Hilfsantrag I sich auf die Verkörperungen der Informationen (bzw die Verkörperungen der Schreiben vom 4./5. Mai 2020, 5. Juni 2020 und 27. Juli 2020 und deren Anlagen) bezieht Wie oben ausgeführt, können die Hauptantrage auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass in diesen die Herausgabe und Loschung von Verkörperungen (auch etwa als Minus) bereits enthalten war.
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Die Klageänderung ist unzulässig, da diese nicht innerhalb der Frist nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO, sondern erst in der Berufungsverhandlung erfolgt ist (vgl. BGH, NJW 2008, 1953).
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2. Die Zulassigkeit des Hilfsantrags I kann auch nicht damit begründet werden, dass dessen Inhalt als Minus bereits in den fristgerecht eingereichten Hilfsantragen II. 1 (ursprunglich Hilfsantrag I. 1) oder IV. 1 (ursprunglich Hilfsantrag III. 1) enthalten gewesen wäre. Insoweit kann offenbleiben, ob dies überhaupt der Fall war und ob die mit den Hilfsantragen II und IV verbundene Klageanderung ihrerseits sachdienlich nach § 533 Nr. 1 ZPO und damit zulässig war. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass der neue Hilfsantrag I in den beiden genannten Hilfsantragen II. und IV. grundsätzlich bereits mit enthalten war, handelt es sich bei diesem gleichwohl nicht nur um ein Weniger (Minus), sondern zugleich um ein Mehr Denn der Feststellungantrag (Hilfsantrag II.) und der Leistungsantrag (Hilfsantrag IV.) sind jeweils „unbeziffert“ (noch nicht konkretisiert), während der Hilfsantrag I. eine teilweise „Bezifferung“ (Konkretisierung) des Leistungsantrags darstellt. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2015, 1093 Rn 10) ist aber sowohl im Übergang von einem nicht bezifferten Feststellungsantrag zu einem bezifferten Zahlungsantrag als auch in der Bezifferung eines zunächst unbestimmten Leitungsantrags bei einer Stufenklage, ohne die Bescheidung des Auskunftsanspruchs abzuwarten, eine Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO zu sehen. Folglich stellt auch der Hilfsantrag I eine Klageerweiterung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO gegenüber den Hilfsantragen II. und IV. dar.
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Eine solche Klageerweiterung kann in der Berufungsinstanz zwar erfolgen, ohne dass die Voraussetzungen des § 533 ZPO vorliegen müssen. Sie ist jedoch innerhalb der Anschlussberufungsfrist nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO geltend zu machen (BGH, NJW 2015, 2812) Nachdem der Hilfsantrag I. von den Klägerinnen nicht innerhalb der ihnen wirksam gesetzten Frist zur Berufungserwiderung, sondern erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellt wurde, ist die darin liegende Klageerweiterung unzulässig und die Anschlussberufung war daher insoweit als unzulässig zu verwerfen.
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IV. Nach alledem hat die Berufung der Beklagten in vollem Umfang Erfolg. Sie führt zur Abänderung des landgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage insgesamt als unzulässig Die Anschlussberufung der Klägerinnen war folglich zurückzuweisen bzw als unzulässig zu verwerfen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Es war, wie die Ausführungen unter B zeigen, lediglich über die Bestimmtheit konkreter Klageantrage im Einzelfall unter Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsatze zu entscheiden.