Inhalt

LG München I, Beschluss v. 17.10.2022 – 3 Qs 27/22
Titel:

Voraussetzungen der Beschlagnahme eines Cloudservers

Normenkette:
StPO § 94 Abs. 1, Abs. 2
Leitsatz:
Es bestehen keine hinreichenden Gründe iSd § 94 Abs. 1 StPO für die Annahme, dass sich auch auf einem Cloudserver verfahrensrelevante Daten befinden, wenn sich aus dem Ergebnis der vorhergehenden Ermittlungen ergab, dass die verfahrensrelevanten Daten auf dem Rootserver liegen und lediglich aus ermittlungstaktischen Gründen die Sicherstellung beider Systeme angeregt wurde, um zu vermeiden, dass nach einer Sicherstellung nur des Rootservers auf dem Cloudserver beweiserhebliche Daten vernichtet werden. (Rn. 5) (red. LS Alexander Kalomiris)
Schlagworte:
Beschlagnahme, Cloudserver, Rootserver, verfahrensrelevante Daten
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 22.06.2022 – ER VII Gs 9875/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 51288

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin … gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 22.06.2022, Gz.: ER V Gs 7187/22 (in den Anträgen fälschlich bezeichnet als „ER V Gs 7181/22“), wird
a) der angefochtene Beschluss insoweit aufgehoben und insoweit dessen Rechtswidrigkeit festgestellt, als sich dieser nicht nur auf die Daten des Rootservers, sondern auch auf die Daten des Cloudservers bezieht.
b) angeordnet, dass die gespeicherten Daten der Beschwerdeführerin, insbesondere die Mitgliederdaten, zu löschen sind, abgesehen von der aus der Auswertung des Rootservers gewonnenen verfahrensrelevanten Information zum Uploadvorgang der unter Geheimheltung stehenden polizeilichen Daten.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet verworfen.
2. Die Beschwerdeführerin trägt nach Maßgabe der folgenden Sätze die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beschwerdegebühr wird um die Hälfte ermäßigt. Von den notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin hat die Staatskasse die Hälfte zu tragen.

Gründe

I.
1
Mit dem Beschluss vom 22.06.2022 (Bl. 20-21 d.A.) hat das Amtsgericht München ohne vorherige Anhörung die Beschlagnahme sämtlicher auf dem Rootserver und auf dem Cloudserver befindlichen Daten der … angeordnet, und zwar mit der Begründung, dass ein unbekannter Dritter geheimhaltungsbedürftige polizeiliche Daten zum „G-7“-Einsatz auf der Online-Plattform der … verlinkt habe.
2
Gegen den Beschluss wendet sich die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 13.07.2022, eingegangen beim Amtsgericht am 03.08.2022.
3
Der Beschwerde hat das Amtsgericht München mit Beschluss vom 25.08.2022, Gz.: ER VII Gs 9875/22, nicht abgeholfen.
II.
4
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist statthaft und auch sonst zulässig, § 306 Abs. 1 StPO.
5
Die Beschwerde ist auch begründet, soweit sie sich gegen die Anordnung der Beschlagnahme auf dem Cloudserver richtet. Aus Sicht der Kammer bestanden bei Erlass des Beschlusses keine hinreichenden Gründe für die Annahme, dass sich auch auf dem Cloudserver verfahrensrelevante Daten befinden würden, weil sich aus dem Ergebnis der vorhergehenden Ermittlungen ergab, dass die verfahrensrelevanten Daten auf dem Rootserver liegen (Bl. 11 d.A.). Gemäß der ergänzenden Stellungnahme des BayLKA (Bl. 98 d.A.) sei lediglich aus ermittlungstaktischen Gründen die Sicherstellung beider Systeme angeregt worden, um zu vermeiden, dass nach einer Sicherstellung nur des Rootservers auf dem Cloudserver beweiserhebliche Daten vernichtet werden. Diese Begründung enthält jedoch keine einzelfallbezogenen hinreichenden Anhaltspunkte, dass sich zum fraglichen Zeitpunkt tatsächlich beweiserhebliche Daten auf dem Cloud-Server befanden.
6
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, soweit sie sich auch gegen die Anordnung der Beschlagnahme auf dem Rootserver richtet. Insoweit wird den zutreffenden Gründen des Beschlusses vom 22.06.2022 beigetreten. Es bestanden hinreichende Gründe für die Annahme, die verfahrensrelevanten Informationen auf dem Cloud-Server aufzufinden (s.o.). Die Anordnung des Eingriffs war insoweit auch verhältnismäßig angesichts der Schwere der vorgeworfenen Straftat, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland.
7
Die Daten waren schon deshalb, soweit angeordnet, zu löschen, weil sie für die polizeilichen Ermittlungen nicht mehr benötigt werden. Gemäß einer ergänzenden Stellungnahme des BayLKA (Bl. 98/99) erfolgte in Vollzug des Beschlusses lediglich eine Sicherung des Rootservers, nicht jedoch eine Sicherung des Cloudservers.
8
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 4 StPO. Der ungefähr hälftige Erfolg des Rechtsmittels rechtfertigt es, die Beschwerdeführerin von der Hälfte der Kosten freizustellen.